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Predigt: Die beiden Baumeister und ihr Bau (Mt 7,24-27)

Predigt: Die beiden Baumeister und ihr Bau (Mt 7,24-27)

„Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, den vergleiche ich mit einem klugen Manne, der sein Haus auf einen Felsen baute. Da nun ein Platzregen fiel und ein Gewässer kam, und wehten die Winde und stießen an das Haus, fiel es doch nicht; denn es war auf einen Fels gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der ist einem törichten Manne gleich, der sein Haus auf den Sand baute. Da nun ein Platzregen fiel und kam ein Gewässer und wehten die Winde und stießen an das Haus, da fiel es und tat einen großen Fall.“ (Mt 7,24-27)

Dieses sind die Schlußworte der herrlichen Bergpredigt unseres Herrn. Einige Prediger wenden allen ihren Fleiß daran, mit einer besonders schönen Redewendung, sozusagen mit einem rednerischen Feuerwerk, zu schließen. Sie folgen gewiß nicht dem Beispiel Jesus. Hier finden sich des Heilands Schlußworte, und doch sind sie so einfach wie die ganze Ansprache. Hier fehlt alle Redekunst. Die ganze Bergpredigt ist sehr ernst, und dieser Ernst wird bis ans Ende beibehalten, so daß die Schlußworte wie glühende Kohlen sind oder wie scharfe Pfeile für den Bogen. Unser Herr schließt nicht damit, daß Er seine Macht der Beredsamkeit zeigt, sondern indem Er einfach und liebevoll eine Warnung an diejenigen richtet, die sein Wort gehört haben, sich mit dem Hören zufrieden geben und nicht daran gehen, das Gehörte in die Tat umzusetzen. Nach allgemeiner Erfahrung erwärmt sich ein Redner für sein Thema, so wie er fortschreitet, und es wird spannender, wenn er sich den letzten Sätzen nähert. Darum haben wir besonders auf die Worte, die vor uns liegen, zu achten, womit der Herr aller Prediger seine denkwürdige Ansprache schließt.

Jesus hatte manches gesagt, aber hier sind zwei Worte, auf welche Er besonders anspielte, als er sagte: «Wer diese meine Rede hört und tut sie, den vergleiche ich mit einem klugen Manne.» Das erste dieser Worte ist: «Gehet ein», und das zweite: «Sehet euch vor.» Unser Herr hatte von der engen Pforte und dem schmalen Weg gesprochen und den wenigen, die darauf wandeln, und seine dringende Ermahnung war: «Gehet ein.» Er sagte nicht: «Lernet alles, was darauf Bezug hat und seid damit zufrieden.» Nicht: «Sucht Fehler an dem Wege und bei denen, die darauf wandeln.» Nicht: «Sucht die Pforte zu erweitern und den Weg zu verbreitern,» sondern: «Gehet ein.» Seid dem Evangelium gehorsam, glaubt sein Zeugnis, was Jesus betrifft, tretet in Gemeinschaft mit seinen Geheimnissen, empfangt seine Segnungen, wandelt auf seinem Wege. Gehet ein! Wer von dem Wege zum Himmel hört und ihn nicht betritt, ist ein törichter Mann. Wer von der engen Pforte hört und durch diese eingeht, ist ein weiser Mann.

Nachher fügt der Herr die andere Mahnung hinzu: «Sehet euch vor.» «Sehet euch vor», sagt Er, «vor den falschen Propheten.» Und als Er sich ein wenig damit beschäftigt hatte, fügt er mit anderen Worten hinzu: «Sehet euch vor vor den falschen Bekennern.» Vor den falschen Propheten hütet euch, denn sie können euch hintergehen, sie können euch eine Erlösung bringen, die nicht erlöst, eine Luftspiegelung, die aussieht wie ein reiner, kühler, erfrischender Strom, der aber den Durst der Menschenseelen nur vortäuscht. Hütet euch vor aller Lehre, die euch von dem einen Erlöser der Menschenseelen wegführt. Und dann fügt Er hinzu: «Sehet euch vor vor den falschen Bekennern», so laut sie auch rufen: «Herr, Herr!» Ihr könnt bei solchen Bekennern die höchsten Gaben finden, wie das Teufelaustreiben und die höchsten Fähigkeiten, wie sie nur die Propheten besitzen, aber sie können euch nicht helfen. An jenem Tage, wenn der Herr nur die zu seinem Hochzeitsfeste läßt, die auf Erden an seiner Schmach und Erniedrigung teilgenommen haben, wird Er zu allen, die des Vaters Willen nicht getan haben, sagen: «Ich habe euch noch nie erkannt; weichet von mir, ihr Übeltäter!» Hier sind zwei Aussprüche Christi, und sie umfassen fast alles, was Er je gesagt hat: «Gehet ein» und «sehet euch vor.» Achtet darauf, daß ihr sie sowohl hört als tut.

I.

Wir wollen uns nun mit dem Gleichnis des Herrn beschäftigen, und ich bitte euch, zuerst auf die beiden Baumeister zu achten. Der weise und der törichte Mann standen beide in demselben Beruf, und in gewisser Beziehung führten sie beide dasselbe Vorhaben aus. Beide unternahmen es, ein Haus zu bauen, beide bauten wirklich und beide vollendeten ihren Bau. Die Ähnlichkeit beider ist ziemlich groß und sie waren beide von der Notwendigkeit, ein Haus zu bauen, überzeugt. Sie begriffen die Notwendigkeit, einen Schutz vor dem Regen zu haben; sie hatten beide den gleichen Wunsch, vor der Flut beschützt und vor dem Winde beschirmt zu werden. Der Vorteil, ein Haus zur Wohnung zu haben, war beiden klar. Auch in dieser Zeit haben wir eine große Zahl Menschen in der Versammlung, die die feste Überzeugung haben, daß sie eines Heilandes bedürfen. Es freut mich, zu sehen, daß es sich unter meinen Zuhörern bewegt, und ich hoffe, daß es eine Bewegung vom Geiste Gottes ist, und als Folge davon fühlen viele von euch tief, daß ihr eine Zuflucht vor dem zukünftigen Zorn nötig habt. Jetzt gebt ihr zu, daß ihr Vergebung der Sünden haben müßt, daß ihr gerechtfertigt, wiedergeboren und geheiligt werden müßt, und eure Gebete sind sehr inbrünstig. Darüber bin ich sehr dankbar, aber auch sehr besorgt. Ihr habt in Scharen den Wunsch, Baumeister zu sein, und obwohl einige von euch weise und andere töricht sind, können wir euch nicht unterscheiden, denn ihr scheint gleich überzeugt zu sein, daß ihr das ewige Leben und eine Hoffnung der zukünftigen Welt bedürft.

