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Ist die ganze Fülle der Heilsmittel nur in der katholischen Kirche zu finden? – Teil I

Dienstag 18. März 2008 von Max S. Weremchuk


Max S. Weremchuk

Ist die ganze Fülle der Heilsmittel nur in der katholischen Kirche zu finden? Teil I

„Wir gehören zu der großen Pilgerschar marianischer Menschen, eben zu dieser Pilgerschar der Marienkinder, um uns von ihr beschenken zu lassen, von der wir wissen, daß ihr nichts verwehrt wird, was sie am Throne Gottes für uns erbittet.“

Erzbischof Wolfgang Haas, Altötting-Wallfahrt 2006

„Alles stammt vom Vater, und alles muß im Mysterium Christi zu ihm zurückkehren.“ „Wenn das Bild des Vaters nicht hinreichend durch die pastorale Haltung derer hindurch erkennbar ist, in denen sich das Mysterium der Liebe ausdrücken sollte, dann ist nicht nur die Theologie, sondern selbst der Glaube der Gläubigen von einer gewissen Verfinsterung bedroht.“

M.-J. Le Guillou, „Das Mysterium des Vaters“

Seine Mutter (Maria) sprach zu ihm: Kind (Jesus), warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht. Und er sprach zu ihnen: Was ist der Grund dafür, daß ihr mich gesucht habt? Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meines Vaters ist? Und sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen redete.

Lukas 2,48–50

Die Kirche

Gläubige Christen sind auf der ganzen Welt verteilt. Das Evangelium des Herrn Jesus Christus ist überall hingekommen und hat Menschen verändert – die Welt verändert. Leider sind diese Gläubigen in unzählige Gruppierungen aufgeteilt. Die größten Gruppen sind die katholische Kirche und die orthodoxe Kirche. Die protestantische Kirche, die aus der Reformation hervorging, existiert in vielen, vielen getrennten Körperschaften. Unter ihnen kommt die anglikanische Kirche der katholischen und orthodoxen Kirche am nächsten. Alle drei behaupten ihre Linie der Sukzession – der Weitergabe des Bischofsamts – ohne Unterbrechung auf die Apostel zurückzuführen. Die orthodoxe Kirche sagt, daß sie die Apostolische Lehre und Tradition unverändert durch die Jahrhunderte bewahrt hat (im Gegensatz zu der katholischen Kirche, die Veränderungen erlaubt hat). Die Kirchen der Reformation sehen in ihrer Entstehung eine Rückkehr zu den ursprünglichen biblischen Wurzeln der Kirche. Dies war eine Reaktion auf die Mißbräuche, die in der katholischen Kirche über die Jahrhunderte zugenommen hatten. Die katholische Kirche hat in der Vergangenheit von sich selbst behauptet, „die allein seligmachende Kirche zu sein“, und, daß es außerhalb von ihr kein Heil gibt. Diese Haltung oder Einstellung hat sich seit dem 2. Vatikanischen Konzil etwas verändert. Jetzt wird die Ansicht vertreten, daß es weiterhin nur eine Kirche gibt, aber daß alle wahren Gläubigen – auch wenn sie nicht formell römisch-katholisch sind – zu dieser einen Kirche gehören.

In „DOMINUS IESUS“ ist zu lesen: In Wirklichkeit „existieren die Elemente dieser bereits gegebenen Kirche in ihrer ganzen Fülle in der katholischen Kirche und noch nicht in dieser Fülle in den anderen Gemeinschaften“. Deswegen „sind diese getrennten Kirchen und Gemeinschaften trotz der Mängel, die ihnen nach unserem Glauben anhaften, nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles. Denn der Geist Christi hat sie gewürdigt, sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen, deren Wirksamkeit sich von der der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit herleitet“. Und im Kompendium des Katechismus der katholischen Kirche finden wir: Wo besteht die einzige Kirche Christi? Die einzige Kirche Christi, in der Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet, besteht in (subsistit in) der katholischen Kirche, die vom Nachfolger des Petrus und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird. Nur durch sie kann man die ganze Fülle der Heilsmittel erlangen. Denn einzig dem Apostelkollegium, dessen Haupt Petrus ist, hat der Herr alle Güter des Neuen Bundes anvertraut.

