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Geschlechtergerechtigkeit – eine protestantische Erleuchtung? Teil I

Geschlechtergerechtigkeit – eine protestantische Erleuchtung?
Geistiger Verfall durch Gender-Mainstreaming – Teil I

„Seit 30 Jahren leide ich unter dem Feminismus“, bekannte der Autor und Journalist Hajo Schumacher in der ARD-Talkshow „Anne Will“ vom 15.03.2009, in welcher es um Erklärungen für eines der schlimmsten Verbrechen der Nachkriegszeit in Deutschland, nämlich den Amoklauf des Schülers Tim Kretschmer mit 16 Toten ging. Um den schwer nachvollziehbaren Massenmord ein wenig zu erhellen, verwies dieser Medienvertreter darauf, dass es den Jungen an der notwendigen Anerkennung fehle, nachdem die Mädchen überall besser seien. Auffällig ist, dass der Täter in seiner ehemaligen Realschule von Winnenden drei Lehrerinnen und neun Schülerinnen getötet hatte („Der Spiegel“ 12/2009 S. 31, 32). Diese Deutung ist sehr gewagt und findet keinen Konsens in einer Gesellschaft, in welcher sich die Eliten für die Gerechtigkeit gegenüber Frauen einsetzen. Auf keinen Fall sollen Zusammenhänge zwischen den Frauenbewegungen und den Amokläufen unterstellt werden. Allerdings stimmt diese eigenartige Konstellation nachdenklich: Erziehungswissenschaftler beanstanden, dass sich in der Schule eine antimännliche Pädagogik breit macht, die Jungen gehindert werden, ihre männliche Körperlichkeit auszuprobieren. Wenn das Engagement für benachteiligte männliche Jugendliche gar als sexistisch eingeordnet wird, dann deutet das eine große ungelöste Problematik an.

Die Fraktion der FDP brandmarkte am 13.01.2009 in der bremischen Bürgerschaft, nach der ersten Pisa-Studie seien die Jungen weiterhin die Verlierer des Bildungssystems, und fordert ein Umdenken in der Geschlechterpolitik. Das zeigt: Die Frage nach der Geschlechtergerechtigkeit ist gar nicht so einfach zu beantworten. Auszugehen ist von Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Unsere Verfassung geht davon aus, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln sei. Das hat zur Konsequenz, dass nach den bisherigen Feststellungen eigentlich die männlichen Mitbürger zwecks Kompensation der Defizite eher bevorzugt werden müssten. Die Bundesrepublik Deutschland, die Europäische Union und die protestantische Kirche haben sich jedoch anders entschieden, nämlich für eine Privilegierung der Frau.

„Es gibt keine guten Väter, das ist die Regel; die Schuld daran soll man nicht den Menschen geben, sondern dem Band der Vaterschaft, das faul ist. … Hätte mein Vater weiter gelebt, er hätte mich mit seiner ganzen Länge überragt und dabei erdrückt. Glücklicherweise starb er sehr früh…“ (Jean Paul Sartre). Dieser Schriftsteller hat als 68er Leitfigur einen Beitrag dazu geleistet, dass Männer zunehmend diskriminiert werden. Großen Anteil hatte seine Partnerin Simone de Beauvoir mit ihrem berühmt/berüchtigten Satz, man werde nicht zur Frau geboren, sondern zur Frau gemacht. Dabei hat sie, wenn auch nicht allein, die Weichen für eine Ideologie gestellt, nämlich entgegen den wissenschaftlichen, insbesondere biologischen Erkenntnissen, für die Geschlechtsneutralität von Männern und Frauen: Gender Mainstreaming = GM.

Der Grundgedanke ist durchaus nachvollziehbar: Es müsse ein Weg gefunden werden, um die Vorherrschaft des Mannes zu beseitigen. Die biologischen Unterschiede einzuebnen, schien den Aktivisten als zu wenig Erfolg versprechend. Das Vorgehen sollte auch nicht zu plump sein, am besten würde sich eine Methode eignen, welche einerseits ein Schlagwort beinhaltet wie „soziale Gerechtigkeit“, die eine umfassende Zustimmung in der Bevölkerung findet. Andererseits sollte die Begrifflichkeit möglichst verschwommen sein, um den Eindruck des Geheimnisvollen zu erwecken und mögliche Kritik gar nicht aufkommen zu lassen. Aus der englischen Sprache übernahm man den Begriff „Gender“, der über die Vokabel „Sex“ (biologisches Geschlecht) hinaus die Voraussetzungen erfüllte. Darin konnte das letztlich feministische Gedankengut – in einer bereits z. T. feminisierten Gesellschaft – versteckt werden. Eine Basis war für die Abschaffung der Vorherrschaft des Mannes gefunden – mit dessen Abtauchen im „Hauptstrom“ der zeitgeistigen Geschlechterschau.

Mit der 68er Studentenrevolution konnte ein Klima geschaffen werden, das für Neuigkeiten offen war; wenn dadurch Überkommenes in Frage gestellt werden konnte, dann würde man ein leichtes Spiel haben. Die Nordelbische Kirchenzeitung schreibt dazu: „Ja, da gab es noch diesen tiefen messianischen Impuls, dass etwas ganz neu entstehen müsste…“ (5/2008). Vielen Meinungsmachern war ohnehin ein Dorn im Auge, dass z. B. die christlich-abendländische Kultur an der ehelichen Treue festhielt, homosexuelle Partnerschaften nicht förderte oder die von der Verfassung gebotene Gleichstellung von Frau und Mann nicht maximal in die Praxis umsetzt. Damit gab es eine moralische Rechtfertigung, auf Ideologien zurückzugreifen, welche die unterschiedliche Behandlung zwischen Männern und Frauen in der Gesellschaft, ob in Politik, Wirtschaft oder Kirchen, drastisch einschränken würden. Für manche Intellektuelle, die das Scheitern des Kommunismus in Osteuropa noch nicht überwunden hatten, bot sich die Gelegenheit, eigene Grundauffassungen nunmehr in alternativer Weise in die Praxis umzusetzen. Die Lösung bot eine Kombination zwischen philosophischen – insbesondere marxistischen – und soziologischen Erkenntnissen.

