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Predigt: Das große Abendmahl

Das große Abendmahl
Predigt am 25. Mai 2008 im Dom zu Riga über Luk. 14,16-24

 „Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit! Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muß hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der zweite sprach: Ich habe fünf  Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen. Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein. Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, daß mein Haus voll werde. Denn ich sage euch, daß keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.“ Lukas 14, 16-24)
Dieses ist ein sehr wichtiges Gleichnis, welches davon spricht, was wir hier heute tun. Wir könnten sagen: „Wir feiern Gottesdienst.“ Doch in seiner weiteren Bedeutung ist es die Frage, was wir in diesem Leben, in dieser Welt tun. Jemand hätte einmal zwei Maurern, die bei ihrer Arbeit dicht nebeneinander standen, die Frage gestellt, was sie täten. Der eine antwortete: „Ich mauere. Schau, ich lege einen Stein hin, dann Mörtel darauf, und dann wieder einen Stein, und so arbeite ich den ganzen Tag.“ Der andere sagte: „Ich erbaue eine Kathedrale.“ So unterschiedlich kann der Zugang zum Leben sein. Ich mauere Ziegelsteine, kaufe Ochsen, bestelle meinen Acker, nehme eine Frau oder einen Mann. Das sind Dinge, die im Leben auf uns zukommen, die getan werden müssen. Auch eine Kathedrale entsteht nicht ohne das Mauern. Aber auf welches Ziel hin rühren wir uns, weshalb leben wir, weshalb gibt es uns? Arbeiten wir, damit wir so satt werden, daß wir arbeiten können? Menschen leben, um zu überleben. Wofür? Viele werden antworten: „Wir werden schon sehen, worauf es schließlich hinausläuft.“ Kann man so auch eine Kathedrale mauern?  Mauern wir, und dann werden wir sehen, was schließlich daraus wird. Wenn man nicht einmal ein Gebäude so errichtet, kann man dann so das Leben aufbauen? 

Bei dieser Schriftstelle erkennen wir die Gesamtansicht einer Kathedrale, den Plan unseres Lebens. Ein Mann, der mit Jesus zu Tisch saß, fasste das in einem Satz zusammen: „Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!“ Nach einem Gespräch mit Jesus dämmerte es ihm plötzlich, daß DAS das Ziel und die Erfüllung des Lebens ist. Ein Leben, das dieses nicht erreicht, ist vergeblich und zum eigenen Schaden gelebt worden. Mögen noch so viele Äcker bestellt worden sein, möge man noch so viele Ochsen gekauft oder noch so viele Frauen und Männer geliebt haben, alles ist vergeblich gewesen, wenn es nicht zum Essen des Brotes im Reich Gottes geführt hat. Andererseits aber – Ende gut, alles gut. Dieses Sprichwort möchte sagen, daß ein guter Ausgang  auch dem Schweren und Schmerzlichen, was auf dem Wege erlitten werden mußte,  seinen Sinn gibt. Dem, der Gott liebt, werden alle Dinge zum Besten dienen. In seiner Verzückung ruft der Mann aus: „Selig ist, der das Brot ißt im Reich Gottes!“  Jesus antwortet ihm: „Dort gibt es viel mehr als Brot. Dort gibt es ein großes Abendmahl, das Hochzeitsmahl des Sohnes des Königs.“

Ein großes, großes Abendmahl. Wie hört sich das an – fröhlich oder bedrohlich? Wie kann denn die Botschaft von einem großen Fest überhaupt bedrohlich klingen? Fragt doch eine Hausfrau, die ein solches Mahl herrichten muß. Wenn, sehr verehrte Damen der Gemeinde, jemandem von euch gesagt würde: „Du sollst für den englischen Thronfolger ein Hochzeitsmahl herrichten,“ dann würdet ihr vermutlich antworten: „Seid ihr noch bei Verstand? Das kann ich doch nicht. Das geht über meine Kräfte.“  Wenn wir aber nun für den König des Himmels ein Hochzeitsmahl zubereiten sollten, dann würden wir fürchterlich erschrecken. Wir erinnern uns dann an Franz von Assisi mit seiner völligen Selbstentsagung und Hingabe an Gott, vielleicht an Mutter Teresa mit ihren Werken der Barmherzigkeit, vielleicht an Dietrich Bonhoeffer, den großen Bekenner und Blutzeugen… Und sagen – das ist zu viel für mich, Mein Leben war kein Vorbild an Glauben und Nächstenliebe.