Wie sind die nicht-katholischen Christen zu betrachten? Ist die ganze Fülle der Heilsmittel nur in der katholischen Kirche zu finden? In den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die sich von der vollen Gemeinschaft der katholischen Kirche getrennt haben, sind vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden. Alle diese Güter stammen von Christus und drängen auf die katholische Einheit hin. Die Mitglieder dieser Kirchen und Gemeinschaften sind in der Taufe Christus eingegliedert. Darum werden sie von uns als Brüder und Schwestern anerkannt. Im Katechismus selbst steht über diese nicht-katholischen Christen: „… aufgrund des Glaubens in der Taufe gerechtfertigt, Christus einverleibt, und darum gebührt ihnen der Ehrenname des Christen, und mit Recht werden sie von den Kindern der katholischen Kirche als Brüder im Herrn anerkannt“. Zudem sind außerhalb der sichtbaren Grenzen der katholischen Kirche „vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden“: „das geschriebene Wort Gottes, das Leben der Gnade, Glaube, Hoffnung und Liebe und andere innere Gaben des Heiligen Geistes und sichtbare Elemente“. Der Geist Christi bedient sich dieser Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften als Mittel zum Heil. Ihre Kraft kommt aus der Gnaden- und Wahrheitsfülle, die Christus der katholischen Kirche anvertraut hat. Alle diese Güter stammen von Christus, führen zu ihm und drängen von selbst „auf die katholische Einheit hin“. Dennoch stellt die katholische Kirche im Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über den Ökumenismus klar: Nur durch die katholische Kirche Christi, die allgemeine Hilfe zum Heil ist, kann man die ganze Fülle der Heilsmittel erlangen. Denn einzig dem Apostelkollegium, dem Petrus vorsteht, hat der Herr, so glauben wir, alle Güter des Neuen Bundes anvertraut, um den einen Leib Christi auf Erden zu bilden, dem alle völlig einverleibt werden müssen, die schon auf irgendeine Weise zum Volke Gottes gehören“. Ist diese Fülle tatsächlich nur in der katholischen Kirche zu finden? Wenn ja, dann müßten Elemente in der katholischen Kirche zu finden sein, die man in anderen christlichen Gemeinschaften nicht finden kann. Im Neuen Testament schreibt der Apostel Paulus dem Timotheus, daß die Schriften des Alten Testaments „… die Kraft haben, dich weise zu machen zur Rettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist. Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes richtig sei, für jedes gute Werk ausgerüstet“. (2. Timotheus 3,15–17) Mit „alle Schrift“ kann man doch annehmen, daß damit das noch im Entstehen begriffene Neue Testament auch gemeint ist. Die Heilige Schrift ist für den einzelnen Gläubigen und für die Kirche von größter Wichtigkeit.

In der Vergangenheit haben Protestanten der katholischen Kirche Vorwürfe gemacht, daß sie den Gläubigen dieses wichtige Heilsmittel vorenthält. Wie verhält es sich heute?

Die Bibel und die katholische Kirche

Das Wort „öffentliche Offenbarung“ bezeichnet das der ganzen Menschheit zugedachte Offenbarungshandeln Gottes, das seinen Niederschlag in der zweiteiligen Bibel aus Altem und Neuem Testament gefunden hat. „Offenbarung“ heißt es, weil Gott darin sich selbst Schritt für Schritt den Menschen zu erkennen gegeben hat, bis zu dem Punkt hin, da er selbst Mensch wurde, um durch den Mensch gewordenen Sohn, Jesus Christus, die ganze Welt an sich zu ziehen und mit sich zu vereinigen … Weil Gott nur einer ist, ist auch die Geschichte, die er mit der Menschheit eingeht, eine einzige, die für alle Zeiten gilt und mit Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi ihre Vollendung erreicht hat. In Christus hat Gott alles, nämlich sich selbst gesagt, und deswegen ist die Offenbarung mit der Gestaltwerdung des Christusgeheimnisses im Neuen Testament abgeschlossen. (Theologischer Kommentar, den Kardinal Joseph Ratzinger in seiner Funktion als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre nach der Bekanntgabe des „Dritten Geheimnisses von Fatima“ am 26. Juni 2000 veröffentlicht hat. Später kurz mit „Fatima“ gekennzeichnet.)