Da die Lehre des GM ziemlich anstrengend und unattraktiv ist, hat es auch keine öffentliche Diskussion gegeben. Zwar sind Politiker und Kirchen sehr aktiv. So bestehen mehr als 100 Lehrstühle an deutschen Hochschulen, um sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Der Verfasser hatte in der Kieler Universitätsbibliothek mehr als 300 Bücher gefunden und war darüber in der Tat höchst überrascht. Ihn erschüttert aber sehr, dass die – undemokratisch handelnde – Europäische Union von den Mitgliedsstaaten fordert, Gender-Mainstreaming zur Leitlinie ihres politischen Handelns zu übernehmen. Die Evangelische Kirche in Deutschland hatte bereits über Geschlechtergerechtigkeit nachgedacht, etwa im Zusammenhang mit dem Studienprogramm des Ökumenischen Rats ab 1974 oder im „Sheffield-Report“ aus dem Jahr 1995. Ein vorläufiger Höhepunkt war die 7. Synode vom 05. – 10.11.1989 in Bad Krozingen. Dort kam es zu einem Beschluss, dem die Synodalen überwiegend zugestimmt hatten, nachdem sie durch den gleichzeitigen historischen Fall der Mauer von kritischen Erwägungen abgelenkt worden waren. Zwar heißt es in dem Text, dass Männer und Frauen mit verschiedenen, sich ergänzenden Gaben beschenkt seien, aber die patriarchalisch geprägte Kultur in erheblicher Weise verändert werden müsse. Dabei seien alternative Lebensformen – im Gegensatz zur traditionellen Familie – ernst zu nehmen, letztlich zu fördern. Im Zentrum standen die Forderungen, Frauen gegenüber Gerechtigkeit walten zu lassen, dabei die Perspektiven der feministischen Theologie in den Vordergrund zu rücken. Die frauengerechte Sprache sei unverzichtbar, weshalb es in dem Beschluss auch „Christinnen und Christen“ heißen musste. Als Höhepunkt ist die Formulierung anzusehen, „dass Frauen für eine Übergangszeit begünstigt werden, bis das zugunsten der Männer noch bestehende Ungleichgewicht beseitigt und eine neue, gerechte Balance im Verhältnis der Geschlechter zueinander gefunden ist“. Forschen sollten vor allem „Wissenschaftlerinnen“, sich dabei „in den Zusammenhang der Befreiungstheologien und der zweiten Frauenbewegung“ stellen. Kirchliche Einrichtungen hätten der feministischen Denkweise einen angemessenen Platz zu bieten.

Diese Postulate wurden im Bereich der EKD in vielfältiger Weise erfüllt, z. T. kam es auch zu Überzeichnungen, ja im Sinne einer Unterwerfung unter das GM-Programm. Denken und Handeln danach erfüllen kaum die Mindestvoraussetzungen unserer abendländischen Kultur, was besonders der Heidelberger Professor Hermann Schneider in der Zeitschrift „Pro Conscientia“ (Infobrief 17 vom 09.11.2007) deutlich gemacht hat. Im Folgenden werden die damit verbundenen Probleme aufgezeigt, nämlich Unwissenschaftlichkeit, Irrationalität, Widernatürlichkeit, Verfassungswidrigkeit, Ehediskriminierung, Demokratiefeindlichkeit, Sprachverwirrung, Steuergelderverschwendung, Bibelwidrigkeit und Bildungsarmut.

1. Unwissenschaftlichkeit der Gender Mainstreaming-Perspektive

Der Schriftsteller Hans-Christoph Buch, bekannt durch seine Essays „Standort Bananenrepublik“ macht sich lustig über die angeblich aufgeklärte Gesellschaft: „Wer sich dem modischen Trend verweigert und auf einer traditionellen Geschlechterrolle beharrt, der oder die gilt als rückständig, reaktionär und langweilig“. Nach seiner Ansicht beherrscht heute weitgehend die Weltanschauung der „Political Correctness“ die Wahrnehmung der Geschlechterunterscheidung und das daraus abgeleitete Rollenverständnis. „So kommt das groteske Resultat zustande, dass sexuelle Perversionen als normal gelten, während die Verteidigung von Ehe und Familie im Sinne eines christlichen Menschenbilds als gefährlicher Extremismus erscheint“. In der Tat gelten heute Gedanken wie Heiligkeit und Sünde als Provokation.

Erinnert wird man an den Anfang des 21sten Jahrhunderts verstorbenen französischen Philosophen Jacques Derrida, den „Erfinder“ der Dekonstruktion. Nach seiner Ansicht beruht jeder neue Diskurs auf der Aussparung als störend empfundener Elemente. Das können wohl am besten Bauleute verstehen, die Häuser konstruieren. Die Dekonstruktion, also die Rückgängigmachung des Gestalteten, ist ein relativ neuer Begriff. Die Brockhaus-Enzyklopädie aus den 70er Jahren kennt ihn noch nicht einmal. Im Kontext mit der Gender-Perspektive soll all das, was gesellschaftlich erstellt worden ist, wieder in den alten Zustand zurückversetzt werden.

Die Gender-Ideologie ist, wie so viele Zeitgeisterzeugnisse, letztlich das Produkt verschiedener Ismen. Führend ist der Feminismus, der, so merkwürdig es klingen mag, direkt oder indirekt Anleihen bei den Großideologien des 20sten Jahrhunderts, Realsozialismus und Nationalsozialismus gemacht hat. Zur Vervollkommnung haben in erheblicher Weise die Hauptdarsteller der 68er Kulturrevolution beigetragen. Der Soziologe Herbert Markuse forderte die „totale Negation der christlich-jüdischen Moral“ (Der Spiegel, 30/1967). Es kam – positiv gesprochen – zu einem Aufbruch, der „Muff unter den Talaren“ wurde gewiss beseitigt. Leider überwiegen die Negativa wie Rechtsbrüche, Sprach- und Bewusstseinsänderungen, vor allem – in diesem Kontext – Partizipation, Emanzipation und Betroffensein. Das für den Juristen Unglaubliche ist die faktische Beweislastumkehr, die die Protagonisten veranlasst haben: Vor 1968 war Veränderung begründungspflichtig – danach das Festhalten an Traditionen. Es war hohes Kulturgut, dass ethische Grundsätze, die als jahrhundertelang bewährt angesehen wurden, bestandskräftig waren; kam irgendjemand auf die Idee, etwas abzuändern, dann musste er den Nachweis führen, dass das Novum besser und effizienter sei.