Auch hier endet die Ähnlichkeit noch nicht, denn beide Baumeister waren gleich entschlossen, zu erlangen, was sie nötig hatten, ein Haus. Ihr Entschluß zeigte sich nicht nur in Worten, sondern in Taten, denn sie fingen beide entschlossen an, zu bauen. In der gleichen Weise sind in dieser Stunde einige unter uns, die entschlossen sind, wenn Jesus zu haben ist, Ihn zu haben, und wenn es eine Erlösung gibt, sie zu finden. Sie sind sehr ernst, äußerst ernst, und obwohl es einigen von ihnen fehlschlagen wird und einige Erfolg haben werden, so sind sie bis zu diesem Punkte gleich, und nur Er, der die Herzen prüfen kann, kann den großen Unterschied feststellen. Ich blicke mit Betrübnis auf die beiden Pilgrime, die mit Eifer ihr Auge auf Zion gerichtet haben, und ich seufze, wenn ich daran denke, wer von ihnen die himmlische Heimat finden, und wer sich mit Formeln und Heuchelei verbinden und auf den dunklen Bergen umkommen wird. Wir freuen uns, von sehnsüchtigen Herzen und entschiedenen Entschlüssen zu hören, aber ach, es ist nicht alles Weizen, was auf dem Acker wächst, und nicht alles Gold, was glänzt. Die äußere Erscheinung ist oft sehr hoffnungsvoll, aber auch oft betrügerisch. Es kann eine tiefe Erkenntnis der Not und ein entschiedener Entschluß vorhanden sein, das zu erhalten, was der Not abhilft, und doch können von zwei Suchenden der eine finden und der andere nicht, der eine weise, der andere töricht sein.

Diese beiden Baumeister scheinen auch gleich geschickt in der Baukunst gewesen zu sein. Der eine sowohl wie der andere konnte ohne weitere Belehrung ein Haus bauen. Ich finde nicht, daß bei einem von ihnen eine Pause eingetreten sei, weil er keinen Bogen herstellen und keine Verbindungen machen konnte. Augenscheinlich waren sie beide geschickte Baumeister, die ihre Kunst wohl verstanden. So ist es mit vielen hier. Sie kennen, so weit die Vernunft hier reicht, den Plan der Erlösung so gut wie ich. Doch, obwohl die Erkenntnis gleich ist, kann das Ergebnis schließlich doch verschieden sein. Zwei Menschen können in der Schrift gleich unterwiesen, doch kann der eine weise, der andere töricht sein. Die Erkenntnis, was der Glaube ist, was die Reue ist, was eine gute Hoffnung ist, mögt ihr haben, und doch ist es möglich, daß diese nur euer Elend vergrößert. So ihr solches wisset, selig seid ihr, so ihr es tut. Es ist nicht der Hörer, sondern der Täter des Wortes, der gesegnet wird. Das Wissen blähet auf, die Liebe bessert. Meine lieben Freunde, ich habe den ernsten Wunsch, daß diejenigen von euch, die das ewige Leben in Christus zu finden suchen, sich mit nichts anderem zufrieden geben als mit einem wahren, tiefen, wirklichen Gnadenwerk in ihrem Herzen, denn nicht die Klarheit der Erkenntnis des Kopfes, kein natürlicher Ernst in der Absicht oder eifriger Wunsch kann euch retten. Ohne einen Anteil an Christus seid ihr ewig verloren. «Ihr müßt von neuem geboren werden», ihr müßt in Beziehung mit dem lebendigen Heiland kommen, oder euer hoffnungsvoller Zustand wird im Verderben enden.

Noch eins, diese beiden Baumeister hielten stand und vollendeten den Bau. Der törichte Mann fing nicht an zu bauen und gab sein Werk dann wieder auf, weil er nicht imstande war, es zu vollenden. Nein, so weit ich weiß, wurde sein Haus so vollständig fertig wie das des anderen und wurde vielleicht ebenso gut möbliert. Wenn ihr die beiden Gebäude im fertigen Zustand angesehen hättet, so würden sie wahrscheinlich vom Boden bis zum Dach gleich ausgesehen haben, und doch gab es zwischen ihnen einen großen Unterschied im wesentlichen Teil. Ach, ebenso fahren auch manche fort im Suchen nach der Erlösung, bis sie sich einbilden, sie gefunden zu haben. Sie verharren jahrelang in dem vollen Glauben, daß sie errettet sind. Sie sagen: «Friede, Friede!» und zählen sich zu den Gesegneten, und doch liegt ein verderblicher Irrtum auf dem Fundament ihrer Religion. Ihre Hoffnung ist eitel und ihr Lebenswerk wird sich als schrecklich mißlungen erweisen. Bis zu einem gewissen Punkte sind sich die Baumeister sehr gleich, aber in Wirklichkeit sind sie so verschieden wie der Nordpol vom Südpol, sowohl in ihrem Werk als in ihrem Charakter. Der eine Baumeister ist weise, der andere töricht; der eine oberflächlich, der andere nachdenklich; der eine anmaßend, der andere aufrichtig. Des weisen Mannes Werk war ein ehrliches Werk, obwohl die Augen der Menschen es nicht beurteilen konnten; das Werk des anderen war nur oberhalb des Bodens gut, es war keine Festigkeit in den verborgenen Teilen. Daher konnte der erste Baumeister sich freuen, als sein Haus den Sturm aushielt, der andere wurde mit seinem Hause gänzlich in das Verderben geweht.

II.

