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„Ich bin eine sexistische Stereotype“

„Ich bin eine sexistische Stereotype“

Passives, minderwertiges Lebewesen, Mutter oder Sexualobjekt. Sie dachten immer, das passt nicht in eine Reihe? Schon wieder falsch.

Dank des Ausschusses für Chancengleichheit von Frauen und Männer des Europarates habe ich heute wieder etwas dazugelernt und weiß jetzt: Ich bin eine vierfache, sexistische Stereotype. Danke für die Auskunft!

Der Europarat berät zur Zeit ernsthaft die Beschlußvorlage 12267 (leicht zu googeln unter: EDOC12267), in der unter anderem empfohlen wird, die Verwendung des Begriffs „Mutter“ als ein sexistisches Stereotyp zu bekämpfen, weil dies die Gender-Gleichheit verhindere (Report „Combating sexist stereotypes in the media“ vom 26.5.2010).

Da soll mal einer sagen, der Europarat ist zu nichts gut. Toll, dass die Empfehlung des Ausschußes vorsieht, dass in den Mitgliedstaaten Programme initiiert und natürlich finanziert werden, die darauf hinwirken, dass wir so doofe, unterdrückende und sexistische Begriffe wie „Vater“ oder auch „Mutter“ nicht mehr benutzen. Und dass die bösen Medien die Frauen nicht weiter in dieser sexistischen Mutterrolle darstellen. Danke auch hier für den Hinweis an mich und meine Kollegen!

Wenn dem nicht rechtzeitig entgegen gewirkt wird, könnten meine Töchter an meinem Vorbild Gefallen finden und tatsächlich in Erwägung ziehen, diesem furchtbaren, sexistischen Stereotyp zu folgen, um meinen Mann und mich irgendwann mit Enkeln zu beglücken. Oder meine Söhne, vielleicht werden sie später tatsächlich nach einer Frau suchen, die sie heiraten und mit der sie Kinder bekommen möchten, weil sie das in den Medien gesehen haben und es einfach nicht besser wissen. Oh mein Gott! Wir sind alle gefangen in unseren stereotypen, verblendeten Vorstellungen von Glück.

Gut dass wir den Europarat haben, damit es sich mit diesen wichtigen Zukunftsfragen auseinander setzt und nicht etwa Zeit darauf verschwendet, sich mit Wirtschaft, Finanzen oder sonstigem Unfug zu beschäftigen.

Die Schweiz macht es vor: In Bern sind kürzlich nicht nur „Mutter“ und „Vater“ durch „Elter 1“ und „Elter 2“ ersetzt worden. Das ist kein Scherz. Es ist dort jetzt auch offiziell der Fußgängerüberweg abgeschafft. Schließlich diskriminiert er alle FußgängerInnen. Nirgendwo konnten diese bisher adäquat die Berner Straßen überqueren, ohne sich minderwertig zu fühlen. Jetzt gibt es den „Zebrastreifen“ in Bern. Das ist nicht nur frauen-, sondern auch tierfreundlich. Zwei Fliegen mit einer Klappe! Es sei denn, Sie haben gar kein Zebra, sondern nur einen schnöden Hund oder gar einen Kinderwagen dabei, dann wird es natürlich schwierig…

Wenn es nicht so bitterer Ernst wäre, könnte man darüber lachen. Das Problem ist jedoch, dieser Irrsinn wird Stück für Stück gesetzlich verankert. Nicht nur in Bern oder in der Schweiz, sondern überall. Wenn wir zulassen, dass uns Bürokraten vorschreiben, wie wir zu sprechen haben, dann lassen wir zu, dass sie unser Denken steuern. Diese ganze Entwicklung erinnert beängstigend an die einstigen Zukunftsvisionen von George Orwell in seinem Roman „1984“. Wir sind dabei ein europäisches „Neusprech“ einzuführen. Zuerst waren es so lächerliche Begriffe wie Mohrenkopf, die als politisch unkorrekt aussortiert wurden. Und ich bin nicht ganz sicher, wie ich angesichts der bevorstehenden Fußball-WM derzeit einen Menschen mit afrikanischen Wurzeln bezeichnen darf, „Farbiger“?“Schwarzer“? Bin ich weiß? Was ist mit Sonnenbrand? Man taumelt förmlich zwischen den Fettnäpfchen. Darf ich meinen Kindern das Lied „Lustig ist das Zigeunerleben“ noch beibringen oder ist es jetzt das „Lustige Leben der fahrenden, ethnischen Minderheiten?“ Faria, Faria, Ho! Mal davon abgesehen, dass dieses Leben vermutlich alles andere als lustig ist, also ein doppelter Fauxpas.

Ich glaube, das Problem beginnt erst dann, wenn sich Frauen tatsächlich durch die Ansprache oder die Darstellung als Mutter diskriminiert fühlen. Dann hätte das „Neusprech“ ganze Arbeit geleistet. Noch sind wir nicht soweit. Ich kenne nur stolze Mütter und Väter. Und schön, dass meine Kinder immer noch „Mama“ zu mir sagen. Oder wird das demnächst auch verboten?

Quelle: www.freiewelt.net [1]
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Birgit Kelle (35) ist Journalistin, verheiratet und Mutter von vier Kindern. Geboren 1975 in Siebenbürgen, Rumänien, 1984 übergesiedelt nach Deutschland. Von 2005 bis 2008 Herausgeberin der christlichen Monatszeitung VERS1. Sie ist Vorsitzende des Vereins „Frau 2000plus e.V.“ und Member of the Board der New Women for Europe [2] (NWFE), ein Dachverband für Frauen- und Familienverbände aus ganz Europa mit Beraterstatus am Europäischen Parlament. Der abgedruckte Text wurde im Sommer 2010 verfaßt.