Der Philosoph Robert Spaemann hat aufgrund seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse das Bibelwort bestätigt: „…. und geschieht nichts Neues unter der Sonne“ (Prediger Salomo Kap. 1 Vers 9). Die Erfahrung zeigt, dass im ethischen Bereich neue Ideen nur ausnahmsweise Positives und Konstruktives bieten. Das gilt erst recht für Vereinseitigungen und Überzeichnungen, wodurch gerade die Ismen geprägt sind. Der historische Feminismus des 19ten Jahrhunderts setzte die Betonung auf Gleichheit und Gleichberechtigung. Das lässt sich noch gut nachvollziehen. Marxistische und sozialistische Ansätze sind zweifellos vorhanden, gerade weil die Differenzen zwischen Männern und Frauen in ein Verhältnis zu Klassenstrukturen gesetzt wurden. Marx war selbst relativ zurückhaltend, soweit es Fragen des Geschlechts betrifft. Engels interessierte sich allerdings für die Analyse der Unterdrückung von Frauen.

Der Gedanke, dass der Unterschied zwischen Frau und Mann konstruiert sei, wirkt schon recht kühn. Damit ist das Gegensatzpaar aufgelöst, der Körper selbst steht zur Disposition. „Der post-moderne Verlust der Grenzen zwischen innen und außen, belebt und unbelebt, männlich und weiblich, Geist und Körper kulminiert im Verlust der Grenze zwischen Körperrepräsentation und Körperwirklichkeit. Die Lust am Fragmentarischen, Heterogenen zerstörte zwar die Zwangsjacke der Moderne, aber öffnete zugleich das Tor zu einer nihilistischen Desintegration. Menschliche Körper fungieren als bloße Kunstobjekte“ (Philip J. Sampson, „Die Repräsentationen des Körpers“ in „Kunstforum International“ Bd. 132, Ruppichteroth 1996 S. 101). Damit wird die bisherige Polarität zwischen Mann und Frau in Frage gestellt, die biologische Komponente „Sex“ wird auf die kulturelle Rolle „Gender“ zurückgeführt. Im Witz wird dies illustriert: „Ein Kind wird geboren; endlich erreicht die Oma den Vater am Telefon mit der Frage: ,Ist es denn ein Bub oder ein Mädchen?‘ Darauf er stolz: ,Das lassen wir es später selber mal entscheiden’“ (so die Philosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkowitz, „Erziehung zur Frau, Erziehung zum Mann. Anregungen aus der Philosophie“, Festvortrag zum Bundeskongress der KED vom 09.03.2008). Diese Zuspitzung der Geschlechterfrage widerspricht unserem gesamten Erfahrungswissen. Die Ergebnisse der Forschung belegen nachdrücklich, dass Mann und Frau in ihrem Denken, Fühlen und Handeln durch ihr Geschlecht wesentlich mitbestimmt sind. Gerade die Humanethnologie und Kommunikationsforschung können dies in aller Deutlichkeit beweisen. Unterstützt werden diese Erkenntnisse durch die neuesten Daten der Neurobiologie und Entwicklungspsychologie (so der Psychiater und Psychotherapeut Dr. med. Christian Spaemann, Salzkorn, 2/2008 S. 64 ff).

„Die Spannung vom Wir zum Ich ist in den großen Ideologien zugunsten eines allmächtigen Wir, einer Partei, einer Klasse oder einer Rasse aufgelöst worden. Die Absolutsetzung des Wir im Sozialismus und seiner Spielart, dem Nationalsozialismus, brachte jene gesichtslose, hörige Masse zum Vorschein, in welcher das Individuum und sein freies Gewissen Todsünde waren. Die Gesellschaft selbst schuf und befriedete nun den Menschen“ (Gerl-Falkowitz, a.o.St.). Damit erschuf die Gesellschaft selbst den Menschen. Erinnert wird man an den Ausspruch des Philosophen Ernst Bloch: „Wir erstrebten die Befreiung der Frau und erhielten die neutrale Arbeitsbiene“.

Die aggressivste feministische Strategin Judith Butler meint pointiert, das soziale Geschlecht und der Körper seien diskursiv hervorgebracht, also sozial konstruiert. Im Rahmen historisch gewachsener Sprache seien Bezeichnungen herausgebildet worden, welche aufgrund ständiger Wiederholungen den Charakter des Unhinterfragbaren und Natürlichen gewinnen würden. Es sei folglich nur eine Art Gewöhnung, dass wir unseren Körper und seine Anatomie aus einer zweigeschlechtlichen Perspektive als männlich oder weiblich zu bezeichnen („Variationen zum Thema Sex und Geschlecht“, Beauvoir, Wittich und Foucault, in Nunner-Winkler „Weibliche Moral“, München 1991 S. 64). Eine wirkliche Begründung liefert die Feministin nicht. Frau Butler gehört zur Führungsspitze von IGLHR (International Gay and Lesbian Human Rights Commission), einer internationalen Homosexuellenorgansisation. Sie war aktiv in der Vorbereitung für die vierte Weltfrauenkonferenz in Peking beteiligt, also einer entscheidenden Quelle von GM. Deren Ziel war die „Dekonstruktion“, d. h. die Auflösung von Mann- und Frausein.

Diese neuen Ideen wären nicht denkbar ohne die Entwicklung der Sozialwissenschaften, die unter dem Begriff der „Sozialisation“ den grundsätzlichen Aspekt der Vergesellschaftlichung der Individuen thematisieren und damit ein neues Weltbild begründen (Holger Brandes, „Der männliche Habitus“ Bd. 2, Obladen 2002 S. 55). Das Problem ist bei diesen Begründungsversuchen, dass es an einer echten Argumentation mangelt. In der Vielzahl von Büchern über die Gender-Sichtweise sind es regelmäßig mehr oder weniger Empfindungen, die zu den neu erscheinenden Schlussfolgerungen hinleiten. Dabei sind es nicht nur Klischees, wenn die Alten zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit differenzieren und dabei Männern Eigenschaften zuweisen wie Abgrenzungsfähigkeit, Rationalität oder technische Begabung, während Frauen als bindungsfähiger, fürsorglicher und fähiger charakterisiert werden, mit kleinen Kindern umzugehen. Ein Blick in die Tierwelt bestätigt: Jungen von Rhesus-Affen spielen lieber mit Autos als mit Plüschpuppen, was aus einer Studie US-amerikanischer Forscher hervorgeht, nämlich mit der Folgerung, dass eine Neigung für bestimmte Tätigkeiten angeboren ist. Es fragt sich, weshalb sich die EU, Bundesregierung und manche Landeskirchen den wissenschaftlichen Erkenntnissen verschließen.