Der große Kirchenlehrer Thomas von Aquin sagte: Nur die kanonischen Schriften sind maßgebend für den Glauben. (Johannes 21, Lekt. 6.) Die Päpstliche Bibelkommission stellt in „Die Interpretation der Bibel in der Kirche“ fest: Der Text der Bibel übt in jeder Zeit in der christlichen Kirche seine Autorität aus und bleibt, obwohl viele Jahrhunderte seit seiner Entstehung vergangen sind, der vornehmliche Wegweiser, den man nicht manipulieren kann. Das Lehramt der Kirche steht nicht „über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist, weil es das Wort Gottes aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen Geistes voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt.“ (Dei Verbum, 10). Auch der Katechismus der katholischen Kirche spricht klare Worte: Seit er uns seinen Sohn geschenkt hat, der sein Wort ist, hat Gott uns kein anderes Wort zu geben. Er hat alles zumal in diesem einen Worte gesprochen … Denn was er ehedem nur stückweise zu den Propheten geredet, das hat er nunmehr im Ganzen gesprochen, indem er uns das Ganze gab, nämlich seinen Sohn. Wer demnach jetzt noch ihn befragen oder von ihm Visionen oder Offenbarungen haben wollte, der würde nicht bloß unvernünftig handeln, sondern Gott geradezu beleidigen, weil er seine Augen nicht einzig auf Christus richten würde, ohne jegliches Verlangen nach anderen oder neuen Dingen. (KKK 65, Carm. 2,22). Papst Leo XIII schrieb in „Providentissimus Deus“: Das aber ist besonders wünschenswert und notwendig, daß die Beschäftigung mit der Heiligen Schrift ihren Einfluß äußere auf die ganze Wissenschaft der Theologie und sozusagen ihre Seele sei. In diesem Sinne haben sich zweifellos zu jeder Zeit die Väter und alle hochberühmten Theologen offen ausgesprochen und dies durch die Tat bewiesen. Denn die Wahrheiten, welche Gegenstand des Glaubens sind, und die Folgerungen daraus suchten sie hauptsächlich aus den göttlichen Schriften geltend zu machen und fest zu begründen. Auf diesem Hintergrund ist es dann nicht überraschend, folgende Worte von Ramon de Luca zu lesen: Die unfehlbare Lehre der heiligen Kirche besagt, daß die Offenbarung, begonnen im Paradies unserer Stammeltern, ihren Höhepunkt und die Vollendung in Jesus Christus gefunden hat. Mit ihm ist also die Offenbarung vollständig, nicht mehr ergänzungsbedürftig, und mit dem Tod des letzten Apostels abgeschlossen. Enthalten sind diese Offenbarungen in der Heiligen Schrift und in der mündlichen Überlieferung, die beiden Quellen des Glaubens. Die Aufgabe der heiligen Kirche besteht mithin darin, den empfangenen Offenbarungsschatz durch die Jahrhunderte zu bewahren, zu erklären, zu entfalten, zu verteidigen und den Gläubigen mitzuteilen. Es wird also bis zum Ende der Welt keine Offenbarungen mehr über neue Glaubenssätze und Wahrheiten geben, welche nicht schon (klar) in der gegebenen allgemeinen Offenbarung enthalten wären. („Echt oder unecht? Die Unterscheidungskriterien der Kirche bei Privatoffenbarungen“, Verax-Verlag 1998, Müstair/GR, S. 6.)