So viel von den Baumeistern; jetzt wollen wir über ihre beiden Häuser nachdenken. Ein Hauptunterschied zwischen diesen Bauwerken, der von jedermann gesehen werden konnte, war wahrscheinlich dieser, daß der eine sein Haus viel schneller baute als der andere. Der weise Mann hatte viel Zeit mit der Grundlegung zu tun. Lukas erzählt, daß er sehr tief grub und den Grund auf einen Felsen legte. Das Behauen des Felsen, das Eindringen in den harten Granit muß Tage und Wochen in Anspruch genommen haben. Der törichte Mann hatte dieses versäumt und nicht zu berechnen; der Sand war eben und für ihn bereit. Er konnte sogleich mit dem Mauern beginnen und seine Mauern schnell hochziehen. Aber «Eile mit Weile» ist ein gutes Sprichwort, und es gibt einige Menschen, die zu eilfertig sind. Oberflächliche Bekenner sind oft sehr rasch in ihrem angeblich geistlichen Wachstum. Gestern waren sie noch unbekehrt, heute werden sie gläubig, morgen fangen sie an zu lehren und am Tage darauf werden sie vollkommen gemacht. Sie scheinen in voller Größe und vollständig ausgerüstet geboren zu werden, wie die Minerva nach der Fabel fertig aus dem Haupte des Jupiter sprang. Sie kommen auf in einer Nacht, und ach, vergehen auch oft wie Jonas Rizinus wieder in einer Nacht. Ich will nun keine Frage aufwerfen betreffs der Echtheit einer plötzlichen Bekehrung. Nehmt z.B. die Bekehrung des Apostels Paulus. Aber doch sind unter denen, die bekennen, plötzlich bekehrt worden zu sein, eine ziemliche Anzahl, die zu dieser gegebenen Beschreibung passen, denn sie bauen sehr, sehr schnell, viel zu schnell, um das Mauerwerk richtig und dauerhaft herzustellen. Es mag sein, daß mancher bitter klagt und jammert, daß er so wenig Fortschritte in der Gnade macht. «Ich habe Gott im Gebet gesucht», sagt jemand, «seit Monaten. Ich bin schon wochenlang gedemütigt und gebrochen unter dem Gefühl der Sünde und habe nur dann und wann einen Strahl der Hoffnung gehabt, wenn ich imstande war, mein Auge auf den gekreuzigten Heiland zu richten. Ich habe bis jetzt wenig Trost und viele Zweifel. Ich möchte gerne das volle Licht der Liebe in meinem Herzen haben, aber die Strahlen dringen nur langsam durch.» Gut, mein Freund, du baust langsam, aber wenn der Bau sicher ist, wirst du das tiefe Graben nie zu bereuen haben. Du wirst wenig Ursache zur Traurigkeit haben, daß es bei dir länger dauerte, zum Frieden zu finden als bei deinem eiligen Freunde, wenn dein Friede ewig währt, während seine Hoffnung im Wolkenlande liegt und vom Winde fortgetrieben wird.

Von diesen beiden Häusern wurde das eine ohne Zweifel mit viel weniger Mühe gebaut als das andere. Im harten Felsengrund zu graben, nimmt, wie ich gesagt habe, Zeit in Anspruch, aber es schließt auch Arbeit in sich ein. Oft mußte der weise Mann eine kleine Pause machen, um den Schweiß von der Stirn zu wischen; oft legte er sich abends ermattet zur Ruhe, und doch war an der Oberfläche noch kein Stein zu sehen. Sein Nachbar gegenüber hatte seine Mauern schon aufgebaut und den Giebel errichtet und war fast dabei, sein Haus zu decken, als der weise Mann sein Gebäude kaum einen Fuß hoch aufgerichtet hatte. «Ach», sagte der, der auf den Sand gebaut hatte, «deine viele Arbeit ist nicht nötig und du hast nichts davon aufzuzeigen. Sieh´, wie schnell meine Mauern in die Höhe gekommen sind, und doch plage ich mich nicht so wie du. Ich nehme es leichter und verletze weder mich selbst, noch den Felsen, und sieh´, wie schnell mein Haus in die Höhe wächst und wie nett es aussieht! Deine altmodische Weise ist albern. Du gräbst und hämmerst in der Tiefe, als wenn du den Mittelpunkt der Erde suchen wolltest. Warum gebrauchst du nicht deinen gesunden Menschenverstand und gehst daran, wie ich es tue. Weg mit deinem Seufzen und Jammern. Mache es wie ich und freue dich sogleich. Deine Angst wird dicht töten.»

Auf diese Weise werden wirklich erweckte Seelen von denen verachtet, die es sich leicht machen. Jemand «springt», sozusagen, in den Frieden und rühmt sich als sicher. Ob sein Vertrauen gegründet ist, zu dieser Frage nimmt er sich keine Zeit; er ist zu bequem, um sich dazu Zeit zu nehmen. Das Gut ist schön, weshalb sich Sorge machen wegen der Besitzrechte? Das Fest ist reich, weshalb auf das hochzeitliche Kleid warten? Wenn irgend ein Zweifel entsteht, so schreibt es der fleischlich sichere Mensch dem Teufel zu und schiebt ihn beiseite, obwohl es sein eigenes Gewissen und die warnende Stimme Gottes ist, die ihm befiehlt, auf der Hut zu sein und sich nicht zu täuschen. Das Gebet zum Herrn, Herz und Nieren zu prüfen, kommt nie aufrichtig aus seinem Herzen. Ein solcher Mensch liebt die Selbstprüfung nicht und kann es nicht ertragen, wenn ihm gesagt wird, daß rechtschaffene Früchte der Buße da sein müssen. Er nimmt die Sache sehr leicht, kommt zu schnellen Entschlüssen und schließt sein Auge gegenüber unangenehmen Tatsachen. Er träumt, daß er reich ist und gar satt hat und nichts bedarf, während er elend, jämmerlich, arm, blind und bloß ist. Ach, was wird das für ein Erwachen sein! Sein ernsterer Mitgenosse, der zur selben Zeit erweckt wurde, ist viel schüchterner und traut sich selbst weniger. Wenn er betet, seufzt sein Herz vor Gott, und doch fürchtet er, daß er nicht recht betet und steht nie selbstzufrieden von seinen Knien auf. Er ist nicht so bald zufrieden betreffs der Wirklichkeit seines Glaubens wie der andere. «Vielleicht», sagt er, «ist es gar nicht der Glaube der Erwählten Gottes.» Er prüft sich selbst, ob er im Glauben steht. Er zittert davor, den Schein eines gottseligen Wesens zu haben, aber seine Kraft zu verleugnen. Er fürchtet sich vor Schein und Täuschung und wünscht Gold zu kaufen, das im Feuer bewährt ist. «Bin ich gewiß», sagt er, «daß meine Reue wirklich ein Haß gegenüber der Sünde als Sünde ist, oder habe ich nur Tränen vergossen unter der Aufregung einer Erweckungs-Versammlung? Bin ich gewiß, daß meine Natur durch das Werk des Heiligen Geistes erneuert, oder ob es nur eine äußere Verbesserung ist?» Ihr seht, daß dieser zweite Mensch viel Seelenarbeit hat. Er arbeitet daran, in die Ruhe einzugehen und nicht durch irgend etwas daran gehindert zu werden. Er ist sehr strebsam, hat viele Besorgnisse und viel Selbstprüfung, weil er aufrichtig ist und sich zu täuschen fürchtet. Er findet die Pforte eng und den Weg schmal.