Nun möchte man gern den Regierungsstellen zugute halten, dass sie es gut meinen. Das wird man auch teilweise anerkennen müssen, da gerade den Frauen bis in die 90er Jahre hinein deutlich erkennbares Unrecht angetan worden ist. Die Ungleichheit ist auch heute noch nicht restlos beseitigt, wenn man etwa an Gehaltsunterschiede bei gleicher Tätigkeit von Mann und Frau denkt. Das rechtfertigt aber nicht den Verzicht auf Wissenschaftlichkeit. Der Jurist denkt an einen der wichtigsten Leitsätze im Strafrecht, nämlich „in dubio pro reo“. Im Zweifel muss also vom traditionellen Geschlechterbegriff ausgegangen werden. Dieser wird „angeklagt“, jedoch nicht überführt.

2. Vernünftige biologische Geschlechterunterscheidung

Die Soziologen – welche stark bei der GM-Verbreitung mitgewirkt haben – tun sich mit ihrem Vorpreschen keinen Gefallen. Ernst zu nehmende Wissenschaftler kommen nicht umhin, die uralten Zweifel an den Erkenntnissen dieses Forschungszweigs zu manifestieren. Es ist in der Tat nicht viel, was die Sozialwissenschaften bieten. Das gilt besonders für ihre „Leistungen“ in dem Bereich GM. Der berühmte Soziologe und Philosoph Jürgen Habermas spottete auch über die Disziplin und bezeichnete sie als Ideologie: “Was diese Erkenntnisse der Welt gebracht haben, wissen wir nicht. Was sie den Soziologen nützen, dagegen schon: wenig. Noch immer sind Gesellschaftskundler und Gesellschaftskundlerinnen der Öffentlichkeit verdächtig: als revolutionäre U-Boote, als Theoriebesoffene, als feministische Blaustrümpfe“. In Bezug auf GM haben die Sozialwissenschaftler die vernünftigen biologischen Vorstellungen durch ihre sozial gefärbten ersetzt. Dabei hatten sie ursprünglich das Geschlecht als etwas behandelt, das der sozialen Praxis entzogen und natürlichen Gegebenheiten zugeordnet wurde. Die Zweigeschlechtlichkeit stand damals noch fest. Erst die feministische Theoriedebatte hat langsam das Bewusstsein entstehen lassen, dass das Geschlecht selbst gesellschaftlich produziert sei. Ausgangspunkt feministischer Forschung ist die Unterscheidung zweier Geschlechtsdimensionen: „Sex“ und „Gender“. Dabei wird das Geschlecht nicht mehr als biologische Konstante, sondern als kulturelles Produkt einer historisch-spezifischen Gesellschaftsform betrachtet (Evelyn Tegeler, „Frauenfragen sind Männerfragen“, Obladen 2003 S. 43).

Wichtig ist dem Verfasser, dass die Kirche sich nicht von diesem Geist einlullen lässt. Der Sozialwissenschaftler Georg Kamphausen spricht von der Babylonischen Gefangenschaft vieler gegenwärtiger, theologisch reflektierter Glaubensweisen im Zuchthaus der Sozialwissenschaften. Gerade die emanzipatorische Rhetorik der Sozialwissenschaften muss als säkulares Pendant zu einer früheren Glaubensgewissheit gesehen werden. Dahinter steht eine Anthropologie, die am Ende weder verifiziert noch falsifiziert werden kann, sondern geglaubt werden muss. Dazu gehört auch das Dogma des „guten Menschen“, das in modifizierter Form in die Praxis und Ethik der Kirche eingedrungen ist. Bei Ablehnung des biblischen Sündenverständnisses und bei der Liberalisierung der Sexualität wird in der Kirche humanwissenschaftlichen Methoden zu viel Raum gegeben.

Hier ist eine Umkehr vonnöten. Die Soziologie soll wieder den Platz bekommen, der ihr gebührt. Sie hat den Begriff der „Rolle“ entwickelt. Schlimm wird es, wenn sich der Mensch in die verschiedenen Rollen flüchtet, um akzeptiert zu werden. Die Endstation wäre der seelenlose Funktionär oder der „Mann ohne Eigenschaften“, wie es Robert Musil in seinem Roman karikiert – dem vielleicht bedeutendsten zeitkritischen literarischen Werk des vergangenen Jahrhunderts. Der „Held“ gibt sich als ein Möglichkeitsmensch, der nicht den gegebenen Tatsachen, sondern der möglichen Wirklichkeit lebt. Der Theologieprofessor Kroeger kritisiert die kirchlichen Mitarbeiter, die der Soziologie als Ersatztheologie frönen, sie sollten sich mehr auf die wirkliche Gotteslehre zu konzentrieren. Dass letztlich auf den Marxismus zurückzuführende Ideen wie die „Kritische Theorie“ (Frankfurter Schule) zum Verhältnis zwischen Frauen und Männern wirklich Konstruktives geliefert haben, ist zumindest höchst umstritten. Dass der Feminismus zumindest teilweise darin seine Wurzeln findet, indiziert die Unwissenschaftlichkeit, nämlich den ideologischen Charakter. Erinnert wird man an das Buch des aggressiven Religionskritikers Dawkins „Gotteswahn“, der sich ganz bewusst in Bezug auf seine glaubenskritischen Feststellungen auf den Feminismus beruft und diesem bescheinigt, er habe sein Bewusstsein erweitert. Das lässt Gedanken aufkommen an die Folgen der Einnahme von Drogen.

