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Alles akzeptieren? Der Verhandlungskompromiss § 39 PfDG.EKD

Donnerstag 21. April 2011 von Pfr. Rolf-Alexander Thieke


Pfr. Rolf-Alexander Thieke

„Alles akzeptieren?“ Der Verhandlungskompromiß §39 PfDG.EKD als zersetzender „Sauerteig“. Was will die Evangelische Kirche? Ehe und Familie in Bindung an Schrift und Bekenntnis oder aber zerfasernde und zersetzende „Lebensformen“?

Mit der EKD-weit betriebenen juristischen quasi-Gleichstellung von unterschiedlichen Lebensmustern („Lebensformen“) nach §39 PfDG steht ein weitreichender sozialethischer Paradigmenwechsel kirchenamtlich zur Diskussion: weg vom lebensdienlichen Schöpfungsethos mit seinem normativen „Leitbild Ehe und Familie“ -hin zu einem „Leitbild der Vielfalt“. Das langfristige Ziel einer Lobby, die ihre eigene Position durch kirchliche Repräsentanten sowie über die bundesweit tätigen Vereine „HuK“ und „LuK“ in der EKD umfassend und endgültig durchsetzen will, ist es, auf politischem Weg ein neues „Lebensformen-Recht“ zu schaffen. Die Förderung der unter besonderem Schutz des Grundgesetzes stehenden „Ehe und Familie“ würde damit aufgehoben; ihre Leitbildfunktion in der Gesamtgesellschaft wäre „dahin“. Es geht um Erosion und Auflösung tradierter Lebensstrukturen und Rollenmuster. Besonders die Evangelische Kirche gehört zu jenen Institutionen, die solange bearbeitet werden, bis auch sie für diesen Zweck instrumentalisiert werden kann. Die EKD-weite Kritik am § 39 PfDG zeigt, mit welchen semantischen Mitteln das reformatorische Ethos theologisch und kirchenrechtlich unterlaufen werden soll: Der Begriff „familiäres Zusammenleben“ soll explizit homosexuelle Lebensweise nach dem LPartG beinhalten können; der Begriff würde damit, sofern er in das Kirchenrecht eindringt, eine grundlegende ethische Norm-Orientierung setzen, die das biblische Ethos zersetzt und praktisch preisgibt!

Unverzichtbare Hinweise auf unangenehme, in der EKD weithin verdrängte Sachverhalte:

