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Offener Brief „Aus-WEG“

Dorothee Erlbruch, Leiterin der Beratungsstelle
Reinhard Klein, Vorsitzender und Berater
Beratungsstelle „Aus-WEG“
Offener Brief Juni 2008

Nach der amtlichen Abtreibungsstatistik gab es im Jahr 2007 ca. 117.000 Schwangerschaftsabbrüche. Diese gemeldeten Abtreibungszahlen werden aber nicht kontrolliert. Unwidersprochen dürfte sich die Zahl jedoch zwischen 250 und 300.000 getöteter Kinder im Jahr bewegen. Legt man jährlich nur eine Zahl von 250.000 zugrunde, mußten in den vergangenen 50 Jahren 12.500.000 Kinder im Mutterleib durch Abtreibungen sterben. Dies ist eine fast unvorstellbare Zahl.

Bedenkt man, daß je Abtreibung neben der Frau im Schnitt mindestens drei weitere Personen betroffen sind (Partner, Kinder, Eltern usw.), beläuft sich die Zahl auf rund 50 Millionen Menschen, die in dieses schreckliche Geschehen involviert sind, das ist mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung. Dieses ungeheure Ausmaß ist den meisten Menschen nicht bekannt. Auch die meisten Christen bewegt dies nicht.

Heute wissen wir vieles über die zum Teil fatalen Folgen eines Schwangerschaftsabbruches. Wir können aus der Praxis unserer Beratungsstelle Aus-WEG?! (Ein Bereich ist das seelsorgerlich/ therapeutische Angebot für Frauen – und auch Männer – nach Abtreibung.) viele Beispiele schildern. Man kann davon ausgehen, daß ein recht großer Teil dieser betroffenen Hälfte unserer Bevölkerung unter den Folgen von Abtreibung leidet. Damit ist Abtreibung mit ihren Folgen einer der verheerendsten Bereiche an Gesundheitsschäden und Schäden für die seelische Gesundheit und der Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Viele Partnerschaften und Ehen sind nach einer Abtreibung zerstört und brechen auseinander. Weitere Beziehungen innerhalb der Familien – wie die zwischen Eltern und Kindern – können beeinträchtigt sein. Die körperlichen und seelischen Schäden bei der Frau können sich auf nahezu alle Lebensbereiche auswirken – bis hin zum Selbstmord.

Über Abtreibung redet trotzdem heute fast niemand mehr. Sie gehört einfach zum Leben dazu, auch in christlichen Gemeinden. Man ist der Ansicht, es bestehe ein Recht auf Abtreibung, obwohl es eigentlich verboten ist. So meldete sich eine betroffene Frau bei uns (sie und ihr Mann seien Christen und verantwortlich in ihrer Gemeinde tätig) und suchte seelsorgerlich/therapeutische Hilfe. Sie werde mit dieser Schuld und Sünde nicht mehr fertig und könne deshalb nicht mehr mitarbeiten. Diese Schuld könne nicht vergeben werden. Ihr Mann verstehe sie nicht. Er habe ihr erklärt, ihr Schwangerschaftsabbruch sei doch legal und erlaubt gewesen. Deshalb sei es für ihn völlig in Ordnung.

An unsere Beratungsstelle wenden sich immer wieder Frauen, die ihre Abtreibungen, für die sie sich teilweise im Einvernehmen mit ihren Männern entschieden haben, im Nachhinein sehr bereuen. Andere haben sich klar für den Schwangerschaftsabbruch entschieden und sind sehr verwundert über dessen psychische Folgen. Sie zeigen Symptome, die einer posttraumatischen Belastungsstörung sehr ähnlich sind. Auch Männer, deren Partnerinnen gegen ihren Willen haben abtreiben lassen, wenden sich an uns. Im obligatorischen Beratungsgespräch bei den § 218-Beratungsstellen vor dem Schwangerschaftsabbruch werden die Risiken, wenn überhaupt, nur marginal benannt. Bei Christinnen zeigt sich der Schmerz nach einer Abtreibung immer wieder auch darin, daß sie davon überzeugt sind eine Sünde begangen zu haben, die unverzeihlich ist und sie kaum glauben können, daß Gottes Vergebung auch für sie gilt.

Kürzlich waren wir mit unserem Stand auf dem Christlichen Gesundheitskongress in Kassel vertreten. Auch dort kam das Thema nur am Rande vor. Es gab zwar eine Veranstaltung zum Thema Spätabtreibung, bei der auch Abtreibung kurz allgemein angesprochen wurde. Dort wurde jedoch von einem Podiumsteilnehmer die Meinung vertreten, auch Christen müßten Abtreibungen, die legal vorgenommen werden, zulassen, damit Frauen nicht zu „Engelmachern“ gehen müssen und in die Illegalität gedrängt werden. Zu dieser Einstellung erzählte uns jemand, daß es das gleiche wäre, als wenn die deutsche Regierung chinesische Dissidenten selbst an die Wand stellt und erschießt, anstatt sie an die chinesische Regierung auszuliefern, die sie sonst erschießen würde.