Sei dankbar, lieber Zuhörer, wenn du zu den letzteren gehörst, denn diese sind die wahren Kinder Gottes und Erben der Unsterblichkeit. Dein Haus kostet dich mehr, zu bauen, aber es wird die Kosten wert sein. Hüte dich davor, die Schafskleider zu tragen, aber nicht die Schafsnatur zu haben; hüte dich: «Herr, Herr» zu sagen, während du ein Knecht der Sünde bist. Hüte dich, eine eingebildete Religion zu haben, indem du deine Erfahrung aus Lebensbeschreibungen borgst und Gottseligkeit aus zweiter Hand von deinem Vater und deiner Mutter, von deinen Freunden und Bekannten annimmst. Welches Herzbrechen und welche Angst es auch kosten mag, siehe darauf, daß du wahren Grund erreichst und das Haus so gebaut werde, daß es die Prüfungen, die es unbedingt treffen werden, ertragen kann. Ich würde gerne meine Rede mit Tränen netzen, für so wichtig und notwendig halte ich diese Vorsicht, sowohl für mich als für euch.

Ich nehme an, daß im Laufe der Zeit, obwohl der törichte Mensch mit weniger Kosten und viel größerer Schnelligkeit baute, seine Mauern sehr vielen Ausbesserungen ausgesetzt waren, denn Mauern, die keinen Grund haben, sondern auf den Sand aufgesetzt sind, pflegen dann und wann gräßliche Risse zu zeigen. Die Steine weichen hier aus und das Holzwerk dort, und viel Zement ist zum Ausbessern nötig. Welche Arbeit, dieses zu verschmieren und das verdorbene Machwerk zu reparieren, daß es wie eine anständige Mauer aussieht! Wenn eine Stelle ausgebessert ist, zeigt sich in der nächsten Mauer eine andere, denn bei einem solchen Grunde ist es schwer, den Bau gut zusammen zu halten, und es sollte mich nicht wundern, wenn es im Laufe der Zeit den törichten Menschen mehr Arbeit kostet, sein elendes Gebäude zusammen zu halten, als dem weisen Menschen, der zuerst so schwer am Fundament arbeitete.

Merkt euch wohl, Formreligion und Heuchelei wird letztlich ein sehr schweres Werk. Der Mann hat hart zu kämpfen, um seinen Ruf zu wahren, indem er ihn mit neuen Lügen stützt und mit frischen Vorwänden polstert. Zuweilen empört sich der unerneuerte Wille heftig und er gibt vor, dem Mißgeschick zu widerstehen; dann fordert eine unbesiegte Lust ihre Befriedigung, und er hat die Sünde zu verbergen mit feinem Betrug, das Gebet wird lästig, und er hat ein elendes Puppenspiel zu treiben. Zugleich ist sein äußeres Leben stets an der Grenze des Gleitens, und er fürchtet Entdeckung. In der einen oder anderen Weise fürchtet er sich wie ein Dieb sich fürchtet, daß die Polizei ihn doch endlich findet. Bei jedem Windstoß droht seine Wohnung ihm über dem Kopf zusammen zu stürzen. Halb wünscht er zuletzt, daß er sich die Mühe gegeben hätte, bis auf den Felsen zu graben, aber mit verzweifeltem Entschluß stößt er die Stimme der Vorsicht von sich und will keine von ihren Vorwürfen hören.

O, liebe Zuhörer, seid versichert, daß die Wahrheit zuletzt doch das Billigste und Leichteste ist. Deine Vergoldung, deine Übertünchung, deine Malerei der Heuchelei reibt sich bald ab, während die Wirklichkeit keine Kosten zur Verschönerung macht. Selbst, wenn wir über diese Leben nachdenken, ist es schwerer, die Vorwände aufrecht zu halten, als das Wahre zu halten, und bei letzterem hast du Gott zur Seite, während Er alles Unwahre verabscheut. Ich bitte euch, seht darauf, daß ihr euere Mauern nicht mit unzubereitetem Mörtel ausschmiert, damit sie nicht mit einem Krach niederstürzen, wenn ihr deren Schutz am meisten bedürft.

Je höher der törichte Mann baute, je schwerere Arbeit hatte er, den Bau aufrecht zu erhalten, denn jede Steinschicht, die er legte, vergrößerte natürlich das Gewicht und machte den Sand weicher. Je näher der Baumeister dem Himmel kam, je mehr neigten sich die Mauern zum Fall.

Ein Mensch, der es zu seinem Ziele macht, nur dadurch, daß er den Gottesdienst besucht, für einen achtenswerten Mann gehalten zu werden, kann es ziemlich leicht fertig bringen, eine niedrige Mauer auch ohne Grund aufrecht zu erhalten. Ein anderer, der sich einer weltlichen Gemeinde anschließt – einer Gemeinde, die keinen Anspruch auf Reinheit stellt – kann auch leicht Erfolg haben. Wenn er sich aber einer Gemeinde Christ anschließt, die sorgfältig die Reinheit ihrer Glieder zu erhalten sucht, hat er schwere Arbeit, so zu leben, wie es von ihm gefordert wird. Geht noch weiter und nehmt an, er werde Diakon oder Ältester und ist dabei ohne Gnadenerfahrung, so wird ihn sein höheres Ziel auch viel, viel mehr kosten, denn es blicken mehr Augen auf ihn, und es wird mehr von ihm verlangt. Nun betet er öffentlich, spricht ein Wort der Belehrung an die Suchenden. Wie wird der arme Mensch fortwährend aus seinem eigenen Munde verdammt, wenn er so in die Enge getrieben wird. «Ach», sagt er in seinem Herzen, «ich verstehe nichts von diesen Dingen in meiner Seele, und doch habe ich zu sprechen und zu handeln, als sei ich von Gott gelehrt.» Wenn er Prediger wird, ist er in einer noch schwierigeren Lage. Welch schwere Arbeit muß es sein, den Charakter zu behalten! Wenn der Turm sich fortwährend höher erhebt auf einem so schwachen Grunde, wird er schief werden wie der Turm in Pisa, aber ungleich diesem eigentümlichen Bauwerk, wird er sehr bedrohlich sein und kann jeder Zeit mit einem Krach einstürzen. Mit der Zeit fällt ein solcher Plunder gänzlich in sich zusammen, und seine Erhöhung hilft nur, das Unglück zu beschleunigen.

