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Rezension: Kirche, Homosexualität und Politik

Montag 8. November 2010 von Johann Hesse


Johann Hesse

Rezension: ideaDokumentation, OKR i. R. Klaus Baschang, „Kirche, Homosexualität und Politik – Eine theologische Argumentationshilfe aus besonderem Anlass“, 3/2010, 26 Seiten, 4,00 €.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) plant eine vereinheitlichende Neuordnung des Pfarrdienstrechtes. Der Autor, Oberkirchenrat i. R. Klaus Baschang, weist darauf hin, dass im Zuge dieser Neuordnung die Anstellungsfähigkeit von Pfarrerinnen und Pfarrern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und die Ermöglichung von Amtshandlungen für Gemeindeglieder in solchen Partnerschaften (Trauungen), einheitlich geklärt werden müssen.

Die Würde eines jeden Menschen und damit auch des homosexuell empfindenden Menschen liegt in der Zusage der Gottebenbildlichkeit begründet. Die Gottebenbildlichkeit aller Menschen hat jedoch eine sichtbare Struktur: „Es ist das Gegenüber von Mann und Frau in ihrem gemeinsamen Gegenüber zu Gott.“ Daraus kann einerseits geschlussfolgert werden, dass der homosexuell empfindende Mensch zur Gemeinde Jesu gehört und seinen Platz in der Kirche beanspruchen darf, er andererseits aber nicht dazu berechtigt ist, innerhalb der Kirche den gleichgeschlechtlichen Lebensstil zu propagieren.

Die Bibel verurteilt homosexuelle Praktiken mit aller Schärfe, weil sie die Heiligkeit Gottes verletzen (3Mose 18,22; 20,13). In Römer 1,23 wird die „Vertauschung der Geschlechter in der homosexuellen Praxis in Parallele zur Vertauschung von Schöpfer und Geschöpf“ gesetzt. In der Folge dieser Vertauschung verstrickt sich der Mensch in weitere Schuld. Er belastet und zerstört sein Leben. Die Kirche verliert ihre Autorität und Glaubwürdigkeit in der Gesellschaft, wenn sie diesen klaren Befund verkürzt und verbiegt. Baschang verweist hierbei u. a. auf ein aktuelles Faltblatt, das schwule und lesbische Menschen zur öffentlichen Segnung ihrer Partnerschaft einlädt.

Im Kapitel „Kulturelle Beobachtungen“ zeigt Baschang, dass mit dem Ausbreiten homosexueller Lebensweisen eine Gefährdung unserer Kultur einhergeht. Hohe Rechtsgüter wie die Meinungs-, Wissenschafts- und Versammlungsfreiheit werden eingeschränkt, weil Homosexuellenverbände versuchen, jegliche sachgerechte Kritik mit verleumderischen Vorwürfen und aggressiven Gegenkampagnen zu unterbinden. Auch übersehen Vertreter homosexueller Interessengruppen oftmals die tiefergehenden Nöte des homosexuell empfindenden Menschen und verhindern, dass diese Nöte eine seelsorgerlich-therapeutische Hilfe finden. Überzeugend weist Baschang auf den eklatanten Widerspruch hin, der sich auftut, wenn einerseits die Unveränderlichkeit homosexueller Empfindungen behauptet wird, andererseits die moderne Genderforschung davon ausgeht, dass sexuelle Identität und Orientierung völlig offen und wandelbar sei.

Die Kirche hat angesichts der Herausforderung „Homosexualität“ zuallererst den Auftrag, fachkundige Seelsorge und Beratung anzubieten. Nicht neue Beschlüsse und Erlaubnisse von Synoden und Bischöfen sind gefragt, sondern der geschützte Raum, in dem Homosexuelle seelsorgerliche Begleitung und Hilfe erfahren. Vor allem das „Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft“ und der Verein „Wüstenstrom“ empfiehlt der Autor denen, die eine Klärung ihrer homosexuellen Neigungen suchen. Der Verfasser betont die Freiheitlichkeit der evangelischen Seelsorge, die die Seele und das Gewissen für ein „neues, freies und eigenständiges Denken“ öffnet. Eine solche Seelsorge kann und will sich nicht denen aufnötigen, die eine Veränderung ihrer homosexuellen Empfindungen ablehnen.

Zu Recht fordert Baschang, dass es „kein öffentliches Handeln der Kirche für und mit homosexuell empfindenden Menschen geben darf, das mit der kirchlichen Trauung von Mann und Frau vergleichbar wäre: „Kirche darf nicht segnen, was nach der Bibel nicht sein soll“.

Hinsichtlich des bereits erwähnten biblisch-theologischen Befundes ist es jedoch nicht verständlich, warum der Autor in der nicht öffentlichen Seelsorge mit Menschen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften auch Raum sieht für Segnungen, „die das gemeinsame Leben stärken“ und für „Bekenntnisse zu einander“ und vor Gott. An dieser Stelle kann der Rezensent der Argumentation des Autors nicht folgen, denn es tut sich ein Widerspruch auf. Wenn die Kirche nicht segnen soll, was nach der Bibel nicht sein soll, dann gilt dies doch sowohl für den öffentlichen als auch für den geschützten seelsorgerlichen Raum. Seelsorgerliches und öffentliches Handeln der Kirche muss kongruent sein.

