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Auf dem Weg zum Thron – Betrachtung zu Christi Himmelfahrt

Mittwoch 12. Mai 2010 von Dr. Joachim Cochlovius


Dr. Joachim Cochlovius

Die kosmisch-universelle Bedeutung der Himmelfahrt Christi (1. Tim. 3,15b-16)

Die geringe Bedeutung, die das Himmelfahrtsfest in der Öffentlichkeit, aber auch in unseren Gemeinden und meist auch in unserem eigenen Glaubensleben hat, steht in einem umgekehrten Verhältnis zu der wahren Bedeutung, die diesem Ereignis nach dem biblischen Zeugnis zukommt. Bei der Himmelfahrt Christi geht es nämlich um nichts Geringeres als um die endgültige Macht und Herrschaft, die der Sohn Gottes über die gesamte sichtbare und unsichtbare Welt empfängt und seitdem ausübt. Als Christen dürfen wir wissen, daß seitdem die Machtfrage geklärt ist. Nicht die Mächtigen dieser Welt, nicht die Willkür gottloser Menschen, nicht ein blindes Schicksal, keine anderen Götter oder Heilsbringer wie Allah oder Buddha haben das Heft der Weltgeschichte und unseres Lebens in der Hand, sondern allein der auferstandene und in Gottes Herrlichkeit aufgenommene Jesus Christus. Niemand darf sich mehr zum Herrn aufspielen über unser Leben. Selbst der Tod hat nicht das letzte Wort. Die Sünde, die uns immer wieder zum Egoismus verfuhren will, verliert ihre Kraft. Und auch die Begrenztheiten unseres eigenen Lebens, die beruflichen Mißerfolge, die nicht geglückten Beziehungen, die Krankheiten, Charakterschwächen und die nicht mehr gutzumachenden Fehler – all dies hat nun keinen beherrschenden Einfluß mehr auf unser Leben. Das ist christlicher Himmelfahrtsglaube.

Es gibt in den Paulusbriefen einen Hymnus, der die globale, ja kosmisch-universelle Bedeutung der Himmelfahrt Christi unerhört prägnant in einem einzigen Bekenntnissatz zusammenfaßt. Er steht im 1. Brief an seinen bewährten Mitarbeiter Timotheus, und er lautet im Zusammenhang: „Pfeiler und Stütze der Wahrheit und unüberwindlich stark und anerkennenswert ist dieses Geheimnis des Glaubens: Er ist geoffenbart als Mensch und er wurde bestätigt durch den Geist. Er ist den Engelwesen erschienen und wird vor der Völkerwelt proklamiert. Er wird von Menschen geglaubt und er thront in Gottes Herrlichkeit.“ Ein grandioser Satz! Er umschließt Zeit und Ewigkeit, Himmel und Erde, Heil und Unheil. Wir wollen uns dieser gewaltigen Aussage, diesem wunderbaren Christuslied, das man zu Recht einen Thronbesteigungshymnus genannt hat, in drei Schritten zuwenden, entsprechend den drei Teilen, die es aufweist.

Das bestimmende formale Merkmal des Hymnus, das sofort auffallt, sind die sechs passivischen Verben: Er wurde offenbart, er wurde bestätigt, er wurde gezeigt, er wird gepredigt, er wird geglaubt, und er wurde aufgenommen. Diese auffällige Form – in der hebräischen Sprache weit verbreitet – weist auf Gott als Urheber. Gott selbst ist hier der Handelnde. Kein Schicksal, kein Menschenwerk, kein Teufelsspuk. Die Eckdaten der Heilsgeschichte setzt Gott selber. Es ist unerhört glaubensstärkend, wenn unser Glaube das fassen kann.

Inhaltlich gesehen fällt sofort ein zweites Merkmal ins Auge. Der Hymnus wendet sich in jedem seiner drei Teile, jeweils in sehr kunstvoller Konstruktion, sowohl der unsichtbaren als auch der sichtbaren Welt zu. Das Christusgeschehen hat eine kosmische, ja eine universelle Dimension. Es betrifft die gesamte Schöpfung, die ganze sichtbare Kreatur, von den atomaren Strukturen angefangen bis hin zu den ca. 200 Milliarden Milchstraßensystemen, die man z. Zt. vermuten kann, aber es betrifft genauso die unsichtbare Welt der Engelmächte und Himmelswesen. An welch einen gewaltigen Herrn dürfen wir doch glauben! Das wird an diesem Hymnus erahnbar. Christus ist der Herr über alles und über das All. Das soll hier klar und eindeutig bezeugt werden.