Die Wichtigkeit der Bibel wird also durchaus innerhalb der katholischen Kirche erkannt und bezeugt, aber geht nicht die katholische Kirche oft über die Bibel hinaus? Trotz dieser Hervorhebung und Unterstreichung der Schrift durch die katholische Kirche und ihre Vertreter gibt es viele nicht-katholische Christen, die der Ansicht sind, daß die katholische Kirche Dinge erfunden hat, die sie als Lehre proklamiert und verlangt, daß die Gläubigen diese Lehren als Wahrheit annehmen, obwohl diese Dinge keine Basis im Wort Gottes haben. Einige Beispiele. Viele Protestanten nehmen Anstoß an der Lehre der Kirche, daß Maria (die Mutter unseres Herrn) in den Himmel aufgenommen wurde. Ein Hauptargument gegen diese Lehre (die auch Dogma ist) ist, daß eine Himmelfahrt Marias nicht im Neuen Testament erwähnt wird. Wenn eine Erwähnung in der Bibel das einzige Kriterium wäre, die Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Sache fest zu machen, hätten wir ein Problem. Das Neue Testament gibt uns kein abgeschlossenes Bild der Frühkirche. Wie wissen wir, was mit den Aposteln Petrus und Paulus geschehen ist? Die Bibel sagt uns nichts Endgültiges darüber. Müssen wir die Überlieferung über ihren Märtyrertod ablehnen, weil das Neue Testament nicht darüber berichtet? Sicherlich nicht! Wieso finden wir keinen Bericht im Neuen Testament über Marias Himmelfahrt? Ganz einfach, weil sie aller Wahrscheinlichkeit nach noch am Leben war, als das Neue Testament abgeschlossen wurde. Ist Marias Himmelfahrt eine biblische Unmöglichkeit oder haben wir Beispiele in der Schrift, die ähnlich sind? Ja, solche haben wir. Zum Beispiel Henoch: Henoch war seinen Weg mit Gott gegangen, dann war er nicht mehr da; denn Gott hatte ihn aufgenommen. (1. Mose 5,24) und auch Elija: Während sie (Elischa und Elija) miteinander gingen und redeten, erschien ein feuriger Wagen mit feurigen Pferden und trennte beide voneinander. Elija fuhr im Wirbelsturm zum Himmel empor. (2. Könige 2,11) Die Bibel berichtet uns nur von zwei solchen Himmelfahrten. Wir haben aber kein Recht zu behaupten, daß es nicht mehr gab. Wir wissen es einfach nicht. Aber eins ist jetzt klar, eine Himmelfahrt Marias ist keine Unmöglichkeit, denn sie steht nicht im Widerspruch zu Dingen, die wir in der Bibel finden. Wenn Henoch und Elija in den Himmel aufgenommen wurden, warum nicht die Mutter unseres Herrn, die in Lukas 1,42 mit den Worten „gesegnet mehr als alle anderen Frauen“ beschrieben wird? Damit ist nicht gesagt, daß Maria tatsächlich in den Himmel aufgefahren ist, aber was zuerst gegen die Bibel zu sein scheint, stellt sich als nicht so fremdartig heraus wie zuerst erwartet. Eine Himmelfahrt Marias würde also nicht im Widerspruch stehen zu Dingen, die wir sonst in der Bibel finden. Sie wäre demnach eine Möglichkeit, aber sie als Tatsache hinzustellen und sie zu einem Dogma zu machen und darauf zu bestehen, ist eine ganz andere Sache. Die Himmelfahrt Marias berührt unseren Glauben nicht wie andere Dinge, sonst wäre sie erwähnt worden – da können wir sicher sein (Anm. 1).