Im Laufe der Tage hatte ich ein Gespräch mit dem Moderator der o.g. Veranstaltung, der mir tatsächlich erklärte, auch wir Christen müßten Abtreibung akzeptieren. Die Beratung bei den Diakonischen § 218-Beratungsstellen erfolge vollkommen neutral. Man dürfe eine Frau nicht beeinflussen. (Eine solche Einstellung finden wir erschreckend!) Mein Einwand war, wenn ich Christ bin, könne ich niemals neutral bleiben, sondern werde immer für das Leben sein und für das Überleben des ungeborenen Kindes und die körperliche und seelische Unversehrtheit der Mutter eintreten. Frauen benötigen keine neutrale Beratung, sondern Menschen, die ein klares Ja zum Leben haben und diesen Standpunkt auch vertreten und konkrete Hilfen anbieten. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, daß wir eine betroffene Frau nicht ernst nehmen oder ihr eine Entscheidung aufdrängen. Sehr wohl haben wir die Aufgabe – dies belegen die Erfahrungen in unserer langjährigen Beratungsarbeit – einer Frau gegenüber eine klare und eindeutige Position einzunehmen und sie zum Leben hin zu beraten. Das bedeutet aber nicht, daß wir Frauen manipulieren oder unter Druck setzen. Es gibt Frauen und Paare, die sich trotz eindeutiger Beratung durch uns für eine Abtreibung entscheiden. Und manche dieser Frauen und Paare kommen nach einer Abtreibung wieder zu uns, weil sie mit den Folgen nicht fertig werden. „Sie haben uns alles gesagt und uns gewarnt. Sie haben Recht behalten. Wir hätten auf sie hören sollen. Wir sind am Ende und können nicht mehr weiter.“, lautete die Rückmeldung eines betroffenen Paares.

Ein Gynäkologe, der in den letzten zehn Jahren im Ausland tätig war und nun wieder in Deutschland arbeitet, kam während des Gesundheitskongresses an unseren Stand und erklärte, daß er sehr erschrocken sei über den Wandel im Bewußtsein der Menschen in Deutschland. Heute werde Abtreibung als etwas völlig Normales und als Recht angesehen, wie eine Dienstleistung, die man in Anspruch nehmen kann. Ein Unrechtsbewußtsein gäbe es anscheinend kaum noch. Genau dies ist auch unser Eindruck. Es gilt ebenso für christliche Gemeinden; denn sonst würden sie es nicht einfach so hinnehmen. In ihnen hat die Lebensrechtsbewegung fast keinen Raum mehr. Pro Vita existiert eigentlich nur noch auf dem Papier. Auch die Gruppen des Weißen Kreuzes nehmen immer mehr ab und erhalten kaum noch Unterstützung.

Ein weiterer Bereich der Arbeit von Aus-WEG?! ist neben der Prävention auch die Öffentlichkeitsarbeit. Unser Ziel ist es, das Thema Abtreibung wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Wir möchten, daß wieder darüber gesprochen wird, auch unter Christen, in den Gemeinden, auf Christlichen Gesundheitskongressen, großen christlichen Veranstaltungen, Kongressen christlicher Führungskräfte usw., vor allem aber auch in der Öffentlichkeit. Wir als Christen sind mitverantwortlich für den Werteverfall, weil wir sehr wenig dagegen tun.

So gehört zu unserer Öffentlichkeitsarbeit, daß wir überall dort hingehen, wohin wir eingeladen werden, um die verschiedensten Facetten von Abtreibung anzusprechen, zu informieren und aufzuklären. Dies geschieht in Frauengruppen, Frauenfrühstückstreffen, Männervespern, Seniorenkreisen und andern Veranstaltungen in den unterschiedlichsten Kirchen und Organisationen. Wir gestalten Gottesdienste in den verschiedensten Kirchen, bestreiten Radio- und Fernsehsendungen und arbeiten präventiv in Schulen und Jugendkreisen. Außerdem versuchen wir in christlichen Zeitschriften die Themen anzusprechen und auch auf unsere Beratungsangebote hinzuweisen. Immer mehr Menschen wenden sich hilfesuchend an uns.

Unser Wunsch ist es, daß insbesondere die Medien im christlichen Bereich, z.B. der Bundesverlag in Witten, der erf, bibel tv, family tv und sonstige Zeitschriften der Kirchen, Freikirchen und sonstigen Werke unser Anliegen aufgreifen und wir dort Beiträge einbringen können. Ebenso möchten wir auch bei den Medien allgemein das Thema ansprechen und sie nach Möglichkeit auch dafür gewinnen, sich ihm zu widmen.