Es gibt keinen vernünftigen Grund, alte Erkenntnisse für das Mann- bzw. Frausein über den Haufen zu werfen. Frauen verwenden durchschnittlich  20 000 Wörter am Tag, Männer schaffen dagegen gerade einmal die Hälfte. Schon im Mutterleib bewegen männliche Embryonen ihre Kiefer 30 % weniger als weibliche. Nun war es für die frühzeitlichen Männer während der Jagd unvorteilhaft, viele Worte zu machen, wenn sie sich an die Beute heranschlichen. Im Männergehirn wird die Wirkung des Bindungs- und Kommunikationshormons Oxytocin vom „Draufgängerhormon“ Testosteron eingeschränkt. „Der Mann stellt sich lieber dem Bären in den Weg, um die Frau zu schützen, als mit ihr über Beziehungsprobleme zu reden“ („Mann + Christ“, 1/2006). Es ist schon merkwürdig: Während wir heute die Selbstüberhebung des Menschen über die ihm vorgegebene Welt in Ökologie und Politik kritisch hinterfragen, propagieren Gender-Philosophen in geradezu fantastischen, intellektualistischen Purzelbäumen den Triumph der abstrakten Vernunft über die Natur. Müssen wir erst noch kräftig auf die Nase fallen, um uns auf eine neue, demütigere Haltung gegenüber der Natur – unserer Natur – zu besinnen?

Nun steht fest, dass – rein biologisch –Frauen durchschnittlich sieben Jahre länger als Männer leben. Das wird auch nicht von den Gender-Propagandisten geleugnet. Die Biologie spielt insoweit doch noch eine Rolle. Der naturwissenschaftliche Blick sollte allerdings wirklich bestimmend bleiben. Menschen nehmen einander unwillkürlich zuerst als weiblich oder männlich wahr. Bei der üblichen Art, Begründungen für die neue Lehre zu finden, wird deutlich die Hilflosigkeit, wirkliche Argumente zu finden. Es genügt einfach nicht, wenn das biologische Geschlecht nur noch durch Anatomie, Morphologie, Physiologie und Hormone benannt wird, um sich dann dem Problem der festgeschriebenen gesellschaftlichen Machtverhältnisse voll zu widmen. Die Beschränkung auf das „soziale Geschlecht“ erinnert an einen Lieblingsausspruch des Literaturkritikers Marcel Reich Ranicki: „Das ist nicht intelligent“.

3. Widernatürlichkeit der Gender-Ideologie

Die Unnatürlichkeit drängt sich bereits beim ersten Blick auf: Schon äußerlich sind die Unterschiede zwischen Mann und Frau erkennbar. Aber auch bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass ein Verwischen der Unterschiede unzulässig ist. Für Denker von Weltformat, wie für den Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud, war es eine Selbstverständlichkeit, dass die Geschlechteridentität fest in der Biologie verwurzelt ist. Überhaupt wird diese Differenzierung in den Weltkulturen vorgenommen, gerade Männlichkeit schließt einen gewissen Abstand von der Weiblichkeit zwangsläufig ein.

Aufschlussreich sind die Erwägungen zu der Tatsache, dass Männer in Kriminalstatistiken bei Gewalttaten deutlich vor den Frauen liegen. Aus feministischer Sicht hat dies nichts mit der Natur des Menschen zu tun. Man geht eben nicht davon aus, dass Männer generell aggressiver sind als Frauen. Gewiss können, wie die Erfahrungen aus den KZs lehren, Frauen jede Grausamkeit und kaltblütige Aggression an den Tag legen, die sich die Menschheit bisher hat einfallen lassen. Erklärt wird dies mit sozialen Macht- und Statusunterschieden (Holger Brandes, a.o.St. Bd. 1 S. 62). Hier spürt man besonders, wie wenig fundiert die neuen Theorien sind. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass letztlich ein diffuser Freiheitsdrang zu den feministischen – im Gegensatz zu den femininen – Ideen führt. Wenn die Geschlechtszuordnung unabhängig von der Anatomie erfolgt, können Männer und Frauen quasi ihr Geschlecht wählen.

Gerade was die Homosexuellen betrifft, so wird der Gedanke der Natürlichkeit berührt. Es gibt kaum Kulturen, die gleichgeschlechtliche Beziehungen voll akzeptieren. Auch die christlich-abendländische Kultur ist kritisch. Der große christliche Denker, nämlich der Apostel Paulus, qualifiziert im ersten Kapitel des Römerbriefs homosexuelle Handlungen als „Verlassen des natürlichen Brauchs“ (Römer 1, 26 u. 27). Die Auflösung der Kultur in diesem Bereich seit einigen Jahrzehnten hat zu Umwälzungen bis in die Gesetzgebung hinein geführt. So sind auf homosexuelle und feministische Intervention diverse EU-Richtlinien entstanden, die Privilegierungen gleichgeschlechtlich Empfindender von den Mitgliedsstaaten fordern, etwa das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (Antidiskriminierungsgesetz). Es handelt sich hier um ein klassisches Beispiel für die Verweichlichung der gesamten Gesellschaft durch die Gender-Ideologie. Der Verfasser hat sich darüber vertiefte Gedanken in seinem Buch „Hilfe, wir werden diskriminiert!“ (Schleswig 2006) gemacht und erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Gender-Denkens geäußert (S. 75 ff). Natürlich besteht keinerlei Berechtigung, andere Menschen zu diskriminieren. Dass aber Homosexuelle gar mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz privilegiert werden müssen, lässt sich argumentativ nicht rechtfertigen. Im Kontext mit der Widernatürlichkeit muss jetzt intensiver über die Bestrebungen der homosexuellen Lobbyisten nachgedacht werden, das Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Partnern zuzubilligen. Zum Wohle der Gesellschaft reichen aus: Verzicht auf Bestrafung und auf Diskriminierung. Zu irgendwelchen Privilegierungen, etwa durch Angleichungen an die Eherechte oder Glorifizierungen in der Öffentlichkeit, muss es, um Benachteiligungen im Sinne von Artikel 3 des Grundgesetzes zu vermeiden, wirklich nicht kommen. Die homosexuellen Protagonisten, die entscheidend zur Durchsetzung von GM beigetragen haben, können natürlich hoffen, dass ihre Wünsche von unkritischen Regierungsverantwortlichen voll erfüllt werden. Hier wird die Familienfeindlichkeit von GM besonders deutlich.

