Warum wir gegenüber der
EKD-Ratsvorsitzenden Bedenken haben
Die neue Ratsvorsitzende kann sich ohne Frage gut verkaufen: Sie wirkt frisch, offen, fromm und zupackend, mediengerecht wie gewinnend. Kurzum: Sie kommt gut an. Gratulation und Applaus kamen von allen Seiten, von liberal bis evangelikal. Theologische Anfragen gegenüber ihrer Wahl werden dagegen nicht mehr geäußert, auch nicht von den meisten Konservativen und Evangelikalen. Dabei gibt es durchaus ernstzunehmende Bedenken.
1. Frau Käßmann hat als Bischöfin die apostolische Überzeugung in einer verbreiteten Tageszeitung öffentlich infrage gestellt, dass Jesus Christus von einer Jungfrau geboren wurde.
2. Mit ihrer Wahl zur Repräsentantin des landeskirchlichen Protestantismus wurden auch die wichtigen biblischen und ökumenischen Bedenken gegenüber dem Hirtenamt der Frau ignoriert oder für unmaßgeblich erklärt. Das ist theologisch bedenklich und ökumenisch unsensibel gegenüber der katholischen wie den orthodoxen Kirchen, die einer Frauenordination widersprechen. Noch bis 1973 amtierte als Ratsvorsitzender der EKD der bayerische Landesbischof Hermann Dietzfelbinger, der die Ordination von Frauen zum Pastorenamt ablehnte. Bei der ersten Ratsvorsitzenden – Käßmann – können dagegen seit ihrem Amtsantritt als hannoversche Landesbischöfin 1999 Theologen nicht Pastoren werden, wenn sie aus biblisch-theologischen Gründen gegen die Frauenordination sind. Dabei gibt es weltweit viele lutherische Kirchen, die aus Bibel- und Bekenntnisgründen keine Frauenordination kennen. Selbst von den 138 Mitgliedskirchen des liberalen Lutherischen Weltbundes lehnen 30% die Berufung von Pastorinnen ab.
3. Die Scheidung von Margot Käßmann vor zwei Jahren spielte bei der jetzigen Wahl – wie es in den Medien heißt – keine Rolle. Wer will auch schon anklagen? Dennoch bleibt die Frage: Wie geht die Evangelische Kirche mit dem im Neuen Testament klar formulierten Scheidungsverbot um, und wie steht es um die Vorbildfunktion? Ihre Wahl setzt angesichts der auch in Kirchen massenhaft kriselnden und zerbrechenden Ehen jedenfalls ein zutiefst problematisches Zeichen. Auch sollte zu denken geben, was der katholische deutsche Kurienkardinal Paul Cordes kürzlich in Radio Vatikan sagte, dass nämlich unter den fünf Bischöfinnen in Deutschland vier geschieden seien. Fragt man sich in der EKD, wieso das gerade in Spitzenpositionen so viele sind?
4. Frau Käßmann ist eine engagierte und teilweise sogar unduldsame Befürworterin der bedenklichen feministischen Theologie, die der biblisch-reformatorischen Theologie widerspricht. Auch fördert sie die „Bibel in gerechter Sprache“, die von Theologen und Bischöfen als Verfälschung kritisiert und sogar vom Rat der EKD abgelehnt wurde, dem sie jetzt vorsteht.
5. Frau Käßmann vertritt die Gender-Mainstreaming-Ideologie (Irrlehre), die die Unterschiede von Mann und Frau leugnet und der biblischen Schöpfungstheologie widerspricht.
6. Auch in manchen anderen ethischen Fragen lässt Frau Käßmann biblische Klarheit vermissen. So wird sie die ethisch untragbare Praxis der EKD-Beratungsstellen für Schwangere fortführen, Scheine auszustellen, die eine straflose Tötung des ungeborenen Kindes ermöglichen. Sie hat unmittelbar nach ihrer Wahl die Unverfügbarkeit menschlichen Lebens dadurch relativiert, dass die evangelische Kirche zum „Wunsch nach einem selbstbestimmten Tod nicht durchweg und kategorisch nein sagen“ könne.
7. In ihrer hannoverschen Landeskirche dürfen auch Schwule oder Lesben mit ihrem Partner im Pfarrhaus wohnen. Das ist eine biblisch unhaltbare Praxis! Diese theologischen Bedenken fordern, wachsam und kritisch zu sein gegenüber einer beliebten Bischöfin und Ratsvorsitzenden.
Pastor Ulrich Rüß, Vorsitzender der Konferenz Bekennender Gemeinschaften in den evangelischen Kirchen Deutschlands, 02.11.2009, idea-Spektrum 45/2009