Erstaunlich ist, daß sich ca. 70% unserer Klientinnen in einem eindeutigen Schwangerschaftskonflikt befinden, obwohl wir keinen Schein ausstellen. Manche Frauen haben bereits den Beratungsschein und wollen abtreiben. Bei vielen diakonischen §218-Beratungsstellen ist es genau umgekehrt. Dies gibt sicher auch zu denken.

Das Thema Abtreibung berührt alle Altersgruppen. Immer mehr junge Menschen – auch Christen – haben schon recht früh sexuelle Kontakte. Hier kommt es zu ungewollten Schwangerschaften. Die Altersspanne umfaßt alle Frauen im gebärfähigen Alter. Darüber hinaus sind auch Senioren angesprochen. Es gibt viele Frauen, die die Schuld und die Folgen einer Abtreibung in der Jugend bis zum Sterbebett mit sich herumtragen.

Übrigens gilt dies auch für Männer – wenn auch nicht in einem solchen Umfang. Wir erleben sie in der Beratungstätigkeit immer häufiger. Erst vor kurzem hatte ich bei einem Kongreß Christlicher Führungskräfte ein Gespräch mit einem Unternehmer, dem ich von unserer Arbeit erzählte. Er unterbrach meine Ausführungen mit dem Ausspruch: „Ich bin auch ein Betroffener.“, und dann erzählte er mir seine Lebensgeschichte. Auch seine Ehe sei daran zerbrochen.

Die Gruppe der Senioren ist noch aus einem anderen Grund wichtig. Gerade sie könnten sich einbringen und schwangere Frauen oder junge Mütter unterstützen, ihnen Hilfe anbieten, denn wir erleben immer wieder, daß Schwangere keine Perspektive sehen, allein mit einem Kind klar zu kommen.

Sehr geehrte Damen und Herren, unser Anliegen ist es, daß dieses Thema mit seinen vielen Facetten, wie Werte, Verantwortung, verantwortlicher Umgang mit der eigenen Sexualität, ungewollte Schwangerschaft, Verhütung und die Folgen der Abtreibung in seiner ganzen Breite zumindest in den christlichen Medien zu einem zentralen Thema wird. Natürlich versuchen wir, es ebenfalls in den säkularen Medien anzusprechen. Darüber hinaus möchten wir u.a. die Menschen in Politik und Wissenschaft, Schulen und Wirtschaft erreichen, um sie damit in Berührung zu bringen, sie zu sensibilisieren und sie zur Auseinandersetzung mit dem Thema zu bewegen.

Frau Dorothee Erlbruch, die Leiterin der Beratungsstelle Aus-WEG?! – die auch die überwiegende Anzahl der Beratungen durchführt -, ist eine vielgefragte Referentin verschiedenster Institutionen, sie hat selbst ein Buch herausgegeben und schreibt viele Beiträge. Ich bin seit Jahren nebenberuflicher Mitarbeiter verschiedener Zeitungen. Wir haben in den vergangenen Jahren mehrere Radio- und Fernsehsendungen bestritten.

Der größte Skandal in Deutschland, rund 12.500.000 getötete Kinder in Deutschland in den vergangenen 50 Jahren, darf uns nicht kalt lassen. Kaum jemand wagt es Abtreibung zu thematisieren, geschweige denn dagegen aufzustehen. Wir müssen die Menschen wachrütteln und sie auf dieses große Unheil und Unrecht aufmerksam machen. Die Christen müssten ihre Stimmen erheben und endlich anfangen, dagegen zu protestieren. Helfen Sie uns dabei, leihen Sie uns in Ihren Werken und Medien ihr „Ohr“ und ermöglichen Sie uns, die Botschaft zu verbreiten. Dabei geht es uns nicht nur darum, auf das grausame Geschehen hinzuweisen, sondern auch Hilfe anzubieten. Unser Ansatz ist es, deutlich zu machen, daß mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle ein einmaliger, unverwechselbarer und von Gott geliebter Mensch entstanden ist und wie er sich im Mutterleib so wunderbar weiterentwickelt. Die betroffenen Frauen und Männer sollen wissen, hier geht es um einen Menschen und nicht um irgendeinen Zellhaufen. Unsere Erfahrung ist, daß viele Menschen, gerade auch junge Menschen, sich durch diese Informationen ansprechen lassen.

Wir hoffen, die umfangreichen Ausführungen haben Sie nicht erschlagen und Sie haben sie auch bis zum Ende gelesen. Unser Wunsch ist es, daß das Anliegen auch bei Ihnen „zündet“ und wir zu einer guten und intensiven Zusammenarbeit kommen können.

Wir sind gespannt auf Ihre Rückmeldung
und verbleiben mit herzlichen Grüßen

Dorothee Erlbruch, Leiterin der Beratungsstelle 
Reinhard Klein, Vorsitzender und Berater
www.ausweg-pforzheim.de