Der Bundesvorstand Grüne Jugend hatte am 19.11.2007 auf ihrem 29sten Bundeskongress in Würzburg zur Frage der künftigen Familie u. a. folgendes beschlossen:

Der Begriff „Familie“ wird bei uns in erneuerter Definition verwendet: Wir verstehen darunter sowohl das klassische Vater-Mutter-Kind-Bild, als auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit oder ohne Kind, polygame Lebensgemeinschaften, Patchworkfamilien, Alleinerziehende, aber auch Wohngemeinschaften wie Studierenden-, Mehrgenerationen-, und Senioren-Gemeinschaften oder ganz einfach der engste Freundeskreis. … Dies wollen wir rechtlich mit einem Familienvertrag absichern und damit die Ehe ersetzen. …

Es darf in unserer Gesellschaft nicht der Anschein entstehen, dass, um ein Kind erziehen zu können, es dafür einer Mutter und eines Vaters – wie es konservative Kräfte gerne hätten – bedarf. Wir leben in einer modernen Gesellschaft und in dieser soll es auch möglich sein, dass homosexuelle Paare, Alleinerziehende oder platonische Zweier- oder Dreier-konstellationen Kinder adoptieren dürfen.“

Nachdem die Grünen mit ihrem Protagonisten Volker Beck das Lebenspartnerschafts- und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchgesetzt haben, soll nun der Angriff auf Ehe und Familie fortgeführt werden. Der besondere Schutz in Artikel 6 des Grundgesetzes soll ausgehöhlt werden. Äußerlich können sich die Grünen auf EU-Richtlinien gründen, die letztlich aber auch von ihnen stammen. Nun ist die EU-Kommission gar der Ansicht, dass Deutschland die Vorgaben bislang nur unzureichend umgesetzt habe.

Natürlich ist es unbestritten, dass gleichgeschlechtlich empfindende Menschen über viele Jahrhunderte diskriminiert worden sind. Dazu gab es keinerlei Recht, das gilt selbstverständlich auch heute. Nicht nur das Gesetz muss zwischen Person und Sache differenzieren, das gilt für jeden Bürger, wenn er Homosexuellen begegnet und mit Problemen, die diese betreffen, konfrontiert wird. Das beinhaltet auch kritische Beurteilungen. Nach den neuesten demoskopischen Umfragen finden gar zwei Drittel der jungen Menschen gleichgeschlechtliche Praxis nicht gut. Ehrlich hat der Marburger Prof. Walter Grasnick in der „Frankfurter Rundschau“ deren Irrationalität in seinem Artikel „Das traurige Stück Zurück – wider das Naturrecht“ ausgedrückt. Vor der Homosexualisierungswelle waren zwei Drittel der Psychiater weltweit der Ansicht, dass homosexuelle Praxis nicht natürlich sei. Daran hat sich in den vergangenen 35 Jahren nichts geändert.

Das Wohl des Kindes ist so gut wie nie Thema der homosexuellen Lobbyisten gewesen. Dabei fällt auf, dass die Argumente der Andersdenkenden seitens der homosexuellen Lobbyisten regelmäßig unterdrückt werden. Bereits die Faktenresistenz ist erschreckend. Definiert man mit dem Psychologieprofessor Rudolf Seiss Dummheit als „bewussten Wissensverzicht“, so ist es anstrengend, Gedanken an Eigenschaften wie „töricht“ bei den Homosexuellen Aktivisten zu verdrängen. Erinnert wird man an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2008 über die Strafbarkeit des Geschwisterinzests: „Die lebenswichtige Funktion der Familie für die menschliche Gemeinschaft, wie sie der Verfassungsgarantie des Artikel 6 Abs. 1 GG zugrunde liegt, wird entscheidend gestört, wenn das vorausgesetzte Ordnungsgefüge durch inzestuöse Beziehungen ins Wanken gerät.“ Das Kind braucht Vater und Mutter als Eltern. Für ein möglichst natürliches Kindesverhältnis ist es wichtig, dass es mit den Eltern sowohl eine Frau als auch einen Mann als engste Vertrauens- und Bezugspersonen hat. Nach der Gender-Ideologie allerdings sind die Adoptionswünsche Homosexueller keinesfalls inkonsequent. Elternstellung oder Kindeswohl spielen in der Diskussion allenfalls eine sehr vernachlässigte Rolle.

4. Verfassungswidrigkeit von Gender Mainstreaming

Auszugehen ist von Artikel 6 des Grundgesetzes. Im ersten Absatz heißt es: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“. Es handelt sich bei der Ehe um eine Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, wobei gleichgeschlechtliche Verbindungen aus dem Ehebegriff ausgeschlossen sind (Neue Juristische Wochenschrift, 1993 S. 3058). Ähnlich steht es um die Familie. Sie ist „die umfassende Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern“ (Entscheidungssammlung des BVG, Bd. 29 S. 166, 176). Voraussetzung für die Elterneigenschaft ist die Verbindung zwischen Mann und Frau. Nach unserer Verfassung hat nun der Staat Ehe und Familie zu fördern. Das heißt im Klartext: Jede Beeinträchtigung, Aufweichung und Relativierung ist verboten (Entscheidungssammlung BVG Bd. 76 S. 1, 72). Von großer Bedeutung ist das Diskriminierungsverbot, soweit es Ehe und Familie betrifft.

Nun könnten sich die Deutschen mit ihren antifamiliären Bestrebungen hinter der Europäischen Union verstecken, die ja die entsprechenden Richtlinien erlassen hat. Das entschuldigt die Verantwortlichen in Berlin und in den Landesministerien überhaupt nicht. Einerseits haben sie immer ein Vetorecht; wenn sie die Frist überschritten haben, müssen sie zur Verantwortung gezogen werden. Im Übrigen kann über das internationale Recht in Deutschland auch mit Verspätung EU-Recht abgelehnt werden, und zwar wenn es dem „Ordre Public“ widerspricht. Der Verfasser hat zu den Problemen in dem erwähnten Buch über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ausführlich Stellung genommen (vgl. Kap. 2 über die „Anfechtbarkeit der EU-Richtlinien“ ab S. 85). Die EU-Kommissare werden es niemals wagen, Deutschland mit derartigen Sanktionen zu belegen, dass sich die Bundesrepublik Gedanken darüber machen müsste, ihre Mitgliedschaft aufzukündigen. Wenn der zentrale europäische Staat verschwindet, dann ist die Europäische Union gestorben. Das können sich weder die Verantwortlichen in Brüssel noch das EU-Parlament und der Europäische Gerichtshof leisten.

