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Ein PID-Verbot ist geboten

Freitag 5. November 2010 von Rainer Beckmann


Rainer Beckmann

Rainer Beckmann
Ein PID-Verbot ist geboten

Der Streit um die sogenannte „Präimplantationsdiagnostik“ (PID) hat die Führungszirkel der politischen Parteien erreicht. In einem ersten Schlagabtausch haben verschiedene CDU- und FDP-Politiker ihre Positionen abgesteckt. Während es in der FDP praktisch keine Befürworter eines PID-Verbots gibt, sind die Meinungen in der CDU geteilt. Bekannte und bekennende Lebensschützer unter den Christdemokraten, wie Hubert Hüppe, Julia Klöckner und Fraktionschef Volker Kauder, setzen sich für ein Verbotsgesetz ein. Andere, wie Generalsekretär Hermann Gröhe, betonen, dass es „hohe verfassungsrechtliche Hürden“ für ein PID-Verbot gebe. Das klingt ein wenig wie ein verklausulierter Abschied von der Forderung des CDU-Grundsatzprogramms, ein PID-Verbot anzustreben. Von verfassungsrechtlichen Bedenken geht auch der FDP-Gesundheitspolitiker Erwin Lotter aus: „Ein Verbot der PID, wie im Grundsatzprogramm der Union verankert, verstößt meiner Meinung nach gegen ein ureigenes Menschenrecht: nämlich die Entscheidung über die eigene Fortpflanzung.“

Was ist dran an diesem Argument? Gibt es verfassungsrechtliche Hürden für ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik? Die Aussage des FDP-Politikers ist im Ausgangspunkt richtig. Über die eigene Fortpflanzung entscheiden zu können, ist ein Menschenrecht. Die Schlussfolgerung, es dürfe daher kein PID-Verbot geben, ist dagegen falsch. Das Menschenrecht, sich ungehindert fortpflanzen zu können, soll durch ein PID-Verbot keineswegs angetastet werden. Entscheidend ist, wann das individuelle Recht auf Fortpflanzung endet und das „Produkt“ der Fortpflanzung als neues (Grund-)Rechtssubjekt berücksichtigt werden muss. Nach der Entstehung eines menschlichen Embryos können nicht mehr allein die Interessen seiner Eltern im Mittelpunkt stehen. Es sind vielmehr die Rechte dieses neuen Menschen zu beachten.

Das PID-Verbot ist der Sache nach ein Tötungsverbot

Im Rahmen der PID werden menschliche Embryonen noch außerhalb des Mutterleibes genetisch getestet, die „schlechten“ (genetisch auffälligen) werden „aussortiert“ und nur die „fehlerfreien“ in die Gebärmutter übertragen. Paare, die das Verfahren der PID durchführen wollen, nehmen daher nicht einfach nur das Recht auf Fortpflanzung in Anspruch, sondern maßen sich ein Verfügungsrecht über ihre Nachkommen in der Frühphase der embryonalen Entwicklung an. Diese Vernichtung von Embryonen ist der Kern des Problems. Ein PID-Verbot ist der Sache nach ein Tötungsverbot. Es ist Ausdruck des grundlegendsten Menschenrechts, des Rechts auf Leben, welches wiederum in der Würde des Menschen wurzelt.

Natürlich gibt es im Hinblick auf umstrittene Methoden wie der PID auch unterschiedliche Rechtsauffassungen. Viele „Experten“ argumentieren, dass der menschliche Embryo im Grunde keine, oder nur „schwache“ Rechte hat, oder dass anderer Rechtspositionen gewichtiger seien. Diese Pluralität der Meinungen besagt aber nicht, dass man sich als Politiker einfach auf die Seite der vermeintlichen Mehrheitsmeinung schlagen könnte. Jeder Politiker muss zunächst einmal die richtige Lösung suchen und sich für die Umsetzung dieser Lösung einsetzen. Erst wenn dies nicht gelingt, kann – unter bestimmten Umständen – ein „Kompromiss“ in Erwägung gezogen werden.

