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Rezension: Kirche, Homosexualität und Politik

Donnerstag 11. November 2010 von Kirchenrat Hans Lachenmann (1927-2016)


Kirchenrat Hans Lachenmann (1927-2016)

Rezension zu Klaus Baschang, „Kirche, Homosexualität und Politik – Eine theologische Argumentationshilfe aus besonderem Anlass“ (Idea-Dokumentation 3/2010)

Der „besondere Anlass“ der „theologischen Argumentationshilfe“ von Klaus Baschang ist die geplante einheitliche kirchengesetzliche Regelung der Dienstverhältnisse von Pfarrerinnen und Pfarrern innerhalb der EKD. Sie wird angestrebt, weil bei allem Respekt vor der landeskirchlichen Selbständigkeit sehr viel mehr gemeinsam geregelt werden kann, als das bisher der Fall ist. In diesem Zusammenhang verdient auch der wichtige Problembereich „Ehe und Familie“ erneute Aufmerksamkeit. Denn in diesem haben sich die Regelungen in den Gliedkirchen seit dem Jahr 1996 in sehr verschiedene Richtungen hin entwickelt. Der Rat der EKD veröffentlichte damals seine „Orientierungshilfe“ zum Thema „Homosexualität und Kirche“ („Mit Spannungen leben“), um die gewünschte Kompatibilität zu sichern. Sie hielt an der biblischen Grundlinie fest, nach der Homosexualität keine von Gott gesegnete Lebensform sein kann. Einen staatlich privilegierten Sonderstatus ähnlich dem verfassungsrechtlich geschützten Status von Ehe und Familie lehnte der Rat der EKD ab und riet zu privatrechtlichen Regelungen. Trauung oder Segnung von homosexuellen Verbindungen durften nicht sein, vielmehr sollte seelsorgerliche Begleitung homosexuellen Gemeindegliedern dazu helfen, ein der Ehe analoges verantwortliches Zusammenleben zu gestalten.

Schon bald haben jedoch viele Landeskirchen ohne Rücksicht auf die Orientierungshilfe gegensätzliche Regelungen getroffen, sowohl was die Zulassung einer Segnung einer  Verbindung von Homosexuellen als auch deren Anstellung im Pfarrdienst samt dem gemeinsamem Wohnrecht im Pfarrhaus betrifft. Die so entstandene „Desorientierung“ führte zu einer die Kräfte lähmenden Polarisierung.

Wenn diese Notsituation überwunden und einer neuen geistlich begründeten Ordnung weichen soll, ist eine neue Gesprächsrunde innerhalb der EKD geboten, und darüber hinaus eine grundsätzliche sexualethische Neubesinnung. Die Kirche muss dabei über die binnenkirchliche Problematik hinaus wahrnehmen, was in der kulturellen und politischen Umgebung in Fragen der Homosexualität geschieht.

Klaus Baschang zeigt das in den verschiedenen Feldern auf und öffnet mit eindrücklichen Beispielen die Augen. Da ist die politische Homosexuellenbewegung, die unter dem Leitbegriff der „sexuellen Befreiung“ für die vollständige Gleichstellung mit Heterosexuellen kämpft. Dies gilt insbesondere für die Ehe- und Familienrechte. Der Genderismus erweitert die völlige Gleichstellungsforderung inzwischen für die Bi-Multi und Transsexuellen. Dies geschieht mit allen Mitteln der Propaganda bis zur medialen Gehirnwäsche, massivem politischen Druck, der rigorosen Bekämpfung Andersdenkender, der Kriminalisierung und Pathologisierung der „Feinde“ (Homohasser, Homophobie) und den Versuchen, sie endgültig zum Schweigen zu bringen. Das aber führt zur Gefährdung der Grundrechte, der Freiheit des Gewissens, der Meinung und der Forschung. Ein zunehmender Totalitarismus infiziert inzwischen Medienlandschaft und Politik.

Es zeigt sich, dass den Betroffenen damit nicht geholfen ist. Deren gesundheitliche und psychische Gefährdung, die beträchtlich ist und u.a. zu einem vierfach größeren Suizidrisiko führt, wird verschwiegen. Das angeblich allein mögliche „Outing“ als Weg zur Befreiung verfestigt die psychische Situation und führt zur menschenverachtenden Selbstdarstellung beim CSD und den verschiedenen Protestaktionen.

Dazu kommt die Gefährdung der Zivilisation durch neue Barbarei. Sie zeigt sich im manipulativen Sprachverhalten, der Verwirrung der Geschlechterdualität, der Frühsexuali­sierung der Jugend und der Neuerfindung des Menschen. All das bedroht unsere Zukunft.

