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Lieben und Geliebtwerden in der Ehe

Bernhard Ritter
Lieben und Geliebtwerden in der Ehe

1.) „Stabile Fundamente für die Ehe“

Eine Ehe kann sich nur dann gut entwickeln, wenn sie stabile Fundamente hat. Solche Fundament sind all die Faktoren, die die Einheit der Ehe stärken. Das sind vor allem:

1. Die Anerkennung Gottes, des Schöpfer und der Schöpfungstatsachen im eigenen Leben: Der christliche Glaube ist keine theoretische Ideologie oder Weltanschauung. Er ist vor allem anderen die Anerkennung Gottes als dem Herrn im eigenen Leben und damit auch seines Schöpfungswillens, seiner Bestimmung für das eigene Leben. Verbindlicher Glauben heißt, sich mit diesem Fundament zu identifizieren! Zu der globalen Lebensaufgabe, die Schöpfung zu bebauen und zu bewahren, gehört von Anfang an, für eine stabile Ehe und Familie zu arbeiten. Dafür hat uns der Schöpfer alle nötigen Voraussetzungen mitgegeben. Der christliche Glauben ist ein Fundament, das nicht wankt, wenn es entschieden angenommen wird, d.h. wenn wir zu den Fundamenten, die Gott gelegt hat, entschlossen und beständig „Ja“ sagen.

2. Dazu gehört auch die Anerkennung der natürlichen Identität des Ehepartners: Im Unterschied zur variablen „sozialen Identität“ eines Menschen (durch Erziehung und Prägungen der Umwelt erworben, die veränderbar ist) ist die „natürliche Identität“ (das sind die geschlechtsspezifischen natürlichen Gesetzmäßigkeiten) unveränderlich. Natürliche Frauen werden den Schwerpunkt im Leben immer in der Erhaltung und Gestaltung ihrer Beziehungen finden (vgl. die besondere Anlage zur Empathie, Förderung des Lebens); und natürliche Männer immer auch in der Bestellung des „Ackers“ (1Mo 3,17-19), ihrer Erwerbsarbeit, mit der sie das Leben der Ehe und Familie zu sichern haben (vgl. die besondere Anlage zur Zielorientierung, Systematisierung). Die natürliche Identität ist die Einzigartigkeit und Originalität von Mann und Frau. Es gibt keine Möglichkeit, diese natürliche Identität grundlegend zu verändern (z.B. durch Erziehung) ohne Mann und Frau zu schädigen…

3. Anerkennung der endgültigen Einheit der Ehe (Dauerhaftigkeit): Eine Beziehung ohne Verbindlichkeit ist eine dauerhafte Testphase ohne Zielankunft. Es entsteht keine wirkliche Einheit, sondern eine Dauerkontrolle. Nur eine verbindliche Ehe, eine gemeinsame Schicksalsgemeinschaft, in der man sich aufeinander verlassen kann, hat überhaupt die Chance, eine Einheit zu werden. Diese Ehe ist eine Exklusivbeziehung, vor allen anderen. Sie hat Priorität vor der Herkunftsfamilie, auch den eigenen Kindern, den Freunden, der Arbeit, den Hobbys, auch vor der Gemeinde u.a.! Wenn es dem Ehepartner schlecht geht, wird es mir auch schlecht gehen! Deshalb ist es richtig: Sich in den Ehepartner liebevoll und weise investieren, ist die beste Investition in das eigene Glück und die eigene Erfüllung! Paulus schreibt: „Wer seine Frau liebt, der liebt sich selbst“…

4. Die Anerkennung der Hingabe als Weg zur Einheit: Die Liebe ist die einzige Sprache, die jeder Mensch versteht. Lieben ist die uns von Gott aufgetragene christliche Haltung des Herzens. Die Ehe ist kein garantiertes Glücksinstitut. Sie ist die beste „Freundschaft“, die man auf Erden haben kann, wenn man beständig daran arbeitet. Sonst wird sie entleert und verfällt. Daran arbeiten heißt vor allem: An der eigenen Liebesfähigkeit arbeiten. Die eigene Hingabe ist der sicherste Weg zur Einheit miteinander. Jeder Mensch ist ein kostbares und geheimnisvolles Geschenk Gottes – und dazu zerbrechlich und gefährdet. Das Herz jeder Ehe ist das Bemühen, den Ehepartner zu stärken und zu schützen und damit den Schöpfer zu ehren…

