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Wie lange hinkt ihr auf beiden Seiten?

Dienstag 13. November 2007 von Andreas Rau


Andreas Rau

Wie lange hinkt ihr auf beiden Seiten?
Oder: Wie ein Laie evangelische Theologie erlebt

 I

„Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde“. Wenn man sich diese Worte auf der Zunge zergehen läßt, kann es einem schwindelig werden. Da soll es irgendwo ein Wesen geben, das buchstäblich alle Macht hat; das nicht nur all die Wunder auf unserer Erde sondern auch den Mond, die Sonne und den unvorstellbar  gewaltigen Kosmos aus dem Nichts geschaffen hat. Gegen solch einen Gott wäre ein Mensch nichts; absolut nichts. Das Verhältnis wäre nicht wie zwischen Mücke und Elefant, sondern wie Mücke und Sonne. Dieser Gott ist für uns völlig unerreichbar; und selbst wenn die Mücke die Entfernung zur Sonne überwinden könnte – es würde nicht einmal pfft machen und sie wäre verdampft. Bei einem Streit hätten wir null Chancen; absolut null.Auf diese Vorstellung kann man nun auf zwei grundsätzlich unterschiedliche Weisen reagieren: A) Man versteht sie als Chance. Was wären das für Möglichkeiten, wenn solch ein Gott uns wohlgesonnen wäre; wenn er uns beraten, uns beistehen würde; wenn er uns teilhaben ließe an seiner Kraft, an seinem Geist; wenn er auch uns winzigen Mücken ewiges Leben schenkte? Was könnte uns besseres passieren, als solch einen „Vater unser im Himmel“ zu haben? Oder aber B), man empfindet solch einen Gott als Gefahr, als Bedrohung. Es ist wahrhaft kein angenehmer Gedanke, daß da jemand sein soll, der uns immer sieht; der buchstäblich alles von uns weiß: jede Tat, jedes Wort, jeden Gedanken. Der auch noch Gebote erläßt, was wir tun und lassen sollen; der einmal Gericht halten und ein Urteil sprechen will über uns und unser Leben.

Das Problem ist, man kann nicht sicher wissen, ob es solch einen Gott gibt oder nicht. Es gibt keinen eindeutigen Beweis für ihn; es gibt aber auch keinen Beweis gegen ihn. Deshalb muß jeder Mensch für sich selbst eine Entscheidung treffen: ja oder nein; glaube ich an diesen Gott oder lehne ich ihn ab; akzeptiere ich eine allmächtige Autorität über mir oder will ich mein eigener Herr sein?

Diese Entscheidung trifft man weniger mit dem Verstand; sondern sie kommt aus dem Herzen, dem tiefsten Innersten unserer Seele. Von dort heraus prägt sie unser Wollen, unser Fühlen, unser Denken, unser ganzes Sein. Und von dort heraus bestimmt diese Entscheidung auch unseren Glauben, unsere Theologie. Die Einen stellen sich dem Gedanken an einen  großen, allmächtigen Gott – mit all den Problemen, die das mit sich bringt (wie kann Gott das zulassen?); die Anderen tun alles, um Gott klein und entsprechend sich selber groß zu  denken.

Zum Beispiel bei Jesus Christus. Die Einen schrieen aus Leibeskräften: „Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich unser!“ Die Anderen schrieen, auch aus Leibeskräften: „Weg mit dem – „Kreuzige ihn!“

Heute ist Jesus nicht mehr sichtbar unter uns, dafür haben wir die Bibel. Auch hier: Die  Einen glauben, die Bibel ist Wort Gottes; Worte, die von Gott durch Menschen hindurch zu uns kommen. Also nehmen sie die Bibel, wie sie ist; und suchen darin das Erbarmen und die Zuwendung Gottes; das, was der große, allmächtige Gott uns Mücken zu sagen hat.

Die Anderen sagen: Nein, die Bibel ist nicht Gottes Wort. Wenn man sie beim Wort nimmt, dann ist das gefährlich; das machen nur Fundamentalisten. Deshalb müssen wir die Bibel (historisch) kritisch untersuchen: Was uns darin gefällt, in Ordnung, das lassen wir gelten; was uns nicht zusagt, das muß weg!

Nun ruft man allerdings nicht: „Kreuziget die Bibel!“ Sondern man sagt: „Nicht eliminieren, sondern interpretieren!“ (Bultmann) D. h., die Bibel wird umgedeutet. Die Bedeutung der unbequemen Worte und Texte wird verändert; sie werden zurechtgebogen und zwar so, wie der Theologe es braucht.

Ein besonders schönes Beispiel dafür, wie man die Bibel „interpretieren“ kann, findet sich in der offiziellen EKD-Monatszeitschrift „Zeitzeichen“. Im Januar 2006 (S. 48) zog dort der Theologie-Student Florian Dieckmann eine Bilanz seines Studiums. Er schreibt sinngemäß: Am Anfang meines Studiums habe ich noch an einen Gott im Himmel geglaubt; jetzt am  Ende meines Studiums habe ich mich von dieser Vorstellung verabschiedet. Jetzt glaube ich: „Es gibt Gott nicht außerhalb unseres Glaubens an ihn… Gott ist da, wo von ihm geredet wird … Anderswo muß man ihn nicht suchen. Das ist ernüchternd, … weil der Thron im Himmel quasi verlassen ist und leer. Weil da keiner sitzt über den Wolken. Keiner regiert im soundsovielten Himmel.“

Das lernen Theologie-Studenten heute an den Universitäten! „Der Thron im Himmel ist leer. Gott ist nur da, wo von ihm geredet wird; anderswo muß man ihn nicht suchen.“ Mit anderen Worten: wenn man über Gott redet, dann existiert er; wenn man nicht mehr über ihn redet, dann gibt es ihn auch nicht mehr. Der ewige, allmächtige Gott wird hier zu einer Art Westentaschen-Götzen. Bei Bedarf holt man ihn heraus; wenn man ihn nicht mehr braucht, wird er zusammengeklappt und wieder weggesteckt.

Das wird selten so deutlich gesagt. Aber dennoch, heutige Theologie ist – weithin – der groß angelegte Versuch, Gott klein zu machen, ihn schön handlich und berechenbar und vor allem beherrschbar zu denken – und entsprechend den Menschen (genauer wohl: den Theologen) groß zu machen. Der Gott der heutigen Theologie ist immer lieb und nett und brav und gnädig; er sagt und tut grundsätzlich nur das, was die Theologen von ihm erwarten.

Wohlgemerkt – es geht hier nicht darum: die Einen sind die Guten, die machen alles richtig; und die Anderen sind die Bösen, die machen alles falsch. Die Vertreter beider Seiten sind Sünder und machen Blödsinn. Auch die von A) haben oft genug allen Grund, sich an die  eigene Nase zu fassen. Es geht hier nur um die zwei grundsätzlich verschiedenen, nicht zu vereinbarenden Grundformen von Theologie:

Bei A) der große Gott und ein kleiner Mensch; bei B) der große Mensch und ein kleiner Gott. Oder im Blick auf die Bibel: Bei A) ist die Bibel die Autorität und der Mensch steht unter ihr. Die Bibel kritisiert den Menschen. Bei B) ist der Theologe die Autorität und die Bibel steht unter ihm. Der Mensch kritisiert die Bibel.

