- Gemeindenetzwerk - https://www.gemeindenetzwerk.de -

Offener Brief zu Fragen der Homosexualität an Landesbischof, Synodalpräsidentin und Oberkirchenrat der Evangelischen Landeskirche in Württemberg

Offener Brief der Gnadauer Verbände und Werke zu Fragen der Homosexualität an Landesbischof, Synodalpräsidentin und Oberkirchenrat der Evangelischen Landeskirche in Württemberg

Sehr geehrter Herr Landesbischof Dr. July,
sehr geehrte Frau Präsidentin Dr. Hausding,
sehr geehrte Damen und Herren im Kollegium des Oberkirchenrates,

heute wenden wir uns an Sie im Namen der Gnadauer Verbände und Werke in Württemberg im Blick auf die aktuelle Debatte um das Thema Homosexualität. Wir vertreten dabei unter anderem gut 1.000 Gemeinschaften innerhalb unserer Evangelischen Landeskirche in Württemberg und wissen uns mit vielen Kirchengemeinden verbunden, die sich in diesen Wochen mit Sorge an uns wenden.

Die Diskussionen um das Pfarrerdienstgesetz der EKD, die ja auch ein breites Medienecho fanden, haben auch Fragen nach Regelungen in unserer Landeskirche ausgelöst. Wir sind zunächst sehr dankbar für die in Württemberg nach wie vor bestehende Regelung, dass grundsätzlich keine gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften im Pfarrhaus möglich sind. Gleichwohl sehen wir in den bestehenden Einzelfallregelungen eine gewisse Konterkarierung, da sie den bestehenden Grundsatz praktisch in Frage stellen.

Inhaltlich schließen wir uns weitgehend den Stellungnahmen der acht Altbischöfe sowie des Gesprächskreises Lebendige Gemeinde an. Auf ausführliche biblisch-theologische sowie seelsorgerlich-praktische Ausführungen zu der komplexen Thematik rund um die Fragen zur Homosexualität und dem christlichen Glauben verzichten wir an dieser Stelle. Von der Heiligen Schrift her sehen wir uns in der Einsicht gebunden, dass praktizierte Homosexualität nicht dem Willen Gottes entspricht. Zugleich entspricht es dem Geist Jesu Christi, auch Menschen mit homosexueller Neigung und Orientierung in Liebe zu begegnen und mit ihnen versöhnt zu leben.

Das Gebot der Nächstenliebe relativiert jedoch nicht den Willen Gottes und seine Weisung hinsichtlich des menschlichen Zusammenlebens, sondern verschafft diesem vielmehr Geltung.

Wir nehmen eine tiefe Sorge in vielen Gemeinden und Gemeinschaften wahr. Verantwortliche Schwestern und Brüder, wie auch wir selbst, sehen die Einheit der Kirche in Frage gestellt. Wir erleben diese Situation als sehr ernst. Eine solche Besorgnis um die Kirche hat es an der Gemeindebasis unseres Erachtens in dieser Tiefe in den letzten Jahren, ja wohl Jahrzehnten nicht gegeben. Wir bitten Sie daher inständig, diese Besorgnis in vielen Gemeinden und Gemeinschaften wahr- und im Blick auf Ihre Entscheidungen sehr ernst zu nehmen.

Unsere Sorge um die Kirche gründet darin, dass mit der Frage nach dem praktischen Umgang mit gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften nicht nur wesentliche ethische Fragen aufgeworfen sind. Vielmehr sind hermeneutische und anthropologische Grundfragen berührt. Es geht letztlich um die Frage, welche Relevanz die Heilige Schrift in der „Kirche des Wortes“ hat. Wir halten es für unverzichtbar, dass die Bibel in der Klarheit ihrer Aussagen, die trotz divergierender hermeneutischer Zugänge evident sind, Orientierung und Richtschnur für kirchliches Handeln bleibt. Insofern hat die Frage nach der Legitimierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften im Pfarrhaus auch eine grundsätzliche Relevanz. Eine Instrumentalisierung der betroffenen Pfarrerinnen und Pfarrer zur Entscheidung in dieser Frage halten wir in beiderlei Richtung für unangemessen.

Wir sehen ferner mit Besorgnis die teilweise diskreditierende öffentliche Wahrnehmung von Werken und Diensten, die sich in besonderer Weise um die Begleitung von homophil empfindenden Menschen mühen, insbesondere das „Weiße Kreuz“, die Einrichtung „Wüstenstrom“ und die Offensive Junger Christen (OJC). Auch diese Werke sind in besonderer Weise auf die Solidarität ihrer Kirche angewiesen. Zugleich braucht es in unserer Kirche qualifizierte seelsorgerliche Angebote für Menschen, die unter ihrer homosexuellen Neigung leiden und eine Begleitung wünschen, die auch für eine Veränderung offen ist. Das sollte auch in den Publikationen landeskirchlicher Angebote zu Fragen der Homosexualität einen entsprechenden Niederschlag finden.

Aufgrund unserer weltweiten Verbundenheit etwa mit den Kirchen in Afrika und Asien bitten wir darum, den ökumenischen Horizont der Debatte im Blick zu behalten. Wenige protestantische Kirchen des Westens drohen einen sowohl historischen wie auch gegenwärtigen Konsens zu verlassen, der die breite Mehrheit reformatorischer, orthodoxer, anglikanischer und römischkatholischer Christen global verbindet.

Wir verbinden mit unserem Schreiben die Hoffnung auf eine verantwortliche Entscheidung in Bindung an Schrift und Bekenntnis und zugunsten der Einheit der Kirche. Wir nehmen die Diskussionen in der Synode aufmerksam wahr und versuchen eine an der Schrift orientierte Entscheidung auf dieser wie auch auf anderen Ebenen unsererseits zu befördern. Wir gehen davon aus, dass die Entscheidungen Auswirkungen auf unsere Gemeinschaften vor Ort haben werden.

In Jesus Christus verbunden grüßen wir Sie herzlich.

Mit den besten Segenswünschen

Ihre

Dietmar Kamlah, Vorsitzender des Süddeutschen Gemeinschaftsverbandes und amtierender Vorsitzender von Gnadau Württemberg
Pfarrer Dr. Volker Gäckle, Rektor der Internationalen Hochschule Liebenzell
Pfarrer Steffen Kern, Vorsitzender der Apis, des Evangelischen Gemeinschaftsverbandes Württemberg
Sr. Renate Kraus, Oberin des Diakonissenmutterhauses Aidlingen
Pfarrer Detlef Krause, Direktor der Liebenzeller Mission
Thomas Richter, Vorsitzender des Württembergischen Brüderbundes
Pfarrer Dr. Hartmut Schmid, Vorsitzender des Liebenzeller Gemeinschaftsverbandes
Pfarrer Dr. Rolf Sons, Rektor des Albrecht-Bengel-Hauses
Martin Landmesser, Leiter der Ev. Karmelmission
Pfarrer Gottfried Holland, Leiter der Gnadauer Brasilienmission
Schwester Johanna Hägele, Oberin der Schwesternschaft der Liebenzeller Mission
Armin Hassler, SWD-EC, Geschäftsführer Jugendarbeit
Pfarrer Rainer Geiss, Inspektor des Chrischona Gemeinschaftswerkes Deutschland

Dieses Schreiben geht zur Kenntnis an: Präses Dr. Michael Diener