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Praktische Lebensrechtsarbeit an der Basis

Praktische Lebensrechtsarbeit an der Basis

Wer sind die „sogenannten selbsternannten Lebensschützer“…
… wie sie oft in diskriminierender Absicht genannt werden? Ohne anders motivierte Mitstreiter in irgendeiner Weise gering schätzen zu wollen, lässt sich leicht feststellen, dass es sich weit überwiegend um Christen aus verschiedenen Kirchen handelt, die in der Regel in satzungsgemäß überkonfessionellen Gruppierungen zusammenarbeiten. Die meisten Vereine haben zwar eine konfessionelle Mehrheitsprägung – katholisch, evangelisch oder freikirchlich – sind aber grundsätzlich eben offen für alle Interessierten.

Es liegt auf der Hand, dass in einer Kommune eine Organisation mit zwölf Aktiven mehr Sinn macht als drei mit jeweils vier Mitgliedern! Die praktizierte Ökumene vor Ort zu einem speziellen Thema klappt auch in der Regel – Themen wie Taufe oder Papst dürfen in einem freiwilligen themenorientierten Arbeitskreis keinen Raum haben. Dann kann es gelingen, eine im besten Wortsinn „christliche Bürgerinitiative“ zu werden, die als mit der Zeit spezialisierte Gruppe ihr Wissen und ihre Erkenntnisse in den Diskurs einer demokratische Gesellschaft einbringt: „Suchet der Stadt Bestes!“

Warum sind derartige Bürgerinitiativen entstanden?
Vielleicht lässt es sich auf die einfache Formel bringen: Das (in der Regel vom Glauben geprägte) Gewissen der jeweiligen Initiatoren hat alarmiert reagiert, als sie realisiert haben, wie schlecht es um das verfassungsmäßig geschützte menschliche Lebensrecht in der Wirklichkeit tatsächlich bestellt ist! Damit eine solche Erkenntnis nicht auf einer akademischen Ebene stehen bleibt, sondern einen starken Impuls zum Handeln auslöst, kommt ein zweites hinzu: Das Erschrecken darüber, dass es sich nicht nur um eine philosophische Grundsatzdebatte handelt, sondern die Verletzung des Rechts auf Leben jeweils ganz und gar konkretes menschliches Leid bedeutet und nach sich zieht!

Oftmals sind die Erfahrungen im beruflichen Umfeld medizinischer Berufe – bei Hebammen, Krankenschwestern, Ärzten – oder seelsorgerisch-therapeutischer Tätigkeit oder einfach durch aufmerksames Wahrnehmen von Hilfesignalen betroffener Menschen entstanden, ebenso natürlich auch im juristischen Bereich durch die völlig unbefriedigende rechtliche Entwicklung.

Seit wann ist diese Entwicklung zu beobachten?
Auch wenn jede Entwicklung ihre lange Vorgeschichte hat, lässt sich eindeutig feststellen, wie die jetzige Situation nach dem Abklingen der schockierenden kriegsbedingten Menschenrechtsverletzungen seit rund vierzig Jahren Fahrt aufnimmt. In der DDR schon 1972, in der BRD 1974 (wie nahezu zeitgleich in weiten Teilen Europas) wurde die Gesetzeslage zu Ungunsten des Lebensrechts Ungeborener – und vermehrt auch Geborener – verändert. Seitdem regt sich zunehmender Widerstand.

Je nach persönlicher Energie, nach beruflichen Einflussmöglichkeiten, finanzieller Unterstützung durch Spender, institutioneller Unterstützung durch Kirchengemeinden entstanden Vereine wie z.B. die ALfA (Aktion Lebensrecht für alle), pro vita oder KALEB (Kooperative Arbeit Leben Ehrfürchtig Bewahren), letztere noch in den letzten Jahren der DDR im Werden und gleich nach der friedlichen Revolution von 100 Leuten in Leipzig gegründet. Christliche Ärzte- und Juristenvereinigungen taten das Ihnen Mögliche, das soziale Engagement mit wissenschaftlicher Arbeit und Argumentationshilfen zu untermauern.

Und nicht zu vergessen: auch von theologischer Seite entwickelten sich – leider – unterschiedliche Positionen in der Beurteilung der staatlichen Regelungen, so dass die Lebensrechtbewegungen nicht nur gegenüber der veröffentlichten Meinung und allen im Parlament vertretenen Parteien eine Minderheitenmeinung vertreten, sondern dieser Befund leider auch gegenüber erheblichen Teilen der Kirchenleitungen gilt.