 II

Von Physik habe ich keine Ahnung. Es muß aber mal einen großen Streit gegeben haben über die Frage: Woraus besteht das Licht? Die einen sagten: „Licht besteht aus Teilchen“; die  anderen sagten: „Licht ist Welle, ist reine Energie.“ Ich habe das nie so richtig begriffen, aber damals galt wohl: entweder – oder, entweder Teilchen – oder Welle. Das eine schloß das andere aus; beides gleichzeitig ging nicht.

Der Witz war nun, machte man ein bestimmtes Experiment, konnte man beweisen: Licht ist Teilchen. Machte man ein anderes Experiment, konnte man das genaue Gegenteil beweisen: Licht ist Welle. Das Experiment entschied über das Ergebnis; bzw. das Ergebnis war abhängig vom Verhalten des Forschers: was er suchte, das fand er auch. Obwohl beide Ergebnisse absolut nicht zusammenpaßten und sich gegenseitig ausschlossen.

„Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.“ Gott hat das Licht geschaffen. In Folge dessen, sollte Gott unendlich komplizierter beschaffen sein als das Licht. Deshalb dürfte auch und gerade bei Gott gelten: das Experiment bestimmt das Ergebnis; bzw. das Ergebnis hängt ab von uns, von unserem Verhalten: was wir suchen, das finden wir auch.

Zum Beispiel Jesus Christus: Wer bei ihm Gottes Liebe und Hilfe suchte, der fand sie auch. Der konnte ehrlichen Herzens sagen: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“. Bis heute, durch die Jahrtausende hindurch, können unzählige Christen aus ganzem, tiefsten   Herzen bekennen: „Mein Herr und mein Gott!“

Und die Anderen, die von oben herab, herablassend auf Jesus geschaut haben, die sagten: „Zeig mal was du kannst. Tu‘ doch mal ein Wunder. Bist du Gottes Sohn, dann steig herab vom Kreuz“. Die kamen zu dem Ergebnis: Jesus ist ein ganz gewöhnlicher Mensch, der Sohn des Zimmermanns; nichts Besonderes, im Gegenteil ein „Fresser und Weinsäufer“.

Oder die Bibel: Wer sie gewissermaßen auf Knien, mit betendem Herzen liest, der merkt, darin steckt die Liebe und der Segen und die Kraft des ewigen, allmächtigen Gottes. Wer aber die Bibel von oben herab, mit kritisierendem Verstand betrachtet, der kommt halt zu dem Ergebnis: Die Bibel ist „menschliches Zeugnis“ (E. Jüngel); sie ist „eine von Menschen geschriebene religiöse Urkunde und daher zu lesen und zu verstehen wie andere menschliche Urkunden auch“ (H. Zahrnt). Nichts Besonderes, ein Buch wie jedes andere. Das Ergebnis hängt ab von unserem Verhalten: was wir suchen, das finden wir auch.

Der Marburger Theologie-Professor Wilfried Härle hat eine Dogmatik geschrieben. Auf Seite 13 erwähnt er eher am Rande die Frage: Ist Theologie die Lehre von Gott oder die Lehre von Verkündigung und Glauben? Mit anderen Worten: Ist Theologie ein Experiment, das auf Gott hin ausgerichtet ist, das Gott erkennen will? Oder ist Theologie ein Experiment, das auf den Menschen hin ausgerichtet ist, das den Glauben und die Verkündigung der  Christen untersucht? Zugespitzt: Sucht Theologie nach Gott oder nach dem Menschen?

Seine Antwort: Es gibt ein Argument für Theologie als Lehre von Gott, aber das sei „nicht durchschlagend“; deshalb sei Theologie die „Bezeichnung der institutionalisierten, wissenschaftlichen Form der Reflexion über Inhalte der christlichen Botschaft und Vollzugsweisen ihrer Vermittlung“. Auf deutsch: Theologie untersucht, was der Mensch, der christliche Mensch, aber eben der Mensch glaubt, denkt und redet.

Das Ergebnis hängt ab von uns, von unserem Verhalten: was Theologen suchen, das finden sie auch! Und was Theologen alles finden, kann man im SPIEGEL nachlesen. In der Ausgabe 50/1999 (S. 130) stand ein Interview mit Andreas Lindemann, Professor für Neues Testament an der kirchlichen Hochschule in Bethel:  „SPIEGEL: Hielt Jesus sich für Gottes Sohn? Lindemann: Nein.“ An anderer Stelle: „SPIEGEL: … Also verstand auch Jesus selbst seinen Tod nicht als Sühnetod für die Sünden der Menschen… Lindemann: Davon hat Jesus in der Tat nicht gesprochen. Die Worte, mit denen er seinem Sterben Heilsbedeutung zuschreibt, sind ihm nachträglich in den Mund gelegt worden.“

In diesem Stil geht das über vier Seiten: Jesus sei nicht in Bethlehem geboren; die Weihnachtsgeschichten seien komplette Erfindungen; Jesus hat vielleicht Kranke geheilt aber andere Wunder habe er nicht getan; er habe weder die Bergpredigt gehalten noch das Abendmahl eingesetzt noch den Missionsbefehl erteilt; das leere Grab sei eine Legende, Himmelfahrt natürlich auch. Kurz gesagt: Die Evangelien berichten nicht, was Gott durch Jesus getan hat; sondern die Evangelien sind von Menschen erfundene Geschichten. Und gewissermaßen als Tüpfelchen aufs i: „SPIEGEL: Herr Lindemann, wenn wir Sie so hören, kommt uns der Gedanke: Was man über den Menschen Jesus weiß, ist dem christlichen Glauben im Wege. Lindemann: Das bestreite ich nicht“.

Das ist heutige wissenschaftliche Theologie! „Was wir über den Menschen Jesus wissen, ist dem christlichen Glauben im Wege.“ Auch hier wieder diese Zweiteilung: A) Wer Gott sucht und die Bibel als Wort Gottes liest, der findet in den Evangelien die Taten des großen Gottes; der findet dort, was Gott durch seinen Sohn Jesus Christus auf dieser Erde getan hat. B) Wer den Menschen sucht und die Bibel als Menschenwort liest, der findet von der Urgemeinde erfundene, von Menschen ausgedachte Geschichten.

Besonders bemerkenswert: „SPIEGEL: Papst Johannes Paul II… behauptet, ‚daß es sich bei den Evangelien um Lebensbeschreibungen Jesu handelt‘. Lindemann: „Das wird seit Jahrzehnten von keinem Ernst zu nehmenden Exegeten mehr behauptet. SPIEGEL: Der Papst … verkündet, die Evangelien seien … ‚als historische Zeugnisse … zuverlässig‘. Lindemann: Ich kenne jedenfalls im deutschsprachigen Raum keinen Exegeten, auch keinen katholischen, der sich so äußert.“

Das ist natürlich Quatsch; selbstverständlich gibt es solche Exegeten – insbesondere an den von der Kirche nicht anerkannten Bibelschulen. Dennoch, hier schreibt einer, der es wissen muß: Er kenne keinen Theologie-Professor – weder einen evangelischen, noch einen katholischen – der glaubt, daß das, was die Evangelien berichten, tatsächlich geschehen ist.

(Soweit ich weiß, spricht man heute in der Physik vom „Welle-Teilchen-Dualismus“. Nicht nur das Licht sondern alle Atome sind sowohl Welle – als auch Teilchen. Ähnliches sollte auch für Jesus gelten: Er war sowohl wahrer Mensch – als auch wahrer Gott; sowohl 100 Prozent Mensch – als auch 100 Prozent Gott. Genau wie die Bibel: sowohl 100 Prozent Menschenwort – als auch 100 Prozent Wort von Gott. Nicht: entweder – oder; sondern: sowohl – als auch. Die Physiker haben es inzwischen begriffen; die Theologen offenbar noch nicht.)