In Bezug auf die Ausgangsfrage der „Anstellungsfähigkeit“ von Pfarrern und Pfarrerinnen, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben, kommt der Autor zu einem eindeutigen Ergebnis: „Die Botschaft der Bibel verbietet ihr das“. Diese ist aber der „alleinige Existenzgrund der Kirche“. „Sie gibt sich selbst auf, wenn sie die Botschaft nicht auch auf sich selbst bezieht, auch wenn das u. U. unbequem wird.“ Konsequenterweise fordert der Autor denn auch die Streichung des geplanten § 40 „Ehe und Familie“ (Absatz 5), der neben der Ehe im Pfarramt auch „andere Lebensgemeinschaften neben der Ehe“  zulässt, wenn diese von „Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und gegenseitiger Verantwortung geprägt sind“.

Aus kirchlichen Einsichten und Erfahrungen ergeben sich politische Perspektiven. Die Politik muss begreifen, dass der grundgesetzlich geforderte Schutz von Ehe und Familie nichts mit moralischen Urteilen und Diskriminierungen anderer Beziehungsformen zu tun hat. Es geht in der Familienförderung nicht um die Befriedigung von „Gegenwartsbedürfnissen“, sondern um die Ermöglichung von „Zukunftsleistungen“. Diese Zukunftsleistungen werden von Familien erbracht, weil sie Kinder hervorbringen. Homosexuelle Partnerschaften können eben dies nicht und sollten deshalb nicht in besonderer Weise grundgesetzlich geschützt und finanziell gefördert werden.

Nimmt man in Bezug auf das Adoptionsrecht allein Rücksicht auf das Kindeswohl, ist von einem Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare abzuraten. Kinder haben einen zweigeschlechtlichen Ursprung und brauchen für die gesunde Ausreifung ihrer Identität die Prägung durch beide Geschlechter. Diese würde ihnen genommen, wenn sie in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufwüchsen.

In der schulischen Sexualerziehung wird heute einseitig von der Unveränderlichkeit homosexueller Empfindungen gesprochen. Die Gegenposition, die die Veränderung für möglich hält, wird nicht dargestellt. Junge Menschen haben aber ein Recht, umfassend informiert zu werden. Nicht akzeptabel ist es außerdem, wenn Schüler durch die Sexualerziehung gedrängt werden, homo- und bisexuelle Lebensweisen „gut“ finden zu müssen.

Im Schlusskapitel regt Baschang den Leser mit zwei ausgezeichneten und sehr treffenden Zitaten Dietrich Bonhoeffers zum Nachdenken an:

„Die Kirche bekennt, kein wegweisendes und helfendes Wort gewußt zu haben zu der Auflösung aller Ordnungen im Verhältnis der Geschlechter zueinander. Sie hat die Verhöhnung der Keuschheit und der Proklamation der geschlechtlichen Zügellosigkeit nichts Gültiges und Starkes entgegenzusetzen gewußt. Sie ist über eine gelegentliche moralische Entrüstung nicht hinausgekommen. Sie ist damit schuldig geworden an der Reinheit und Gesundheit der Jugend. Sie hat die Zugehörigkeit unseres Leibes zum Leib Christi nicht stark zu verkündigen gewußt.“ (Aus „Das Schuldbekenntnis“ in „Ethik“, vermutlich 1940)

„Wer hält stand? … Nach Zehn Jahren (Naziherrschaft) … Die große Maskerade des Bösen hat alle ethischen Begriffe durcheinander gewirbelt. Daß das Böse in der Gestalt des Lichts, der Wohltat, des geschichtlich Notwendigen, des sozial Gerechten erscheint, ist für den aus unserer tradierten ethischen Begriffswelt Kommenden schlechthin verwirrend, für den Christen, der aus der Bibel lebt, ist es gerade die Bestätigung der abgründigen Bosheit des Bösen.“ ( Aus „Widerstand und Ergebung“, geschrieben 1943)

Im Sinne dieser Zitate Bonhoeffers ist die „theologische Argumentationshilfe“ von Klaus Baschang ein „wegweisendes und helfendes Wort“ in einer Zeit, in der die ethischen Begriffe in Kirche und Gesellschaft erneut durch die Maskerade des Bösen durcheinandergewirbelt werden. Die Lektüre dieser gut fundierten und ausgewogenen idea-Dokumentation empfiehlt sich jedem, der sich mit der Thematik „Homosexualität“ auseinandersetzt. Außerdem kann man nur wünschen, dass sie bei den Diskussionen um die Neuordnung des Pfarrdienstrechtes intensiv studiert wird und ihre Empfehlungen zur Anwendung kommen.

 Johann Hesse, Geschäftsführer des Gemeindehilfsbundes

Die ideaDokumentation „Kirche, Homosexualität und Politik“, kann bei idea-Spektrum, Postfach 18 20, 35528 Wetzlar, Tel.: 06441 – 915-0, idea@idea.de, www.idea.de bestellt werden.


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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 8. November 2010 um 14:33 und abgelegt unter Kirche, Rezensionen, Sexualethik.