Bei diesen typischen Überlegungen zeigt sich die typische Verwirrung,  die Menschen bei der Frage nach ihrer Gottesbeziehung befällt. Bei den Religionen, besonders bei den älteren, einfacheren, erkennen wir den Wunsch, die Gottheit gütig zu stimmen. Der Mensch trägt etwas heran, um es zu schenken, was er sich selbst entrissen hat, um es den Göttern zurückzugeben und sie gütig zu stimmen. Viele Völker haben in ihren Kulten sogar Menschenopfer dargebracht und dabei nicht einmal ihre eigenen Kinder verschont. Die Vorstellung, daß ich mir selbst ein großes Hochzeitsmahl im Himmel zubereiten soll, kann auch Christen verwirren. Aus der Geschichte der Reformation erinnere ich mich auch an kleine Geschichten, bei denen jemand, der auf einem Schiff in Seenot geraten ist, einem Heiligen gelobt, ihm eine Wachskerze in der Größe eines Menschen zu stiften, wenn er ihn vom Untergang erretten würde. Als ihn sein Freund darauf hinweist: „Du wirst doch nie in deinem Leben das Geld haben, um dir eine solche Kerze zu kaufen,“ antwortet dieser, „Halt doch deinen Mund und schrei hier nicht herum, er braucht es doch nicht zu wissen. Die Hauptsache ist doch, daß er jetzt hilft.“ Das ist selbstverständlich eine sehr vulgäre Ausdrucksweise. Vielleicht gehe ich fehl, aber etwas von der Vorstellung über die Möglichkeit, Gott gut zuzureden und der Zubereitung des himmlischen Hochzeitsmahles, kommt, wenn auch auf eine etwas feinere Weise, in den Berichten über die alten Asketen vor. Johannes Cassius gibt ein Gespräch zwischen zwei Freunden, Johannes und Paesius, wieder. Pater Paesius hat bereits dreißig Jahre oder länger in der Wüste als Einsiedler gelebt. Als Johannes ihn eines Tages in seiner Höhle besucht, fragt er Paesius: „Was hast du eigentlich durch dein Einsiedlerdasein erreicht?“ Paesius entgegnet ihm: „Da ich hier allein lebe, hat die Sonne mich noch nie essen gesehen.“ Worauf Johannes bemerkt: „Da ich mit vielen anderen zusammen lebe, hat mich die Sonne noch nie zornig gesehen.“ Der Gedanke, daß Entsagung und die Heldentaten der Selbsteinschätzung  für jemand einen Platz bei dem himmlischen Hochzeitsmahl frei halten, können im Menschen quälende Zweifel und  Verzagtheit wach rufen. Das können wir Martin Luthers Biographie entnehmen.

Schauen wir doch bei dieser Schriftstelle auf Gottes Antwort. Ein Mensch machte ein großes Abendmahl. Er lud die Gäste ein, als das Mahl zubereitet war. „Kommt, denn es ist alles bereit!“  Das Essen ist zubereitet, alles steht fertig da. Das ist kein Imbiss aus der Reisetasche. Die Armen, Blinden, Krüppel und Lahmen bringen nichts von ihrem eigenen Besitz mit. Der Hausherr – der König – ist es, der das Mahl zubereitet. Er ist es auch, der alles bezahlt. Das ist Seine Sache. Er hat Noah durch die todbringenden Fluten geleitet, Er hat Israel aus der Sklaverei in das Gelobte Land geführt, Er hat es in der Wüste gespeist und getränkt. Er hat Mose die Gebote gegeben und seine Leute mit den Worten der Propheten diese zu halten gelehrt. Schließlich hat er Seinen Sohn gesandt, der alles zu tragen auf sich genommen hat, womit wir negativ, unwürdig und eigentlich für das himmlische Mahl auch unerwünscht geworden sind. Er trug unsere Schuld als sei es Seine Schuld, Er löste unsere Sünde aus, als sei es Seine Sünde. Er gab Sein Leben hin, um uns freizukaufen und mit Gott zu versöhnen. Er zerbrach den Schlüssel des Todes, um uns die Tür zum Saal des Mahles zu öffnen. Am Kreuz sterbend sagte der Herr Jesus: „Es ist vollbracht!“ Erinnert uns dieser Aufruf nicht an die Einladung zum Mahl „Es ist alles bereit“?