Worum geht es eigentlich?
Eigentlich scheint es klar zu sein: Selbstverständlich um das wichtigste Recht überhaupt – denn ohne das abgesicherte Recht auf Leben brauchen wir uns um alle anderen Menschenrechte gar keine Gedanken mehr zu machen! Wenn das Hauptrecht schon verletzt wird, braucht man sich ja über die Gefährdung der abgeleiteten Rechte nicht zu wundern.

Diese für an der Schöpfung orientierte Christen naheliegende Sicht gilt aber schon lange nicht mehr unangefochten. Fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit bestimmt ein neues – scheinbares – „Basis“-Recht die Agenda der nationalen, EU- und UN-Politik: Das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung (international auch: „reproductive health“, reproduktive Gesundheit, genannt) hat dem Recht auf Leben („right to life“) den Rang abgelaufen.

Damit ist eine ganze Kette von Entwicklungen in Gang gekommen, wovon die Liberalisierung der Abtreibung nur der erste große Baustein war. Schon früh wurde von Lebensrechtlern vorhergesagt, was wir in diesem Jahrzehnt erleben: Wenn wir heute (in den Siebzigern) die Abtreibung freigeben, wird es in dreißig Jahren die Euthanasie sein!

Parallel dazu sind durch medizintechnische Möglichkeiten, u.a. der künstlichen Befruchtung, verbrauchenden Embryonenforschung (embryonale Stammzellforschung), genetischen Eingriffe, Pränataldiagnostik, ethische Fragestellungen entstanden, die einerseits als „neu“ bezeichnet werden, aber andererseits im Kern immer die „alten“ geblieben sind: Wann ist der Mensch ein Mensch? Was folgt daraus für seine Menschenrechte? Und für die Beschränkung der Verfügungsrechte anderer über ihn? Darf der Mensch alles, was er kann? Heiligt der Zweck die Mittel?

Welche Strukturen haben sich entwickelt?
Wegen dieser Vielfalt an Fragestellungen verwundert es nicht, dass es eine ebenso große Palette an Aufgabenstellungen gibt, in denen sich Lebensrechtler betätigen.

An Hunderten von Standorten gibt es lokale, regionale oder bundesweit tätige Einzelpersonen, Arbeitsgemeinschaften, Vereine und Verbände. Wie immer hängt vieles an den bereits genannten individuellen Ressourcen.Vereine entstehen, wachsen, verschwinden auch wieder. Neue Gruppen entstehen fortlaufend. Manchmal bleibt es über viele Jahre an einem Ort bei Einzelpersonen, Ehepaaren oder einem Hauskreis.

Über den effektivsten Weg der Arbeit gibt es naturgemäß unterschiedliche Vorstellungen: Manche Initiative sucht und fördert bewusst die regionale Zusammenarbeit über Verbandsgrenzen hinweg, andere streben nach größtmöglichem Wachstum der eigenen Organisation, andere betonen durchaus auch die konfessionelle Bindung, einzelne halten ihre Strategie nicht für mehrheitsfähig und verstehen sich bewusst als Einzelkämpfer. Insgesamt wird die für die mediale Aufmerksamkeit immer wieder genannte Größenordnung von 50.000 Mitgliedern mit Sicherheit deutlich überschritten – allerdings ist dies organisatorisch zur Zeit noch nicht darstellbar.

Diesem Gesamtbild entspricht auch die inhaltliche Differenzierung der Arbeit. Nur wenige größere Organisationen decken fast die gesamte Bandbreite der nachfolgend genannten Betätigungsfelder ab (und auch dies nicht an allen Standorten, sondern durchaus sehr unterschiedlich). Bei anderen Initiativen handelt es sich entsprechend der selbst gewählten Aufgabe um Spezialisten, z.B. in der Betreuung von Frauen nach Abtreibung (Rahel e.V.), der therapeutischen Behandlung des Abtreibungs-Traumas, Behandlung juristischer Fragen, finanzieller Förderung Einzelner und größerer Projekte (Stiftung Ja zum Leben) oder der Planung einer virtuellen Gedenkstätte (pro conscientia), um nur einige zu nennen.