Meine lieben Zuhörer, je höher ihr euer geistliches Ziel steckt und je mehr ihr nach Nützlichkeit strebt, um so schlimmer für euch, wenn ihr nicht am Anfang einen guten Grund in wahrer Aufrichtigkeit und wirklichem Glauben habt. Der Lauf der «ungesunden Religion» ist schlecht, und je weiter ihr darin fortfahrt, je schlechter wird sie.

Der Hauptunterschied zwischen den beiden Häusern jedoch lag nicht in diesem Einstürzen und den Ausbesserungen, auch nicht in der Billigkeit und Schnelligkeit des Bauens, sondern er lag außer Sicht, nämlich in der Grundlegung. Wie viele Menschen gibt es, die denken, wenn eine Sache außer Sicht ist, dann ist sie auch ohne Bedeutung. Wer kommt darauf, zu graben und den Grund zu untersuchen? «Ich halte es nicht für nötig», sagt jemand, «es so genau zu nehmen. Ich glaube nicht, daß man so eigen sein muß. Was niemand sieht, kann nicht ins Gewicht fallen.» Viele unterschreiben den gottlosen Vers:

«Um Glaubenslehren laß Zeloten töricht fechten,
es kann der schlecht nicht sein, des Leben liegt im Rechten.»

«Bezahle ehrlich, besuche den Gottesdienst, gehe zum Abendmahl, sei barmherzig und verrichte dein Gebet, und um weiteres kümmere dich nicht», das ist die allgemeine Meinung. «Was nützt es, über das Herz zu trauern? Das ist alles überschwenglicher Unsinn. Was kann es bedeuten?» Damit tröstete sich der törichte Baumeister, und wahrscheinlich blickte er mit Verachtung auf den weisen Baumeister und hielt ihn für ein armes, elendes Geschöpf, das übergenau und trübsinnig sei. Die äußere Erscheinung ist bei den Menschen oft alles, aber bei Gott nichts. Der wesentliche Unterschied zwischen dem wahren Kinde Gottes und einem Namenchristen ist nicht so leicht zu entdecken, selbst nicht von geistlichen Menschen, aber der Herr sieht ihn. Es ist ein verborgenes, geheimnisvolles Etwas, das der Herr schätzt, «denn Er kennt die Seinen.» Er trennt das Edle von dem Niedrigen. Er tut die angeblichen Christen wie Schlacken hinweg, aber Er läßt kein aufrichtiges Herz das Ziel verfehlen.

Was ist denn diese wichtige Sache? Ich antworte, es ist folgendes. Geliebter Zuhörer, wenn du auf den Felsen bauen willst, so siehe darauf, daß du eine wahre Erkenntnis der Sünde hast. Ich sage nicht, daß eine Erkenntnis der Sünde eine Vorbedingung für Christus ist und, daß wir die Menschen vom Evangelium zurückweisen müssen, bis sie ihre Sünden fühlen, aber ich denke, wo ein wahrer Glaube an Jesus ist, ist dieser mit einer tiefen Abscheu gegen die Sünde verbunden. Der Glaube ohne Zerknirschung ist ein toter und wertloser Glaube. Wenn ich mit Bekennern zusammen komme, die leicht von der Sünde reden, so fühle ich, daß sie ohne Grund gebaut haben. Wenn sie je das verwundende und tötende Schwert des Geistes recht gefühlt hätten, so würden sie vor der Sünde fliehen wie vor einem Löwen oder Bären. Sünder, die wirklich Vergebung empfangen haben, fürchten die Sünde wie das gebrannte Kind das Feuer. Oberflächliche Reue führt immer zu sorglosem Leben. Der Glaube, der nicht von der Reue betaut worden ist, bringt nie die Früchte der Heiligkeit hervor. Bitte ernstlich um ein zerbrochenes Herz. Bedenke, daß es der zerknirschte Geist ist, der Gott gefällt. Glaube nicht, daß du Grund zur Freude hast, wenn du nie Ursache zur Trauer sahst. Der verheißene Trost gilt nur den Leidtragenden.

Als Nächstes suche wahrhaften Glauben. Manches, was die Menschen Glauben nennen, ist nicht der köstliche Glaube der Auserwählten Gottes. Das aufrichtige Vertrauen auf Jesus Christus wird in verschiedener Weise verfälscht und wird oft so genau nachgemacht, daß man nur durch strenge Selbstprüfung den Betrug entdecken kann. Du mußt platt auf Christus, dem Felsen liegen; du mußt dich gänzlich auf Ihn verlassen; deine ganze Hoffnung und dein ganzes Vertrauen muß auf Ihn gerichtet sein. Wenn du von Herzen glaubst und nicht nur dem Namen nach, dann bist du errettet, aber sonst nicht. Du mußt wahre Reue und wirklichen Glauben haben, oder du bist ein törichter Baumeister.

