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Glückwunschadresse von Erzbischof Janis Vanags

Glückwunschansprache von Erzbischof Vanags an den neuen römisch katholischen Erzbischof und Metropoliten von Lettland im Dom zu Riga am 8. August 2010

 Sehr verehrter Erzbischof Zbigņevs, lieber Bruder in Christus!

Heute hat Gott mir und unserer lutherischen Kirche die ungewöhnliche und sehr bedeutende Möglichkeit geschenkt, Gastgeber bei einem Geschehen zu sein, daß sowohl für Sie persönlich  als auch für die ganze Römisch- katholische Kirche in Lettland und in der ganzen Welt eminent wichtig ist. Dass Ihre Bischofsweihe hier geschah, im Dom, der Kathedrale der lutherischen Kirche, ließ uns die Nähe unserer beiden Kirchen zueinander so unmissverständlich empfinden, dass das Freude und Aufregung auslöste, aber niemanden gleichgültig ließ. Die lutherischen Gläubigen werden Ihre Amtseinführung bestimmt mit besonderer persönlicher Anteilnahme betrachten, Ich bin davon überzeugt, dass deren Fürbitten und Segenswünsche Sie während dieses Gottesdienstes begleitet haben.

Der bekannte lutherische Theologe Artur Karl Piepkorn hat über die Identität seiner Kirche folgendes gesagt: „Zuerst sind wir alle katholische Christen (oder Christen, welche der weltweiten Kirche Christi angehören). Zweitens sind wir westliche Christen. Drittens sind wir lutherische Christen. Ich denke, dass Sie und ich zwei Drittel dieser Definition als Katholiken und Lutheraner gemeinsam sprechen können, doch bei dem letzten Drittel hat jeder seine eigene Definition. Dadurch spiegelt sich der Gang unserer Geschichte wider mit einem 1500 Jahre langen gemeinsamen und einem fast 500 Jahre langen Weg, den jeder vom anderen getrennt ging. Unsere Vorfahren haben uns ein unermesslich reiches Erbe hinterlassen, das wir weiterhin nutzen möchten. So können wir Ähnlichkeiten zueinander sowohl im Glauben als auch im Gottesdienst feststellen. Diese möchten wir nicht verlieren. Aber unsere Vorfahren haben uns auch ein wichtiges Erbe hinterlassen, das Unterschiede zwischen uns sichtbar macht. Aus dem gemeinsamen Erbe möchte ich Ihnen mit Worten unseres großen Vorgängers, des Bischofs und Kirchenvaters Augustinus, gratulieren, mit denen er die Aufgaben seiner Bischöfe beschrieben hat:

„Die Aufwiegler zurechtweisen, die Kleinmütigen trösten, sich um die Schwachen sorgen, die Gegner widerlegen, die Fallstricke bemerken, die Ungebildeten lehren, die Langsamen wecken. die Streitsüchtigen zurückhalten, die Stolzen an ihren Platz verweisen, die Kämpferischen begütigen, den Armen helfen, die Unterdrückten befreien, die Guten ermutigen, die Bösen ertragen und – ach! – sie alle lieben.“

Diese Worte des Kirchenvaters Augustinus beschreiben den Dienst eines Bischofs in der Kirche und in der Gesellschaft tief  und wahrhaftig. Das ist der Dienst, den Sie jetzt antreten. Wir wünschen Ihnen Gottes Segen, auf dass Ihr Dienst reiche bleibende Frucht für das ewige Leben bringe.

Von dem unterschiedlichen Erbe möchten wir Ihnen ein für uns sehr wichtiges Dokument schenken – das Augsburger Bekenntnis, in dem die Grundlagen des lutherischen Glaubens entfaltet werden. Bei den ökumenischen Beziehungen ist es sehr wichtig, dass man voneinander weiß. Der ökumenische Dialog ist keine Geschäftemacherei mit dem Glauben nach der Melodie: wenn Ihr euch bei diesem Punkt uns anschließt, dann tun wir das bei jenem. Mit dem Glauben macht man keine Geschäfte. Ökumenischer Dialog ist gemeinsames Betrachten der Offenbarung Gottes, die uns in der Heiligen Schrift gegeben ist, um das zu suchen, was uns Christus und durch ihn uns gegenseitig näher bringt. und uns die

Gemeinschaft am Leibe Christi. schenkt. So haben wir Sie auch kennen gelernt – als einen wissenden und treuen Sohn der katholischen Kirche, aber gleichzeitig auch als einen gegenüber anderen christlichen Traditionen Offenen und um die Einheit der Kirche aufrichtig Besorgten. Von unserer Seite möchten wir auf die gleiche Weise antworten – mit der Treue gegenüber unserer eigenen Identität und mit dem ehrlichen Verlangen, den Weg zur Einheit zu suchen.

In diesem Augenblick möchte ich auch Ihrem Vorgänger Kardinal Jānis Pujats  danken. Ich hatte die Freude und Ehre, mit ihm gemeinsam lange Jahre den Versuch zu unternehmen, Gott und dem lettischen Volk zu dienen in der Seelsorge und in der Sorge um das Wohl und die Sitte der Gesellschaft. Wir versuchten, ein jeder auf seine Weise, aber in sehr guter Zusammenarbeit, die Menschen zu Christus zu rufen.

Im Blick auf die Zukunft möchten wir Ihnen eine kleine Aufnahme eines der Farbfenster  des Kapitelsaales des Domes zu Riga schenken, auf dem ein Pelikan mit seinen Jungen abgebildet ist.  In alten Zeiten glaubte man, dass ein Pelikan seine Jungen mit dem Blut seines Herzens nährrte. Damit geht es hier um ein altes christliches Symbol. Jesus Christus ist für uns das Heil und sein Blut die Vergebung unserer Sünden, das unsere Seelen reinigt und nährt. Als Bischof werden Sie oft gerufen sein, um als ein Botschafter Christi viel von Ihrem Herzblut für die Herde Christi hinzugeben. Gott beschenke Sie reich mit den Gaben des Heiligen Geistes, dass Ihr Dienst ein gutes Zeugnis über unseren Herrn Christus sei, und dass dadurch viele den Weg zu ihm finden, der das Brot des Lebens ist, zu Christus, unserer gemeinsamen Hoffnung und Zukunft. Wir wünschen Ihnen Gottes Geleit und Segen bei allem, was Menschen zu ihm hin führt.

Übersetzung: Johannes Baumann

Nachwort des Übersetzers.

Am 8. August fand in Riga ein Ereignis statt, das weltweit von einem großen Seltenheitswert ist, ja sogar vielleicht überhaupt so zum ersten Mal stattgefunden hat. Die katholische Kirche in Lettland hat einen neuen Erzbischof bekommen, dessen Bischofsweihe im lutherischen Dom zu Riga stattfand, obwohl die Katholiken in Riga eine eigene Kathedrale haben, die seit der Reformation bis zum Ersten Weltkrieg eine lutherische Kirche war. Die Katholiken standen vor dem Problem, dass ihre St. Jakobi Kathedrale keine große Kirche ist, so dass sie mit Sicherheit nicht alle Teilnehmer an diesem Gottesdienst, von denen allein 500 Gäste aus dem Ausland erwartet wurden, in sich hätte aufnehmen können. So kam es zu der Bitte der katholischen Kirchenleitung an die lutherische Kirche, ihr eine der großen Kirchen in der Rigaer Altstadt für die Bischofsweihe zur Verfügung zu stellen.