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Eine frustrierte Frauengeneration

Eine frustrierte Frauengeneration

Was ist eigentlich schief gelaufen in der Emanzipationsbewegung, dass sich heute zeigt, dass die Frauenfrage eindeutig auch eine Generationenfrage ist? In der neu entbrannten Debatte rund um eine gesetzliche Frauenquote scheint zumindest eines eindeutig: Ältere Frauen wollen die Quote, jüngere Frauen nicht. Da die Quote aber vor allem der jungen, gut ausgebildeten Generation zugute kommen soll, wäre es da nicht angebracht auch genau auf diese Generation und ihre Wünsche zu hören, anstatt sie bevormundend ans Händchen zu nehmen, frei nach dem Motto: Ihr wisst es halt nicht besser?

Ich lese eine ganz große Frustration aus all den Statements für eine gesetzliche Quote für Frauen in der Wirtschaft. Mehrere Generationen von Frauen haben sich langsam aber stetig in Machtpositionen vorgekämpft. Und ich wage die Behauptung, dass man den Dingen einfach nur ihren Lauf lassen müsste und es würde sich automatisch ein höherer Frauenanteil in Spitzenpositionen ergeben. Wir haben zahlreiche Ministerinnen in unserem Land, das von einer Bundeskanzlerin geführt wird. Ich denke, selbst ihre politischen Gegner würden niemals auf den Gedanken kommen, dass Angela Merkel als Quotenfrau unser Land regiert. Sie hat sich mit großem Geschick und eisernem Willen an der hungrigen Meute ihrer Neider und Konkurrenten vorbei manövriert und sich selbst an die Spitze gesetzt. Da war keine Quote nötig und kein Freifahrschein, sondern Mut und Wille. Verzicht auf Familienleben, lange Arbeitszeiten, wenig Freizeit. Ich habe Respekt vor dieser Leistung, auch wenn ich zahlreiche ihre Ansichten nicht teile. Den Fehler, sie zu unterschätzen, machen die Männer nicht mehr und das zu Recht. Ich will, dass alle Frauen in Spitzenpositionen mit dem gleichen Respekt behandelt werden. Mit einer Quote würden wir die harte Arbeit, die tausende von Frauen in ihren Berufen investieren auf eine Quote herunterreden. Mit welchem Respekt wird man einer Frau in einem Vorstand begegnen, die auf Grund einer gesetzlichen Quote an sicher ebenfalls fähigen Konkurrenten vorbei auf ihren Stuhl gehievt worden ist? Karriere machen ist kein Kindergeburtstag – auch wenn ich nach so mancher Feier in meinem eigenen Haus mit der These schwanke.

Das ist genau der Punkt, der junge Frauen in der Debatte stört. Sie wollen nicht als Quotenfrauen irgendwo sitzen. Ich auch nicht. Ich will mit meinem Können wahr genommen werden und muss die Frustration des Scheiterns ebenfalls aushalten können – wie zahlreiche Männer übrigens auch. Ich will keine Dekoration auf dem Gruppenbild sein, sondern mitentscheiden wie alle anderen auch. Wir Frauen nehmen uns selbst etwas von unserem hart erkämpften Status, wenn wir uns einen gesetzlichen Sessellift installieren.

Und was für ein Signal ist das eigentlich an all die gut ausgebildeten, intelligenten und selbstbewussten Frauen im Land, die daran glauben, dass sie es auch ohne Quote schaffen können? Hat nicht gerade der Feminismus Jahrzehnte lang darum gekämpft, dass wir Frauen endlich so werden? Dass wir den Mut haben uns zu nehmen, was uns zusteht? Und jetzt sagen uns die gleichen Frauen, ihr schafft es nicht ohne Quote? Da kann doch die gesamte Emanzipation nach Hause gehen, wenn wir daran wirklich glauben sollen. Dann brauchen wir uns jetzt auch fortan nicht mehr bemühen, wenn der Lohn nur unendliche Frustration und Enttäuschung ist. Natürlich ist es nicht einfach, sich durchzusetzen. Einem anderen den Stuhl wegzunehmen. Männer scheinen da skrupelloser zu sein, aber dürfen wir tatsächlich erwarten, dass sie den Platz, den sie sich selbst hart erkämpft haben einfach räumen? Würden wir einer Frau auch einfach den Stuhl wegnehmen?

