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Glaube, der zu Taten drängt

Glaube, der zu Taten drängt

1. Der Glaube entsteht durch Gottes Wort

Als die Lehrerin unserer ältesten Tochter gefragt wurde, was die Kinder können müssen, wenn sie eingeschult werden, antwortete sie: „Die Kinder müssen nicht zählen, schreiben oder das ABC aufsagen können. Sie müssen vor allem Eines können: Zuhören!” Nur wer zuhören kann, wird lernen können. Wenn Jakobus gleich im Anschluss an Jak 1,18 dem Hören einen absoluten Vorrang einräumt, dann kündigt er einerseits ein Thema an, dass er im dritten Kapitel des Briefes voll entfalten wird, andererseits aber erinnert er an die geistliche Erkenntnis, dass nur wer zuhören kann, auch glauben kann. Der Glaube entsteht durch das Hören des Wortes Gottes (Rö 10,17; Joh 17,20; Eph 1,13).

In Jak 1,21 lesen wir, dass das „Wort der Wahrheit“ die Kraft hat, unsere Seelen zu retten. Der sündige Mensch steht unter dem Zorn Gottes und wird im kommenden Gericht zu ewiger Strafe und Verdammnis verurteilt ( Jak 4,12; Mt 25,46, Rö 2,5-8; Offb 20,11-15). Aber Gott will nicht, dass der Mensch auf ewig verloren geht. Weil er den Menschen liebt, will er ihn retten. Das „Wort der Wahrheit“ kann mit einem Rettungsring verglichen werden, der dem Ertrinkenden zugeworfen wird. Das „Wort der Wahrheit“ bringt uns die erlösende Botschaft, dass Gott uns in Jesus Christus aus dem Gericht befreit und das Leben schenkt. So wie der Ertrinkende den Rettungsring, der ihm zugeworfen wird, auch ergreifen muss, um sich aus den tödlichen Fluten herausreißen zu lassen, sollen auch wir das „Wort der Wahrheit“ annehmen, das Gott in uns gepflanzt hat (Jak 1,21).

Wenn wir den Glauben glaubwürdig leben wollen, ist es entscheidend zu begreifen, dass das Wort, das unsere Seelen rettet, immer das Wort von Gottes Tat ist. Die rettende Kraft bezieht das Wort aus der rettenden Tat Gottes. Jesus Christus wird als Mensch von der Jungfrau Maria in Bethlehem während der Herrschaft des römischen Kaisers Augustus geboren, er stirbt an einem römischen Holzkreuz und er wird am dritten Tag nach seiner Kreuzigung von den Toten auferweckt. Gott hat in der Geschichte gehandelt und sein rettendes Werk vollbracht. Das Wort der Wahrheit verbindet uns mit diesen rettenden Heilstatsachen Gottes. Das Wort und der Glaube stehen auf dem Fundament der Heilstaten Gottes und beziehen von daher ihre rettende Kraft und Wirksamkeit.

2. Der Glaube drängt zur Tat

Wenn wir verstanden haben, dass der Glaube auf den Taten Gottes beruht, dann leuchtet es ein, dass der echte Glaube immer auch zur Tat drängen muss. Es liegt im Wesen des Glaubens begründet, dass er sich im Denken, Reden und Handeln des Glaubenden niederschlägt und auswirkt. Glaubwürdig gelebter Glaube ist immer Glaube, der zur Tat drängt. Glaube ohne ein verändertes Leben und die Werke des Glaubens ist unglaubwürdig und wird von Jakobus scharf abgelehnt und verurteilt. Jakobus tritt in einer der ganz zentralen Aussagen des Briefes für einen Glauben ein, der zur Tat drängt: „Seid aber Täter des Wortes und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst” (1,22). Glaube ohne Werke ist Selbstbetrug. Ganz auf dieser Linie steht das Wort Martin Luthers: „Ein Christ soll wenig Wort und viel Tat machen.”