Wo findet die Arbeit statt?
Mit der eingangs zitierten Titulierung können wir gut leben, aber dem häufig als weiterer Kritik angefügten Vorwurf z.B. in der Abtreibungsproblematik, wir setzten uns nur dafür ein, dass alle Kinder geboren würden – danach seien uns Mutter und Kind egal, können wir mit voller Berechtigung unter Hinweis auf eine beeindruckende Landkarte von Hilfsangeboten entgegentreten. („Hilfreiche Adressen“ hrsg. vom Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen) Die klassischen Beratungsstellen, Kleiderkammern, Mutter-Kind-Einrichtungen bilden ein bundesweites Netzwerk, mit dessen Hilfe konkrete Unterstützung oft wohnortnah organisiert werden kann.

Größere Vereine haben dafür angemietete Räume, manchmal in Verbindung mit Familienzentren unterschiedlicher Trägerschaft, gelegentlich unterstützt und gefördert durch Kirchengemeinden – eins bleibt allerdings festzuhalten: der allergrößte Teil dieser Sozialarbeit und Seelsorge findet ausschließlich ehrenamtlich und durch Spenden finanziert statt, oft genug buchstäblich in der eigenen Wohnung.

Dennoch erreicht die geleistete Arbeit vielerorts ein professionelles Niveau, das keinen Anlass hat, gering von sich zu denken. Die Mitarbeiter bringen ihre beruflichen und sonstigen Qualifikationen in das Ehrenamt ein und bilden sich auf vielfältige Weise für ihren Einsatz weiter. Die Fortbildungen, Tagungen und Konferenzen zu Lebensrecht-Themen haben inzwischen einen beachtlichen Umfang erreicht.

In eine argumentative Falle sollte sich die Lebensrecht-Bewegung allerdings nicht locken lassen: Die nachweisbare praktische Hilfestellung ist oft genug der Beginn des Engagements und aus christlicher Sicht als Samariterdienst auch selbstverständlich geboten – eine Bedingung, um sich in die gesellschaftliche Debatte einmischen zu dürfen, ist sie aber zweifellos nicht! Um es zuzuspitzen: Wenn die gesamte deutsche Lebensrecht-Bewegung aus einem einzigen alten Mann bestünde, der jeden Samstag um 15 Uhr für eine Stunde unter dem Brandenburger Tor ein Schild hochhalten würde mit der Aufschrift: „Abtreibung soll nach Gottes Willen nicht sein!“ – so hätte er alles Recht der Welt und Gottes Segen dazu!

Was geschieht sonst noch?
Durch Vorträge, Diskussionen und Workshops, mit Messeständen und auf Kirchentagen, im Schulunterricht und durch öffentlichkeitswirksame Maßnahmen wird Information und Bewusstseinsveränderung angestrebt. Hier greifen erneut die jeweils unterschiedlichen Begabungen und Zugänge der Aktiven.

Selbst im Kindergarten können bereits die Grundlagen gelegt werden, über den Menschen als Gottes wertvolle Schöpfung zu staunen, an die im Teenageralter wieder angeknüpft werden kann. Als Eltern in den Schulpflegschaften kann versucht werden, Einfluss auf die Gestaltung des Sexualkundeunterrichts (wer macht ihn mit welchem Material?) zu nehmen. In Gemeinden und Kirchen können Gruppenabende und Gottesdienste organisiert werden, auf Stadtfesten und öffentlichen Plätzen kann Präsenz gezeigt werden – und der bei weitem öffentlichste Raum ist das Internet!

Es ist faszinierend, welche Kreativität gerade auch in jungen Leuten steckt, die sie bereitwillig auch für die Lebensrechtthemen investieren. Erstaunlich viele junge Mädchen wagen es, sich in Referaten vor ihren Klassen mit dem Tabuthema Abtreibung zu beschäftigen. Wer nicht weiß, wie er anfangen soll, wende sich an unsere Vereine, es gibt Ideen, Material und Referenten überall in Deutschland, die bereitwillig Starthilfe geben!

Noch ein Gedanke zur Zusammenarbeit: „Die“ Lebensrecht-Bewegung ist kein so einheitlicher Meinungsblock, wie es vielleicht erscheinen mag! Die Grundüberzeugung, dass das menschliche Leben von der Zeugung bis zum natürlichen Tod zu schützen ist, eint diejenigen, die sich fördernd oder aktiv beteiligen, aber sie haben naturgemäß nicht in jedem Detail, z.B. bei der Frage einer verantwortbaren Geburtenregelung oder der Organspende völlig übereinstimmende Antworten. Die Grundüberzeugung hilft aber, sich weitere Gedanken um Auswirkungen für die einzelnen Mitglieder und die Gesellschaft als Ganzes zu machen, wenn permanent gegen elementare Menschenrechte verstoßen wird.