Das Ergebnis hängt ab von uns, von unserem Verhalten: was wir suchen, das finden wir auch: A) Wenn der kleine Mensch zu dem großen Gott aufsieht, ihn sucht, ihn anbetet – dann will der ewige, allmächtige Gott sich von ihm finden lassen. B) Wenn aber der große Mensch nur sich selber anschaut; sich selber sucht, sich selber anbetet – dann wird er auch nur sich selbst, den Menschen, finden.

 III

Von Physik habe ich keine Ahnung; von Biologie auch nicht. Ich habe aber mal nachgeschlagen unter dem Stichwort „Einsiedlerkrebs“. Dort stand: „Gruppe von Mittelkrebsen, die den häufig weichhäutigen Hinterleib in Schneckenschalen bergen.“ Also: nach außen hin, das Gehäuse, sieht aus wie eine Schnecke; innen ist aber etwas ganz anderes drin, nämlich ein Krebs.

Noch einmal der Theologie-Professor Lindemann. SPIEGEL: „Daß die Jungfrauengeburt nicht historisch ist, ist feste protestantische Ãœberzeugung … Ist es für Sie ein Problem, einerseits überzeugt zu sein, daß es keine Jungfrauengeburt gegeben hat, und andererseits das Glaubensbekenntnis zu sprechen: ‚geboren von der Jungfrau Maria‘?“ Lindemann: „Nein, überhaupt nicht“.

Wohlgemerkt, wir leben – Gott sei Dank – in einem freien Land. Hier darf jeder denken und glauben, was er für richtig hält. Wenn jemand der Meinung ist, Jesus hatte einen menschlichen Vater, dann darf er das selbstverständlich denken. Aber dann darf und sollte und muß er dies auch klar und deutlich sagen. Wenn aber jemand meint, Maria war keine Jungfrau, und dennoch bekennt „Ich glaube … geboren von der Jungfrau Maria“, dann ist das Heuchelei, dann ist das Betrug, dann ist das Lüge.

Und hier bestätigt ein Theologie-Professor in aller Öffentlichkeit: Es sei feste protestantische Ãœberzeugung, daß es keine Jungfrauengeburt gegeben hat – aber dennoch lautet das offizielle Bekenntnis der protestantischen Kirchen: „ich glaube … geboren von der Jungfrau Maria“. Und das wird Sonntag um Sonntag von knapp einer Million Protestanten gesprochen. D. h., laut Lindemann denken Protestanten „Jungfrau: nein“, aber sie sagen „Jungfrau: ja“; sie glauben: „falsch“, aber sie bekennen; „richtig“; sie sagen etwas anderes, als sie meinen und sie meinen anderes, als sie sagen.

Solchen Lügen begegnet man in unserer Kirche auf Schritt und Tritt. Der anfangs zitierte Student Florian Dieckmann dürfte inzwischen Vikar sein. Als solcher zieht er sich einen Talar an, tritt vor die Gemeinde und spricht mit lauter Stimme: „Ich glaube an Gott…“ Und im Stillen denkt er: „Der Thron im Himmel ist leer; da sitzt keiner, der regiert.“

Oder: Professor Lindemann behauptet im SPIEGEL, das leere Grab sei eine Legende; d. h. er und viele seiner Kollegen sind überzeugt, Jesus sei im Grab verfault wie jeder andere Mensch auch. Und dennoch bekennen sie alle: „Ich glaube … an Jesus Christus … am dritten Tage auferstanden von den Toten.“

Oder: Der sächsische Bischof verschickt Rundschreiben an seine Pfarrer und Gemeinden. Im Sommer 2006 war dem ein „hilfreicher Vortrag“ der Leipziger Theologie-Professorin  G. Schneider-Flume beigefügt. Darin heißt es sinngemäß: Wenn jemand an eine Macht glaubt, die „alles kann“, an eine Ãœbermacht – sei es in der Höhe oder in der Tiefe, an einen Allesmacher-Gott – dann sei das Aberglaube, eine Projektion der eigenen Wünsche. Der  Bischof und die Professorin stellen sich hin und bekennen: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen“ – und im Stillen denken sie, das sei Aberglaube.

Diese Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen. Allein von der Sprache her ist unsere Kirche schon lange keine Kirche des Wortes mehr, sondern eine Kirche der Heuchelei, des Betruges, eine Kirche der Lüge – und das in einem Ausmaß, das viele aufrichtige Christen sich nicht im Entferntesten träumen lassen. Ich persönlich gewinne immer mehr den Eindruck, heutige evangelisch-kirchliche Theologie ist kaum mehr als eine Anhäufung von Sprechblasen: sie schillern fromm-christlich, innen aber sind sie hohl und leer.

Zum Beispiel: Der letzte Kirchentag hat viel vom „Wort Gottes“ geredet. N. Schneider, der Präses der rheinischen Landeskirche, sagte in ideaSpektrum am 13.06.07: „Das Wort Gottes ist die Klammer, die die Fülle der Veranstaltungen in ihrer bunten Vielfalt umschließen soll.“ Klingt das nicht wunderbar christlich? Nur leider, da gibt es halt die kirchliche Zeitschrift „Zeitzeichen“. Dort wurde der Kirchenpräsident von Hessen Nassau, P. Steinacker, gefragt: „Ist die Bibel das Wort Gottes?“ Seine Antwort: „Nein… Die Bibel ist nicht mit dem Wort Gottes identisch. Das Wort Gottes ist kein Buch, sondern lebendiges Geschehen.“ Das sagt der (praktisch) Bischof einer Landeskirche: Die Bibel ist nicht das Wort Gottes!

Bloß wenn nicht die Bibel – was dann? Was ist gemeint, wenn auf dem Kirchentag vom „Wort Gottes“ geredet wird? Ich habe Herrn Höppner geschrieben; ich habe Frau Ãœberschaer persönlich gefragt; ich habe der kirchlichen Presse geschrieben; ich habe alles Mögliche versucht – eine Antwort habe ich nicht erhalten. Ich habe mich ernsthaft bemüht, aber ich habe bisher nicht herausgefunden, was genau der Kirchentag meint, wenn er so fromm vom „Wort Gottes“ redet. Scheinbar wird der Begriff wie Fassade aufgerichtet, wie eine Art „potjemkinsches Sprachdorf“; und hinter dieser frommen Fassade kann dann im Grunde jeder reden, was er will: Fliege, der Dalai Lama, Muslime, jüdische Schriftgelehrte, PDS-Atheisten und wer weiß noch. Hinter der Sprechblase „Wort Gottes“ ist nahezu alles erlaubt.

Oder: Der Papst meint, die Evangelischen seien keine richtige Kirche. Prompt protestieren die Protestanten trutzig: Kirche ist dort, wo das Evangelium rein gepredigt wird. Sehr schön und sehr lutherisch! Aber was genau heißt das denn: „Evangelium rein predigen“? Was unterscheidet dieses reine Evangelium von schmutzigem? Und wer prüft denn nach, ob in den  evangelischen Gottesdiensten das Evangelium tatsächlich „rein“ gepredigt wird? Auch das habe ich noch nicht herausgefunden.