Ein anderes Beispiel: Viele Protestanten haben große Mühe mit der katholischen „Gewohnheit“, Maria und die Heiligen um Hilfe oder Fürbitte anzurufen. Sie lehnen so etwas entschieden ab und gebrauchen gern 1. Timotheus 2,5 als Argument: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus. Also, wird behauptet, es gibt nur Jesus Christus und keine anderen Mittler. Stimmt das? Ist der Gedanke, daß Maria und die Heiligen für uns beten, falsch und unbiblisch? Protestanten argumentieren, daß wir als Gläubige den direkten Zugang zu Gott und Jesus Christus haben und daß wir nicht über Umwege gehen müssen. Viele Stellen in der Bibel unterstreichen diese Wahrheit: Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet. (Matthäus 7,7) Wenn ihr mich um etwas in meinem Namen bittet, werde ich es tun. (Johannes 14,14) Amen, amen, ich sage euch: Was ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er euch in meinem Namen geben. (Johannes 16,23) In ihm (Christus) haben wir den freien Zugang durch das Vertrauen, das der Glaube an ihn schenkt. (Epheser 3,12) Fehlt es aber einem von euch an Weisheit, dann soll er sie von Gott erbitten; Gott wird sie ihm geben, denn er gibt allen gern und macht niemand einen Vorwurf. (Jakobus 1,5) Warum brauche ich andere, wenn ich direkt zu Gott gehen kann? Wieso mich auf andere stützen, wenn Jesus Christus für mich da ist? Darum kann er auch die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer retten; denn er lebt allezeit, um für sie einzutreten. (Hebräer 7,25) Aber: Wie viele Christen, die den Gedanken, daß die Heiligen für uns beten, ablehnen, lehnen auch die Fürbitte ihrer lebenden Mitgeschwister im Glauben ab? Ist es nicht so, daß sie auch andere bitten, für sie zu beten, wenn sie krank oder in Schwierigkeiten sind? Der Apostel Paulus war ein Mann, der die Nähe Gottes wie kaum ein anderer kannte. Er wurde in den dritten Himmel entrückt und hat Dinge gesehen und gehört, die er nicht weitergeben durfte. Wunderbare Dinge (vgl. 2. Korinther 12,2). Wenn jemand etwas von dem direkten Zugang zu Gott verstand, dann war es Paulus. Aber was finden wir in seinen Briefen? Ich bitte euch, meine Brüder, im Namen Jesu Christi, unseres Herrn, und bei der Liebe des Geistes: Steht mir bei, und betet für mich zu Gott. (Römer 15,30) Hört nicht auf, zu beten und zu flehen! Betet jederzeit im Geist; seid wachsam, harrt aus und bittet für alle Heiligen, auch für mich: daß Gott mir das rechte Wort schenkt, wenn es darauf ankommt, mit Freimut das Geheimnis des Evangeliums zu verkünden. (Epheser 6,18–19) Die Gebete anderer für ihn waren für Paulus sehr, sehr wichtig. Diese Gebete waren nicht einfach irgendwelche geistlichen Übungen für die Gläubigen – sie hatten Auswirkungen! Paulus hat nicht gesagt: Ich kann für mich selber beten. Ich brauche eure Gebete nicht!