5. „Zeit zu zweit“ organisieren: Ohne ausreichende „Zeit zu zweit“ wird eine Ehe eingehen wie eine Pflanze, die kein Wasser erhält. Gemeinsame Zeit klug genutzt, kann für Liebende in der Ehe eine Oase der Erneuerung ihrer Einheit, eine Restauration ihrer gemeinsamen Kraft für den Weg durch die Mühen mancher „Wüsten“ des Lebens sein….Solche Zeiten sind kostbar – aber für aktive Menschen immer nur sehr selten. Sie kommen nicht von allein. Eine „passende Zeit“ gibt es nicht. Darauf zu warten, ist immer eine Illusion. Deshalb muß man sich zu solchen „Zeiten zu zweit“ grundsätzlich und gemeinsam entscheiden. Man muß sie um einer starken Ehe willen a) im voraus planen, b) ihr unbedingte Priorität einräumen und c) die ausgemachten Termine eisern schützen! Das Ziel gemeinsamer Zeiten ist es, den Zauber der liebevollen Zusammengehörigkeit lebendig zu erhalten bzw. wiederzubeleben, das Verständnis und die Dankbarkeit füreinander zu vertiefen und zu wesentlichen Themen miteinander zu kommunizieren. Das schafft eine Atmosphäre des Vertrauens und der Nähe, vermittelt das Bewusstsein der Einheit. Zu gemeinsamen Zeiten muß man alle möglichen Störfaktoren ausschließen – oder das Haus verlassen! Störfaktoren sind vor allem TV und PC (fördern die Entfernung voneinander), das Telefon und das Begegnen mit Leuten, die man gut kennt…

Nach der Erfahrung verschiedener Eheberater und Paartherapeuten sind folgende „Zeiten zu zweit“ besonders hilfreich und wichtig:

1) Ein wöchentlich gemeinsamer Abend (mindestens zwei gemeinsame Stunden):

Dazu sollte man einen besonders freundlichen Rahmen gestalten und auf Ungestörtheit achten. Wenn man das zu Hause nicht sicherstellen kann, ist auch ein Restaurant o.ä. empfehlenswert. Diese Zeit sollte eine Zeit sein, in der man sich miteinander freuen kann über das gemeinsame Leben; Hoffnungen, Sorgen und Erfolge miteinander zu teilen. Sie ist nicht ausreichend dafür, tiefere Probleme zu lösen…

2) Ein gemeinsam verbrachter Tag (mindestens 2-3 mal im Jahr):

Dazu kann man z.B. auch Wandern gehen. An solch einem Tag sollte man sich die Zeit nehmen über all die problematischen Dinge zu reden, zu denen im Alltag oft die Zeit oder die Kraft fehlt. Dabei gilt es gemeinsame Lösungen zu finden und gemeinsame Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Außerdem lohnt es sich solche ausgedehnte Zeiten zu nutzen über gemeinsame Ziele, Finanzen oder Träume für Ehe und Familie nachzudenken…

3) Mini-Eheurlaub (einmal jährlich 3-7 Tage):

Das ist eine Zeit bewußt ohne Kinder, ohne Freunde, ohne Arbeit, ohne verpflichtendes Kulturprogramm, allein zu zweit. Am besten eine Woche. Wichtig ist in dieser Zeit alles gemeinsam zu tun, und nur das zu tun, was man gemeinsam als schön empfindet… Dazu gehört auch die gemeinsame „Stille Zeit“, etwas gemeinsam Schönes und Verbindendes zu lesen (vorzulesen) und vor allem, in Ruhe miteinander zu reden, vor allem eigene Emotionen und Träume zu erklären und miteinander zu verstehen. Und: Vergangene Erlebnisse aufzuarbeiten. Dabei ist es wichtig, das Positive zu betonen; aber auch das Schmerzliche zu verstehen. Anklagen und Kritik sollten unterbleiben. Vergangene Schuld sollte anerkannt und vergeben werden. Es gilt vor allem die Einheit zu erstreben durch gegenseitiges Verstehen, durch erneutes Annehmen Dazu bietet diese ungestörte Zeit zu zweit auch die Möglichkeit, durch liebevolle Zärtlichkeit die Nähe und Einheit zu stärken… Als Gewinn für den Alltag und als gemeinsames Ziel sollten die Paare aus diesen Zeiten vor allem mitnehmen: Die Aufmerksamkeit füreinander im Alltag wach zu halten und die innere Einheit der Ehe auch im Alltag – wann immer nötig und möglich, wieder zu festigen….

Goldene Eheregel: Sorgen sie dafür, daß sie füreinander Zeit haben und sie miteinander genießen!