Hier können wir noch einmal inne halten und darüber nachdenken, wie groß diese Einladung ist. Gott erschuf die Welt in sechs Tagen. Können wir es uns ausmalen, WIE das Mahl sein könnte, das Gott zuzubereiten sich Jahrtausende lang bemüht hat? Es ist alles bereit. Kommt jetzt! Was sollen wir da? Der Mensch ist schon eine eigenartige Kreatur. Theoretisch vermag er sogar, das zu erkennen und zu bezeugen. Einer von ihnen sagte sogar: „Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes.“ Weshalb antwortet ihm Jesus mit diesem Gleichnis? Deshalb, weil er es vermag,  zu bekennen: „Ja, selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes.“  Das ist das höchste Ziel, das es wert ist, das Leben darauf auszurichten und es anzustreben. Doch als der Hausherr das Mahl zubereitet hat und zum Mahl bittet, kommt der Mensch mit seinen Ausreden.: „Weißt du, ich kann jetzt nicht, dieses ist nicht der richtige Augenblick, ich habe heute etwas Wichtigeres zu tun.“ Kann das wirklich möglich sein? Ist das nicht nur eine belehrende Fabel, die Jesus zum Besten gibt?  Eigentlich müsste doch jeder aufspringen und zu diesem Mahl hinlaufen, wenn er dazu eingeladen wird. Dennoch gibt es im Leben noch viel Schlimmeres als das, was wir in diesem Gleichnis lesen. Die Menschen sagen Gott wirklich auf sehr unterschiedliche Weise, daß sie keine Zeit hätten. Das ist eine der häufigsten Ausreden, die ich aus dem Munde von Menschen höre, weshalb sie nicht zur Kirche gehen und sich für Gott nur rein theoretisch interessierten. Sie sagen: „Ich habe keine Zeit“, und sind davon fest überzeugt, daß Gott es einsehen wird, daß sie Recht haben, daß sie wirklich keine Zeit haben. Wenn uns jemand, der für uns von großer Bedeutung ist,  zu einem Festmahl einladen würde, und wir dann zuerst fünf Mal überlegen, ehe wir es uns erlauben, zu sagen: „Weißt du, ich habe gar keine Zeit, zu Dir zu kommen.“ Es ist doch ganz klar, daß damit die Beziehungen zerbrochen wurden, nicht nur so zum Scherz, sondern vielleicht für immer. Auch im Gleichnis Jesu wird der Hausherr zornig. Ich hatte Jahrtausende Zeit, um alles vorzubereiten, und du hast keine Zeit, zu kommen und es zu empfangen? Können wir  es nicht auch begreifen, wie absurd sich unsere Ausreden mit der fehlenden Zeit anhören?

Die nächsten eingeladenen Gäste sagen dem Herrn: „Ich kann nicht kommen, weil ich eine Frau genommen habe.“ Aber es kann noch schlimmer kommen. Zur Frau am Brunnen sagt Jesus: „Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist gar nicht dein Mann.“ Vor Gottes Augen bleibt nichts verborgen… Im Leben eines Menschen kann es Dinge geben, bei denen er es ganz deutlich empfindet, daß er sich damit Gott nicht nähern kann. Er weiß, daß Gott sie nicht segnen wird. Gott spricht seine Einladung aus, aber das, was ich mir in meinem Leben geleistet habe, kann ich zu Ihm nicht mitnehmen. Dabei kann uns die Entscheidung schwer fallen. Die Dinge, welche wir uns selbst geschaffen haben, werden für uns wertvoller als der Schöpfer selbst. Die Gaben, die Er uns geschenkt hat, begehren wir, aber den Geber weisen wir ab. Das geschieht auf Schritt und Tritt. Doch es geschieht noch mehr als das. Wisst ihr, was eigentlich geschieht? Der Hausvater bittet uns zu sich herein: „Komm, es ist alles für dich bereit“, doch wir stürzen uns auf Ihn und ermorden Ihn. Vielleicht sagt ihr jetzt: „Das ist doch maßlos übertrieben. Wer möchte denn Gott ermorden?“ Ist Christus nicht Gott?  Wurde Er nicht ermordet? Und wer hat Ihn ermordet? Die Juden, die Römer?