Es werden weitere Grundrechte durch GM verletzt, etwa das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit nach Artikel 2 GG. Die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung, für deren Veröffentlichungen das Familienministerium verantwortlich ist, fordert zu wechselseitiger Stimulierung der Geschlechtsorgane durch Eltern und Kinder auf. Man denke an die Aufklärungsbroschüre „Körper, Liebe, Doktorspiele“. Näheres hierzu und zur gesamten Genderproblematik hat der Verfasser in seinem Buch „Mehr Mut zum C in der Politik“ (S. 55 ff).

Artikel 3 GG ist unzweideutig. Es sind nicht nur alle Menschen vor dem Gesetz gleich. „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Keinesfalls können sich die Gender-Propagandisten, um die faktische Vorzugsstellung der Frau zu untermauern, auf den erwähnten Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 gründen. GM widerspricht nicht nur dem Grundrecht, das Ehe und Familie besonders schützt, sondern bereits der Menschenwürde in Artikel 1 GG. Der evangelische Reformator Martin Luther hat dafür schon die erforderliche Denkarbeit geleistet. In diesen Schutzbereich fällt auch die überkommene Geschlechterunterscheidung zwischen Mann und Frau. Mit der Menschenwürde ist der soziale Wert- und Achtungsanspruch gemeint, der dem Menschen wegen seines Menschseins zukommt (BVG, Entscheidungssammlung, Bd. 87 S. 209, 228).

Die Gender-Ideologie ist über die Verfassungswidrigkeit hinaus auch sonst rechtswidrig. Die strafrechtliche Komponente spielt eine erhebliche Rolle – gerade bei der Männerdiskriminierung (§§ 185 ff. StGB). Das hat z. B. die Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing erkannt. Sie ist schockiert über die gedankenlose Diskriminierung von Männern: Die dümmsten, ungebildetsten und scheußlichsten Frauen könnten die herzlichsten, freundlichsten und intelligentesten Männer niedermachen, ohne dass irgendjemand etwas dagegen tue. Die Abwertung des Männlichen sei so sehr Teil unserer Kultur geworden, dass sie kaum noch wahrgenommen werde. Ihr Verdikt über die „Emanzenkultur“ lautete: Denkfaulheit und Heimtücke (Die Welt, 21.01.2008).

Erschütternd ist, dass der 12te Kinder- und Jugendbericht der Rot/Grünen Koalition die Väterlichkeit wegen männlicher Gewalt kurzerhand als schädlich für die Kinder ausgegeben hat. Väter müssten so werden wie Mütter, Väterlichkeit soll sich in Mütterlichkeit verwandeln. „Im Gegensatz zur gleichheitsrechtlich orientierten Frauenbewegung hat der Gender-Feminismus die Demokratisierung und Humanisierung der Beziehung zwischen Männern und Frauen aufgegeben. Er hat sie durch ein Freund-Feind-Verhältnis ersetzt (Gerhard Amendt, Professor am Institut für Geschlechter- und Generationenforschung, Universität Bremen, in: Die Welt, a.o.St.). Kein Wunder, dass Jungen zunehmend als die „Deppen der Nation“ angesehen werden. Wissenschaftliche Untersuchungen wie die Pisa-Studie untermauern, dass z. B. zwei Drittel aller Schulabbrecher in Deutschland männlich sind, Jungen 65 % der Sonder- und 57 % der Hauptschüler stellen. Es wäre interessant festzustellen, wieweit die große Zahl von Frauen als Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen bzw. das Fehlen von männlichen Erziehern daran Anteil hat. Das spiegelt sich auch in den Medien wider: In Krimis, Komödien aber auch in der Werbung werden Männer immer öfter als Trottel hingestellt. Das ist diskriminierend, kommt einer Volksverhetzung im Sinne des § 130 StGB gleich.

Die Maßnahmen des GM widersprechen wegen der Einseitigkeit gegen das Gleichberechtigungsprinzip zwischen Männern und Frauen, letztlich gar der im Lissabonner EU-Reformvertrag verankerten Grundrechtscharta, ja der Menschenrechtskonvention. Die universalen Rechte an Ehe und Familie haben sich – allen Unkenrufen zum Trotz – bewährt. „Bei der Familie fängt die Heilung an und muss sie anfangen, weil die Familie die Wiege der Menschheit ist, weil die Familie die erste Erzieherin der Menschheit ist, weil der Familienschoß entweder das höchste irdische Glück oder das höchste irdische Unglück gebiert oder einschließt“. Diese Auffassung vertrat überzeugend der katholische Sozialreformer Adolph Kolping. In der Familie konkretisiert sich die Solidarität der Generationen, die Mitglieder verstehen sich als Schicksalsgemeinschaft oder die Familie steht im Dienst einer richtig verstandenen Selbstverwirklichung. Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft.

Die Kirchen hingegen wissen so viel über Hilfen, weil sie bei der Ehe immer an den ewigen Bund zwischen Gott und seinem Volk denkt. Es geht nicht nur um Moral, etwa das sechste Gebot „Du sollst nicht ehebrechen“, sondern um geistige und praktische Unterstützung. Nachdem die Scheidungen so dramatisch zunehmen, haben sich einige Geschäftsleute etwas einfallen lassen. Frisch Geschiedene sollen ihre neu gewonnene Freiheit auf rauschenden Partys feiern. Dafür werden lustige Scheidungsgeschenke kreiert. Es gibt Cocktails in den USA mit dem Namen „Ehe in Scherben“. In New Orleans verleiht ein Unternehmer Leichenwagen an frisch Geschiedene, die mit Freunden symbolträchtig den „Tod ihrer Ehe“ feiern wollen. Christen in den Vereinigten Staaten haben dies kritisiert: „Jede Scheidung ist ein Ärgernis für Gott. Deshalb sollen Trennungen Tränen hervorrufen, nicht Lacher und Witze“. Scheidungen sind besonders schmerzvoll, wenn Kinder betroffen sind. Erbärmlich sieht es in der Tat für die Scheidungskinder aus, die nach neusten Erkenntnissen ihr Schicksal bis zum Lebensende nicht verkraften und bezüglich einer kriminellen Laufbahn erheblich mehr gefährdet sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat Recht, dass Ehe und Familie weiter schützenswert sind. Wenn der Staat die finanziellen Mittel, die er für die Gender-Programme zur Verfügung stellt, in die Förderung von Ehe und Familie steckte, dann würden sich nicht nur die Wünsche der allermeisten Bürger erfüllen, sondern auch unverzichtbare Investitionen für die Zukunft des Volkes erfolgen.