Wenden wir uns wieder 1. Timotheus 2,5 zu, diesem Vers, der benutzt wird, Fürbitte der Heiligen zu widerlegen. Wir müssen ihn im Kontext lesen. Vor allem fordere ich zu Bitten und Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung auf, und zwar für alle Menschen, für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben, damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können. Das ist recht und gefällt Gott, unserem Retter; er will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle. (1. Timotheus 2,1–6) Widerspricht sich Paulus hier? Zuerst verlangt er, daß es Fürbitten für andere geben soll – und das bedeutet ganz schlicht und einfach, daß Gläubige als Mittler auftreten. Wenn du krank bist und mich bittest, für dich zu beten, bin ich in dem Moment, wo ich es tue, ein Mittler. Also, wenn Paulus von Christus Jesus als dem einzigen Mittler spricht, kann es sich nicht um die Frage der Fürbitte handeln – sonst würde sich die Bibel selbst widersprechen. Der Kontext macht es klar. Christus Jesus ist der einzige Mittler, wenn es um unser Heil geht, um unsere Erlösung. Er bezahlte das Lösegeld und sonst keiner. Er starb am Kreuz für mich und sonst keiner. Sein Blut wäscht mich von meinen Sünden rein und sonst nichts. Wir beten füreinander hier auf Erden. Wenn wir ehrlich sind, müßten wir auch zugeben, daß wir, wenn wir in Not sind, die Gebete aller schätzen, aber daß wir besonders die Gebete von Menschen schätzen, von denen wir wissen, daß sie heilig leben und nahe bei Gott sind. Dies ist auch durchaus biblisch. Darum bekennt einander eure Sünden, und betet füreinander, damit ihr geheiligt werdet. Viel vermag das inständige Gebet eines Gerechten. (Jakobus 5,16) Hier geht es nicht nur darum, daß ein Gerechter „effektiver“ ist in seinem Gebet für sich selbst, sondern auch für andere. Was ich bis jetzt beschrieben habe, kann sicherlich von vielen akzeptiert werden in Bezug auf auf der Erde Lebende, die für uns beten, aber man ist nicht bereit dies auf solche anzuwenden, die schon gestorben und im Himmel sind. Warum nicht? Wir haben in Jakobus 5,16 gelesen: Viel vermag das inständige Gebet eines Gerechten. Gibt es nur Gerechte auf der Erde? Haben wir Gemeinschaft nur mit solchen, die noch hier sind? Hören die Gerechten mit Beten im Himmel auf? Nein! Wir lesen über die wunderbare Beziehung, in die wir jetzt eingeführt worden sind, im Hebräerbrief Kapitel 12: Ihr seid vielmehr zum Berg Zion hingetreten, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zu Tausenden von Engeln, zu einer festlichen Versammlung und zur Gemeinschaft der Erstgeborenen, die im Himmel verzeichnet sind; zu Gott, dem Richter aller, zu den Geistern der schon vollendeten Gerechten, zum Mittler eines neuen Bundes, Jesus. (12,22–24) Wir stehen jetzt in Beziehung zu den Gerechten im Himmel. Was tun die Gerechten dort? Es sind die, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht. Deshalb stehen sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm bei Tag und Nacht in seinem Tempel. (Offenbarung 7,14–15) Sie dienen Gott Tag und Nacht. Wie? Können wir Fürbitten von ihnen für uns aus diesem Dienst ausschließen? Wer gibt uns das Recht dazu? Hier müssen wir aber ein ABER setzen. Zu glauben, daß die Gläubigen, die verstorben und jetzt im Himmel sind, für uns beten, ist eine Sache. Daß sie das tun, scheint einleuchtend zu sein und widerspricht nicht dem, was wir in der Bibel finden. Aber zu behaupten, wer für was im Himmel zuständig ist oder daß man bei ganz bestimmten Anliegen direkt Heilige anrufen muß , ist eine ganz andere Sache. Das setzt eine gewisse Allgegenwärtigkeit der Heiligen voraus – etwas, das nur Gott vorbehalten ist. Diese Anrufung der Heiligen läßt sich auch nicht in Einklang bringen mit Bibelstellen wie: Es soll unter dir niemand gefunden werden, … der die Toten befragt. (5. Mose 18,10–11) Und wenn sie zu euch sagen: Befragt die Totengeister und die Wahrsagegeister, die da flüstern und murmeln!, so antwortet: Soll nicht ein Volk seinen Gott befragen? Soll es etwa für die Lebenden die Toten befragen? (Jesaja 8,19) Es ist wahr, daß Gott ein Gott der Lebenden ist (wie Matthäus 22,32 es zum Ausdruck bringt), d.h. daß alle von Gott aus gesehen leben, aber von unserer Perspektive aus sind sie tot. Es ist falsch, wenn wir uns an sie wenden. Denn eine Anrufung der Heiligen um Hilfe geht schnell und leicht über in die Bitte um Führung und ein Fragen nach dem, was man tun soll. Die Gläubigen in der Bibel haben immer Gott gefragt. König Saul befragte den Toten in 1. Samuel 28 – er tat es, weil Gott von ihm gewichen war. Nicht alles, was die katholische Kirche lehrt oder was katholische Christen glauben, ist „erfunden“ und ohne jegliche Basis im Wort Gottes. Manche dieser Dinge stützen sich auf das Wort Gottes oder werden davon angeleitet, d. h. man zieht Schlüsse auf Grund von dem, was man sonst weißt.

