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Kein Embryo-Check im Reagenzglas

Samstag 17. Juli 2010 von Junge Freiheit


Junge Freiheit

Präimplantationsdiagnostik:
Kein Embryo-Check im Reagenzglas

Bekanntlich hat alles seine Zeit. Es gibt eine Zeit zu debattieren — und eine Zeit zu handeln. Wer Designer-Kinder in Deutschland verhindern will, muß jetzt schnell handeln. Eine öffentliche Debatte über die Präimplantationsdiagnostik (PID), wie sie Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) fordert, ist nicht nur überflüssig, sondern gefährlich. Ãœberflüssig, weil sie längst geführt wurde und sämtliche Fakten auf dem Tisch liegen: Nachzulesen in den Stellungnahmen der Bioethik-Enquete-kommission des Deutschen Bundestags 2002 und des Nationalen Ethikrats 2003. Dies zu einer Zeit, in der die Ministerin ihr Examen baute. Gefährlich, weil sie den Reproduktionsmedizinern Zeit gibt, Fakten zu schaffen, die später allenfalls noch schwer aus der Welt zu schaffen zu sind. Wird die PID nicht umgehend verboten, dann wird der Embryo-Check im Reagenzglas in Kürze in Deutschland genauso zur Routine werden wie die Pränatale Diagnostik. Deren nicht-invasive Variante, das Erst-Trimester-Screening, gehört längst zu den Standard-Vorsorgeuntersuchungen, die jeder Schwangeren angeboten werden. Jede zehnte Schwangere läßt heute zusätzlich eine invasive Pränatale Diagnostik (Fruchtwasseruntersuchung oder Nabelschnurpunktion) durchführen. 1977 — ein Jahr, bevor die Pränatale Diagnostik als „Empfehlung“ in die Mutterschaftsrichtlinien aufgenommen wurde – gab es in Deutschland 2.648 Fruchtwasseruntersuchungen. Heute sind es pro Jahr rund 70.000. Dabei besitzen nach wie vor allenfalls bis zu drei Prozent der Schwangeren überhaupt das genetisch bedingte Risiko, ein Kind mit Behinderungen zur Welt zu bringen.

Auch die Entwicklung in Ländern, in denen die PID zugelassen wurde, zeigt, daß sie sich nicht auf jene wenigen Fälle begrenzen läßt, die den Richtern des Bundesgerichtshof (BGH) vorschwebten, als sie entschieden, daß die Selektion von Embryonen, die schwere genetische Schäden aufweisen, mit dem Embryonenschutzgesetz in Einklang zu bringen sei. In den USA können Paare, die sich für eine künstliche Befruchtung entscheiden, dank PID bereits Kinder mit dem gewünschten Geschlecht „bestellen“. In Los Angeles etwa erfüllt der Reproduktionsmediziner Jeffrey Steinberg, der sich auf Geschlechtsselektionen mittels PID spezialisiert hat, pro Tag im Schnitt drei Paaren den Wunsch nach einem Kind mit „Wunschgeschlecht“. Steinberg allein kommt so auf 1.000 Kinder pro Jahr.

In Großbritannien ist die PID zur Geschlechtsselektion zwar noch nicht erlaubt. Dafür wird die PID dort bereits eingesetzt, um Kleinstkinder auszusondern, die ein Gen besitzen, daß das Risiko erhöht, im Verlauf des Lebens an Brustkrebs zu erkranken. In Spanien wurde kürzlich mittels PID ein Kind selektiert, um als Zellspender für ein Geschwisterkind fungieren zu können. Was auf der iberischen Halbinsel für Zündstoff sorgte, erregt in den USA und Großbritannien kaum noch jemanden. Daß Kinder als „Heilmittel“ für kranke Geschwister erzeugt werden, kommt zwar auch dort nicht täglich vor, ist aber längst akzeptiert.

Laut dem 2007 vorgelegten Gentechnologiebericht der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft, der die Zulassung der PID in Deutschland empfiehlt, wurden in Europa bis zum Jahr 1998 im Rahmen künstlicher Befruchtungen gezeugte Embryonen in 2.086 Fällen auch einer PID unterzogen. 2006 waren es bereits 29.337.

All dies zeigt: Die Behauptung der BGH-Richter, mit ihrem Urteil würde der Auswahl von Embryonen, „um die Geburt einer ‚Wunschtochter‘ oder ‚Wunschsohnes‘ herbeizuführen“, nicht „der Weg geöffnet“, offenbart bestenfalls Wunschdenken. Bereits die im Sommer 2004 veröffentlichte multinationale Vergleichsstudie „Sachstandsbericht Präimplantationsdiagnostik“ des „Büros für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags (TAB) kam zu dem Ergebnis, daß sich eine Ausweitung der PID nur durch „ein generelles Verbot verhindern“ lasse.

Daß sich die PID nicht begrenzen läßt, hängt mit ihrer Natur zusammen. Wer sie als ein Mittel zur Selektion von Menschen mit Behinderungen begreift – etwas, was Lebensrechtler niemals gutheißen können — umschreibt sie zwar zutreffend, aber nicht hinreichend. Im letzten zielt die PID nämlich darauf, Menschen vor Leid zu bewahren. Was Menschen jedoch als Leid empfinden, ist eine sehr subjektive Angelegenheit, die sich daher auch nicht gesetzlich normieren läßt. Was sich normieren läßt, ist allein, ob Leid — das selbstverständlich prinzipiell durchaus vermieden werden darf— auch durch die Tötung von Menschen verhindert werden darf oder eben nicht.

Bei der Abtreibung und der Pränatalen Diagnostik hat der Gesetzgeber diese Frage mit „Ja“ beantwortet. Deswegen werden heute auch Kinder abgetrieben, bei denen eine korrigierbare Kiefer-Gaumen-Spalte diagnostiziert wurde. Nun muß der Gesetzgeber die gleiche Frage auch für die Laborzeugung beantworten. Fällt die Antwort genauso wie bei der Abtreibung aus, werden sich auch bei uns die Dinge entwickeln wie andernorts. Die Menschen in Deutschland unterscheiden sich schließlich nicht grundsätzlich von denen, die in den USA oder Großbritannien leben.

Dr. Claudia Kaminski ist Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) e.V. (Internet: www.alfa-ev.de)

Junge Freiheit, 15.07.2010 (www.junge-freiheit.de)

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Samstag 17. Juli 2010 um 16:01 und abgelegt unter Lebensrecht, Medizinische Ethik.