Wie sieht nun, gemessen an den Grundrechten der Verfassung, die richtige Lösung für die Frage nach dem Umgang mit genetisch belasteten oder geschädigten menschlichen Embryonen aus? Das hängt in erster Linie davon ab, welcher rechtliche Status dem Embryo zukommt. Was ist ein menschlicher Embryo: ein menschliches Lebewesen in der Frühphase seiner Entwicklung oder irgendetwas anderes?

Alle Erkenntnisse der Embryologie sprechen eindeutig dafür, im menschlichen Embryo einen Menschen zu erkennen. Völlig zu Recht ging auch das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen zum Abtreibungsstrafrecht davon aus, dass „die von Anfang an im menschlichen Sein angelegten potentiellen Fähigkeiten genügen, um die Menschenwürde zu begründen“. Die Würde des Menschseins liege auch für das ungeborene Leben im Dasein um seiner selbst Willen. Es verbiete sich daher „jegliche Differenzierung der Schutzverpflichtung mit Blick auf Alter und Entwicklungsstand dieses Lebens“.

Dem menschlichen Embryo in vitro prinzipiell einen geringeren Rechtsstatus oder Schutzanspruch zuzuerkennen als weiter entwickelten Formen menschlichen Lebens, ist logisch nicht zu begründen. Warum sollte das Alter und der damit einhergehende Entwicklungsstand eines Menschen seinen grundrechtlichen Status beeinflussen? Ein am Entwicklungsstand ausgerichteter Schutz des Menschen wäre absurd: Sollen etwa Babys geringeren Schutz genießen als Schulkinder und Schulkinder geringeren Schutz als Erwachsene? Die biologische Entwicklung des Menschen ist ein Kontinuum, wobei sich die äußere Erscheinungsform ständig – mehr oder weniger schnell – verändert, auch nach der Geburt. Daraus unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe ableiten zu wollen, wäre willkürlich.

Kein Verfügungsrecht über Embryonen

Das als Teil des Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) anerkannte „Recht auf Fortpflanzung“ legitimiert das Verbot staatlicher Eingriffe in individuelle, auf Fortpflanzung gerichtete Verhaltensweisen. Es legitimiert aber nicht dazu, dass sich Eltern ein Verfügungsrecht über ihre Nachkommen, die selbst Grundrechtssubjekte sind, anmaßen könnten. Dies gilt insbesondere dann, wenn bereits entstandenes menschliches Leben deswegen vernichtet werden soll, weil es die Anlage für eine Erbkrankheit in sich trägt. Das natürliche Bestreben, Krankheiten zu bekämpfen und gesunde Kinder zu haben, rechtfertigt es nicht, kranke Kinder umzubringen. Diese Selbstverständlichkeit muss auch für ungeborene Kinder und Embryonen gelten.

An dieser Stelle zeigt sich, dass die PID nicht „nur“ gegen die Menschenwürde und das Recht auf Leben, sondern auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) verstößt. Den Paaren, die eine PID in Anspruch nehmen wollen, geht es nicht um die Überwindung ihrer Kinderlosigkeit als solche, sondern um die Sicherstellung der Geburt eines „gesunden“ Kindes durch Aussonderung der genetisch abweichenden Embryonen. Die PID ermöglicht damit individuelle Selektionsentscheidungen, welche der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung allgemein den Weg bereiten. Weil im Rahmen der PID den geschädigten Embryonen gerade wegen der Anlageträgerschaft für eine Erbkrankheit der Transfer in die Gebärmutter verweigert werden soll, liegt ein Verstoß gegen das spezielle Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG vor.

Wertungswiderspruch zur Abtreibungsregelung?

Besonderes Gewicht hat in der politischen Diskussion der Hinweis, dass ein Verbot der PID einen Wertungswiderspruch zu anderen rechtlichen Regelungen des Lebensschutzes darstelle. Natürlich gezeugte Embryonen würden durch die rechtlichen Bestimmungen zum Schwangerschaftsabbruch weit weniger geschützt, als künstlich entstandene.