Ferner suche eine innere Erfahrung der göttlichen Wahrheit. Bitte Gott, daß sie dir ins Herz eingebrannt werde. Woher kommt es, daß die Menschen die Lehre der Gnade aufgeben, wenn sie mit beredten Verteidigern des «freien Willens» zusammen kommen? Warum verleugnen sie das rechte Bekenntnis, wenn sie mit gewandten vernünftigen Menschen zusammentreffen, die diesem widersprechen? Weil sie das Wort nie in der Kraft des Heiligen Geistes erfaßt haben, so daß es in ihrem Leben nicht versiegelt worden ist. Ich zittere jetzt für unsere Gemeinden, da falsche Lehren überhand nehmen, weil ich fürchte, daß viele nicht in der Wahrheit gegründet sind. Ich bitte den Herrn für euch, meine liebe Herde, daß ihr die Wahrheit recht erkennt, denn dann werdet ihr nicht auf Abwege geleitet werden. Diebe und Räuber werden kommen, aber als Christi Schafe werdet ihr nicht auf sie hören. Es ist etwas anderes, ein Glaubensbekenntnis zu sprechen oder die Wahrheit auf die Tafeln des Herzens geschrieben zu haben. Manche kommen hier zu kurz, weil sie die Wahrheit nie durch die Erfahrung zu ihrem Eigentum gemacht haben.

Bittet auch, daß euer Glaube persönliche Heiligung wirkt. Halte dich nicht für errettet von der Sünde, wenn du in der Sünde lebst. Wenn du Vergnügen in den Lüsten des Fleisches finden kannst, bist du kein Kind Gottes. Wenn du dich der Trunksucht ergibst – und merkt es euch, viele Bekenner tun es, aber sie trinken zu Hause und werden nicht auf der Straße gesehen – wie kann die Gnade Gottes in dir wohnen? Wenn du dich an leichtfertigen Liedern ergötzest und dich oft nach den Vergnügungsorten der Welt begibst, so brauchst du dich nicht lange zu wiegen, denn du bist zu leicht. Wenn du erneuert wärst im Geiste deines Gemüts, so würdest du solche Sachen nicht mehr lieben, als sie ein Engel liebt. Es muß dir eine neugeborene Natur eingepflanzt werden, und wenn sich diese nicht in der Heiligkeit des Lebens zeigt, so magst du noch so hoch bauen und so laut über dein Gebäude schwatzen, wie du willst, es ist doch nur eine armselige, elende Hütte und wird im letzten Orkan zusammenstürzen.

Mangel an Tiefe, Mangel an Aufrichtigkeit, Mangel an Wirklichkeit in der Religion sind die Schäden unserer Zeit. Mangel an Aufblick zu Gott, Mangel an aufrichtigem Handeln mit der eigenen Seele, Vernachlässigung der Selbstprüfung, Nichtbeachtung der Warnungen Gottes in seinem Worte vor der Sünde, Sorglosigkeit betreffs des Lebens in Christus, viel Lesen und Sprechen über Ihn, aber wenig Essen seines Fleisches und Trinken seines Blutes, das sind die Ursachen eines wankenden Bekenntnisses und grundloser Hoffnungen.

So habe ich versucht, das Gleichnis zu erschließen, und ich habe nicht beabsichtigt, irgend eine aufrichtige Seele zu entmutigen, sondern mein Ziel ist gewesen, euch zu sagen: Macht eure Berufung und eure Erwählung fest. Baut auf Christi Liebe, erschließt eure Herzen dem Werk des Heiligen Geistes und betrügt euch nicht.

III.

Und nun komme ich auf den dritten Punkt, die gemeinschaftliche Prüfung der beiden Häuser.

Ob dein Glaube wahrhaft ist oder nicht, er wird geprüft werden; ob er Spreu oder Weizen ist, die Worfschaufel des großen Reinigers wird bald in Tätigkeit kommen bei allem, was auf der Tenne liegt. Wenn du mit Gott zu tun hast, so hast du es mit einem «verzehrenden Feuer» zu tun. Ob du ein wahrer oder ein Namenchrist bist, wenn du Christus nahe kommst, wird Er dich prüfen, wie das Silber geprüft wird. Das Gericht muß beginnen am Hause Gottes, und wenn du es wagst, ins Haus Gottes zu kommen, so wird das Gericht bei dir anfangen.

Nebenbei will ich bemerken, wenn es solche Prüfungen für die gibt, die Christen zu sein bekennen, was wird aus euch werden, die ihr kein Bekenntnis habt? «Und so der Gerechte kaum erhalten wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen? Wenn aber zuerst an uns das Gericht anfängt, was will es für eine Ende werden mit denen, die dem Evangelium Gottes nicht glauben?» Schrecklicher Gedanke!

Aber nun wieder zu unserem Punkt. Prüfungen werden das Bekenntnis treffen, ob es wahr oder falsch ist. Wenn ich es recht verstehe, so deutet die Erwähnung des Regens, des Gewässers und des Windes auf wenigstens drei Arten der Prüfungen hin. Der Regen bezeichnet Anfechtungen vom Himmel. Gott wird euch Widersacher wie Regenschauer schicken, Trübsale wie den Tau. Zwischen jetzt und dem Ende wirst du, Bekenner, den heftigen Sturm fühlen. Du wirst wie andere Leute krank werden, und wenn nicht, so wirst du Verdruß und Kummer in deinem Hause haben. Kinder und Freunde werden sterben oder Besitztümer werden sich beflügeln und davon fliegen. Du mußt Prüfungen von Gottes Hand haben, und wenn du dich nicht auf Christus verläßt, wirst du nicht imstande sein, sie zu ertragen. Wenn du nicht im wahren Glauben eins mit Jesus bist, werden selbst Gottes Regen zu viel für dich sein.

Aber es werden auch Prüfungen von der Erde kommen – «ein Gewässer kam.» In früheren Zeiten waren die Fluten der Verfolgung heftiger als jetzt, aber die Verfolgung wird noch gefühlt, und wenn du ein Bekenner bist, so wirst du auch deinen Teil davon abbekommen. Grausamer Spott wird noch gegen das Volk Gottes gebraucht. Die Welt liebt die wahre Gemeinde heute um nichts mehr als in den alten Zeiten. Kannst du Verleumdungen und Vorwürfe um Jesus willen ertragen? Nicht, wenn du nicht fest gewurzelt und gegründet bist. In den Tagen der Versuchung und Verfolgung werden die wurzellosen Pflanzen auf dem felsigen Boden verwelken. – Dann werden auch geheimnisvolle Prüfungen kommen, die durch den Wind angedeutet werden. Der mächtige Fürst der Luft wird dich mit lästerlichen Einflüsterungen, schrecklichen Versuchungen oder künstlichen Anspielungen angreifen. Er weiß, wie er Wolken der Verzagtheit über den menschlichen Geist führen kann. Er kann die vier Seiten des Hauses auf einmal durch seine geheimnisvollen Mächte angreifen. Er kann uns auf verschiedene Weise zu derselben Zeit versuchen und uns dahin treiben, daß es mit unserer Weisheit zu Ende ist. Wehe dir, wenn du dann keinen besseren Halt hast als den losen Sand des Bekenntnisses!