Evangelische Theologie erinnert sehr an einen Einsiedlerkrebs: Außen sieht es aus wie eine Schnecke, innen aber ist es ein Krebs; die äußere Form ist christlicher Glaube, der Inhalt aber ist ein anderer; nach außen hin sieht es aus wie Gott; doch drinnen steckt der Mensch.

In Gal 2,11ff wird beschrieben, daß Petrus eine bestimmte Gruppe in der Gemeinde fürchtete, den gesetzestreuen Kreis um Jakobus. Und aus Angst vor denen tat Petrus etwas, von dem er genau wußte, daß es falsch war: Erst „aß er mit den Heiden, als aber einige von Jakobus kamen, zog er sich zurück und sonderte sich ab, weil er die aus dem Judentum fürchtete. Und mit ihm heuchelten auch die andern Juden, so daß selbst Barnabas verführt wurde, mit ihnen zu heucheln.“

Und genau das spielt sich weithin in unserer Kirche ab. Wenn all die Einsiedlerkrebse ihren weichen Hintern öffentlich präsentierten, d. h. ihre wirklichen Ãœberzeugungen ehrlich beim Namen nennen würden, bekämen sie einen Haufen Ärger: in den eigenen Reihen, mit den Katholiken, in der Ökumene usw. Es gäbe es eine Riesenaufregung. Weil man das nicht will, wird eben „geheuchelt“. Der Krebs versteckt sich im Schneckenhaus. Man tarnt sich mit einer frommen Sprache. Man benutzt die äußeren Formen von A) und füllt sie mit den Inhalten von B). Man spricht das apostolische Glaubensbekenntnis Sonntag um Sonntag – und glaubt doch etwas völlig anderes.

Wohlgemerkt: Auch bei A) ist nicht alles Gold, was glänzt. Auch da redet man oft von Gott und meint doch nur sich selbst, das fromme Ego. Dennoch – man kann über vieles diskutieren, aber diese verlogene, heuchlerische Sprache von B) ist nicht zu entschuldigen.

 IV

Von Physik habe ich keine Ahnung, von Biologie auch nicht und erst recht nicht von Medizin. Immerhin, dort gibt es verschiedene Fachrichtungen. Z. B. die Anatomie: da nimmt der Arzt ein scharfes Messer und schneidet den Menschen auf, um zu sehen, was alles in ihm drinsteckt. Und es gibt die Psychologie; dort arbeitet der Arzt gewissermaßen mit dem Ohr; er hört zu, um zu verstehen, was den Menschen bewegt, was in seiner Seele vorgeht.

Ähnlich ist es in der Theologie. Auch hier werden unterschiedliche Instrumente benutzt bzw. unterschiedliche Organe. Bei A) arbeitet man mit dem Herzen; mit einem betenden, hörenden Herzen, um zu verstehen, was der große, allmächtige Gott uns Mücken sagen und schenken will. Oder vielleicht auch: A) arbeitet mit den Händen, und zwar mit leeren Händen. Denn ohne Gott bin ich ja völlig hilflos. „Ohne mich könnt ihr NICHTS tun“! Ein Pfarrer hat in sich selber NICHTS, absolut NICHTS, was den Menschen in seiner Gemeinde eine bleibende, ewige Hilfe wäre. Folglich streckt dieser Pfarrer – bildlich gesprochen – seine leeren Hände zu Gott hin aus und bittet: Herr, zeige DU mir, was DU mit diesem Bibelwort sagen willst. Gib DU mir die rechten Worte für die Predigt, damit sie den Menschen eine Hilfe wird; segne DU diesen Gottesdienst und jeden einzelnen Besucher… Ich habe NICHTS, aber DU hast unendlich viel; DU hast Worte ewigen Lebens.

B) dagegen arbeitet mit dem Gehirn. Die heutige Theologie arbeitet ganz bewußt vor dem „Forum der Vernunft“, habe ich mal gelesen. Und dort benutzt man den Verstand wie ein scharfes Messer, um Glauben und Bibel Satz um Satz, Wort um Wort zu sezieren. Mit den Methoden der Geschichtswissenschaft, der Literaturwissenschaft, der Sprachwissenschaft, der Philosophie usw. usw., will man herausfinden, was da so alles drinsteckt.

[Selbstverständlich arbeitet man bei A) auch mit dem Verstand. Die Frage ist bloß, hat der eine dienende oder eine herrschende Funktion. Steht der Verstand unter der Bibel und dient ihr; oder steht er über der Bibel und will sie beherrschen?]

In der Folge entstehen durch die unterschiedlichen Organe natürlich auch unterschiedliche „Produkte“. Ãœber A) steht die Verheißung: „Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen“ (Jer 29,13). D. h., wenn A) sauber arbeitet (und nicht die eigene, fromme Einbildung mit dem Geist Gottes verwechselt), wird dort ein „Heil“ geschenkt, das nicht von dieser Welt ist; ein Heil, das unsere Möglichkeiten und unsere Vorstellungskraft übersteigt; Gott schenkt einen „Frieden, der höher ist als alle Vernunft.“

Ãœber B) dagegen steht 1Ko 2,14: „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit; und er kann es nicht erkennen.“ Gott läßt sich nicht vor das „Forum der Vernunft“ zitieren. Die menschlichen Wissenschaften können sehr hilfreich sein; man kann mit ihnen viel Sinnvolles leisten – nur eines nicht: Sie können nicht Gott finden, das ist völlig ausgeschlossen. Sie können auch Gottes Heil nicht verstehen; „es ist ihnen eine Torheit; sie können es nicht erkennen“. Unmöglich; völlig ausgeschlossen!

Wenn man das Heil Gottes aber nicht erkennt, kann man es auch nicht weitergeben. Folglich muß B) sich eben selbst was ausdenken. Der große Mensch erfindet und erzeugt sein Heil selbst. Und genau das besagt die offizielle heutige Theologie.

 A) glaubt, die Bibel schildert, was der große, allmächtige Gott getan hat: an seinem Volk Israel, durch die Apostel in seiner Kirche und vor allem durch seinen Sohn Jesus Christus. Deshalb beschreibt das Neue Testament zuverlässig und „glaubwürdig“ genau die Person, die vor 2000 Jahren tatsächlich gelebt hat; die gepredigt hat, die Wunder getan hat, die gekreuzigt wurde und auferstanden ist; Jesus Christus war und ist tatsächlich der Sohn Gottes.

B) dagegen glaubt, die Bibel enthalte Geschichten, die sich Theologen ausgedacht haben. Prof. R. Bultmann meinte, daß man von dem historischen, dem wirklichen Jesus (wörtlich) „so gut wie nichts“ mehr weiß. D. h., Bultmann war überzeugt, der Jesus, den die Evangelien beschreiben, ist praktisch frei erfunden. Oder Prof. Lindemann bestätigt im SPIEGEL: „Nicht was ein Mensch namens Jesus gedacht, gewollt, getan hat, sondern was nach seinem Tod mit ihm gedacht, gewollt, getan worden ist, hat die christliche Religion bestimmt“.

Es gibt da die unterschiedlichsten Theorien, aber die Grundaussage ist stets die gleiche:  Jesus war im Grunde ein ’normaler‘ Mensch; ein jüdischer Wanderprediger, wie es viele gab. Erst nach seinem Tod haben die Theologen der Urgemeinde ihn gewissermaßen „auf-gemotzt“; sie haben ihn mit wundersamen Geschichten ausstaffiert, ihm besondere Fähigkeiten angedichtet und ihn zum Sohn Gottes ernannt.

