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Sackgasse Einwanderung

Prof. Dr. Herwig Birg
Sackgasse Einwanderung – Ein Beitrag zur aktuellen Migrationsdebatte

Nach Jahrzehnten der Bevölkerungsschrumpfung und demographischen Alterung werden Fachkräfte und Steuern zahlende Einwohner trotz hoher Einwanderungen in Deutschland immer knapper. Dabei stehen die großen Veränderungen noch bevor: Vom Anfang bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts wird die mittlere Bevölkerungsgruppe (20 bis 60jährige) selbst bei einem hohen Zustrom von Einwanderern um 16 Mio. abnehmen (untenstehende Grafik: Bevölkerungsvorausberechnung Herwig Birg, 1999). Diese auch vom Statistischen Bundesamt in ähnlicher Weise vorausberechneten Zahlen werden kaum noch bestritten, dafür umso angestrengter ignoriert.

Bevölkerungs- und Fachkräftemangel wie nach dem Dreißigjährigen Krieg

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Einen Bevölkerungs- und Fachkräftemangel dieser Dimension gab es hierzulande nur nach dem Dreißigjährigen Krieg. Um dem Mangel abzuhelfen, lockten die Länder im 18. Jahrhundert qualifizierte Einwanderer wie die Hugenotten mit Privilegien ins Land, umgekehrt stand in manchen deutschen Ländern auf Auswanderung im Extremfall die Todesstrafe.

Berlin hatte zur Mitte des 18. Jahrhunderts einen Migrantenanteil von 40 Prozent. Der entscheidende Unterschied zu heute ist, dass die meisten Einwanderer den Einheimischen hinsichtlich ihrer beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten weit überlegen waren. Dagegen lebt heute nahezu die Hälfte der Einwohner des Stadtteils Berlin-Mitte, darunter viele Einwanderer, von staatlichen Transferzahlungen.

Anders als die 12 Mio. Flüchtlinge und Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg haben die heute in Deutschland lebenden 16 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund kein neues Wirtschaftswunder bewirkt. Vielmehr ist festzustellen, dass die Wachstumsraten des Volkseinkommens, des Pro-Kopf-Einkommens und der Produktivität der Volkswirtschaft geringer werden. Deutschland ist zwar immer noch Exportweltmeister, aber dies ist keineswegs überdurchschnittlich qualifizierten und aufstiegsorientierten Einwanderern zuzuschreiben. Entscheidend für den Wettbewerbsvorsprung Deutschlands ist die im internationalen Vergleich immer noch gute Ausbildung des im Inland geborenen und erzogenen Nachwuchses sowie das konkurrenzlose, weltweit einmalige System der deutschen Berufsausbildung.

Qualifikationsniveau der Bevölkerung sinkt ab

Die Mehrheitsbevölkerung der Zukunft wird anders als heute bei den jüngeren Altersgruppen aus unterdurchschnittlich qualifizierten Eingewanderten und ihren Nachkommen bestehen. In vielen Großstädten ist dieser Punkt nicht mehr fern oder schon erreicht. Auf Grund des steigenden Bevölkerungsanteils von Migranten führt dies zum Absinken des Qualifikationsniveaus der Bevölkerung insgesamt.

Solange die Entwicklung in anderen Ländern ähnlich verläuft, könnte man der Auffassung sein, dass das Sinken des Qualifikationsniveaus nicht besorgniserregend ist, weil dann die relativen Unterschiede und Wettbewerbsvorteile zwischen den Ländern bestehen bleiben. Es gibt aber noch eine andere Sichtweise: Vergleicht man die Entwicklungsmöglichkeiten Deutschlands, die es bei hohen bzw. niedrigen Einwanderungen hätte, zeigt sich schnell, dass es für unser Land wesentlich günstiger wäre, die ausscheidenden Generationen nicht durch die schlecht ausgebildeten Nachkommen anderer Länder via Einwanderung zu ersetzen, sondern durch eigenen Nachwuchs, der nicht integriert zu werden braucht, weil er in unserer Kultur aufwächst.

Aber nicht nur aus Nützlichkeitserwägungen, sondern auch aus moralischer Sicht ist eine Einwanderungspolitik auf Kosten anderer Länder nicht akzeptabel, weil dies auf die demographische Ausbeutung von Ländern mit teilweise noch gravierenderen Bevölkerungsproblemen hinausläuft – auf eine neue Spielart des alten Kolonialismus.

Zugewanderte bleiben bis zu 12 mal häufiger als Deutsche ohne Schulabschluß

Hierzulande leben 16 Mio. Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund, darunter versteht die amtliche Statistik die Ausländer und die nach 1949 Zugewanderten und deren Nachkommen. Eine neue Statistik des Statistischen Bundesamtes ermöglicht erstmals einen zuverlässigen Vergleich der Bevölkerungen mit bzw. ohne Migrationshintergrund hinsichtlich ihrer schulischen Qualifikation und einer Reihe anderer wichtiger Merkmale.