Der 1. Teil beschreibt die Sendung des ewigen Gottessohnes auf unsere Erde, sein Anteilbekommen am „Fleisch“, d.h. an unserer vergänglichen Existenz, und da ist sein Leiden und Sterben umschlossen, und dann seine Bestätigung durch Gott, als Gott ihn durch die Kraft des Geistes aus der Enge und Finsternis des Grabes befreite. Das Himmelfahrtsfest gibt uns also zunächst Anlaß, über das Wunder der Offenbarung des allmächtigen Gottes in der Gestalt eines leidensfähigen Menschen nachzusinnen. Wie groß muß dieser Gott sein, daß er es auf sich nimmt, so klein und verwundbar bis hin zum Tod zu werden! Der gesegnete Jugendpfarrer Wilhelm Busch wurde einmal von einem Spötter gefragt, warum es denn Gott nötig habe, sich so demütigen zu lassen und den Menschen hinterherzulaufen, die doch gar nichts von ihm wissen wollen. Seine Antwort war: Ja, Gott hat es nicht nötig, aber er weiß, daß wir es nötig haben. Ja, unser Gott wurde unsereiner, ein Mensch mit Fleisch und Blut. Er ging auf Tuchfühlung zu uns, weil er weiß, daß wir – allein auf uns gestellt – in dieser Welt einsam sind und einsam bleiben, solange wir nicht den göttlichen Hirten gefunden haben. Gottes Offenbarung „im Fleisch“ ist eine Herablassung sondergleichen. Aus dem fernen Gott wurde ein naher Gott. Als Hiob das – lange Zeit, bevor Christus auf die Welt kam – schon schauen durfte, da bekannte er: Bisher hatte ich dich nur vom Hörensagen gekannt. Nun aber hat mein Auge dich gesehen. Dies können wir nun alle nachsprechen, wenn uns die Menschwerdung Gottes wichtig geworden ist.

So wie der Sohn Gottes in dieser Welt als Mensch geoffenbart wurde, um die wunderbare Herrschaft Gottes für die Menschheit zu verkündigen und die Menschen unter diese Herrschaft zu rufen und dafür zu leiden und zu sterben, so hat ihn auch Gott nach seinem Leidensweg auf göttliche Weise bestätigt. Hier ist nun der Auferstehungstag angesprochen. Gott hat, indem er seinen Sohn aus dem Grab holte, dem Tod die Macht genommen. Das Himmelfahrtsfest ist gar nicht denkbar und nicht feierbar ohne das leere Grab. Christliche Verkündigung und christliche Theologie ist immer Auferstehungsverkündigung und Auferstehungstheologie! Wenn nicht – dann ist sie nicht christlich und sollte lieber schweigen! Gott stellt sich zu seinem Sohn. Er bestätigt ihn als seinen Sohn. Er rührt in der Kraft des Heiligen Geistes den Leichnam an und prägt ihn um und erschafft ihn neu zu einer neuen Leiblichkeit, die nicht mehr gebunden ist an Raum und Zeit. Das ist das unerhört Tröstliche an diesem Hoheitsakt: Nun vermag dieser Christus durch den Geist überall zu sein, im Himmel und auf Erden, bei allen, die ihm vertrauen, unaufhörlich, gleichzeitig. „Ich bin bei euch alle Tage, solange diese Welt in diesem alten, vergehenden Äon noch existiert.“ (Matth. 28,20). Das ist seit und durch die Himmelfahrt möglich.

Der 2. Teil des Hymnus beschreibt die große Proklamation des Sohnes Gottes in der unsichtbaren und in der sichtbaren Welt. Die Passivform der verwendeten Verben weist wieder deutlich darauf hin, daß Gott der Akteur ist. Er selber sorgt dafür, daß alle Wesen im Himmel und auf der Erde Jesus Christus kennenlernen. In der heilsgeschichtlichen Abfolge, die im Hymnus mitschwingt, ist an dieser Stelle an die eigentliche Himmelfahrt zu denken. Wir wissen aus dem biblischen Zeugnis, daß es eine ganze Reihe von Himmeln gibt, die nun von Christus durchschritten werden. Vor allem wissen wir, z.B. aus Epheser 6, 12, daß es neben dem Heer der Gott dienstbaren Engelwesen auch „Mächtige“ und „Gewaltige“ gibt, die in für uns unsichtbaren Räumen wohnen und einen schädigenden Einfluß auf die kreatürliche Welt auszuüben versuchen. Der Teufel und sein ganzes Heer, das ja aus ebenfalls ungehorsamen Engeln besteht, sind hier zuhause. Ihnen allen wird durch Christi Himmelfahrt proklamiert, wer die wahre Macht innehat. Das ist großartig, daß wir das wissen dürfen. In einem modernen Lied heißt es: „Vor Satan und seinen Mächten, Welten und Kräften braucht mir nicht mehr bange zu sein.“ Auch das gehört zum Himmelfahrtsfest: die Gewißheit, daß alle gefährlichen Wesen und Mächte der unsichtbaren Welt angefangen haben, vor dem Sohn Gottes zu zittern. Wie sollten da wir noch vor ihnen Angst haben?