Wie lange wird noch um das Recht auf Leben gestritten werden?
Es gehört zu den Standardsätzen bei Jubiläen in der Lebensschutzbewegung, dass es eigentlich bedauerlich sei, dass man noch da sei… Wer nicht einfach zufrieden sein kann damit, dass er einem Verband angehört, der zu einem ethischen Thema eine offenbare Minderheitenposition vertritt, muss logischerweise darauf hoffen, dass der Tag kommen wird, an dem der Verband seine Selbstauflösung bekannt gibt – nicht weil der letzte Spender verstorben ist, sondern weil der satzungsgemäße Zweck erfüllt ist! Christen sind Realisten und können diese Spannung darum hoffentlich am besten ertragen!

Bis z. B. die evangelische Kirche erkennt, dass sie in ein staatliches Unrechtssystem verstrickt ist (mit der Vergabe des Beratungsscheins), oder bis Regierungen durch entsprechende Gesetze das Grundrecht auf Leben schützen, weil sich gesellschaftliche Mehrheiten gebildet haben, die der Schöpfungsordnung wieder mehr Bedeutung beimessen als die letzen zehn Parlamente!

Zur Realität gehört zur Zeit aber noch die gegenteilige Entwicklung: An der Spitze der ethischen Pyramide steht das Primat der Selbstbestimmung, das nun spiegelbildlich auch Anwendung findet auf das Ende des Lebens. In Europa (Benelux-Staaten) greifen bereits gesetzliche Regelungen, die nach ähnlichen Prinzipien funktionieren wie es bei der Tötung vor der Geburt der Fall ist. Wegen dieser ausufernden Gefahr für alle Bürger, denn einmal geboren, werden wir alle alt!, können die lebensrechtsbewegten Aktiven nicht damit zufrieden sein, vom Staat unbehelligt in einer Nische, nicht einmal finanzielle Mittel fordernd, ihre ethisch einwandfreie Beratung, soziale Arbeit und Seelsorgeleistungen zu erbringen und sich ansonsten aus der Politik herauszuhalten. Oder um es noch einmal bildlich zuzuspitzen: Wir können uns nicht damit ruhigstellen lassen, den Blumenladen im Todeslager betreiben zu dürfen!

Wie also kann die zukünftige Arbeit für das Recht auf Leben aussehen?
Durch intensive Anstrengungen auf den skizzierten vielfältigen Ebenen wird weiterhin versucht werden, die „Salz und Licht“ – Funktion auszuüben. Damit nicht nur den Geboten Gottes Geltung verschafft wird (in einem theologisch korrekten Sinn), sondern damit Menschen in unserer Gesellschaft ganz konkret erfahren, dass sie sich durch deren Beachtung und Anwendung nicht nur Leid vom Leibe halten, sondern auch Glück gewinnen können!Die praktischen Arbeitsbereiche lassen sich noch einmal in vier Handlungsfeldern zusammenfassen:

Prävention – Aktion – Reaktion – Agitation

Prävention
Die Aufklärung über biologische, medizinische Fakten, Sexualaufklärung, Vermittlung ethischer Werte in Kindergärten, Schulen, Kirchengruppen, auf öffentlichen Plätzen, durch persönliche Ansprache, Vortrag, Diskussion und Materialversand wird eine tragende Rolle behalten. Die Erfahrung lehrt, dass immer noch eine erschreckende Unkenntnis z.B. über die Entwicklung des Lebens vorherrscht. Lang gediente Lebensschützer fragen sich immer wieder, wie es angehen kann, dass man scheinbar jedes Jahr wieder aufs Neue bei „Null“ anfängt!

Bei näherer Betrachtung wird klarer, dass eine interessegeleitete Sozialwissenschaft und Pädagogik die dominierenden Prämissen der scheinbar befreiten Sexualerziehung nur aufrechterhalten können, wenn nicht allzu faktenbasiertes Wissen über den Beginn des menschlichen Lebens, seine personale Würde und daraus abgeleitet verfassungsrechtlich verbriefte Rechte bekannt sind!