Von der schulischen Qualifikation hängt in Deutschland die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung jedes Menschen in entscheidender Weise ab. Deshalb ist schon die Bilanzierung der Vor- und Nachteile der Einwanderung auf der Basis eines einzigen schulischen Merkmals außerordentlich aussagekräftig.

Der Prozentanteil der Menschen ohne Schulabschluß ist bei der Migrationsbevölkerung sechs mal so hoch wie bei den Nichtmigranten, die hier der Einfachheit halber als Deutsche bezeichnet werden sollen, obwohl auch viele Migranten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Bei den aus der Türkei stammenden männlichen Migranten beträgt der Unterschied das Zwölffache der Prozentsätze der deutschen Männer, bei den Frauen das Zwanzigfache der deutschen Frauen.

Die Einwanderungsprobleme Deutschlands können aber nicht auf die aus der Türkei oder aus anderen islamischen Ländern stammenden Migranten eingeengt werden. Denn auch bei den aus europäischen Nachbarländern Zugewanderten fehlt ein Schulabschluß wesentlich häufiger als bei den Deutschen. Im Falle der aus Italien Stammenden haben beispielsweise 11 Prozent bei den Männern keinen Schulabschluß und 13 Prozent bei den Frauen. Bei den Deutschen sind es 1,4 bzw. 1,3 Prozent.

Unkalkulierbare Nebenwirkungen

Bei der Diskussion über volkswirtschaftliche, betriebswirtschaftliche und gesellschaftliche Vor- und Nachteile der Einwanderungen sollte nicht übersehen werden: Wenn wir selbst so eigennützig sind und von den Einwanderern die Lösung unserer ureigensten demographischen und wirtschaftlichen Probleme erwarten, ist es widersinnig, wenn wir uns gleichzeitig darüber beklagen, daß Einwanderer unsere Transferangebote in Anspruch nehmen, um ihren Lebensstandard zu verbessern. Schließlich sind ja alle Gesetze dieses Landes, auch die Transfergesetze, nicht von den Einwanderern, sondern von uns selbst geschaffen worden.

In Deutschland steht wieder einmal eine Überarbeitung des Zuwanderungsgesetzes zur Debatte, um die Einwanderer besser nach Qualifikationskriterien und nach ihrer Integrationswilligkeit- und fähigkeit auswählen zu können, wie es beispielsweise in Kanada geschieht. Aber die geplante strengere Auswahl würde bei einem Großteil der Zuwanderer, die aus humanitären Gründen oder auf Grund politischer Verfolgung ein im Grundgesetz garantiertes Recht auf Asyl geltend machen können, gar nicht greifen, weil das Grundgesetz dem Zuwanderungsgesetz übergeordnet ist.

Mit dem Zuwanderungsgesetz werden nach den Beteuerungen von Seiten der Politik keine bevölkerungspolitische Ziele verfolgt. Selbst wenn solche Ziele angestrebt würden, wären sie mit diesem Gesetz nicht erreichbar. Denn auch die Geburtenrate der Einwanderer liegt entgegen der populären Vorstellung mit 1,6 Lebendgeborenen pro Frau ebenso wie die der Deutschen (1,3 bis 1,4) mittlerweile deutlich unter zwei Kindern pro Frau.

Auf Grund der jungen Altersstruktur der Eingewanderten reicht jedoch die relativ niedrige Geburtenrate von 1,6 Kindern pro Frau in Kombination mit dem permanenten Zustrom von jungen Menschen im Elternalter noch für ein jahrzehntelanges Bevölkerungswachstum der Migrationsbevölkerung aus, während die deutsche Bevölkerung auf Grund ihrer ungünstigeren Alterstruktur und niedrigeren Geburtenrate schon seit Jahrzehnten schrumpft.

Ohne den permanenten Zustrom von mehr als einer halben Million Zuwanderern pro Jahr würde sich jedoch der jetzige Geburtenüberschuß der Migrationsbevölkerung in kurzer Zeit in ein Geburtendefizit verwandeln. Das Problem ist also keinesfalls die niedrige und wahrscheinlich weiter sinkende Geburtenrate der Migranten, sondern die immer noch hohe jährliche Zuwanderung hunderttausender Menschen mit geringer Qualifikation in dem für die Geburtenzahl günstigen Alter zwischen 20 und 30.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: Im Vergleich zu einer Entwicklung, die die ausscheidenden Generationen durch den eigenen Nachwuchs ersetzt, ist der von Deutschland eingeschlagene Weg ein Holzweg: Einwanderungen haben volkswirtschaftlich eine miserable Rendite, sind fiskalisch ein Verlustgeschäft und haben unkalkulierbare gesellschaftliche Nebenwirkungen, die unsere Demokratie gefährden können.

Herwig Birg, Oktober 2010

Der hier mit freundlicher Genehmigung des Verfassers veröffentlichte Artikel erschien in einer Erstfassung im FOCUS (Ausgabe 30.08.2010).