Jakobus vergleicht den vergesslichen Hörer des Wortes, der nicht tut, was er hört, mit einem Spiegelgucker (Jak 1,23-24). Wenn wir morgens in den Spiegel blicken, dann sehen wir unser Gesicht. Doch schon Sekunden nachdem wir uns vom Spiegel abgewandt haben, sind unsere Gedanken ganz woanders. Wir vergessen das Bild, das wir eben noch eingehend studiert haben. Wenn ich am Morgen in der Bibel lese: „Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh an ihr Tun und lerne von ihr” (Spr 6,6), dann aber den ganzen Tag Zeitung lese, esse, vor dem Fernseher versumpfe und Computerspiele spiele, dann bin ich ein „Spiegelgucker”, der das göttliche Wort zwar hört, aber nicht danach lebt.

Wie sehr wir alle in der Gefahr stehen, solche Spiegelgucker zu sein, belegt ein Experiment, das Prof. John Darley 1970 an der Universität Princeton durchführte. Eine Gruppe von Theologiestudenten musste einen Vortrag über das Gleichnis vom barmherzigen Samariter vorbereiten. Im Anschluss daran mussten sie diesen Vortrag in einem anderen Gebäude der Universität vortragen. Mit dem Wissen, dass der Vortrag benotet wird und unter Zeitdruck verließen die Studenten in Abständen das eine Gebäude, um zum anderen zu gelangen. Auf dem Weg dahin befand sich eine „Falle”. Ein Schauspieler mimte als Bettler verkleidet einen Anfall. Obwohl er offensichtlich Hilfe brauchte, halfen nur 10% der Theologiestudenten dem röchelnden Bettler.

Viele Menschen lehnen den christlichen Glauben ab, weil sie damit Unfreiheit, Zwanghaftigkeit und Gesetzlichkeit verbinden. Jakobus bezeichnet das göttliche „Wort der Wahrheit“ als das „vollkommene Gesetz der Freiheit”. (Jak 1,25; Joh 8,30). Wer das Wort Gottes hört, liest und tut, der wird aus seiner eigenen Selbstverkrümmung und Selbstsucht befreit. Er entflieht dem ständigen Kreisen um sich selbst und wird frei für Gott und frei für den Nächsten. Er wird frei für die Tat der Nächstenliebe, wie sie Jesus im Gleichnis vom barmherzigen Samariter fordert. Die wahre Freiheit erlangt der Mensch erst, wenn er sich an das „Wort der Wahrheit“ bindet.

Jakobus führt nun in 1,27 an, wie das Wort konkret zur Tat werden kann, nämlich indem die Christen die Waisen und Witwen in ihrer Not besuchen und versorgen und sich in ihrem Verhalten nicht der Welt anpassen (vgl. Jak 4,7). Der Hamburger Pastor Johann Hinrich Wichern beschrieb 1824, wie er zum Glauben kam: „Der Durchbruch geschah abends, als Gottes Geist mich anfing von neuem zu gebären. Das Licht des Evangeliums erleuchtete auch für mich die Wissenschaften.“ Dieser Durchbruch zum Glauben sollte Folgen haben. Im Stadtteil St. Georg traf Wichern auf Kinderarmut, Wohnungsnot, Elend und Verwahrlosung. Wichern gründete im sogenannten „Rauhen Haus“ eine Anstalt „zur Rettung verwahrloster und schwer erziehbarer Kinder“. Das „Gesetz der Freiheit“ entfaltete seine befreiende Kraft im Leben dieses Mannes. Befreit von Sünde und Egoismus sah er die schreiende Not in den Elendsvierteln von Hamburg und wandte sich in tätiger Nächstenliebe den notleidenden Kindern zu. Wichern wurde zum Hörer und Täter des Wortes. Damit ist er bis heute ein leuchtendes Vorbild eines glaubwürdig gelebten Glaubens im Sinne der Botschaft des Jakobusbriefes.

Jakobus fordert uns auf, uns von der Welt „unbefleckt“ zu halten. Wir sollen als Christen nicht Hörer und Täter des Zeitgeistes, sondern Hörer und Täter des Wortes sein. Sehr scharf lehnt Jakobus eine Anpassung an die Maßstäbe der Welt ab, wenn diese den Maßstäben Gottes widersprechen: „Ihr Abtrünnigen (wörtlich: Ehebrecherinnen), wisst ihr nicht, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein” (Jak 4,4; Rö 12,2; 1Joh 3,15-17).