Wo ein gutes Fundament ist, werden die Prüfungen keinen Schaden verursachen, aber wo kein guter Grund ist, werden sie das Bekenntnis eines Menschen schon in diesem Leben vernichten. Wie viele verlieren ihren Glauben schon gleich am Anfang! «Gefügig» und «Christ» reisten beide nach der himmlischen Stadt, beide erwarteten die goldene Krone, aber sie fielen in den Sumpf der Verzagtheit, und als dann der eine sich nach der Seite seines Hause heraus arbeitete und wieder zurück ging in die Stadt des Verderbens, während der andere mannhaft das andere Ufer zu erreichen suchte, zeigt sich der Unterschied zwischen dem weisen und dem törichten Pilger.

Nachdem die Christen im Glauben weiter fortgeschritten sind, werden sie in anderer Weise geprüft. Der Unglaube versucht die Christen oft, ich meine das Bezweifeln der wesentlichen Wahrheiten des Glaubens und alle seine Lehren, und diejenigen, die nicht fest mit dem Felsen verbunden sind, werden leicht zum Unglauben verführt. Unser Zeitalter ist das Zeitalter des Unglaubens, aber diejenigen, die fest auf dem Felsen gegründet sind, werden nicht bewegt werden. Einem Neger wurde einmal von einem Freunde erzählt, daß jemand gesagt habe, die Bibel sei nicht wahr. Nun, unser Freund hatte nie daran gedacht, daß jemand die Bibel bezweifeln könnte, aber seine einfache Weise, diese neue Schwierigkeit zu überwinden, war folgende: «Das Buch soll nicht wahr sein? Ich habe es in mein Haus genommen, lese es und es macht mein Herz lachen. Wie kann das eine Lüge sein, was mein Herz lachen macht? Ich war ein Trunkenbold, ein Dieb und ein Lügner, aber dieses Buch sprach zu mir und machte aus mir einen neuen Menschen. Nein, das Buch ist keine Lüge.» Das war der beste Beweis der Welt, wenigstens für den Mann selbst, wenn auch nicht für andere. Wir, deren Herz durch das Wort zum Lachen gebracht worden ist, lassen uns nicht von unserem Glauben abbringen. Wir haben in dem Wort gelebt und seine Wahrheit durch Erfahrung erprobt und sind daher unverwundbar gegen alle Angriffe, während diejenigen, die solche Erfahrung nicht gemacht haben, wankend werden.

Wo das Herz wirklich fest gegründet in der Wahrheit ist, werdet ihr feststellen, daß die Irrlehren sowohl wie der Unglaube nur eine geringe Wirkung haben. Der gesunde Christ ist wie ein Stein; wenn er in die Pfütze der falschen Lehre geworfen wird, wird er wohl davon benetzt, aber er nimmt nichts in sein Inneres auf; während der ungesunde Bekenner wie ein Schwamm ist, der alles gierig einsaugt und behält, was er eingesogen hat. Wie viele werden von der Welt versucht, und wenn ihr Glaube nur ein Bekenntnis ist, so verzehrt die Weltlichkeit dasselbe bald wie der Krebs, und sie verweltlichen ganz. Wenn aber des Christen Herz recht mit Gott steht, kommt er hindurch und der Stolz des Lebens bestrickt ihn nicht.

Wenn jemand abtrünnig wird, kehrt der Abtrünnige, wenn ein gesundes Herz in Gott gegründet ist, bald wieder zurück, aber wenn das Herz verderbt ist, wird es immer schlimmer mit ihm. Ich war erstaunt über die Geschichte von zwei Männern, die gewohnt waren, in den Versammlungen Ansprachen zu halten und die sich erzürnt hatten. Einer der Brüder, dem es leid tat, daß zwei Diener Gottes in Uneinigkeit geraten waren, versuchte, sie zu versöhnen. Er ging zu dem ersten und sagte: «Johann, es tut mir sehr leid, daß du dich mit Jakob gezankt hast. Es ist sehr schade und wirft viel Schmach auf die Gemeinde Gottes.» «Ach», sagte Johann, «es tut mir auch sehr leid, und was mich am meisten betrübt, ist, daß ich die alleinige Ursache bin. Es waren einige bittere Worte, die ich gesprochen habe, wodurch Jakob beleidigt wurde.» «Nun, dann wird die Sache bald in Ordnung kommen», sagte der Freund und ging zu dem anderen. «Jakob, es tut mir sehr leid, daß du mit Johann uneinig bist.» «Ja», sagte er, «es ist sehr traurig. Es sollte nicht der Fall sein, denn wir sind Brüder. Was mir jedoch am meisten leid tut, ist, daß ich alleine die Schuld trage. Wenn ich ein kleines Wort, das Johann sagte, nicht beachtet hätte, so wäre es nicht geschehen.» Ihr könnt euch denken, daß die Sache bald wieder ins Reine gebracht war. Ihr seht, es war im Grunde eine wahre Freundschaft unter ihnen, so daß die kleine Schwierigkeit bald überwunden wurde, und so wird auch, wo eine wahre Vereinigung zwischen Gott und der Seele stattfindet, die Abtrünnigkeit bald verschwunden sein.

IV.

Nachdem ich die gewöhnlichen Prüfung und deren Wirkungen in diesem Leben erwähnt habe, will ich euch nun zum Schluß an die verschiedenen Folgen der Prüfungen in bezug auf das zukünftige Leben erinnern.

In dem einen Fall kam der Regen sehr heftig herab und drohte das Haus weg zu waschen, aber es war auf einen Felsen gebaut, und das Haus widerstand nicht nur, sondern der Bewohner fand große Ruhe und Behaglichkeit darin. Er konnte hören, wie die heftigen Regenströme aufs Dach schlugen, und dabei konnte er ruhig sitzen und singen. Wenn der Wind gegen die Fenster schlug, konnte er nur um so glücklicher sein bei dem Gedanken, einen solchen Schutz zu haben. Dann kamen die Gewässer. Wenn es möglich gewesen wäre, würden sie den Grund unterwühlt haben, aber sie konnten keine Wirkung auf den Felsen ausüben. Obwohl der Wind um das Gebäude heulte, so waren die Steine doch so gut miteinander verbunden und wie mit eisernen Banden mit dem alten Felsen verbunden, daß der Mann glücklich und sicher mit Freuden im Hause sein konnte, weil er auf einen so guten Grund gebaut hatte.