2.) „Lieben und Geliebtwerden in der Ehe“

Viele Menschen glauben, daß die Liebe ein schicksalhaftes Gefühl ist. Dieses Gefühl, von einer anderen Person verzaubert zu sein, kann durch die äußere Erscheinung ebenso leicht ausgelöst werden wie durch die nähere Kenntnis einer Person – aber es kann ebenso schnell und geheimnisvoll verschwinden, wie es gekommen ist… Dieses Gefühl der Verliebtheit oder der Faszination wird oft als Liebe bezeichnet. So ist die allgemeine Auffassung von Liebe auf ein Gefühl reduziert worden – und das ist falsch!

Es ist erhellend, sich einmal näher die Variationen der Liebesvorstellungen in der Geschichte anzuschauen, ausgehend von der biblischen Offenbarung zum Thema; über die orgiastische Verrohung in der Antike; die Gewaltenteilung bei den Germanen; das Liebesideal der Minnesänger; die Wiederentdeckung der Antike in der Renaissance; den brutalen Verfall im 30-jähri-gen Krieg; das freundliche Zeitalter des Barock; die lustorientierte Sittenlosigkeit im Rokoko und der franz. Revolution; die neu erwachte, oft sentimentale Sehnsucht nach Innerlichkeit in der Romantik mit ihrer Verabsolutierung der „Liebesehe“; die Schatten der Kleinbürgerlichkeit seit dem Biedermeier und der viktorianischen Ära; die Wertevernichtung in den Weltkriegen; die danach einsetzende Welle des Individualismus mit dem verheerenden Experiment der Ideologen der westlichen 68er Aktivisten, ausgehend von der Neuen Soziologie der Frankfurter Schule (Marcuse, Adorno, Habermas); und schließlich die offenen gemeinschaftsfeindlichen Ziele und Früchte des Feminismus bis hin zur gegenwärtigen verhängnisvollen Gender-Ideologie der EU, die unterdessen bis in die untersten Verwaltungsebenen der nationalen Verwaltungen zur Voraussetzung für finanzielle Förderungen von Konzepten und Projekten gemacht wird….!

Heute finden wir meist eine Doppelerwartung bei unseren Zeitgenossen (leider auch bei vielen Christen) vor: Einmal die Hoffnung auf große Gefühle der Liebe (gemessen wird dabei am eigenen Empfinden der Lust) und zum anderen die Erwartung, daß diese der Partner zu leisten hat.

Insgesamt gibt es heute eine große verhängnisvolle Gefühlsabhängigkeit, bei manchen eine Gefühlssüchtigkeit. Die rationalen Werte und Grundlagen eines gemeinsamen Lebens sind meist nebulös. Viele Menschen heiraten, weil sie verliebt sind. Sie glauben, daß ihre starke gegenseitige Anziehung ausreichen wird, um ihre Ehe lebendig zu erhalten. Doch die Verzauberung wird unausweichlich nachlassen. Wenn wir nicht lernen, wie man eine sich entwickelnde Liebe aufbaut, werden sich keine Wurzeln der Ehe bilden können und die Liebe wird verwelken.

„Sie steuern ihr Schiff nach der Fahne am Bug – und keiner merkt den Betrug!“ (Jürgen Werth)

Gottes Auftrag zur Liebe: In der Bibel ist nicht von Gefühlen die Rede, sondern vor allem von einer aktiven Haltung der Liebe. Das bedeutet u.a., daß es darum geht, sich um den Ehepartner zu bemühen und seinen Bedürfnissen entgegen zu kommen; auch wenn das gelegentlich ein Opfer auf Kosten der eigenen Interessen ist. Das kann für manche heißen: Die Lautstärke des Fernsehers zu verringern, wenn er stört; den PC zu schließen, wenn drängende Probleme anstehen oder miteinander zu reden, trotz wartender Aufgaben u.v.a.m.…

Du sollst lieben, das heißt z.B. im Blick auf den Ehepartner u.a.:

a) Du sollst für deinen Ehepartner sorgen; dafür, daß es ihm gut geht, er stabil sein Leben führen kann (soweit das in deinen Möglichkeiten steht!). Solche Fürsorge ist ein Dienst der Liebe am nächsten Menschen…

b) Du sollst für deinen Ehepartner Verantwortung übernehmen. Verantwortung ist ein Ernst-nehmen der eigenen Aufgaben wie auch eine prüfende Haltung, ob die Fürsorge den Partner wirklich aufbaut, wirklich entlastet, ihn wirklich erfüllt und stärkt…