Jeder Christ und jede Kirche steht in der großen Gefahr, sich der Welt und dem Zeitgeist anzupassen. Eine junge Frau, die mitten in ihrem Jurastudium schwanger wird, wird durch ihre Umgebung massiv unter Druck gesetzt, das Kind abzutreiben, um das Studium noch abschließen zu können. Vieles spricht für die Abtreibung, doch die werdende Mutter wird an das fünfte Gebot erinnert: „Du sollst nicht töten“! Sie beugt sich dem Druck der Welt nicht, sondern beugt sich unter dieses Wort und entscheidet sich für das Kind. Sie stellt die Freundschaft mit Gott über die Freundschaft mit der Welt, die diese Entscheidung nicht nachvollziehen kann.

Eine Kirche, die aus Angst vor Politik und Medien verschweigt, dass Homosexualität aus Sicht der Heiligen Schrift Sünde ist (Rö 1,26.27) und der Homosexuelle durch die vergebende Liebe Christi und die Kraft des Heiligen Geistes Befreiung von sexuellen Bindungen, Veränderung und Neuorientierung erfahren kann, ist nicht länger Hörerin und Täterin des Wortes, sondern Hörerin und Täterin des Zeitgeistes. Wenn die Kirche sich nicht länger an das „vollkommene Gesetz der Freiheit“ gebunden sieht, begibt sie sich unweigerlich in die Gefangenschaft der Welt und erntet die Feindschaft mit Gott (Jak 4,4).

3. Die Taten zeigen, ob der Glaube echt ist

In 2,14 stellt Jakobus die rhetorische Frage, ob denn der Glaube ohne Werke retten kann. So wie der Glaube ohne die Heilstat von Kreuz und Auferstehung nicht retten kann, so kann auch ein Glaube ohne Taten nicht rettender Glaube sein. Wenn einer nur Hörer des Wortes ist, aber nie zum Täter des Wortes wird, entfaltet sich die rettende Kraft des Glaubens nicht. Jakobus zeigt in 2,15-16 anhand eines praktischen Beispiels aus dem Gemeindealltag, wie sinnlos ein Glaube ohne Werke ist. Wenn Glaubensgeschwister in großer Existenznot sind und wir ihnen Gottes Segen und Frieden zusprechen, aber nichts tun, um ihnen zu helfen, dann sind unsere Segenswünsche nutzlos (vgl. 1Joh 3,18).

Glaube, der keine Werke hat, ist tot (Jak 2,17). Er rettet nicht. Es ist ein Glaube, den sogar Teufel haben (Jak 2,19). Aber sie zittern vor Furcht. Auch wir sollten zittern vor Furcht, wenn unser Glaube keine Lebensveränderung, keine Wirkung und keine Taten zeigt. Jesus hat einmal seinen Jüngern ein sehr ernstes und warnendes Wort gesagt, das auch uns Christen heute wachrütteln sollte. „Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel” (Mt 7,21).

Jakobus blickt nun zurück in die Geschichte Israels und verweist auf Abraham, den Stammvater des Glaubens. Der Glaube Abrahams äußerte sich in der Bereitschaft, seinen Sohn Isaak auf dem Altar zu opfern (1Mose 22,1ff). Der vollkommene Glaube, den Gott in uns wirken möchte (vgl. Jak 1,4), ist nur da, wo Hören und Tun zusammenfallen. Jakobus führt ein zweites Beispiel aus der Heiligen Schrift an: Zwei Kundschafter kamen vor dem Einzug Israels in das verheißene Land in die Stadt Jericho. Sie wurden aufgenommen von einer Mutter des Glaubens, der Hure Rahab. Sie glaubte dem Gott Israels und nahm die Kundschafter auf (Jos 2,12). Sie wurde wie Abraham vor Gott gerechtfertigt, weil sie glaubte und dem Glauben gemäß handelte.