Vor in paar Wochen war ich beim WDR in eine Diskussionsrunde um die Frauenquote geladen. Natürlich saßen nur Frauen in der Runde, denn in diesen Debatten ist eines immer schon im Vorfeld nicht zu hinterfragen: Mit Männern braucht man darüber nicht diskutieren. Also saßen wir unter uns und als ich (als Jüngste in der Runde) wagte auszusprechen, was mir meine Erfahrung und unzählige Gespräche mit Frauen immer wieder bestätigt haben: Dass nämlich junge Frauen oft gar nicht den Wunsch verspüren, sich bis an die Spitze hochzuarbeiten. Dass sie gerne ihre Kinder großziehen. Dass sie kein Problem damit haben, dass ihr Mann die Familie ernährt. Da war kollektiver Atemstillstand in der Runde. Das Unaussprechliche stand im Raum. Sie wollen es nicht! Die Entrüstung ließ nicht lange auf sich warten.

Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Ich finde es großartig, wenn Frauen sich Spitzenpositionen erkämpfen. So wie vor der Leistung unserer Bundeskanzlerin, habe ich auch vor der Leistung der vielen anderen Frauen einen sehr großen Respekt. Aber es ist nicht mein Weg. Und es ist nicht der Weg von vielen anderen Frauen. Und genau hier müssen wir anfangen, wenn wir tatsächlich von Frauenförderung sprechen. Warum wird Emanzipation immer nur mit beruflichem Erfolg gleichgestellt? Bin ich als Frau unemanzipiert, wenn ich nicht gewerblich arbeite? Da ist ein Zickenkrieg wenig hilfreich, sondern Respekt vor persönlichen Lebensentwürfen nötig.

Unsere Familienministerin Frau Schröder hat da jetzt schon keine Chance mehr. Sie kann ihr Kind noch nicht mal in den Armen halten, da gibt es schon aus dem Blätterwald der Nation fertige Lebensentwürfe für sie, ihren Mann und ihr noch ungeborenes Kind. Sie hat jetzt schon keine freie Entscheidung mehr. Egal wie sie es nach der Geburt ihres Kindes machen wird, es wird haufenweise Kommentare geben, warum es falsch ist, warum es nicht genug ist, warum sie das Kind zu früh weggibt, oder zu spät. Sie ist die erste Familienministerin unseres Landes, die im Amt ein Kind bekommt. Ich beneide sie nicht. Respekt. Auch hier weit und breit keiner. Ungefragte Ratschläge für eine höchst private Entscheidung. Wir müssen damit aufhören, den Familien und vor allem den Frauen zu erklären, welcher Lebensentwurf der einzig richtige ist.

Vor einigen Monaten hat das Kölner Rheingold Institut eine Studie zum inneren Befinden der Mütter heute gemacht und kommt zu dem Ergebnis, dass Frauen heute sich ständig selbst überfordern. Dass sie an ihren eigenen Ansprüchen täglich scheitern. Dass sie sich selbst so sehr unter Druck setzen, in allen Bereichen perfekt zu sein, dass der normale Menschenverstand von Vornherein weiß, es ist nicht zu schaffen. Aber sind es tatsächlich ihre eigenen Ansprüche, die sie nicht erfüllen, oder sind sie nicht viel mehr getrieben von der öffentlichen Meinung? Und die ist spätestens seit der siebenfachen Mutter und ehemaligen Familienministerin von der Leyen ganz klar: Frauen müssen alles gleichzeitig können. Gut aussehen, viele Kinder bekommen und Karriere machen. Die Prominenz macht es in den Gazetten ebenfalls täglich vor. Dass die persönliche Lebenssituation der Ministerin und der gestylten Spätgebärenden aus den bunten Blättern gerade auch unter finanziellen Aspekten nicht repräsentativ für unser Land ist und auch rein gar nichts mit der täglichen Lebenssituation der normalen Familie in Deutschland zu tun hat, ist da gerne mal zweitrangig. Und was hat das eigentlich mit mir zu tun, wie andere ihr Leben gestalten, stellst sich die Frage aus weiblicher Sicht? Bin ich wirklich von zu Hause ausgezogen, um mir fortan die guten Ratschläge im Familienministerium abzuholen? Stattdessen bekomme ich als Frau ständig gesagt: Stell dich nicht so an, die anderen schaffen das doch offensichtlich auch. Der Druck, in allen Bereichen perfekt zu sein zu müssen ist allgegenwärtig. Reichte es früher aus, wenn man als Frau den Haushalt führte und die Kinder anständig groß zog, so ist das als Lebensaufgabe heute nur noch ein müdes Lächeln wert, wenn überhaupt. Macht die denn auch was Richtiges oder kriegt sie bloß Kinder?

