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Afet, Stellungnahme zur Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre vom 3. Juni 2003

Stellungnahme zur Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre vom 3. Juni 2003. Die offizielle römisch-katholische Ablehnung einer rechtlichen Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften in evangelischer Sicht.

Am 3. Juni 2003 veröffentlichte die Glaubenskongregation der römisch-katholischen Kirche die Erklärung „Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen.“ In diesem seither heftig diskutierten Dokument stoßen die gegenwärtigen Bemühungen um eine rechtliche Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften auf entschiedene Ablehnung. Es war zu erwarten, daß die vatikanische Erklärung nicht nur in der säkularen Gesellschaft, sondern teilweise auch im Raum von Kirche und Theologie auf kritische Distanz oder gar Zurückweisung stieß.Da besonders einige protestantische Stellungnahmen eine distanzierte oder überwiegend ablehnende Haltung artikulierten und die Erklärung als spezifisch römisch-katholisches Dokument interpretierten, sieht sich die Facharbeitsgruppe Systematische Theologie (FAGST) des Arbeitskreises für evangelikale Theologie (AfeT) veranlasst, die beachtliche Übereinstimmung der theologischen Aussagen der vatikanischen Erklärung mit der biblisch-reformatorischen Ethik hervorzuheben. Die folgenden Ausführungen sollen diese Feststellung wenigstens skizzenhaft verdeutlichen und begründen.

Natürlich ist nicht zu übersehen, daß das Dokument in seiner Argumentation und Beweisführung sowie in seinem ekklesiologischen Anspruch als römisch-katholische Stellungnahme erkennbar ist. Die Gründe und Belege stützen sich – verständlicherweise – in hohem Umfang auf die theologische und paränetische Tradition der römischen Kirche (v.a. auf Erklärungen der Glaubenskongregation, des gegenwärtigen Papstes und des Weltkatechismus). Andererseits ist der fundamentale Ausgangspunkt des Textes Gottes „Schöpferplan über die Ehe“, wie er in den biblischen Schöpfungsberichten (Gen 1 und 2) dargelegt wird (Nr.3), und das kategorische biblische Nein zu homosexuellen Praktiken (Nr.4). Grundlegend für das Dokument ist also – gut reformatorisch – die Heilige Schrift. Dass die biblische Sicht mit Hinweisen zur altkirchlichen Tradition (Nr.4) und mit rationalen bzw. empirischen biologischen, anthropologischen, sozialen und rechtlichen Gesichtspunkten (Nr.7-9) gestützt und veranschaulicht wird, ist nicht unreformatorisch: Das reformatorische Sola-scriptura-Prinzip wurde in der evangelischen Theologie und Ethik in der Regel solange nicht als Verneinung kirchlicher Überlieferung oder vernünftiger Überlegungen verstanden, solange die Vorrangigkeit der Heiligen Schrift als norma normans kirchlicher Weisung sichergestellt blieb.

Die für das Dokument grundlegende biblisch-theologische Schau der Ehe als einer Schöpfungsordnung Gottes mit ihrer Hervorhebung der „drei grundlegenden Aspekte“ der bipolaren Ergänzung von Mann und Frau, der Ausübung der Geschlechtlichkeit und der Fortpflanzung (Nr.2-3) ist auch in evangelischer Sicht vollauf zu bejahen. Der darüber hinaus erfolgende, für den weiteren Gedankengang des Dokumentes freilich unerhebliche Hinweis auf die Sakramentalität der christlichen Ehe entspricht zwar terminologisch nicht dem enger gefassten reformatorischen Sakramentsbegriff als einer von Jesus Christus gestifteten heilsvermittelnden Handlung, steht aber in sachlicher Übereinstimmung mit dem in Eph 5,32 bezeugten, auch von den Reformatoren geteilten Verständnis der christlichen Ehe als „wirksames Zeichen des Bundes zwischen Christus und der Kirche“ (Nr.3).

Auch die der Erklärung zugrundeliegende biblische Verwerfung homosexueller Praxis als schöpfungswidrige „Anomalie“ (Nr.4) ist für die evangelische Theologie uneingeschränkt zu bejahen, da sie sich aufgrund ihres reformatorischen Selbstverständnisses der Heiligen Schrift als unbedingter Autorität für die kirchliche Lehre verpflichtet weiß. Die im gegenwärtigen Protestantismus um sich greifende theologische Akzeptanz homosexueller Praktiken läßt sich biblisch-theologisch nicht halten und widerspricht zudem der jahrhundertelangen evangelischen Auslegungstradition. Eine Preisgabe der biblischen Sicht aber wäre zugleich eine Preisgabe des reformatorischen Schriftprinzips und würde daher auf eine Selbstaufgabe evangelischer Theologie hinauslaufen.