Die Aussagen des Jakobus gipfeln in 2,24: „So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke gerecht wird, nicht durch Glauben allein.” Auch wenn das Urteil Martin Luthers über den Jakobusbrief, den er in der Vorrede zum Neuen Testament als „recht stroherne Epistel” bezeichnete, nicht zutrifft, kann man doch verstehen, wie er zu dieser Aussage kam. In einer Zeit, in der die Menschen durch die Irrlehren der katholischen Kirche versuchten, ihr Heil mit guten Werken und teuer bezahlten Ablässen zu verdienen, war er durch die befreiende Kraft des Evangeliums zum rettenden Glauben hindurchgebrochen. Der Apostel Paulus schrieb an die Römer: „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben” (Rö 3,28). Von dieser rettenden Erkenntnis befreit, schien ihm die Aussage des Jakobus in 2,24 wie ein unversöhnlicher Widerspruch. Ein Widerspruch, der sich bei genauerem Hinsehen jedoch auflösen lässt.

Sowohl Paulus als auch Jakobus gehen mit ihren Briefen auf zwei gegensätzliche Irrlehren ein, die in den Gemeinden entstanden waren. Paulus reagierte auf gesetzliche Strömungen, die meinten, das Heil müsse durch Werke des Gesetzes verdient werden. Er betont das Kreuz und die Auferstehung Christi als einzige wirksame Quelle des Heils. Das Heil ist ein unverdientes Gnadengeschenk Gottes (Rö 3,24). Wir können uns den Himmel nicht durch fromme Werke verdienen (Eph 2,8).

Jakobus reagiert in seinem Brief auf die Irrlehre der “billigen Gnade”. Hier waren Menschen, die den rettenden Glauben für sich in Anspruch nahmen, aber ihr Leben nicht an Gottes Wort ausrichteten, sich dem Zeitgeist anpassten und nicht nach dem Gebot der Nächstenliebe lebten. Jakobus warnt, dass ein solcher Glaube tot ist und niemals vor Gott rechtfertigen kann. Wenn wir die Rechtfertigung als einen Fluss ansehen würden, dann beschreibt Paulus in Rö 3,28 allein die Quelle dieses Flusses. Jakobus dagegen beschreibt in 2,24 sowohl die Quelle als auch den Flusslauf. Der rechtfertigende Glaube rettet den Menschen allein auf der Grundlage von Kreuz und Auferstehung (Quelle), wird aber immer sichtbare Taten und Werke des Glaubens hervorbringen (Flusslauf). Andernfalls liegt kein rettender Glaube vor. Im Übrigen hat auch Paulus den Flusslauf des rechtfertigenden Glaubens berücksichtigt, aber eben nicht in Rö 3,28, dafür aber umso deutlicher in Rö 12-16. Auch für Paulus muss der wahre Glaube immer auch Werke hervorbringen (Rö 2,7; 6,12.13; Gal 5,6.22; Eph 5,10; Titus 2,14). Was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch aussah, entpuppt sich als die jeweils richtige Reaktion der beiden Apostel auf zwei gegensätzliche Irrlehren.

Die Botschaft des Jakobus fordert heraus zur kritischen Selbstprüfung: Lebe ich angepasst nach den Maßstäben des Zeitgeistes (Jak 1,27; 4,4) oder orientiert sich mein Denken, Reden und Handeln am Gesetz der Freiheit (Jak 1,25)? Reagiere ich auf die Not der Menschen um mich herum mit Gleichgültigkeit, mit frommen Worten oder mit einer zupackenden Nächstenliebe? Bin ich nicht nur Hörer, sondern auch Täter des Wortes (Jak 1,22)? Glaubwürdig leben heißt, dass unser Glaube durch Werke sichtbar wird. So hat es Jesus seinen Jüngern und damit auch uns als Lebensprogramm mitgegeben: „Ihr seid das Licht der Welt. So lasst eure guten Werke leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen” (Mt 5,14.16).

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Broschüre „Glaubwürdig leben – Der Jakobusbrief und seine Botschaft [1]“ von Johann Hesse. Die Broschüre hat 52 Seiten und kann gegen eine Spende von 1.00 € hier [1] bestellt werden.