Privatoffenbarungen

Aber wo man ganz bestimmt die biblische Basis verläßt, ist in Bezug auf Privatoffenbarungen Es gibt eine ganze Menge Dinge mehr innerhalb der katholischen Kirche, die in der Art, wie sie vertreten werden, so nicht in der Heiligen Schrift zu finden sind. Man kann auch nicht auf die Apostolische Tradition zurückgreifen um diese Ansichten zu verteidigen. Denn obwohl aus dem Neuen Testament klar hervorgeht, daß es eine mündliche Tradition gab (2. Thessalonicher 2,15 und 3,16), kann diese Tradition niemals im Widerspruch zum geschriebenen Wort stehen. Was eigentlich auch „Apostolische Tradition“ war, ist heute unmöglich zu sagen. Innerhalb der katholischen Kirche gibt es aber auch so genannte Privatoffenbarungen, (Anm. 2) wo (angeblich) Maria oder Engel oder Heilige Gläubigen erscheinen und (angeblich) Wahrheiten mitteilen. Aber hierüber finden wir klare Stimmen von Seiten der Kirche: Im Laufe der Jahrhunderte gab es so genannte „Privatoffenbarungen“, von denen einige durch die kirchliche Autorität anerkannt wurden … Sie sind nicht dazu da, die endgültige Offenbarung Christi zu „vervollkommnen“ …, sondern sollen helfen, in einem bestimmten Zeitalter tiefer aus ihr zu leben. (KKK Nr. 67) Kardinal Prosper Lambertini, nachher Benedikt XIV., sagt in seinem Traktat über die Selig- und Heiligsprechungen: Eine Zustimmung des katholischen Glaubens wird anerkannten Privatoffenbarungen in diesem Sinne (wie der öffentlichen, d.h. der Heiligen Schrift und Apostolischer Tradition) nicht geschuldet, und sie ist auch nicht möglich. Kardinal Pitra: Jeder weiß, daß man ganz frei ist, an Privatoffenbarungen zu glauben oder nicht, selbst bei den allerglaubwürdigsten. Auch wenn die Kirche sie approbiert, werden sie bloß als wahrscheinlich, nicht als absolut sicher hingestellt. Sie dürfen nicht dazu dienen, unter Gelehrten strittige Fragen der Geschichte, Physik, Philosophie oder Theologie zu entscheiden. (A. Poulain, „Handbuch der Mystik“, Freiburg 1925, S. 307) Dennoch sind Privatoffenbarungen für viele katholische Gläubige maßgebend und bestimmen ihren Glauben – d.h. was sie glauben. Vielleicht werden diese Privatoffenbarungen als ein Teil der Heilsmittel-Fülle angesehen, die nur in der katholischen Kirche zu finden ist. Die meisten solcher Offenbarungen haben mit Maria zu tun und führen zu ihrer Verehrung im besonderen Maße. Aber Kardinal Ratzinger hat geschrieben: Der Maßstab für Wahrheit und Wert einer Privatoffenbarung ist demgemäß ihre Hinordnung auf Christus selbst. Wenn sie uns von ihm wegführt, wenn sie sich verselbständigt oder sich gar als eine andere und bessere Ordnung, als wichtiger denn das Evangelium ausgibt, dann kommt sie sicher nicht vom Heiligen Geist, der uns in das Evangelium hinein – und nicht aus ihm herausführt. („Fatima“)

Maria

Maria nimmt einen Platz in der katholischen Kirche ein, der im Protestantismus nicht zu finden ist. Im Protestantismus wird Maria – in der Regel – fast ignoriert oder nur im Vorübergehen erwähnt, als ob man sich ihrer irgendwie schämt oder als ob sie eine gewisse Peinlichkeit darstellt. Dieses „Fehlende“ innerhalb des Protestantismus ist etwas, das viele Katholiken sicherlich in ihrem Empfinden stärkt, daß nur in der katholischen Kirche die Fülle zu finden ist. Katholiken haben etwas, das Protestanten nicht haben – eine besondere Beziehung zu Maria. Wie wir eingangs gesehen haben, sagt die katholische Kirche, daß alle wahren Gläubigen eigentlich zur katholischen Kirche gehören. Die Gläubigen, sagt die Kirche, die nicht formell zur römisch-katholischen Kirche gehören, sind zwar Christen, aber sie sind nicht da, wo es die Fülle der Gnade gibt. Nur in der römischen Kirche kann man sie finden. Dies stelle ich in Frage. Etwas innerhalb der katholischen Kirche und im Bewußtsein der katholischen Gläubigen fehlt. Etwas von wesentlicher Bedeutung. Um dieses „Fehlende“ klar zu machen, muß man anderswo anfangen, nämlich mit Maria. Die Kirche lehrt deutlich, daß die Bibel die Quelle des Glaubens ist. Daraus wird die Lehre, die die Kirche vertritt und verteidigt, geschöpft. Um Maria herum gibt es einen regelrechten Kult in der katholischen Kirche. Wie biblisch ist das? Über Maria selbst steht in der Bibel sehr, sehr wenig. Nur ein Minimum an Information wird uns mitgeteilt. Das müssen alle zugeben, die sich mit der Materie beschäftig haben. Die Kirchenväter Irenäus, Origenes, Chrysostomus, Tertullian, Ambrosius, Cyrill von Alexandria und Basilios haben Maria als jemand betrachtet, der Zweifel, Eitelkeit und Ambitionen gehabt hat – wie jeder andere Mensch. Chrysostomus verstand die Worte des Herrn an seine Mutter in Johannes 2,4 „Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau?“ als einen Tadel (Anm. 3) Es war Augustinus, der davon schrieb, daß Maria frei von persönlicher Sünde war. Später wurde dies in die Behauptung gewandelt, daß sie frei von der Erbsünde war. Dies geschah zum ersten Mal durch Eadmen im 12. Jahrhundert. Diese Sicht wurde durch Männer wie Thomas von Aquin, Bonaventura, Lombard und Alexander von Hales in Frage gestellt. Als Lehre der unbefleckten Empfängnis (ohne Sünde empfangen)(Anm. 4) wurde sie gefestigt durch Johannes Duns Scotus (1264–1308). Von dieser Lehre ausgehend behauptete man, daß Maria alle Gaben, Kenntnis und Früchte in ihrer Fülle besitze und daß sie höher als die Menschen und Engel sei.