c) Du sollst deinen Ehepartner anerkennen, ihn annehmen wie er tatsächlich ist (und nicht, wie du ihn haben möchtest). Das bedeutet die Persönlichkeit anzunehmen mit all seinen Stärken und Schwächen, seine besondere Identität, die Schwerpunkte seiner Bestimmung (alle unterschwelligen Erziehungsversuche werden scheitern und Schmerzen in der Ehe verursachen). Und es heißt auch, ihn darin zu unterstützen, was er zu tun hat…

d) Du sollst deinem Ehepartner die Freiheit zur eigenen Entscheidung und Entfaltung lassen. Du sollst ihn nicht erpressen und nicht manipulieren (er merkt es sowieso und wird negativ reagieren). Nur Entscheidungen aus einem freien Herzen haben dauerhaften Bestand…

e) Du sollst deinem Ehepartner zugewandt und aufmerksam zuhören und ihm dein Herz öffnen und dich ihm mitteilen (offene und ehrliche Kommunikation). Nur so kann Geborgenheit, Sicherheit, Einheit und Vertrauen wachsen…

f) Du sollst deinem Ehepartner vergeben wann immer er darum bittet (und auch, wenn er nicht darum bittet). Denn auch du lebst von seiner Vergebung und nicht zuletzt von der Vergebung Gottes. Ohne Vergebung ist keine Versöhnung und keine wirklich herzliche Einheit möglich…

g) Du sollst für deinen Ehepartner ein weites und tolerantes und geduldiges Herz haben…

h) Du sollst den Willen zur Hingabe und Verfügbarkeit für deinen Ehepartner beständig stärken und vertiefen – dich selbst dazu verpflichten…

i) Du sollst deinen Ehepartner, insbesondere seinen Beitrag für das Wachsen und Gelingen der gemeinsamen Ehe wertschätzen und ihm dafür Dankbarkeit ausdrücken, ihn in deinem Herzen wirklich ehren…

Die Liebe in der Ehe ist vor allem: Dankbarkeit, Verehrung, Hingabe und Verfügbarkeit für den Ehepartner. So entsteht eine auch emotionale Atmosphäre des gemeinsamen Lebens, in der sich die Liebe in der Ehe weiter entwickeln kann.

Geliebtwerden in der Ehe

Von einem Rechtsanspruch auf Geliebtwerden steht nichts in unserer Bibel. Gott fordert von allen seinen Kinder, daß sie einander lieben sollen. In dieser Haltung wird die Liebe auch Wirklichkeit in einer Ehe werden. Diese Liebe ist eine Folge des Glaubens an Gottes Worte, nicht der Forderungen der Ehepartner aneinander…! Die Erwartungshaltung, dass der Ehepartner dazu da sei, mich zu lieben, ist eine unreife egozentrische Folge eigener Passivität und wird in Frustration führen… Beide Ehepartner haben eine Verantwortung vor Gott für ihr eigenes Leben und Handeln. Geliebt zu werden, ist bestenfalls eine Frucht eigener Liebe. Man liebt, weil man sich den Menschen erwählt hat, ihn zu lieben (für ihn da zu sein), nicht weil man geliebt wird…!

Umgekehrt aber geschieht es oft, daß man geliebt wird, weil man liebt und dadurch liebenswert ist (sich in der Liebe verschenkt).

„Die Liebe ist das einzige, daß sich dadurch vermehrt, daß man sie verschenkt!“ (Richarda Huch, Schriftstellerin)

Jeder Mensch kann lieben, weil wir nach Gottes Willen lieben sollen. Gott gibt uns dieses Gebot nicht, ohne uns zuvor nicht dazu die Möglichkeiten gegeben zu haben. Gott ist nicht zynisch. Allerdings müssen wir dazu oft den Restinfantilismus der egozentrischen Hinderungsgründe in uns selbst mutig beseitigen wollen. Denn ein IK kann nicht lieben. Sein Programm heißt: „Ich will haben…!“ Die vielen Menschen, die auf ein glückliches Leben hoffen und dazu im Stillen auf die Liebe eines Partners bauen, sind in einer verzweifelten Lage. Sie richten ihre Erwartungen auf einen anderen Menschen und müssen so in der Regel enttäuscht werden. Ein Schöpfungsgeheimnis ist: Man wird glücklich werden, wenn man liebt. Und weil man liebt, kann es geschehen, daß man wieder geliebt wird. Aber erwarten oder gar fordern kann man die Liebe von einem anderen Menschen nicht…!

Quelle: LEO  Gesellschaft für Lebensorientierung e.V., Bennungen/Südharz
24. Rundbrief Januar 2010