Der Christ ruht friedevoll auf Christus. Kummer und Verdruß kommen oft, aber sie fegen ihn nicht weg, sie machen ihm die auf Jesus Christus gegründete Hoffnung nur teurer. Und wenn zuletzt der Tod kommt, diese schreckliche Flut, die alles, was bewegt werden kann, unterwühlt, so kann sie des weisen Baumeisters Hoffnung nicht erschüttern. Er ruht auf dem, was Christus getan hat, und das kann der Tod nicht fortschaffen. Er glaubt an einen treuen Gott, und der bleibt ihm im Sterben. Er glaubt an den Gnadenbund, der unterzeichnet, besiegelt, bestätigt und in allem wohl geordnet ist. Er hält sich an die Verheißungen eines unveränderlichen Gottes, die alle mit dem Blute des Erlösers besiegelt sind; keine von diesen kann der Tod entwerten. Und wenn die letzte große Posaune ertönt, und das letzte Feuer, das die Werke der Menschen prüfen wird, vom Throne Gottes kommt, so fürchtet derjenige, der in wahrer Aufrichtigkeit wandelt und mit wirklicher Erfahrung sich an Christus hält, diese schrecklichen Stunden nicht. Mag die Posaune noch so laut und lange tönen, mögen die Toten erwachen und die Engel sich um den großen weißen Thron sammeln; mögen die Säulen des Himmels zittern und die Erde zergehen und die Elemente vor Hitze schmelzen! Der Mann Gottes fühlt, daß der Fels, auf den er gebaut hat, nie wanken und die Hoffnung, die ihm die Gnade gegeben hat, nie weggenommen werden kann. Er lächelt heiter bei all diesem.

Aber blickt auf den Fall des Mannes, der seine Hoffnung auf den Sand gebaut hat. Er konnte kaum die Prüfungen des Lebens ertragen; er fiel fast unter den gewöhnlichen Versuchungen; er drehte den Mantel während der Stunden der Verfolgung nach dem Winde, aber empfindlichere Prüfungen erwarten ihn jetzt. Einige Heuchler sind selbst in den letzten Augenblicken noch im Irrtum gewesen und haben vielleicht nie gewußt, daß sie verloren waren, bis sie es fühlten, daß sie es sind, wie der reiche Mann, von dem es heißt: «Da er in der Hölle und in der Qual war, hob er seine Augen auf.» Er hatte seine Augen vorher nie aufgehoben; er hatte seine Lage nie erkannt, bis er sie in all ihrem Elend erfahren mußte. Aber die meisten Menschen, die unter den Schall des Evangeliums gekommen sind und sich als Christen bekannt haben, gewahren es beim Tode, wenn sie Betrüger gewesen sind, und es muß schrecklich sein, diese Entdeckung zu machen, wenn die Pein herbe und das Trennen bitter ist.

Ach, lieber Freund, wenn du im Irrtum bist, möchtest du es jetzt erkennen und nicht erst auf dem Sterbebett! «Herr, zeige es mir, wenn es so mit mir steht. Wenn mein Bekenntnis ein falsches gewesen ist, dann laß mich kein falsches, unsicheres Gebäude errichten, sondern hilf mir, richtig zu bauen auf den Fels des Heils.» Bete dieses Gebet, ich bitte dich. Bedenke, wenn der Tod dich die ganze Wahrheit deines Falles nicht lehrt, so wird das Gericht es tun. Da wird kein Versehen geschehen, aber auch keine Gelegenheit zur Reue mehr sein. Dieses zerfallene Haus wurde nie wieder erbaut; es gab keine Rettung vor der vollständigen Zerstörung. Verloren, verloren, dann folgt kein anderes Wort, denn einmal verloren, ist immer verloren.

O, lieber Zuhörer, ich bitte dich, wenn du den Namen hast, daß du lebst und bist tot, so stehe auf von den Toten, daß dich Christus erleuchte! Ich bitte dich, wenn du im Suchen bist, begnüge dich nicht mit leeren Hoffnungen und eitlem Vertrauen. Kaufe Wahrheit und verkaufe sie nicht. Ergreife das ewige Leben. Suche den wahren Heiland und sei nicht zufrieden, bis du Ihn hast, denn wenn du verloren gehst, wird das Verderben schrecklich sein. Ach, jener Feuerpfuhl! Hast du nie die Worte gelesen: «Und wurden geworfen in den feurigen Pfuhl. Das ist der andere Tod?» Geworfen in den feurigen Pfuhl, das ist ein schreckliches Bild! «Ach», sagt jemand, «das ist Bildersprache.» «Ja, das weiß ich, aber diese ist nur ein Schatten der Wirklichkeit Wenn nun der Schatten ein feuriger Pfuhl ist, was wird die Wirklichkeit sein! Wenn wir es kaum ertragen können, an einen Wurm, der nicht stirbt und ein Feuer, das nicht verlöscht» und an einen feurigen Pfuhl, dessen Feuerwogen die unsterblichen und hoffnungslosen Seelen umgeben, zu denken, was muß dann die Hölle in Wirklichkeit sein! Diese Beschreibungen in der Heiligen Schrift sind teilweise Offenbarungen von tiefen Geheimnissen bezüglich unserer Unwissenheit; aber wenn diese so schrecklich sind, wie wird die volle Wirklichkeit sein! Beleidige Gott nicht, mein Hörer, versuche deinen Gott nicht, vernachlässige die große Erlösung nicht, denn wenn du es tust, wirst du nicht entfliehen. Spiele nicht mit deiner Seele, sei nicht gedankenlos und sorglos betreffs der Wirklichkeit der Ewigkeit. Möge Gott jetzt, gerade jetzt, dein Gebet erhören, das du aus dem Innersten deiner Seele zu Ihm empor sendest, und dich im köstlichen Blute reinigen und erretten! Amen.

Charles Haddon Spurgeon

Quelle: www.glaubensstimme.de