„Was nicht sein darf, das nicht sein kann!“ Ähnliches gilt leider auch zunehmend für die Natur-, Medizin- und juristische Wissenschaft, die in der Euthanasiedebatte erstaunlich bereitwilliges „Expertenwissen“ bereitstellt, um liberalisierenden Positionen Nachdruck zu verleihen. „Was sein soll, das sein kann!“

Aktion
In dem Moment, wo Frauen, Männer und Familien mit konkretem Beratungsbedarf oder in konkreter Not mit Personen oder Institutionen aus der Lebensrecht-Bewegung in Kontakt treten, dürfen sie eine echte alternative Beratung und Hilfestellung erwarten, weil die Anbieter von einem so definierten christlichen Menschenbild ausgehen, das lebensvernichtende Möglichkeiten von vornherein kategorisch ausschließt und Hoffnung als Grundhaltung im Angebot hat!

Am Beispiel des Namensgebers „Kaleb“ (vgl. u.a. 4. Mose Kap. 13-14) lässt sich dies verdeutlichen. Zwölf Kundschafter sahen sich im gelobten Land um. Modern gesprochen: Sie studierten die gleichen gesellschaftlichen Umstände und kamen doch zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Mehrheitsfraktion bestätigte zwar Gottes versprochene Angaben, sahen aber für die Erreichung des Landes keine reellen Chancen. Zwei von ihnen (Kaleb und Josua) gaben ein Minderheitenvotum ab, verschwiegen die realen Probleme nicht, kamen aber zu der zentralen Schlussfolgerung: Mit Gottes Hilfe können wir es schaffen!

Diesen Grundton der Ermutigung brauchen Menschen zur Abwendung und Überwindung von Notlagen, sei es im Zusammenhang mit unerwarteten Schwangerschaften, den Herausforderungen des Lebens mit einer Behinderung oder der Bewältigung von Krankheit am Lebensende!

Reaktion
Leider kommt die rettende Information, Beratung oder Hilfe nicht immer rechtzeitig oder wird auch verworfen. Deshalb nimmt die Hilfe z.B. in der Bewältigung des Traumas nach Abtreibung (Post-Abortion-Syndrom PAS) einen nicht unerheblichen Raum in der Praxis der Lebensrechtsarbeit ein. Gerade hier wird den Engagierten besonders viel abverlangt.

Im Gegensatz zum „staatlich geregelten“ Beratungssystem, das eine Rechtmäßigkeit des Handelns ja nur formal vortäuschen kann, somit mögliche negative Folgen nur am Rande erwähnen oder als Einzelfälle verharmlosen muss, geht der alternative Ansatz realistischerweise von der Verletztheit der menschlichen Seele durch ein unmenschliches Geschehen, von einer missbrauchten vorgeblichen Gewissensfreiheit in großem Umfang aus. Indem diese Folgen erwartet werden, ist man auf sie vorbereitet, verdrängt sie nicht durch Bagatellisierung, kann dadurch echte Trauer zulassen, echte Schuld erkennen lassen – und hat den einzig echten Trost und die einzig wirksame Vergebung durch Christus anzubieten.

Es ist kein Zufall, dass es gesellschaftliche Fortschritte zu beobachten gibt in der Verarbeitung von Früh- und Totgeburten. Hier wird an vielen Orten die Sprachlosigkeit verlassen und die Trauer zugelassen und Eltern bessere Hilfe als noch vor kurzer Zeit zugestanden. Es bleibt sehr zu wünschen, dass als nächster Schritt auch erkannt wird, welche Riesenprobleme durch die zahlenmäßig ja viel größere Not der millionenfachen Abtreibung entstanden ist – und die Gesellschaft als Ganzes nur das Tabu des Schweigens anzubieten hat. Auch an dieser Stelle betätigen sich Lebensrechtler vielfach segensreich als Brückenbauer.

Und man braucht kein Prophet zu sein, um eine neue Not am Horizont heraufdämmern zu sehen: Vielleicht sprechen wir bald von einer gehäuft auftretenden neuen Variante der posttraumatischen Belastungsstörung – dem „PES“(Post-Euthanasie-Syndrom), weil mitwirkende Angehörige oder medizinische Mitarbeiter mit einer weiteren gesellschaftlich ermöglichten Option plötzlich nicht mehr gut zurechtkommen…

Agitation
So haben wir keine wirkliche Wahl, auch weiterhin die vierte Säule der praktischen Arbeit zu betreiben, die Agitation im wörtlichen Sinne von politischer Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit. Es gilt ja nicht nur den einzelnen Bürger zu gewinnen, sondern alles Menschenmögliche zu versuchen, um auf meinungsbildende Medien, Persönlichkeiten, Politiker und Organisationen einzuwirken. Auch diese sind oft schlecht, falsch oder tendenziös informiert, haben in der Fülle der Aufgaben nicht genügend Zeit für vertiefte Beschäftigung.