Mit anderen Worten: Heutige kirchliche Theologie ist überzeugt, der wirkliche, der historische Jesus und der geglaubte bzw. gepredigte Christus stimmen nicht überein. D. h. der Jesus Christus, den die Bibel beschreibt und an den wir glauben, den habe es so niemals gegeben; er sei eine theologische Erfindung; letztlich ein „von Menschen gemachtes Bild“. Daß die Bibel den Glauben an ein solches Bild als Götzendienst bezeichnet, scheint die theologischen Wissenschaftler nicht sonderlich anzufechten.

Wenn aber der biblische Jesus von Menschen erfunden wurde, dann ist auch das biblische Heil eine menschliche Erfindung. Es wurde nicht von einer realen Person erwirkt, sondern von der Urgemeinde erdacht. Dieses „Heil“ wurde und wird letztlich von Theologen gestaltet und vermittelt. Folglich kommt Bultmann konsequenterweise zu dem Schluß: „Das Wort der Verkündigung ist der Grund des Glaubens, es ist sein einziger Grund“. Oder an anderer Stelle: „Die Predigt ist selbst Offenbarung… sie selbst ist das Heilsgeschehen“. Mit anderen Worten: Einst hieß es: „Einen anderen Grund kann niemand legen, außer den der gelegt ist: Jesus Christus“ (1Kor 3,11). Heute heißt es: Der Grund des Glaubens ist die Verkündigung. Nicht mehr das Leiden und Sterben Jesu ist das Heilsgeschehen, sondern die Predigten der Theologen sind das Heilsgeschehen.

Kurz: Bei A) heißt es: „Christus ist uns gemacht von Gott zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung“. Bei B) denkt man (im Kern): „Der Theologe hat sich gemacht für uns Menschen zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung“ (1Kor 1,30). Bei A) dreht sich alles um die Person Jesu; hier glaubt man an Jesus Christus; bei B) dreht sich alles um die Person des Theologen; dort soll man letztlich an den Pfarrer glauben. Das wird selten so deutlich gesagt. Der Einsiedlerkrebs weiß sich zu tarnen. Dennoch: A) sucht ein buchstäblich übernatürliches Heil; Gnade, Segen, Hilfe, Trost kommen direkt von dem großen, allmächtigen Gott. Bei B) ist Heil ein rein innerweltliches Geschehen; es wird von Menschen erdacht, von Menschen erzeugt; Gnade, Segen, Hilfe, Trost kommen direkt aus dem Theologenhirn.

(Als Zugabe: Wenn ein Vertreter von A) auf einen B)-Kollegen trifft, wird der natürlich mit seinem großen, klugen Hirn etwas mitleidig auf die leeren Hände von A) herabsehen. In der Tat liest man in der kirchlichen Presse immer wieder mal Bemerkungen wie die von A) „sind eher einfach gestrickt“ oder sie haben „den Verstand an der Kirchentür“ [Zeitzeichen] abgegeben usw. Viele von B) fühlen sich sehr erhaben und meinen, die von A) seien ein wenig beschränkt. Umgekehrt ist es mir schleierhaft, wie intelligente Menschen ihr ganzes Leben mit solch sinnloser Hirnakrobatik verplempern können; oder mehr noch: wie man mit solch leeren Theorien die Kirche erhalten will.  A) und B) sind völlig unterschiedliche Welten.)

 V

Es dürfte eine Binsenweisheit sein: die Welt ist nicht so, wie sie sein sollte. Auch ich selbst bin nicht so, wie ich sein sollte. Und das dürfte für alle Menschen gelten. Der heilige Gott hätte allen Grund, uns aus seinem Reich auszuschließen; Abstand zu wahren; uns auf Distanz zu halten. Auf einer Distanz wie zwischen Sonne und Mücken: dem Abstand der Sünde.

Um diesen Abstand zu überwinden, braucht es ein gewaltiges, alles veränderndes Geschehen: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Joh 3,16). Jesus Christus ist am Kreuz gestorben – für uns, um unserer Sünde willen; um diesen unendlichen Abstand zwischen Gott und Menschen zu überbrücken.

Und deshalb sagen Bibel und evangelisches Bekenntnis: Jesus ist der Weg zwischen Gott und Mensch; und zwar Jesus allein, „solus Christus“. Der Mensch kann diesen Weg gehen durch Glauben; und zwar allein durch Glauben, „sola fide“. Dieser Grundsatz ist so wichtig, daß meine Landeskirche ihn in ihre Grundordnung (Kirchenverfassung) aufgenommen hat (Vorspruch 3): Die Kirche „bekennt… daß Jesus Christus allein unser Heil ist, offenbart allein in der heiligen Schrift… geschenkt allein aus Gnade, empfangen allein im Glauben.“

Soweit Theologie A); nun zu Theologie B): Eberhard Jüngel ist der derzeit wohl bekannteste evangelische Theologie-Professor in Deutschland. 2002 hat er vor einem Bioethik-Kongreß in Berlin – also vor nichtchristlichem Publikum – Thesen vorgestellt „Zum christlichen Verständnis des Menschen aus theologischer Sicht“. In These 4 heißt es: „Als gerechtfertigter Sünder bleibt er [der Mensch] die [unwiderruflich] von Gott bejahte und anerkannte Person“. Der Mensch sei ein „gerechtfertigter Sünder“ – den Glauben, „sola fide“, erwähnt Jüngel in diesem Zusammenhang nicht. (www.ekd.de)

Meine Tochter besucht eine „christlich orientierte Schule in freier Trägerschaft“. In der letzten Schulschrift schrieb ein Religionslehrer einen Beitrag zur Frage „Woran zeigt sich, daß unsere Schule eine christliche Schule ist?“ Dort heißt es (unter Berufung auf Professor W. Härle): Das christliches Menschenbild beruhe auf der „Rechtfertigung des Menschen vor Gott… Luther definiert den Menschen als justificari fide (aus Glauben gerechtfertigt)“. Daß es Schüler geben könnte, die nicht „aus Glauben gerechtfertigt“ sind, erwähnt der Religionslehrer in diesem Zusammenhang nicht.

Ähnliches findet sich in der theologischen Fachliteratur. In „Das Evangelium von der Rechtfertigung des Gottlosen als Zentrum des christlichen Glaubens“ schreibt Prof. Jüngel (S. 141): „… daß der Mensch – jeder Mensch! – am Kreuz Jesu Christi tatsächlich gestorben ist“. Und auf Seite 227f heißt es, daß Verbrecher „auch im schlimmsten Fall“ die „unzerstörbare Würde einer von Gott gerechtfertigten menschlichen Person“ besitzen. Von „sola fide“ schreibt Jüngel in diesem Zusammenhang nichts.

Offiziell gilt in unserer Kirche „allein“: allein durch Christus, allein durch Glauben wird der Mensch von Gott gerechtfertigt. Inoffiziell aber herrscht die Ãœberzeugung „alle“ bzw. „jeder“: jeder Mensch ist vor Gott gerecht; alle Menschen sind von Gott durch eine Art Generalamnestie gerechtfertigt; die gesamte Menschheit wurde durch einen pauschalen Akt der Gnade gerecht gesprochen.

Bei A) gibt es eine Grenze zwischen drinnen und draußen; zwischen gerettet und verloren. Bei B) gibt es diese Grenze nicht. Dort ist „jeder Mensch“ drinnen im Reich Gottes, dort sind alle Menschen gerettet, keiner geht verloren.