Luther schreibt, daß diese nur die Knechte unserer Sünden waren. Jesus wurde von den Dingen ermordet, mit denen wir es nicht wagen. vor Gott zu treten: Unsere Sünden. Unser verhärtetes Herz, das für Gott keine Zeit hat, weil es sich für Ihn nicht interessiert. Wir fühlen uns oft vor Gott wie Bettler, Blinde, Lahme und Krüppel, weit von Ihm entfernt, auf den Straßen und Gassen der Stadt. Doch denken wir daran, daß Gott seinen Diener ausgesandt hatte, gerade diese zu suchen und zu Seinem Mahl einzuladen. Das ist für uns eine überraschende und unverdiente Gelegenheit. Es gibt keinen mit der Vernunft zu erfassenden Grund dafür, daß wir uns eines Tages bei dem Hochzeitsmahl eines englischen Prinzen wieder finden. Was wäre das für eine Überraschung, wenn wir eines Tages eine entsprechende Einladung erhielten! Ebenso gibt es keinen mit dem Verstand zu erfassenden Anlass, zum Hochzeitsmahl des himmlischen Königs eingeladen zu werden. Doch die Einladung ist da! Und dazu ist das eine Einladung, nicht nur als Gast zur Hochzeit zu kommen, sondern Seine Braut, oder der Bräutigam zu sein. Wenn wir uns das ausmalen, wie sich der König fühlen mag, wenn die Gäste, die er eingeladen hatte, und für die alles vorbereitet war, alle nacheinander absagen. Wie schwer mag wohl diese Beleidigung erst wiegen, wenn sogar die Bettler an den Zäunen, zu denen wir gehören, absagen?

Oft kann man hören, daß das Leben kompliziert sei. Ja, vielleicht ist es wirklich kompliziert. Trotzdem sieht der Heilige Ignatius von Loyola das alles ganz einfach – das Leben ist der Kampf zwischen Gott und dem Teufel. Es gibt nur zwei Lager und keine neutrale Zone dazwischen. In der Welt gibt es nur zwei Fahnen, die Fahne Gottes und die Fahne des Teufels. Gott ruft uns unter Seine Fahne, aber derjenige, der diesem Ruf nicht folgt, bleibt unter der Fahne des Teufels. Manches Mal ist es ganz gesund, wenn sich im Durcheinander der komplizierten Dinge etwas davon sehr einfach und klar zeigt. Wir möchten doch alle dem Lager Gottes zugehören, denn Er ist unser Freund, und Er ist auch der Sieger. Der Teufel ist der Verlierer und der Feind sogar aller seiner Kampfgenossen. Wir möchten alle gerne auf der Seite der Freunde stehen. Dazu möchten wir ganz bestimmt auf der Seite des Siegers stehen. Nur verwickeln und verirren wir uns in viele Situationen, Möglichkeiten, Angebote, Anforderungen, Ängste und Probleme des Lebens. Die verdecken unseren Augen die Wahrheit, daß es auf dieser Welt nur zwei Fahnen gibt. Daß derjenige selig zu preisen ist, der das Brot im Reich Gottes isst. Auch wir. Theoretisch haben wir das alles ungefähr begriffen. Wir können bekennen, daß unser Heil im Glauben an Jesus Christus liegt, diesem großen Geschenk Gottes, daß wir im Glauben an Ihn die Vergebung der Sünden und das ewige Leben haben. Doch wenn die Zeit gekommen ist, unseren Glauben zu verwirklichen und nach ihm zu leben, pflegen wir zusammen zu zucken und fangen an, vor Gott unsere Ausreden auszubreiten: „Ich habe keine Zeit. Ich habe einen Kredit aufgenommen. Ich muß viel arbeiten. Ich habe eine Familie.“ Nicht immer kann man eine Ausrede als eine solche sofort erkennen. Einen Acker kann man auch in der besten Absicht kaufen. Jesus erzählt ein Gleichnis, in dem jemand ein Stück Land kauft, weil er darauf einen verborgenen Schatz gefunden hat. Der Kauf dieses Stück Landes bedeutet für ihn ein wichtiges Werk für das Reich Gottes. Doch kann man sich in das Wirken für das Reich Gottes so einspannen lassen, daß für den Kontakt mit Ihm keine Zeit bleibt. Wenn der Herr uns ruft, dann antworten wir: Ich habe keine Zeit, Herr, ich muß deinen Acker bestellen.