5. Beeinträchtigung der Keimzelle des Staates durch Gender-Ideologie

Ein großes Problem heute ist die abnehmende Bindungsfähigkeit der Menschen. GM bietet nichts Konstruktives, um insoweit das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Es ist bekannt, dass sich gerade junge Menschen – nach den Untersuchungen des Zukunftsforschers Matthias Horx 90 % – eine „stinknormale Familie“ wünschen, und zwar mit lebenslanger Treue und vielen Kindern.

Man wird auch nicht behaupten können, dass Alice Schwarzer als Vorzeigefeministin mit ihrer Zeitschrift „Emma“ zum familiären Glücklichsein beigetragen hat. Bei allem Respekt vor den Leistungen in der Frauenbewegung – es wird höchste Zeit, dass ihre Vormachtstellung Einschränkungen erfährt. Die Theologie hat in der Vergangenheit gewiss manches Konstruktive für Ehe und Familie geboten, geniert sich aber im empirischen Bereich: So verschweigt man gern, dass z. B. die Scheidungsquote heute jede zweite bzw. dritte Ehe betrifft, bei Christen, welche regelmäßig miteinander beten, die Relation aber 1 zu 1400 beträgt. Das leuchtet allein schon deshalb ein, weil Voraussetzung dafür zwangsläufig ist, dass sich die Eheleute über ihre Probleme aussprechen und Wege suchen, um einander zu vergeben.

Der Verfasser hat sich Gedanken gemacht zugunsten von Paaren, die sich nicht allzu schnell dem Zeitgeist unterwerfen und nicht Anhänger der Wergwerf-Ehe sind. Entstanden ist die Schrift, „Erwägenswerte Gedanken für Eheleute in der Krise“, die auch veröffentlicht worden ist. Darin geht es um Ermutigung für willige Partner, die nicht gemäß dem Zeitgeist bei Auftreten von Spannungen sich trennen wollen. Es bieten sich Möglichkeiten, gerade durch das persönliche Gespräch, wieder aufeinander zuzugehen. Dabei können Vergebungsbereitschaft und das Ablassen von Besitzdenken zulasten des Partners Wunder wirken.

Auch kritische Publikationsorgane sprechen sich für die Familie aus. So schreibt das Zeitgeist-Magazin „Tempo“ wörtlich: „Man hat uns gesagt, die Familie sei schlecht. Man hat uns gesagt, die Familie zerstöre die Persönlichkeit. Man hat uns belogen. Die Familie ist immer noch die beste aller möglichen Lebensformen“. Das deckt sich mit den Ergebnissen der Demoskopie, wonach die intakte, auf Dauer angelegte Familie „für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung Lebensinhalt oder zumindest Leitbild“ sei. Vor ein paar Jahren war für Bundeskanzler Schröder Familienpolitik noch „Gedöns“, heute wirbt er auch für die Familie.

Wenn das Schwerpunktthema der Synode von Bad Krozingen lautete „Die Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Kirche“, so ergibt sich bereits aus dem Inhaltsverzeichnis, dass Familie insoweit kaum keine Bedeutung habe. Erörterungswürdig ist die Frage, wieweit die lange Zeit währende Bevorzugung der Frau und Mutter familienfreundlich ist oder nicht. Was sollen die Kinder davon halten, wenn der Vater – oft der Ernährer – als zweitklassig angesehen wird? Natürlich sollen auch neue Lebensformen respektiert werden, sie müssen aber keinesfalls – im Sinne von GM – eine derartige Aufwertung erfahren, dass sie der Ehe quasi gleichgestellt werden. Das steckt aber hinter den Intentionen der Gender-Ideologie! Die Einflüsse der Synode aus dem Jahr 1989 waren und sind verführerisch und mit der jetzigen Ausprägung des GM-Gedanken letztlich gesellschaftsschädlich.

Das wird noch deutlicher durch die Handreichung der nordelbischen Bischöfe „Das alles ist möglich!“ aus dem Jahr 2006. Grundlage ist der Beschluss der Synode aus dem Jahr 2004, dass die nordelbische Kirche in einem Prozess das Gender-Mainstreaming-Verfahren in der Landeskirche einführen soll. Man gründet sich auf die „soziale Gerechtigkeit aus den Texten der Bibel“, erachtet es allerdings als essenziell, dass sie „in einer patriarchal geprägten Ordnung entstanden sind, in der der Mann der Frau übergeordnet war“. Die Verantwortlichen gründen sich auch auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, um auf dieser Basis die Bibel zu interpretieren. Der Kernsatz lautet: „Geschlechtergerechtigkeit bedeutet in letzter Konsequenz die Überwindung des bipolaren Geschlechterkonstrukts hin zu einem Bild, das alle Möglichkeiten, die sich zwischen den Idealen von Männlichkeit und Weiblichkeit auftun, umfasst. Auch wenn uns dieses Konstrukt heute noch als analytische Kategorie hilft, Unterschiede wahrzunehmen und einzuordnen, muss es, auch im Interesse all der Menschen, die aus diesem Schema herausfallen (Intersexuelle, Transsexuelle, Queer-Menschen) zur Dekonstruktion, zur Erweiterung und damit zur Auflösung des bipolaren Geschlechtermodells kommen“ (S. 11). Gedanken zugunsten von Familien, erst recht Kindern, spielen auf den 58 Seiten nur eine untergeordnete Rolle, am ehesten im Zusammenhang mit der gegen GM sprechenden – positiven – Erfahrung mit der Geschlechtertrennung im Konfirmandenunterricht.

Diese Ausführungen zeigen, dass das klassische Ehe- und Familienbild in einer ganz anderen Dimension förderungswürdig ist als GM. Die Verantwortlichen in Politik und Kirche sollten ernsthaft über diese Zusammenhänge nachdenken.