Die in der vatikanischen Erklärung aus dem biblischen Befund abgeleitete und mit rationalen Erwägungen gestützte Ablehnung einer rechtlichen Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften (Nr.5-9) ist auch in evangelischer Sicht zu bejahen: Wenn die staatliche Obrigkeit nach dem Zeugnis des Neuen Testaments als „Anordnung“ und „Dienerin“ Gottes verpflichtet ist, das Gute zu fördern und dem Bösen zu wehren (Röm 13,1-4), dann beinhaltet diese Aufgabe positiv die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Art.6) verankerte besondere Schutzpflicht des Staates für Ehe und Familie als Schöpfungsordnungen Gottes. In negativer Hinsicht ergibt sich aus der genannten Grundbestimmung für die staatliche Gesetzgebung die Aufgabe, schöpfungswidrige Verhaltensweisen in keiner Weise rechtlich zu fördern oder aufzuwerten. Diese nachvollziehbare Konsequenz trifft insofern auch homosexuelle Praktiken, als diese dem in der Sexualität zum Ausdruck gelangenden Leben schaffenden Schöpferwillen Gottes von vornherein nicht gerecht werden können, weil sie die prokreative Dimension der Sexualität prinzipiell verleugnen. Der implizit lebensfeindliche Charakter praktizierter Homosexualität zeigt sich an der schlichten Tatsache, daß eine Gesellschaft die Zukunftsfähigkeit verlöre und dem Tod geweiht wäre, wenn das in ihr vorherrschende heterosexuelle Verhalten durch homosexuelle Praktiken ersetzt würde. Die staatliche Rechtsordnung aber hat die Aufgabe, das Weiterleben und die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft sicherzustellen und zu fördern. Auch evangelische Theologie wird daher der vatikanischen Erklärung zustimmen müssen, wenn sie feststellt: „Staatliche Gesetze sind Strukturprinzipien des Lebens der Menschen in der Gesellschaft, zum Guten oder zum Bösen“ (Nr.6). Nimmt man die skizzierte neutestamentliche Grundbestimmung des Staates ernst, wird in Bezug auf die zur Debatte stehende rechtliche Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften die Folgerung der Erklärung unausweichlich, dass damit „das Verständnis der Menschen für einige sittliche Grundwerte verdunkelt und die eheliche Institution entwertet würde“ (Nr.6).

Die von der Glaubenskongregation hervorgehobene spezifische Eigenart der Ehe, einerseits die Fortpflanzung (und damit auch das Fortbestehen der staatlichen Gemeinschaft) und andererseits die geschlechtliche Bipolarität als Voraussetzung einer normalen Entwicklung und Erziehung von Kindern zu gewährleisten (Nr.11), ist nicht nur biblisch, sondern auch empirisch evident. Sie macht deutlich, daß die rechtliche Gleichbehandlung von Ehen und homosexuellen Lebenspartnerschaften im Widerspruch zu den anthropologischen Grundgegebenheiten steht. Daher wird auch eine den biblischen Grundlagen verpflichtete evangelische Theologie der pointierten These der Erklärung zustimmen müssen: „Wenn der Staat die homosexuelle Lebensgemeinschaft auf eine rechtliche Ebene stellt, die jener der Ehe und Familie analog ist, handelt er willkürlich und tritt in Widerspruch zu seinen eigenen Verpflichtungen“ (Nr.8).

Es ist nur folgerichtig, daß das Dokument der Glaubenskongregation für die politische Praxis als Ergebnis festhält, daß „katholische“ Politiker sich jeder Unterstützung von Gesetzesvorlagen verweigern sollten, die eine rechtliche Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften zum Inhalt haben (Nr.10). Auch wenn das Dokument hier römisch-katholische Politiker meint, darf der Begriff an dieser Stelle in evangelischer Sicht getrost in seinem ursprünglichen, vorkonfessionellen Sinn einer die Kirche Jesu Christi als Ganzes umfassenden „Katholizität“ verstanden werden: Auch der „evangelische“ Politiker wird als Glied der „einen, heiligen, katholischen und apostolischen“ (und dies heißt immer auch „schriftgemäßen“!) Kirche keinem Gesetz zustimmen können, das die biblisch klar bezeugten (und letztlich auch humanwissenschaftlich plausiblen!) schöpfungsmäßigen Grundlagen des Menschseins und des Staates untergräbt. Denn damit würde er – wie die letzten Sätze der Erklärung zu Recht mit Nachdruck betonen – auch das jedem demokratischen Politiker anbefohlene „Gemeinwohl“ gefährden: „Das Gemeinwohl verlangt, dass die Gesetze die eheliche Gemeinschaft als Fundament der Familie, der Grundzelle der Gesellschaft, anerkennen, fördern und schützen. Die rechtliche Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften oder deren Gleichsetzung mit der Ehe würde bedeuten, nicht nur ein abwegiges Verhalten zu billigen …, sondern auch grundlegende Werte zu verdunkeln, die zum gemeinsamen Erbe der Menschheit gehören. Die Kirche kann nicht anders, als diese Werte zu verteidigen, für das Wohl der Menschen und der ganzen Gesellschaft“ (Nr.11). Diesen Sätzen ist auch aus evangelischer Sicht nichts hinzuzufügen.

AfeT, Facharbeitsgruppe Systematische Theologie des Arbeitskreises für evangelikale Theologie, 19.12.2007 Markus Hoffmann; www.afet.de)