Ein aktives Leben ohne ein inneres Leben ist gefährlich. Nur eine lebendige Beziehung mit Gott bewahrt unsere Seele vor der Gefahr, welche der Dienst nach außen hin mit sich bringt. Wenn wir uns dabei erwischen, daß wir uns vor Gott entschuldigen, dann geht es dabei meistens gar nicht  um Kleinigkeiten. Meistens sind wir dabei schon so weit vom Weg abgekommen, daß wir den Rückweg nicht mehr finden. Wir begreifen, daß wir unser Leben wieder in Ordnung bringen sollten, wissen aber nicht, wie. Wir kommen aus den Geleisen des Alltages nicht mehr heraus. Unser Problem ist mit einem tief verwurzelten großen Baum zu vergleichen. Wir sind nicht so stark, daß wir diesen Baum mit allen Wurzeln mit einem Ruck herausreißen könnten. Doch können wir diesen Baum astweise beschneiden Wir können nicht in einem Augenblick vollkommen werden, aber wir können damit beginnen, die Heilige Schrift regelmäßig zu lesen und zu betrachten. Zehn Minuten täglich sind besser als einmal in der Woche drei Stunden. Wir können regelmäßiger beten und über Gott nachdenken. Wir können öfter zum Gottesdienst gehen. Wir können am Abend unser Gewissen befragen und Gott um Vergebung bitten, den Morgen mit einem Gebet beginnen, in dem wir Gott bitten, daß wir diesen Tag im Gehorsam gegenüber dem Auftrag verbringen, den Er uns erteilt hat. Von einer Ecke, von einem kleinen  Ast aus lasst uns versuchen, unsere verheerenden  Neigungen durch rettende und aufbauende Gewohnheiten zu ersetzen. Immer wieder und so oft wir es vermögen, laßt uns Schritt für Schritt auf Gott zugehen, damit Er uns mit Seinen Sieben Meilen Stiefeln entgegeneilen kann wie der Vater, der seinen verlorenen Sohn schon von Weitem erspäht hat und ihm entgegenläuft. Und wenn uns dann Gott ganz nahe ist, werden wir erkennen, daß Er der wahre tätige Meister, unser Schöpfer, Erlöser und Seligmacher ist, der unseren großen Baum mit einem Ruck ausreißt und  alle unsere Wunden heilt. Und der Heilige Geist ist es, der die Früchte der Liebe, der Freude und des Friedens mitbringt.

Kommt, es ist alles bereit! Diese Einladung gilt weiterhin. Die Kirchenglocken, die geöffneten Türen des Gotteshauses sind der Ruf Gottes, sich unter Seiner Fahne zu sammeln und gleichzeitig den Schrecken der Hölle und des Todes zu entfliehen, Herr, gib uns weise Herzen und offene Ohren, daß wir, was wir gehört haben, auch in uns aufnehmen und nicht mit Ausflüchten kommen!  AMEN

Auszüge aus Svētdienas Rīts, Zeitung der Evangelisch-lutherischen Kirche Lettlands, herausgegeben von ICHTYS GmbH,  2. Sonntag nach Trinitatis ,  Ausgabe Nr. 19 (1751)  vom 31. Mai 2008.