Und wie wird Christus auf der Erde proklamiert? Indem er gepredigt wird. Aber nun das Ãœberraschende. Die Passivform weist auch hier unmittelbar auf Gott. Gott selbst ist also der eigentliche Prediger bei aller christlichen Verkündigung. Als ich in den 70er Jahren Gemeindepfarrer in Oberfranken war, hing ein Gebet in der Sakristei, das genau diese Wahrheit aussprach und das ich oft sprach. Du bist es doch gar nicht. Christus hat dein Amt und deinen Dienst eingesetzt. Er will durch deine Verkündigung seines Evangeliums selber zu den Menschen reden. Luther sagte: Er ist der eigentliche Prediger. Wir können nur in die Ohren hineinsprechen, Gott aber muß es ins Herz schieben. Bei aller Sorge um den Predigtverfall in unseren Kirchen kann uns diese Wahrheit wieder Mut machen. Gott selber predigt. Und er wird auch Mittel und Wege finden, heute zu predigen. „Weg hast du aller wegen, an Mitteln fehlt dir’s nicht“. Und er wird sich auch seine Leute suchen. Und dabei ist er nicht nur auf die hauptamtlichen Verkündiger angewiesen. Er kann Menschen wie damals einen Amos direkt aus dem Berufsleben herausrufen und ihnen den Auftrag geben, Christus zu proklamieren. Auch das ist Himmelfahrt, daß wir diese Hoffnung haben. Ich bin immer froh, wenn ich aktive Hauskreise kennenlerne, wo verkündigt wird, wo Menschen sich schulen, um die Bibel noch besser kennenzulernen und um ansprechender predigen zu können. Pastor Heinrich Kemner, der frühere Leiter des Kre1inger Rüstzentrums, sagte öfters, daß die Kirche Jesu in der letzten Zeit genau wie in der ersten Zeit in kleinen Gruppen und Kreisen leben wird.

Der 3. Teil unseres Hymnus aus 1. Tim. 3 schildert die eigentliche Thronbesteigung des Gottessohns. Und hier wird es nun ganz interessant, wenn wir die beiden Dimensionen der sichtbaren und der unsichtbaren Welt betrachten. Wir hören dann nämlich von einer doppelten Thronbesteigung, und zwar einmal bei allen, die Christus vertrauen und dann in der Dimension der Herrlichkeit Gottes. Wiederum hilft uns die Passivform der Verben, das Gemeinte zu verstehen. Christus „wird geglaubt in der Welt“. Glauben ist kein rein menschlicher Akt. Da ist immer Gott selbst am Werk. Der christliche Glaube ist die menschliche Antwort auf eine göttliche Tat. Gott läßt Christus verkündigen, das ist hier die Aussage, und er ruft und lockt dadurch zum Glauben, aber er erhält auch auf diese Weise den Glauben. Wir sind also ganz und gar darauf angewiesen, daß Gott zu uns spricht. Das gilt für alle, die noch nicht glauben genauso wie für alle, die glauben. Immer braucht der Glaube den Ruf Gottes, die Predigt, die Bibel, den Zuspruch, den Anspruch Gottes. Seitdem mir das klar geworden ist, daß ich mir meinen Glauben nicht selbst gewährleisten kann, ist mir das tägliche Bibelstudium noch viel wichtiger geworden. Ich suche den redenden Gott. Himmelfahrtsglaube ist Wort-Gottes-Glaube. Kein Christ sollte sich wundern, wenn sein Glaube brüchig und fade wird, wenn er Gott nicht täglich zu sich reden läßt. Christlicher Glaube ist aber auch Thronbesteigungsglaube. Kein Christ sollte über seine innere Kraftlosigkeit klagen, wenn er nicht Christus den Thronplatz in seinem Leben überträgt, immer wieder neu.

Gleichzeitig mit der Thronbesteigung im Herzen der Gläubigen setzt sich der erhöhte Christus in der himmlischen Dimension zur Rechten Gottes. Der Hymnus beschreibt diese Tatsache mit den Worten „er wurde in die Herrlichkeit aufgenommen“. Dort übt er seitdem seine Herrschaft über Himmel und Erde aus. Von dort wird er kommen, um die Gottlosigkeit und die Gottlosen zu richten, Satan unschädlich zu machen und seine Königsherrschaft auf der erneuerten Erde anzutreten. Die Himmelfahrt und die himmlische Thronbesteigung unseres Herrn führten ihn jedoch noch nicht zu seinem eigentlichen und letzten Ziel. Dieses Ziel wird Christus erst finden im neuen Jerusalem, das sich nach seiner Wiederkunft auf die dann vollständig erneuerte Erde herabsenken wird. Von dort wird er dann Israel und die Völkerwelt regieren und ewigen Frieden und ewige Freude auf Erden gewährleisten. Auch in diese weiten Perspektiven nimmt uns die Himmelfahrt Christi hinein. Als die Jünger am Tag der Himmelfahrt Christus nachblickten, sagte ein Engel zu ihnen, daß ihr Herr genauso, auf den Wolken, am Ende dieses Äons wiederkommen wird. Dann ist das letzte Ziel der Himmelfahrt erreicht.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 12. Mai 2010 um 23:05 und abgelegt unter Predigten / Andachten.