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Betreuungsgeld: Brief des Vereins „Hilfe zum Leben Pforzheim e. V.“ an Frau Ministerin Dr. Kristina Schröder

Montag 7. November 2011 von Beratungsstelle Ausweg


Beratungsstelle Ausweg

Betreuungsgeld

Sehr geehrte Frau Ministerin Dr. Schröder,

im Koalitionsvertrag der jetzigen Regierung heißt es: „Um Wahlfreiheit zu anderen öffentlichen Angeboten und Leistungen zu ermöglichen, soll ab dem Jahr 2013 ein Betreuungsgeld in Höhe von 150,- Euro, …, für Kinder unter drei Jahren als Bundesleistung eingeführt werden.“

Das Betreuungsgeld ist von Anfang an umstritten. Es sollte eine Kompensation für die Mütter/Familien sein, die keine Kinderkrippen in Anspruch nehmen, sondern ihre Kinder selbst versorgen, erziehen und betreuen wollen und dafür sogar auf eine Berufstätigkeit verzichten. Für die berufstätigen Mütter, die ihr Kind in eine Krippe geben, soll der Staat Plätze zur Verfügung stellen.

Ein Krippenplatz kostet den Staat je nach personeller Ausstattung zwischen 15 und 20.000 Euro im Jahr. Damit wird Müttern ermöglicht, ihre noch sehr kleinen Kinder in die Betreuung/Erziehung fremder Personen zu geben, um einer Berufstätigkeit nachzugehen. Mütter, die ganz für ihre Kinder da sind und sich für sie einsetzen, wurden bewusst von einer Unterstützung ausgeschlossen. (Dazu ein Zitat aus dem Koalitionsvertrag: „Eltern sollen die Wahlfreiheit haben, Familienleben und Erwerbstätigkeit nach ihren Wünschen zu gestalten.“)

Doch sind in unseren Augen diese Frauen Mütter zweiter Klasse. Eine solche Ungleichbehandlung ist unsozial, ungerecht und widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz. Diese Behandlung von Müttern und Familien halten wir für diskriminierend und gegen Familien gerichtet. Das hat nichts mit Familienförderung zu tun. Über den Sinn und Unsinn von Krippen möchten wir uns hier nicht auslassen, weil dies hier nicht unser Thema ist.

In Ihrem Koalitionsvertrag wurde die o.g. Regelung festgelegt. Danach sollten diese Mütter ab 2013 für zwei Jahre ein Betreuungsgeld von 150 Euro mtl. erhalten. Das allein halten wir schon für mehr als ein Feigenblatt. Während ein Krippenplatz mit mehr als 1.200 Euro im Monat und bis zu zwei Jahre vom Staat subventioniert wird, sollen Mütter, die hervorragende Arbeit leisten und ihren Kindern die bestmögliche Zuwendung schenken, mit mtl. 150 Euro ab 2013 (?) für nur ein Jahr abgespeist werden. Daran sieht man, dass die Erziehungsleistung der Mütter, die das Beste für ihre Kinder – und damit auch für den Staat – geben, nicht honoriert wird. Sie müssten eigentlich die bestmögliche Unterstützung erhalten. Das Betreuungsgeld sollte ebenfalls für zwei Jahre – wie die Krippenbetreuung – mtl. mindestens 500 Euro betragen. Hinzu müsste kommen, dass diese Zeiten auch in der Rentenversicherung (Zitat Koalitionsvertrag: „…familienpolitische Komponente stärken und deshalb Erziehungsleistungen in der Alterssicherung noch besser berücksichtigen…“) berücksichtigt werden. Erst dann kann von einer Wahlmöglichkeit gesprochen werden. Denn die Mütter erbringen einen ganz wesentlichen Beitrag für die Gesellschaft und die Erziehungsleistung müsste honoriert werden. Zitat Koalitionsvertrag: „Alle, die Kinder erziehen, erbringen eine Leistung für die ganze Gesellschaft und verdienen daher deren besondere Anerkennung. Förderinstrumente sollen direkt in der Lebenswirklichkeit von Familien ansetzen. Es ist Ziel dieser Koalition, die wirtschaftliche und soziale Leistungsfähigkeit von Familien weiter zu stärken.“ Sind dies nur leere Worte oder ist das wirklich ein Anliegen der Bundesregierung?

In den letzten Wochen ist nun in den Medien zu hören und zu lesen, dass versucht wird, die Leistung des Betreuungsgeldes zu streichen, bzw. auf ein Jahr zu reduzieren. U.a. hieß es: „Angesichts der angespannten Haushaltslage mahnte Schröder zur Bescheidenheit und plädierte für ein Betreuungsgeld im zweiten Lebensjahr.“

Wir fragen uns, was das für eine angespannte Haushaltslage sein soll, wenn die Koalition jetzt sogar Steuersenkungen plant. Außerdem werden Euros im dreistelligen Milliardenbereich zur Rettung anderer Staaten ausgegeben. Das halten wir für ziemlich paradox und schizophren. Einerseits sollen nicht genügend Mittel für das Betreuungsgeld vorhanden sein, andererseits will man Steuern senken und es werden viele Milliarden Euro an andere Staaten gezahlt, nur weil diese über ihre Verhältnisse gelebt haben und für unsere eigenen Mütter und ihre Kinder ist angeblich nicht genügend Geld vorhanden. Das passt nicht zueinander. Es passt aber in das Bild, dass Mütter keine Anerkennung finden und ihre Leistungen nicht gewürdigt werden.

Sehr geehrte Frau Ministerin Schröder, wir möchten Sie ganz dringend bitten, Ihrer Aufgabe als Familienministerin gerecht zu werden und es nicht zuzulassen, dass das Betreuungsgeld zu Gunsten anderer Interessen geopfert wird, sondern dass es entsprechend unserer Vorstellung erhöht wird. Wir erwarten, dass zumindest dieser Betrag für die vollen zwei Jahre an die Mütter gezahlt wird. Und er muss anrechnungsfrei (z.B. bei Hartz IV) bleiben.

Im Koalitionsvertrag ist ferner zu lesen: „Frauen können bei einer Schwangerschaft aus unterschiedlichen Gründen in eine Notlage geraten. .. Die Entscheidung für ein Kind darf nicht an finanziellen Notlagen scheitern.“

Wir müssen aufgrund unserer langjährigen Beratungserfahrungen feststellen, dass die vorhandenen Regelungen vielen Frauen im Schwangerschaftskonflikt nicht gerecht werden. Tagtäglich erleben wir Schicksale, die erschreckend sind. Viele haben mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Da klingt die Passage aus dem Koalitionsvertrag schon wie ein Hohn. Gern würden wir Ihnen einmal solche Schicksale vorstellen oder Kontakte zu solchen Frauen vermitteln. Deshalb ist es dringend notwendig, gerade für diese Mütter finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie ein Ja zu ihrem Kind finden können.

Diesen Brief erhalten auch alle Bundestagsabgeordneten mit der Bitte, unser Anliegen zu unterstützen und ein Signal für die treu sorgenden Mütter/Familien in unserem Land zu setzen.

In der Hoffnung, dass unser Appell nicht leer verhallt und gehört wird, verbleiben wir mit den besten Grüßen

Reinhard Klein

Vorsitzender von „Hilfe zum Leben Pforzheim e.V.“
Berliner Str. 12
75172 Pforzheim
07231-4246000

Dieser Brief kann als Musterbrief verwandt werden, um sich an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend oder an den für Sie zuständigen Bundestagsabgeordneten zu wenden.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 7. November 2011 um 12:54 und abgelegt unter Ehe u. Familie, Gesellschaft / Politik.