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Botschaft zum Pfingstfest 2011

Montag 20. Juni 2011 von Erzbischof Janis Vanags


Erzbischof Janis Vanags

Botschaft von Janis Vanags, Erzbischof der evang.-luth. Kirche Lettlands, zum Pfingstfest 2011

In seinen Abschiedsreden sprach unser Herr zu seinen Jüngern: „ Ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“ Wenn wir diese Worte hören, dann könnten wir an der Stelle der Jünger ausrufen: „Lieber Jesus, wie ist das möglich, dass ich mich als Sieger erweise, wenn du von mir weggehst?!“ Wir haben doch gelernt, dass es für uns am wichtigsten sei, dass Jesus bei uns ist! Wie kann es für uns gut sein, dass du von uns weggehst? Und Jesus erklärt es uns – denn, wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden, den Heiligen Geist.

Jesus geht nicht so von uns weg wir diejenigen, von denen wir uns für alle Ewigkeit getrennt haben. Er hat sich auf eine bestimmte Weise von uns entfernt, um uns auf eine andere Weise näher zu sein. Viele Tage schauten die Jünger auf Jesus, hörten ihm zu und lernten. Das war auch Jesu Absicht. Jetzt sagt er ihnen – diese unsere gemeinsame Wegstrecke ist erfüllt und zu Ende. Aber um euretwillen müsst ihr weitergehen. Ihr werdet mich nicht mehr sehen und hören können. Doch es wird der Tröster, der Heilige Geist kommen. Er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern was er von mir hören wird, das wird er reden. Er wird euch in alle Wahrheit leiten und er wird mich verherrlichen. (Johannes 16, 6-7; 13-15)

Jesus sagt nicht, dass alles, was seine Jünger von ihm hörend und sehend gelernt haben, wertlos sei, und dass sie erst jetzt das wahre Erbe erhalten würden. Drei Jahre hat Jesus seinen Jüngern gewidmet, um sie so zu lehren. Doch danach ist die Zeit gekommen, das alles zu erfüllen und zu befruchten. Es ist an der Zeit, dass der Heilige Geist das übernimmt, was der Vater Christus gegeben hat, und das an uns weitergibt. Aus Jesu Sicht ist das etwas wie ein grand finale oder die Krönung alles dessen.

Wodurch unterscheiden sich die Christen von einem jeden anderen Menschen auf dieser Welt? Viele von ihnen durch nichts besonders Großes. Sie wünschen sich dasselbe und vermeiden dasselbe, sie haben zu verschiedenen Dingen ihr eigenes Urteil und sie verhalten sich gegenüber dem Anderen wie andere Leute in dieser Welt. Sie lachen über dieselben Witze, haben die gleichen Fernsehkanäle eingeschaltet, um das politische Geschehen zu betrachten und sie reagieren auf die Herausforderungen des Lebens ebenso wie alle anderen. Das einzige Anzeichen für einen Unterschied zu den anderen ist der Bericht über das Leben Jesu, der in ihrem Gedächtnis lebt. Den rufen sie sich selbst immer wieder in die Erinnerung und geben ihn an andere weiter. und sie können sich an ihnen auch ereifern, bis zum Streit. Es gibt sogar dafür den lateinischen Fachbegriff „odium theologicum“ – die Zwietracht, die bei theologischen Diskussionen entsteht. Aber der Unterschied müsste eigentlich viel tiefer gehen und sichtbarer sein. Wir sind doch alle getauft und mit Christus begraben in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln (Römer 6,4) Durch die Taufe haben wir den Tröster, den Heiligen Geist, empfangen.

Der Bericht von Jesus Christus ist bedeutend und wertvoll. Es ist wichtig, zu wissen, was Jesus gelehrt hat. Dieses Wissen können wir durch das Lesen von Büchern und das Hören von Vorträgen erwerben. Doch solange es sich nur in unserem Verstand handelt und in unserer Erinnerung niedergelassen hat, wird es in Debatten und in Streitgesprächen fruchtlos bleiben. Es wird  dann nur zu einem der Berichte, von denen es in dieser Welt so viele gibt. Jesus spricht: Um euretwillen muss ich aus eurer Nähe weggehen und euch zum Nächsten werden.

Er muss in uns das ganze Stück des Weges vom Verstand, der Erinnerung  und den Diskussionen zum Herzen, zur Liebe, zum Gehorsam und zur tieferen Motivierung zurücklegen. Damit der Tröster, der Geist der Wahrheit unserem Geist den schenkt, der wirklich Christus ist. Damit wir in allen Situationen Gott begehren und uns für ihn entscheiden. Dass wir selbst zu einem Bericht von Jesus Christus werden, der ihn zu Ehren bringt.

Das mag uns genau so schwer erscheinen wie der Aufstieg nach Golgatha oder in den Himmel. Eigentlich ist der mit menschlicher Kraft auch nicht möglich. Aber unser Herr Jesus hat sich für uns kreuzigen lassen und damit einen jeden ausgelöst und gerechtfertigt, der an ihn glaubt. Zu unserem Heil hat er uns den Tröster gesandt. Wir feiern heute das Fest des Heiligen Geistes und bekräftigen damit auch, dass wir ihn dringend benötigen, und dass wir von ihm abhängig sind. Nur durch ihn erhalten wir die Vollkommenheit eines Lebens als Christ. Lasst uns nach den Gnadenmitteln seiner Kirche auf die Suche gehen – im Wort Gottes und in den Sakramenten. Lasst uns ihn suchen in der Gemeinschaft und im Gottesdienst. Lasst uns ihn suchen in der reichen Frömmigkeitserfahrung der Kirche. Lassen wir uns nicht durch Flachheit aufhalten, sondern die Tiefe unserer christlichen Wurzeln stets nach den Früchten beurteilen, die wir täglich bringen. „Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit.“ (Gal. 5,22)

Es segne und behüte uns Gott der Heilige Geist, der uns in alle Wahrheit leite!

In Herzlichkeit und in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes

+ Jānis

Erzbischof von Riga

Am 12. Juni 2011

Übersetzung aus dem Lettischen: Johannes Baumann

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 20. Juni 2011 um 10:05 und abgelegt unter Predigten / Andachten.