Für A) gilt Joh 3,36: „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer dem Sohn nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihn.“ Für B) existiert der Zorn Gottes überhaupt nicht; dort gibt es nur die allen und alles vergebende Gnade. Und mit dem Zorn Gottes sind auch die Strafen nicht mehr vorhanden. Das 2. Gebot: „Der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen mißbraucht“ – kommt nicht vor; das Gericht Gottes – gibt es nicht (höchstens eines mit ausschließlich positiven Folgen für den Menschen); eine ewige Verdammnis – unmöglich. Letztlich sind sogar die Gebote außer Kraft gesetzt. Denn ob ich die halte oder nicht, spielt keine Rolle, ich bin ja eh gerecht.

Bei A) heißt glauben auch: „Tu‘ Buße“; d. h. beuge die Knie vor dem großen Gott, akzeptiere deine Schuld und bitte darum, daß er dich buchstäblich aus Gnade in sein ewiges Reich aufnimmt.

Bei B) ist das alles nicht nötig. Der Mensch ist ja „eine von Gott unwiderruflich bejahte und anerkannte Person“. Der große Mensch kann großkotzig durchs Reich Gottes stolzieren. Was soll ihm denn passieren? Rausschmeißen kann man ihn nicht – es gibt ja nichts anderes!

Im Kern bedeutet das: Bei A) wird die unendliche Distanz der Sünde durch den Glauben an das unschuldige Leiden und Sterben von Jesus Christus, dem eingeborenen Sohn Gottes,  überwunden. Bei B) wird der Abstand zur Sonne von den Mücken durch theologische Gehirnakrobatik weginterpretiert. Der große Mensch rechtfertigt sich selbst, indem er die Sünde für abgeschafft erklärt. Oder mit anderen Worten: Der große Mensch stellt sich selbst einen modern-theologischen Ablaßbrief aus, der ihm die Vergebung sämtlicher Sünden  garantiert – der vergangenen, der gegenwärtigen und der zukünftigen.

Damit sind die B)-Theologen fein raus. Ein Problem bleibt ihnen allerdings: Wenn alle Menschen vor Gott gerecht sind – warum soll man sie noch missionieren? Wozu braucht es dann noch eine Kirche? Mit ihren kunstvollen Theorien machen die heutigen Theologen sich selber groß – aber unsere Kirche machen sie kaputt.

Viel schlimmer aber ist: Mal angenommen – ein Mensch, der kein Christ ist, wird unruhig über der Frage nach Gott. Und will wissen wie damals der Kerkermeister (Apg 16,30): „Was soll ich tun, daß ich gerettet werde?“ Oder wie damals zu Pfingsten (Apg 2,37): „Ihr Männer, liebe Brüder, was sollen wir tun?“

Gerät solch ein Mensch an einen Pfarrer von A), sagt der ihm wie einst Paulus und Silas: „Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig“. Oder er sagt wie Petrus: „Tu Buße… zur Vergebung deiner Sünden“. Mit anderen Worten, A) sagt: Du kannst deine Sünden loswerden; du kannst ein neues Leben beginnen. Deshalb lade ich dich ein: komm herüber über die Grenze. Ich helfe dir, ein Kind Gottes zu werden.

Gerät er aber an einen Vertreter von B), dann sagt der zu ihm: Kein Grund zur Sorge, du bist doch schon gerettet. Du bist von Geburt an ein Kind Gottes; deine Sünden sind dir längst vergeben; du hast „unwiderruflich“ ewiges Leben. Mit dir ist alles in Ordnung; deshalb gehe hin: suche Frieden, übe Gerechtigkeit und bewahre die Schöpfung.

Und deswegen muß man die Vertreter von B) fragen, ob ihnen nicht genau die Jacke paßt, die ihre Kollegen sich bereits vor 2000 Jahren anziehen mußten: „Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr das Himmelreich zuschließt vor den Menschen! Ihr gehet nicht hinein, und die hinein wollen, die laßt ihr nicht hineingehen“ (Mt 23,13). Das ist die große Frage an Jüngel, Härle und Kollegen: „Die hinein wollen, laßt ihr nicht hinein – weil ihr sagt: Friede, Friede und ist doch kein Friede!“ (Jer 8,11)

 VI

Ãœber theologische Theorien kann man viel und lange streiten. Ãœber „die Sache selbst“, den Glauben, kann man das nicht. Denn der ist ein Geschenk des Heiligen Geistes und somit  jeder menschlichen Kontrolle entzogen. Außerdem sitzt er so tief in uns drin, daß weder wir selbst geschweige denn andere ihn untersuchen könnten. Keine Mücke kann und darf sich ein Urteil darüber erlauben, wie es im Innersten anderer Mücken aussieht. Das kann nur Gott.

Aber immerhin, es gibt es kritische Punkte, wo etwas deutlich wird davon, wie es im Innersten, im Herzen, eines Menschen aussieht. Zum Beispiel – wie immer – Jesus Christus: Gott hatte sich ein Volk erwählt; unter den zahlreichen Völkern auf der Erde sucht er sich ein einziges („das kleinste“; 5Mo 7,7) heraus und schließt mit dem einen Bund. In der Folge verstehen die Juden sich als „auserwähltes Volk“ – völlig zu Recht! In diesem Volk Gottes gab es Priester, Schriftgelehrte usw.; Menschen, die mit großem Ernst versuchten, Gott zu dienen und seinen Willen zu tun. Und dann kam der kritische Moment, wo Gott sein Volk „besuchte“ (Luk 1,68); wo der Sohn Gottes als Mensch, als Jude unter den Juden lebte. Das Ergebnis: mit den einfachen Leuten kam Jesus gut zurecht; nur mit den „religiösen Aktivisten“, den Schriftgelehrten und Hohenpriestern gab es laufend Theater. Und die haben dann dafür  gesorgt, daß Jesus gekreuzigt wurde. Nach außen hin, so lange alles seinen normalen religiösen Trott ging, waren die damaligen ‚Diener Gottes‘ wer weiß wie gottesfürchtig; aber am kritischen Punkt, als es ernst wurde, zeigte sich, daß sie in ihrem Innersten Gottes Feinde waren..

Und heute? Auch die (meisten) evangelischen Diener Gottes sind nach außen fromm und gottesfürchtig – so lange alles seinen normalen kirchlichen Trott geht. Doch wie ist das an den kritischen Punkten, wo der Glaube etwas kostet oder gar Opfer fordert? Jesus ist nicht mehr sichtbar unter uns; dafür wir haben den Grundsatz „solus christus“. Der wird auch lautstark vertreten – z. B. in der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“: „Allein durch Christus werden wir gerechtfertigt“. Doch was ist, wenn es kritisch wird?