Hieraus lässt sich aber kein Argument zugunsten der PID ableiten. Soweit ein solcher Wertungswiderspruch besteht, müsste erst begründet werden, in welche Richtung der Widerspruch aufgelöst werden soll. Ob der Gesetzgeber im Falle der PID sich die Regelung des § 218 StGB zum Vorbild nehmen sollte, ist durch die bloße Feststellung eines Wertungswiderspruchs nicht entschieden. Angesichts der weitgehenden Schutzlosigkeit von Kindern im Mutterleib sollte man vielmehr über rechtliche Änderungen in diesem Bereich nachdenken, statt künstlich erzeugte menschliche Embryonen ebenfalls der Schutzlosigkeit auszuliefern.

Die Parallele, die manchmal zur so genannten „Schwangerschaft auf Probe“ gezogen wird, ist ebenfalls ungeeignet, die Zulassung der PID argumentativ zu stützen. Zwar kann man mit Hilfe der Pränataldiagnostik die Geburt eines gesunden Kindes gleichsam erzwingen, indem man aufeinander folgende Schwangerschaften so lange abbricht, bis ein nachweislich gesundes Kind empfangen wird. Dies stellt aber keineswegs eine vom Gesetz gedeckte oder gar vom Gesetzgeber intendierte Nutzung von Pränataldiagnostik und Strafgesetzbuch dar, sondern ist eindeutig ein Missbrauch der gesetzlichen Bestimmungen zum Schwangerschaftsabbruch.

Die Formulierung der medizinischen Indikation zeigt, dass die Suche nach zumutbaren Alternativen der Vernichtung menschlichen Lebens vorzuziehen ist. Ein Schwangerschaftsabbruch ist gemäß § 218 a Abs. 2 StGB nur gerechtfertigt, wenn der Konflikt für die Frau „… nicht auf andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann“. Wenn bereits eine Schwangerschaft besteht und das Kind im Leib der Mutter heranwächst, mag das in manchen Fällen schwierig sein. Bei der PID ist es dagegen jederzeit möglich, Gesundheitsgefahren durch die Schwangerschaft mit einem genetisch belasteten Embryo für die Mutter zu vermeiden, indem von der künstlichen Erzeugung der Embryonen gänzlich Abstand genommen wird. Als Alternative zur Tötung eigener (ungeborener) Kinder oder Embryonen ist der Verzicht auf eigene Kinder immer vorzuziehen.

Bei unvoreingenommener Betrachtung gibt es also für ein PID-Verbot keine „verfassungsrechtlichen Hürden“. Es ist vielmehr verfassungsrechtlich geboten, die Durchführung der PID unter Strafe zu stellen, weil im Rahmen von PID-Behandlungen menschliche Embryonen selektiert und getötet werden. Wer einen solchen Umgang mit menschlichen Lebewesen akzeptiert, relativiert die Kernaussagen des Grundgesetzes zur Menschenwürde und zum Recht auf Leben. Diesem fatalen Erosionsprozess ist Einhalt zu gebieten.

Rainer Beckmann, Richter, Medizinrechtsexperte und Chefredakteur der „Zeitschrift für Lebensrecht“, die von der Juristen Vereinigung Lebensrecht e.V. herausgegeben wird.

Quelle: www.stoppt-pid.de

Die Durchsetzung eines gesetzlichen Verbots der Präimplantationsdiagnostik (PID) benötigt viel Unterstützung. Wir empfehlen Ihnen die Internetseiten www.stoppt-pid.de und www.nein-zur-selektion.de. Auf der letztgenannten Seite kann eine Petition an den Deutschen Bundestag unterzeichnet werden, die für die Aufrechterhaltung des PID-Verbotes eintritt.  

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 5. November 2010 um 13:03 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Lebensrecht.