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Willkürlicher Umgang mit der Jahreslosung 2010

Dienstag 5. Januar 2010 von Pfr. Rolf-Alexander Thieke


Pfr. Rolf-Alexander Thieke

Willkürlicher Umgang mit der Jahreslosung 2010
Ein Kurzkommentar zur Neujahrspredigt der EKD-Ratsvorsitzenden

Neben lebensnahen Richtigkeiten finden sich in der Predigt auch wohlfeile Populismen und politische Urteile, deren Kompetenz hinterfragt werden muß. Hierzu wurde inzwischen deutlich öffentliche Kritik geübt. Für die theologische Beurteilung aber ist maßgeblich, wie hörbereit die junge Ratsvorsitzende mit dem biblischen Text selber umgeht.

Theologisch (d.h. exegetisch-systematisch) ist unübersehbar, daß die Bischöfin mit dem ureigenen Zeugnis der Jahreslosung Joh 14,1 unsachgemäß verfährt: Es geht dort im Textzusammenhang um die Nachfolge Jesu Christi und um die Offenlegung der für die Jünger erschütternden Perspektive, daß sich Jesus auf dem Weg zum Todeskreuz befindet. Der Weg seiner erlösenden Liebe ist mit abgründigem Leid verbunden. Darauf bereitet Jesus die Seinen vor, und er stattet sie dabei aus mit einer Lebensperspektive, die sie auf den Himmlischen Vater und auf Jesu eigene Treue verweist.

Die Einheitsübersetzung formuliert näher am griechischen Text: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren! Glaubt an Gott und glaubt an mich!“. Es geht nicht um „Erschrecken“ im Sinn von „Aufschrecken“, „Angst haben“ oder um „Angst vor der Zukunft allgemein“! Es geht vielmehr darum, daß wir uns als Christen nicht verunsichern, nicht irritieren, nicht einschüchtern lassen, sobald wir entdecken, daß Jesus, der Christus, zu unserer Erlösung ausgerechnet den Weg eigenen L e i d e n s beschreitet und daß dies auch Konsequenzen für u n s hat. Es geht also um die Ermutigung, uns nicht durch Ängste  und Leidenserfahrungen vom Glauben und vom Weg zum Vater abbringen zu lassen.

Aktualisiert hieße dies unter anderem: Wir sollen uns nicht einschüchtern und mundtot machen lassen durch Aggressionen, wie wir sie – zum Beispiel – im Jahr 2009 mit den üblen Kampagnen der taz- und SPIEGEL-Redaktionen etc. etc. erlebt haben. Derartige   Attacken gehören zur Realität des „alten Menschen der Lüge“, der das Evangelium „nicht erträgt“ und der deswegen engagierte Christen entschieden „haßt“, vgl. Joh 15,18ff.

Wir müssen festhalten, daß die Ratsvorsitzende sich bei der lockeren Art ihres Umgangs mit dem biblischen Text vergaloppiert hat, daß sie die biblische Kernaussage der Jahres­losung überhaupt nicht thematisiert hat. Ihre rhetorisch gestellte Frage, ob die Botschaft der Jahreslosung heißen würde, alles werde gut, ist quasi frei-schöpferisch erfunden; sie dient offenbar nur dazu, die Banalität abzulehnen, daß in dieser Welt alles gut sei. Jesus aber spricht nicht davon, daß in dieser Welt „nicht alles gut ist“, sondern darüber, wie der Weg zum Himmlischen Vater aussieht und daß sich die Jünger nicht davon abhalten lassen sollen, an diesem Weg festzuhalten. Dies ist der Sinn der Aussage Jesu: Was auch immer geschehen wird, haltet fest am Glauben an Gott, am Weg zum Vater, den ich euch gezeigt habe! Haltet fest an meinen Geboten; ER wird Euch beistehen und helfen, sie zu halten! Bei der Predigt der jetzigen Ratsvorsitzenden aber handelt es sich nicht mehr um sachgerechte Auslegung des Text-Zeugnisses, sondern um assoziative „Eisegese“ und um einen schon „willkürlich“ zu nennenden Umgang mit dem Schriftwort.

Sie hätte sich das biblische Zeugnis weitaus genauer ansehen sollen, um in theologischer Autorität verkündigen zu können. Stattdessen nutzte sie – in zum Teil modisch gewordener Manier – ein Bibelwort als Sprungbrett für eigene Aussagen mit bunten Gegenwartsbezügen, die aber keineswegs in jeder Hinsicht stichhaltig sind. Kurz:

Das Wort Jesu wird in der Predigt von Dr. Käßmann zweckentfremdet: losgelöst vom Sinngehalt der Absicht Jesu wird es in den Dienst ihrer eigenen Gedanken gestellt. Es muß aber genau umgekehrt sein: der theologisch seriöse Zeuge stellt seine Worte in den Dienst des Wortes Jesu. Sollten die EKD-Synodalen dergleichen nicht auch von einer Ratsvorsitzenden einfordern?

Vgl. http://www.ekd.de/predigten/kaessmann/100101_kaessmann_neujahrspredigt.html  http://www.medrum.de/?q=content/ein-biblisch-theologischer-fehlgriff

Pfr. und Religionslehrer i.R. Rolf-Alexander Thieke, Berlin
4.1.2010

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 5. Januar 2010 um 12:14 und abgelegt unter Kirche, Theologie.