Z. B. auf dem evangelische Kirchentag: Dort darf ja nahezu jeder auftreten. Nur eine kleine Gruppe wird konsequent ausgeschlossen: die messianischen Juden; d. h. Juden, die an Jesus Christus als ihren Messias glauben. Kirchentagspräsident Höppner wurde gefragt (sinngemäß), warum das so ist? Seine Antwort (ideaSpektrum 21/07, S. 17): „Es gibt ziemlich klare Entscheidungen,… daß Judenmission nicht das Thema des Kirchentages ist. Da haben wir eine Grenze gesetzt…, weil wir den Dialog mit den Juden sonst sogar zum Teil unmöglich machen würden.“ Frei übersetzt: „Wenn wir die Judenchristen auftreten ließen, würde dies die jüdischen Schriftgelehrten verärgern; die würden dann nicht mehr mit uns sprechen. Deswegen haben Leute wie Petrus oder Paulus auf dem Kirchentag Redeverbot.“

Mit anderen Worten: Kurz nach Pfingsten wurde in Jerusalem an der Tür des Tempels ein Lahmer geheilt – „im Namen Jesu Christi von Nazareth“. Petrus und Johannes wurden daraufhin verhört und bekamen vom Hohen Rat den Befehl, „daß sie nicht redeten noch lehrten in dem Namen Jesu“ (Apg 4,18). Nach außen hin, besonders wenn es gegen Katholiken geht, gibt sich heutige Theologie stramm protestantisch: „solus Christus!“; mit dem Herzen aber steht sie auf der Seite derer, die seit fast 2000 Jahren zu verhindern suchen, daß der „Name Jesu“ dem Volk Gottes bezeugt wird. (S. a. die EKD-Studie „Christen und Juden III“)

Ein anderer dieser kritischen Punkte ist die Ehre bzw. das Ansehen in der „Welt“. Jesus läßt keinen Zweifel daran (Joh 15,19): „Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb. Weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt erwählt habe, darum haßt euch die Welt… Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen“. Die Apostel haben das durchlitten; Luther hat das erlebt; in vielen Teilen der Welt ist das auch heute der Fall: Christen werden gehaßt, mitunter sogar blutig verfolgt. In Europa geschieht dies – Gott sei Dank – derzeit (noch) nicht. Doch auch hier gibt es kritische Punkte, sprich: heikle Themen. Wer da eine unerwünschte Meinung vertritt, wird von den Medien gehaßt und  gnadenlos fertiggemacht; er wird gewissermaßen verbal ausgepeitscht; mit Worten gesteinigt. Gibt es nun ein aktuelles Beispiel, daß ein evangelischer Kirchenfürst von der Welt gehaßt wird? Daß er (oder sie) – in einer dieser heiklen Fragen – so Stellung bezogen hat, daß die Medien über ihn hergefallen sind? Mir fällt keiner ein. Die evangelischen Schriftgelehrten und Hohenpriester geben sich (häufig) wer weiß wie gottesfürchtig; aber wenn es wirklich kritisch wird, dort wo es hart auf hart kommt, dort spielen sie das Spiel „der Welt“ mit; meist eiern sie etwas herum, aber sie spielen mit.

Und das offenbar (mitunter) in geradezu „vorbildlicher“ Weise. Im „SPIEGEL special Weltmacht Religion“ (9/2006 S. 52) stand ein Artikel über Bischöfin Käßmann: „Popstar des Protestantismus“. Darin findet sich ausschließlich Positives; nicht der Hauch einer Kritik. Der SPIEGEL läßt sonst kein gutes Haar am christlichen Glauben; aber Frau Käßmann wird gelobt und zwar „über den grünen Klee“. Oder: Am 10. Mai 2007 wurde ihre bevorstehenden Scheidung bekannt gegeben. Tags darauf (?) startete BILD eine Kampagne intensivster Propaganda für die Bischöfin. Ãœber die Scheidung kann jeder denken, was er will – aber was bringt BILD dazu, sich derart massiv und uneingeschränkt hinter diese Frau zu stellen? Eva Hermann wird von der Welt gehaßt und in den Medien niedergemacht. Frau Käßmann zählt offenbar zu den Lieblingen der Welt; zumindest wird sie von BILD und SPIEGEL bedingungslos unterstützt.

„Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt, und die Ehre, die von dem alleinigen Gott ist, sucht ihr nicht?“ (Joh 5,44). Oder noch deutlicher (Jak 4,4): „Wisset ihr nicht, daß der Welt Freundschaft Gottes Feindschaft ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein“ (Jak 4,4). Kein Mensch kann den Glauben eines anderen beurteilen; wie es in dessen Innersten aussieht, weiß nur Gott allein! Dennoch müssen die Vertreter von B) sich fragen lassen, auf wessen Seite sie eigentlich stehen? Theologie B) erhebt den Menschen über Gott. Sie mag nach außen hin fromm und gottesfürchtig auftreten; aber in ihrem Innersten? Muß sie da nicht zwangsläufig zur „Welt“, zu den Feinden Gottes, gehören? Und: sie mag nach außen hin viel von Toleranz, Menschenfreundlichkeit und Nächstenliebe reden; aber im Herzen? Wird sie da nicht zwangsläufig auf der Seite der Wölfe stehen – gegen diejenigen, die „gesandt sind wie Schafe mitten unter die Wölfe“ (Mt 10,16)? Damals galten diese Schafe als „Pest“, die „den Weltkreis erregt“ (Apg 24,5 u. 17,6) und die Geschäfte stört (Apg 16,19 u. 19,24ff). Heute sind sie eben „Fundamentalisten“, die „die Freiheit des Einzelnen“ bedrohen (Zeitzeichen 6/2005 S. 57) oder zu einer „Bedrohung für die Menschenrechte werden“ können (parlamentarische Versammlung des Europarates). Im Zweifelsfall – wenn es wirklich hart auf hart kommt – ist es sehr fraglich, ob die Schafe bei ihrer Kirche Hilfe finden werden.

In 2Th 2,3f ist die Rede von einem „Menschen der Gesetzlosigkeit, … der Sohn des Verderbens. Er ist der Widersacher, der sich erhebt über alles, was Gott oder Gottesdienst heißt, so daß er sich in den Tempel Gottes setzt und vorgibt, er sei Gott.“ Theologie B) muß sich fragen lassen, ob sie genau das Mistbeet ist, auf dem dieser „Sohn des Verderbens“ heranreift. Denn der bzw. sie schickt sich gerade an, in das Allerheiligste des evangelischen Tempels einzudringen und Gottes Gerechtigkeit durch die eigene, menschliche Gerechtigkeit zu ersetzen. An die Stelle von „sola scriptura“ soll eine neue, eine andere Bibel treten. Und dieses Buch der Gesetzlosigkeit soll als Wort Gottes geachtet und geglaubt werden.

 VII

Was können wir denn tun?

a) Nichts. Die Schlüsselpositionen in unserer Kirche, dort wo es um Macht und Einfluß geht, wo das Geld verteilt wird, die sind fest in der Hand von B). Synoden, Kirchenleitungen, Verwaltungen, Bischofsämter und ganz besonders ev. Akademien, kirchliche Ausbildungsstätten, die Lehrstühle an den Universitäten, die kirchliche Presse, der Kirchentag usw. usw. werden weithin von B) dominiert. Vor Ort, in den Gemeinden, sind vielerorts noch die von A) aktiv und suchen in oft mühseliger, treuer Kleinarbeit den Laden am Laufen zu halten. Aber die Machtpositionen wurden zielstrebig von B) besetzt. Das ist ein dichter, undurchdringlicher Filz; dagegen kann man praktisch nichts machen.

b) Nochmals Nichts. Die ev. Kirchen in Deutschland haben jährlich Einnahmen von etwa 8.000.000.000,- (in Worten: acht Milliarden) Euro. Das ist eine Menge Speck! In den Gemeinden – dort wo das Geld hereinkommt – wird zwar immer mehr gespart; dennoch gibt es noch genug Pöstchen, wo die Einsiedlerkrebse gemütlich leben können – eben wie die Maden im Speck. Folglich haben sie keinerlei Interesse, diesen Zustand zu ändern. Sie   werden sich niemals um wirkliche Aufklärung bemühen: daß die theologischen Probleme beim Namen genannt und sachlich Lösungen gesucht werden.

