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Das Kuckucksei im Pfarrdienstrecht

Das Kuckucksei im Pfarrdienstrecht 

In der Geschichte der EKD und ihrer Synoden gab es bisher nichts vergleichbar Paradoxes: Aus einem erfreulichen Anlass – der Bemühung um Annäherung, Vergleichbarkeit und Vereinheitlichung des Pfarrerdienstrechtes in allen Landeskirchen – ist ein übler Coup gelungen. Alle 126 anwesenden EKD-Synodale meinten, sie müssten unbedingt und ohne jede Widerrede einer Gesetzesvorlage zustimmen, in die ein großes, widersinniges Kuckucks-Ei eingebaut ist: ein Kuckucks-Ei, das EKD-weit dauerhaft für mehr theologisches Konfliktpotential, mehr Uneinigkeit, mehr Zerrissenheit und mehr Unmut sorgen wird. Was ist geschehen?

Monatelang war in allen Kirchenleitungen auf verschiedenen Ebenen darum gerungen worden, wie das Thema „Ehe und Familie im Pfarramt“ rechtlich zu gestalten sei. Verschiedene Entwürfe wurden diskutiert. Im Kern ging es um die Frage: Soll allein das biblisch-theologische Ehe- und Familien-Ethos gelten oder sollten Kirchenleitungen bisherige (Fehl-)Entwicklungen rechtfertigen und legitimieren dürfen, wie sie in einigen Landeskirchen unter dem Einfluss der säkularen politischen Schwulen-Lobby Schritt für Schritt zugelassen oder durch Synodalbeschlüsse für rechtens erklärt wurden.

Kurz vor der EKD-Herbstsynode 2010 wurde den Synodalen zum Thema Ehe und Familie ein erneut veränderter Text unter der Überschrift „§ 39 Ehe und Familie“ vorgelegt. Aber im Inhalt ist nicht mehr von „Ehe und Familie“ die Rede, sondern von „familiärem Zusammenleben und Ehe“. Dies ändert die juristische Aussage qualitativ, denn beim Begriffspaar „Ehe und Familie“ ist „Familie“ an „Ehe“ gekoppelt; die Zusammenstellung „’familiäres Zusammenleben’ und Ehe“ aber bewirkt eine umfassende Entkoppelung der beiden Größen. Dies wird durch die Begründungen zu § 39,1 ausdrücklich belegt. Das erklärte Ziel ist, unter Auflage kleiner Hürden die Möglichkeit homosexueller Lebensgemeinschaften von Amtsträgern im Pfarramt freizugeben.

Nicht wenige EKD-Synodale meinten wohl, mit dieser Formulierung sei ein „Kompromiss“ gefunden: der Text stelle ja verschiedene „Möglichkeiten“ frei. In Wahrheit aber haben sie sich – unter Preisgabe biblisch – ethischer Urteilsbildung – einer Vereinnahmungs- und Überwältigungsformel ausgeliefert. Es lebe das „Allerlei“! Die Nennung bestimmter schön klingender Sekundärtugenden hat viele geblendet und narkotisiert; sie haben nicht bemerkt, dass es um weit mehr geht als lediglich um isoliert verstandene „Homosexualität“! Die Logik der Formulierung von § 39,1 läuft nämlich darauf hinaus, dass die ausschließliche Bindung an das biblische Geschlechter-Ethos zur Disposition gestellt und preisgegeben ist – mit noch nicht absehbaren Folgen. Es gibt indessen EKD-Synodale, die darüber total glücklich sind.

Christen aller Landeskirchen müssen jetzt fragen: Aus welchen Gründen hat „mein“ EKD-Synodaler mitgemacht? Warum hat nicht einer der Synodalen von seinem Recht Gebrauch gemacht, im Plenum klar und ruhig eine „Persönliche Erklärung“ abzugeben, in der er auf die Probleme und den hohen Klärungsbedarf zum umstrittenen § 39 (39,1) des PfDG hätte hinweisen können? Welche Personen, Kräfte und Mächte haben dies verhindert? Und: Wie soll jetzt in meiner Landeskirche und -synode zu diesem Thema entschieden werden? 

Was tun? Klar ist: Entscheidungen werden in naher Frist auf der Ebene aller Landessynoden fallen. Sprechen Sie die Synodalen Ihrer Landeskirche persönlich an! Hören Sie sorgfältig hin, von welchen Gründen, Motiven und Zielen diese sich bei der Abstimmung leiten ließen! Klären Sie für sich selbst, ob Sie in einer geistlich-theologisch intakten Landeskirche leben wollen oder in einer schwulenpolitisch unterwanderten! Beten Sie wach und ausdauernd dafür, dass auf EKD-Führungsebene endlich Ehrlichkeit einzieht und überfällige Klärungen auf den Weg gebracht werden! Profilieren Sie Ihr eigenes Sachurteil so gründlich, dass man Sie mit Dummheiten nicht mehr einfangen kann. Fordern Sie profunde theologische Arbeit ein – und: dienen Sie selber dem Kind in der Krippe, unserem erhöhten Herrn so hingebungsvoll wie er es um Seiner Liebe willen verdient.

Rolf-Alexander Thieke, Pfarrer und Rell i.R., Berlin, 15.12.2010