  • Der §39 PfDG beruht nicht auf der Heiligen Schrift als der „norma normans“ und Basis der Evangelischen Kirche. Der Text stellt lediglich einen gut gemeinten, in der Sache aber irreführenden Verhandlungskompromiss von Synodalen und deren Hintergrundberatern dar.
  • Der von der EKD-Synode 2010 empfohlene Text steht biblisch-theologisch auf tönernen Füßen: seine -juristisch fraglos relevante -„Begründung“ bietet mit ihrer Öffnungsklausel material-ethisch die eigentliche Normierung. Dabei wird die konsequente Bindung an das gesamtbiblische Menschenbild ab Gen 1ff samt zugehörigem Geschlechter-Ethos verlassen.
  • Dies veränderte Geschlechter-Ethos beruht im Umgang mit dem biblischen Kanon weithin auf einem hermeneutisch willkürlichen Revisionismus: dieser verlegt sich auf rein historische Relativierungen und selektive Preisgabe von lebensdienlichen ethischen Weisungen. Dies liefert das biblisch-theologische Amt einer postmodern angetriebenen inneren Erosion aus.
  • Dies bewirkt in der kirchlichen, gesellschaftlichen und politischen Wahrnehmung auf Dauer ein anderes Bild von evangelischen Pfarrern und Pfarrerinnen sowie der Kirche insgesamt. Kirchliche Ethik wird immer mehr eingeordnet in politisch gleichgeschaltete („gleichgestellte“) und gesellschaftlich „gelebte Vielfalt“ von Lebensmustern, die die Qualität einer ureigenen geistlichen Disziplin und Prägung verlieren. Schon heute werden bestimmte hohe ethische Ansprüche der Bibel z.T. einer innerkirchlichen Missachtung und Diskriminierung ausgesetzt.
  • Auch in humanwissenschaftlicher Hinsicht fehlt es dem § 39 an realer Hintergrundkompetenz zu den Themen Homo-, Bi-, Transsexualität etc.! Die EKD hat sich seit Jahrzehnten vor der Aufgabe gedrückt, den entsprechenden internationalen Diskussionsstand auch nur entfernt zu bilanzieren -mit bösen Folgen! Dieses Manko zeigt sich u.a. auch am EKD-Text 57.
  • Wichtige Stellungnahmen zu Stärken, Schwächen und Defiziten dieses EKD-Textes 57 sind seit 1996 kirchenamtlich nur unzureichend aufgearbeitet worden. Dies hat auch zur Folge, dass Veränderungswillige, die sich am biblischen Ethos orientieren wollen und die unter ihrer Homosexualität aus mehreren Gründen leiden, aus einer Seelsorge herausfallen, die sich gerne auf „Unveränderbarkeit“ homosexueller Neigung beruft -was begründet bestritten ist.
  • Die Formulierungen im §39 PfDG führen auch sozialethisch erheblich in die Irre: angesichts einer sich immer weiter zersetzenden Gesellschaft (M.Miegel „Die deformierte Gesellschaft“) müsste gerade die Kirche mit aller Konsequenz die Institutionen „Ehe und Familie“ stärken.
  • Dieser § 39 zersetzt direkt und indirekt auch die verlässliche Orientierung in der Pädagogik. Die gesamtgesellschaftliche und generelle sexualethische Irreführung (samt entsprechend „sensiblen“ Verführungen, vgl. Fall Gerold Becker) hat bereits heute auf Jugendliche einen erheblichen Einfluss; sie animiert vielfach dazu, „auszuprobieren, was auszuprobieren ist“. Das Lebensmuster „LPart im Pfarramt“ würde auch Derartiges diskret befördern.
  • Der § 39 fördert eine schrift-ferne Lebensgestaltung im Gemeindeleben, indem er (N.B. von profilierter Stelle aus) ein -seelsorgerisch höchst notvolles -„Vorbild“ gibt. Diese Irreführung ist gerade für solche Jugendlichen von Bedeutung, deren Identitätsbildung noch unsicher ist. Mit allem vermittelt die Kirche insgesamt ein gesellschaftsdiakonisch sehr dubioses Vorbild.
  • Eine blind betriebene Verharmlosung und idealisierende Aufwertung „sexueller Vielfalt“ (wie homo-und bisexuelle Lebenspraxis) verhöhnt Christen, die wohlbegründet ausstiegswillig sind. Die Option von §39 samt erläuternder Begründung unterläuft und behindert wegen der naiven und programmatischen Akzeptanz dieses narzisstisch angelegten Lebensmusters die dringend erforderliche kirchliche Spezialseelsorge im Dienst an den Betroffenen.

Im Übrigen sorgt die „Gleichstellung von Ungleichem“ zusätzlich und dauerhaft für vermeidbare Problem-und Konfliktpotentiale in der Kirche, sie belastet ihren Zusammenhalt nach innen und ihre ethische Glaubwürdigkeit nach außen. Etwaige kongregationalistische Problem-„Lösungen“ würden Verantwortung lediglich verschieben, lokale Entscheidungsträger oft überfordern und die kirchliche Bekenntnis-Gemeinschaft sowie die eigene Autorität der Synode nur schwächen.

10.4.2011 (Sonntag Judika)
Rolf-Alexander Thieke, Pfr. und Rell. i.R.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 21. April 2011 um 19:02 und abgelegt unter Ehe u. Familie, Gemeinde, Gesellschaft / Politik, Sexualethik.