Außerdem dürften zumindest einige Vertreter von B) inzwischen begriffen haben, daß sie mit ihrer weltfremden Hirnakrobatik kaum einen Hund hinter dem Ofen hervorzulocken  vermögen geschweige denn „Heiden“ in die Kirchen. Folglich sucht man das Heil der Kirche in den Formen von A). In der Sache wird B) konsequent durchgezogen; in der Form aber will man wieder frömmer werden, um die Menschen mit religiös-kirchlichem Schein zu locken. Folglich dürften die theologischen Nebelschwaden in unserer Kirche immer dichter und undurchdringlicher werden. Auch dagegen kann man praktisch nichts ausrichten.

c) Noch einmal Nichts. Denn die „evangelische Theologie“ gibt es gar nicht. Es gibt nur zahlreiche evangelische Theologen – vom Pfarrer bis zum Professor. Sie alle wurschteln vor sich hin und jeder macht, was ihm gerade einfällt. Es gibt buchstäblich nichts, was sie miteinander verbindet (abgesehen vom Geld und der frommen Sprache). Es gibt nichts, was sie in „der Sache“ zusammenhält. Synoden, Kirchenleitungen, der Rat der EKD leiten die Organisation Kirche, den Beamtenapparat. In Fragen des Glaubens, der Theologie, gibt es solche Leitung nicht. Wenn ein Pfarrer ordiniert ist und in seiner Pfarrstelle sitzt, kann er predigen, was er will – es fragt praktisch niemand nach. (Falls in den Gemeinden doch mal einer protestieren sollte, wird er ausgelacht.) Und wenn jemand erst einmal Professor an der Universität ist, kann er die Studenten lehren, was er will – das kontrolliert kein Mensch.

Es gibt in unserer Kirche keine Stelle, wo die Fragen des Glaubens zusammenlaufen; keine Instanz, die sich für das Ganze verantwortlich fühlt. Jeder Theologe ist letztlich sich selbst überlassen. Es gibt auch keinen gemeinsamen Glauben, keine Ãœberzeugung, keine theologische Theorie, die alle verbindet. Angeblich würden Bibel und Bekenntnis das tun – aber die werden ja „interpretiert“, die werden umgedeutet. Und jeder kann deuten, wie er es persönlich für richtig hält: der eine Hü, die andere Hot, die nächsten hottehü… Die einen predigen A) , die anderen B) und die meisten eine je eigene Mixtur aus A) und B), aus Gott und Mensch, aus warm und kalt. Es gilt – frei übersetzt Jes 53,6: „Sie alle laufen durcheinander wie Schafe, ein jeder sieht nur seinen eigenen Weg.“ Kurz: es herrscht theologische Anarchie. Oder wie Melanchthon klagte: die „rabies theologorum“, die Tollwut der Theologen. Und es ist  niemand da, der daran etwas ändern könnte.

d) Und wieder Nichts. Denn der „Zeitgeist“ oder der „Geist der Welt“ ist ja nicht nur eine bildliche Umschreibung für sich ständig wandelnde Ãœberzeugungen; sondern er ist eine ganz reale Kraft, die bestimmte Entwicklungen vorantreibt; eine Kraft, die nicht nur „die Welt“ sondern weithin auch unsere Kirche beherrscht (Eph 6,12): „Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.“ Nur ein Beispiel: Anfang der 70ger Jahre wurde sowohl in der DDR als auch in der BRD die Abtreibung praktisch freigegeben. In den Jahrhunderten davor wurde das zwar auch gemacht; dennoch war allen klar: Abtreibung ist Unrecht. Doch dann wurde in völlig verschiedenen Gesellschaftsordnungen nahezu gleichzeitig Gottes Gebot außer Kraft gesetzt; wurde Unrecht zum Recht erklärt. D. h. solche Dinge entspringen nicht dem Gehirn einzelner Menschen. Sondern dort reifen im Verborgenen Dinge heran, bei denen es buchstäblich nicht mit rechten Dingen zugeht. So ist es mit manchem Geschehen der Geschichte: dahinter standen Kräfte, die mit dem menschlichen Verstand nicht zu erklären sind. Gegen solche Kräfte hat der Mensch grundsätzlich keine Chance

e) Ein Mittel, das unsere sterbende Kirche heilen könnte, haben wir nicht. Vielleicht aber ein Salbe, die das Elend hier und da etwas lindert: Tränen. So wie Jesus über Jerusalem weinte (Lk 19,41), sollten wir über unsere Kirche weinen: „Gott… gedenke an deine Gemeinde… richte doch deine Schritte zu dem, was so lange wüst liegt. Der Feind hat alles verwüstet im Heiligtum. Deine Widersacher brüllen in deinem Hause und stellen ihre Zeichen darin auf… Unsere Zeichen sehen wir nicht, kein Prophet ist mehr da, und keiner ist bei uns, der etwas weiß. Ach Gott, wie lange soll der Widersacher noch schmähen und der Feind deinen Namen immerfort lästern? Warum ziehst du deine Hand zurück?“ (Ps 74)

Genau hier liegt die große Anfrage an A): Wissen wir noch, was beten heißt; können wir das wirklich? Und tun wir es auch so, wie es nötig wäre? Apg 4, 24ff: „Da sie das hörten erhoben sie ihre Stimme einmütig zu Gott und sprachen: Herr, der du Himmel und Erde… gemacht hast… gib deinen Knechten, mit allem Freimut zu reden dein Wort, und strecke deine Hand aus, daß Heilungen und Zeichen und Wunder geschehen durch den Namen deines heiligen Knechtes Jesus.“

Die „Hand Gottes“ ist unsere einzige Hoffnung! Wobei „Heilungen“ nicht unbedingt heißen muß, daß Krebskranke schlagartig gesund werden. Heilung heißt ja auch: daß ein Mensch, dessen Glaube von der heutigen Theologie zerstört wurde, im Innersten wieder heil wird; daß er wieder einen klaren Blick auf seinen großen Gott bekommt; daß er wieder lernt, im Glauben aufrecht und gerade zu stehen. Und „Zeichen“ muß ja nicht unbedingt eine Totenauferweckung sein; sondern Zeichen sind auch Gemeinden oder Christen, deren Glaube weithin sichtbar ist und vielen Menschen Hoffnung und Orientierung bietet. Z. B. U. Parzany oder P. Hahne sind ja ganz gut – 20 von ihrer Sorte wären besser. Oder was sind Wunder? Das größte „Wunder“ ist doch, daß ein Mensch von neuem geboren wird; daß ein großer, stolzer Mensch die Knie beugt und sein Leben in die Hände von Jesus Christus legt. Darum wünschte ich mir, daß diejenigen in unserem Land, deren Leben Jesus Christus gehört, die an einen großen Gott glauben, nicht so viel diskutieren. Sondern daß sie „einmütig ihre Stimme  erheben“ und tagtäglich aus tiefstem Herzen beten: „Herr, wir sind am Ende; wir können nichts mehr machen. Deshalb strecke DU, der du Himmel und Erde gemacht hast, strecke DU DEINE Hand aus, daß Heilungen und Zeichen und Wunder geschehen durch den Namen deines heiligen Knechtes Jesus.“ Amen.

Mehr zum Thema unter:  www.DerLaie.com

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 13. November 2007 um 15:06 und abgelegt unter Kirche, Theologie.