Gerade werteorientierte Politiker und Journalisten sagen uns offen, wie sehr sie unsere Stimme brauchen, um mit Nachdruck in ihrer auch oft genug nur Minderheitenposition an ihrem Platz argumentieren zu können.

Leserbriefe, Resolutionen, Lobbyarbeit wo immer möglich, sind nötig, um deutlich zu machen, dass nicht verschrobene Einzelne oder fundamentalistische Christen, sondern zigtausende (Wähler-) Stimmen verbesserte Bedingungen zur Durchsetzung des Rechts auf Leben fordern.

Allein die Meinungsäußerungen, Erlebnisse und persönlichen Erfahrungen, die in einem Workshop wie diesem sehr eindrücklich von den Teilnehmern berichtet werden, strafen jene Vorwürfe Lügen, die oft genug gegenüber Lebensschützern erhoben werden: Sie würden sich Geschichten ausdenken, um z.B. Frauen Schuld einzureden, die es real gar nicht gäbe. Da gibt es nur eine Antwort: Hört endlich auf die Betroffenen, wenn Ihr uns nicht glaubt!

Es gibt erfreulicherweise eine zunehmende Berichterstattung in Medien, von denen es nicht unbedingt zu erwarten ist, in denen die bisherige Praxis kritisch beleuchtet wird und Betroffene zu Wort kommen. Ermutigen wir auch diese Redaktionen durch unsere Reaktionen, melden wir uns in Internetforen zu Wort und seien wir nicht enttäuscht, wenn in Antworten aus Ministerien oder Kirchenleitungen (noch!) nur abwiegelnde Floskeln stehen!

Und raffen wir uns auf zu Taten, die uns so gar nicht liegen: Gehen wir gemeinsam auf die Straße, an vielen Orten, aber vor allem bei dem jährlich im September stattfinden Marsch für das Leben in Berlin! Damit reihen wir uns sichtbar ein in die internationale ProLife-Bewegung, denn Gesetze und Ideologien verbreiten sich schon lange nicht mehr innerhalb nationaler Grenzen!

Gedanken zum Schluss
Wenn wir auch in einem fortlaufenden Prozess

– nach immer neuen oder geeigneteren Wegen und überzeugenden Argumenten suchen,

– unsere Materialien immer weiter aktualisieren und ansprechender gestalten wollen,

– über notwendige Strukturen, einen starken Dachverband und das Überwinden von Vereinsegoismen nachdenken,

so bleibt eines ganz zentral: Wir werden die Welt allein nicht retten können!

Wir müssen eine geistliche Gebetsbewegung bleiben, die den „Erfolg“ nicht von bestmöglichen Strategien, Strukturen oder Geldmitteln erwartet!

Nur unser Vertrauen auf Gott und sein Wirken auch in unseren gesellschaftlichen Umständen wird uns vor Militanz oder Burn-Out bewahren.

Darum hilft eine Verankerung der Lebensrechtsbewegung in möglichst vielen Kirchengemeinden nicht nur jedem einzelnen Aktiven persönlich, sondern auch den Kirchen insgesamt bei einer Klärung der innerkirchlichen Position, um sie die klare Stimme in lebensethischen Fragen zurückfinden zu lassen, die die Gesellschaft so dringend braucht – und erwarten darf!

Weitere Informationen:

www.lebensrecht.de [1]
www.bv-lebensrecht.de [2]
www.tclrg.de [3]
www.kaleb.de [4]

Seminarvortrag von Gerd Steier, Geschäftsführer von Kaleb e. V. (Berlin) vom 27.02.10 anlässliche des Kongresses des Gemeindehilfsbundes  „Verfügungsmasse Mensch?“ im Tagungszentrum Salem in Bad Gandersheim. Die Beiträge des Kongresses erscheinen in einer idea-Dokumentation, die ab Juni 2010 unter www.gemeindehilfsbund.de oder in der Geschäftsstelle des Gemeindehilfsbundes, Lerchenweg 3, 29664 Walsrode bestellt werden kann.