Der Widerstandswille gegen die Bedrohung ist nur schwach. Auch in den Kirchen – bis in die Leitungsgremien und die Führungsspitzen – übt man sich viel zu oft in Wegschauen und Verschweigen, Nichtwissen und Nichtwissenwollen. Dafür beugen sich viel zu viele dem zunehmenden Anpassungsdruck.

Klaus Baschang reagiert auf diese Entwicklung und zeigt Wege, wie die evangelische Kirche ihrem Auftrag gerecht wird und auch ihren homophil geprägten Gliedern helfen kann. 

Er widmet einen gewichtigen Abschnitt den „Biblisch-theologischen Klärungen“. Sie beginnen mit der Erklärung, dass jeder Mensch ein Ebenbild Gottes ist. Daran ändert sich nichts, auch wenn die Gottesebenbildlichkeit des Menschen im Gegenüber von Mann und Frau in ihrem gemeinsamen Gegenüber zu Gott eine sichtbare Struktur hat. Auf diese Weise will Gott seine Schöpfung erhalten. Sie ist Ursprung der Mitmenschlichkeit und bedarf der besonderen Fürsorge der Kirche und des Staates – um seiner selbst und seiner Zukunft willen.

Das ist der Grund für die negative Bewertung der homosexueller Praxis in der Bibel. Die verschiedenen Versuche, dies durch exegetische Kunstgriffe zu entschärfen, werden entschieden zurückgewiesen. Die Kirche darf die Bibel nicht zurechtbiegen und verkürzen wie es ihr passt.

Als Hilfe denkt Baschang an die nachgehende Seelsorge. Jede Ausgrenzung und Verachtung von homophilen Gemeindegliedern wird zurückgewiesen. Hingewiesen wird auf längst bekannte und erprobte wissenschaftlich begründete Wege, Betroffenen, die unter ihrer homophilen Prägung leiden, zu zeigen, wie sie zu ihrem wirklichen Mann-bzw Frausein zurückfinden können. Er nennt das Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft in Reichelsheim, das forscht und informiert und Einrichtungen wie Wüstenstrom und das Weiße Kreuz, die solche Hilfen anbieten.

Eine wichtige Aufgabe der Kirche besteht jedoch in der Wahrnehmung der politischen Verantwortung. Dazu gehört das Einwirken auf gesetzliche Bestimmungen wie das Adoptionsrecht und die Sexualerziehung. Das Elternrecht für die religiöse und sittliche Erziehung der eigenen Kinder darf nicht angetastet werden.

Vor allem aber hat die Kirche in ihrem eigenen Hause Verantwortung zu übernehmen. Das gilt für die Vorbilderwartung, die den Pfarrern und Pfarrerinnen entgegengebracht wird. Schließlich gilt das für die geplante Neuregelung ihrer Dienstverhältnisse. Es darf nicht sein, dass hier mit undeutlichen Formulierungen neben dem „Leitbild Ehe und Familie“ von „Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und gegenseitige Verantwortung für das Zusammenleben“ als Maßstab für die Anstellungsfähigkeit die Rede ist, die sich dann – ohne dass dies im Text ausdrücklich erwähnt wird – auch auf andere „Lebensformen“ übertragen lässt. Die Überwindung der gegenwärtigen Notsituation ist mit solchen Kunststücken nicht möglich.

Klaus Baschang beschließt die Dokumentation mit zwei Texten von Dietrich Bonhoeffer, die zeigen, in welchem Zusammenhang die gegenwärtige Herausforderung gesehen werden muss, will man ihr gerecht werden. Das eine ist „Das Schuldbekenntnis“ (1940) für das Schweigen der Kirche zur Auflösung aller Ordnung und der Proklamation der geschlechtlichen Zügellosigkeit. Sie macht sich damit schuldig an der Reinheit und Gesundheit der Jugend, der sie die Zugehörigkeit unseres Leibes zum Leib Christi nicht verkündigt hat.

Der zweite Text aus Widerstand und Ergebung“ (1943) weist auf „die Maskerade des Bösen“ hin, die Gut und Böse verkehrt, die ethische Begriffswelt verwirrt und so „gerade die Bestätigung der abgründigen Bosheit des Bösen“ ist.

Die Dokumentation von Klaus Baschang ist es wert, von allen, die Verantwortung in unserer Kirche haben, eingehend studiert und diskutiert zu werden. Besser die bitter schmeckende Wahrheit als die süße Illusion.

Hans Lachenmann, KR i.R.

Die ideaDokumentation “Kirche, Homosexualität und Politik”, kann bei idea-Spektrum, Postfach 18 20, 35528 Wetzlar, Tel.: 06441 – 915-0, idea@idea.dewww.idea.de bestellt werden.


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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 11. November 2010 um 12:13 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Kirche, Rezensionen, Sexualethik.