Und ich greife hier nicht die Männer an, es sind Frauen unter sich, die am härtesten gegen den Lebensentwurf als Mutter und Hausfrau vom Leder ziehen. Was nicht gewollt ist, darf nicht sein. „Der Konflikt: Die Frau und die Mutter“, titelt die französische Feministin Elisabeth Badinter in ihrem neuen Buch. „Die Feigheit der Frauen“ thematisiert aktuell die ehemalige taz-Chefin Bascha Mika in ihrem Buch und wirft den Frauen vor, sich hinter der Abhängigkeit vom Mann und dem Kinderkriegen aus der Verantwortung zu stehlen. Sie hat zumindest eines erkannt: Viele Frauen wollen es so haben. Aber das es verurteilt werden muss, ist klar. „Latte-Macchiato“-Frauen nennt sie diese Artgenossinnen geringschätzig. Den ganzen Tag Milchkaffe schlürfen und den Mann das Geld ranschaffen lassen. Ist nicht mein Weg, ich hab keine Zeit für Latte-Macchiato, ich hab vier Kinder großzuziehen. Aber wenn man das aufgebauschte Klischee mal hinterfragt: Ist das wirklich so unemanzipiert, dass man einen Mann dazu bekommt, dass er hart arbeiten geht, man selbst nicht arbeitet und die Tage mit Milchkaffee verbringt, während er an frühem Herzinfarkt stirbt und ein Vermögen hinterlässt? Werden hier wirklich die Frauen ausgenutzt? Das zu beurteilen ist immer subjektiv aber auch hier kommen wir letztendlich an den Punkt: Wir urteilen über die Lebensentwürfe von anderen Menschen und maßen uns an, ein richtig oder falsch definieren zu dürfen.

Gleichzeitig erleben wir eine Generation junger Mädchen, die nur noch schön sein wollen, oder berühmt, oder beides. Für jede noch so erniedrigende Casting-Show stehen sie Schlange, Schönheitsoperationen haben Hochkultur. Sie hungern sich zu Tode und lassen sich in Nacktmagazinen – natürlich rein ästhetisch-künstlerische Bilder – vorführen. Die Welt liegt ihnen zu Füßen, die Universitäten stehen offen, aber sie wollen Popstars oder Supermodels werden. Sicherlich ein bisschen überspitzt, aber nicht weniger besorgniserregend. Trotz Girls-Day und Mädchenförderung. Trotz besserer Schulabschlüsse und wissenschaftlich verbriefter Teamfähigkeit ziehen sich immer mehr junge Mädchen auf ihr äußeres Erscheinungsbild als einzigen Garanten für ein glückliches Leben in einer übersexualisierten Gesellschaft zurück. Für mich ein Zeichen der völligen Überforderung durch die große neue Welt voller Möglichkeiten. Da ist es einfacher, sich auf eine Sache zurück zu ziehen und damit sein Glück zu versuchen. Das bereitet mir viel mehr Kopfzerbrechen als die wenigen Frauen in Dax-Unternehmen.

Dass Frauen ihr Äußeres als Machtfaktor einsetzen ist ja keine neue Entwicklung und hat sich aus Frauensicht vielfach bewährt. Schon vor Kleopatra wussten Frauen ihren Körper gezielt einzusetzen, um ihren Willen durchzusetzen. Mag sein, dass es uns die Männer da auch nicht wirklich schwer machen. Aber heute läuft die Entwicklung langsam aber sicher aus dem Ruder. Immer noch liegt bei Lebenszielen in Umfragen „sich einen reichen Mann angeln“ ganz weit Vorne und treibt Feministinnen in den Wahnsinn.

Bezeichnend ist nicht zuletzt das Schweigen der Männer in dieser Debatte. Die einzigen Worte, die zu hören sind von männlicher Seite, sind die Befürworter der Quote. Welcher Politiker stellt sich auch schon vor die versammelte Nation und spricht sich offen gegen die Frauenquote aus, auch wenn er heimlich absolut dagegen ist? Jeder kann sich wörtlich ausmalen, welcher Proteststurm der versammelten Feminismuselite ihn erwartet. Also halten sie den Mund und harren der Dinge.

Birgit Kelle, 02.02.2011

Quelle: DIE FREIE WELT – Die Internet-& Blogzeitung für die Zivilgesellscha [1]ft [1]

Birgit Kelle (35) ist Journalistin, verheiratet und Mutter von vier Kindern. Geboren 1975 in Siebenbürgen, Rumänien, 1984 übergesiedelt nach Deutschland. Von 2005 bis 2008 Herausgeberin der christlichen Monatszeitung VERS1. Sie ist Vorsitzende des Vereins “Frau 2000plus e.V.” und Member of the Board der New Women for Europe [2] (NWFE), ein Dachverband für Frauen- und Familienverbände aus ganz Europa mit Beraterstatus am Europäischen Parlament.