Maria – zweite Eva

Die Kirchenväter Justin der Märtyrer und Irenäus scheinen in vieler Hinsicht eine Richtung angegeben zu haben, die für das spätere und jetzige Verständnis Marias maßgebend war. Sie fingen an, ein Vorbild von Maria in Eva zu sehen. Da Jesus Christus der letzte Adam ist, muß er auch eine „Eva“ haben, so wurde argumentiert. Wenn gewisse Dinge Christus widerfahren sind, weil er der letzte Adam ist, dann muß es auch so sein für „Eva“ (Anm. 5). Dies ist an und für sich richtig, nur der Fehler lag darin, daß Eva ein Vorbild der Kirche und nicht Marias ist! Eva ist aus dem „Schlaf“ Adams entstanden wie die Kirche aus dem Tod und der Auferstehung des Herrn Jesus und der Niederkunft des Heiligen Geistes, nicht Adam aus Eva. Eva ist die Braut Adams, nicht seine Mutter. Die Kirche ist die Braut Christi und niemals Maria! Maria ist NICHT die Frau an der Seite des Herrn. Die Kirche ist es! Wenn Maria das Gegenstück Evas ist und auch ein Bild der Kirche, dann wäre sie gleichzeitig Mutter und Braut des Herrn! Man ging so weit, daß man sogar einen biblischen Text geändert hat. In 1. Mose 3,15 heißt es: „Feindschaft setze ich zwischen dich (Schlange) und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er (der ‚Nachwuchs‘ der Frau) trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse.“ Man übersetzte so, als ob es die Frau (Maria) ist, die den Kopf der Schlange trifft (Anm. 6) – etwas, das das hebräische Original überhaupt nicht zuläßt. Man kann es so nicht übersetzen!

Maria – Mutter Gottes

„Mutter Gottes“ ist eine Bezeichnung für Maria, mit der Protestanten ihre Schwierigkeiten haben. Diese Bezeichnung wurde beim Konzil von Chalcedon im Jahr 451 festlegt. Sie ist auch legitim, wenn man den Grund richtig versteht. Es ging um die Person des Herrn Jesus Christus, daß er wirklich Gott und Mensch ist. Was man mit dieser Bezeichnung unmißverständlich zum Ausdruck bringen wollte, war, daß die Person, die Maria zur Welt brachte, Gott war und nicht nur ein Mensch – nicht daß Maria der Ursprung von Gott gewesen wäre.

Maria – Mutter aller Gläubigen

Wesentlich schwieriger wird es in Bezug auf Maria – Mutter aller Gläubigen. Die Vermischung von Maria mit Eva brachte andere Schwierigkeiten und falsche Schlußfolgerungen hervor. In der katholischen Kirche wird Maria als die Mutter aller Gläubigen gesehen (eine Auffassung, die erst im Mittelalter aufkam). Weil Maria die Mutter des Herrn ist und weil er unser „Bruder“ ist, so muß Maria auch unsere Mutter sein. Johannes 19,2–27 wird sehr gern in diesem Zusammenhang benutzt. Der Herr sagt zu seinem Jünger Johannes über Maria: „Siehe, deine Mutter“. Man hat die Gläubigen in Johannes verkörpert gesehen. Die Gläubigen bekommen Maria als Mutter. Sie nimmt sie jetzt unter ihren Schutz. Aber wir lesen in der Stelle in Johannes: „von jener Stunde an nahm der Jünger sie (Maria) zu sich“ (Vers 27). Hier wird nicht der Gedanke vermittelt, daß Maria die Gläubigen schützt, sondern daß Maria – die jetzt allein ist – der Sorge von jemand anderem anvertraut wird. Wer für uns Gläubige „sorgt“, hat der Herr selbst in seiner „Abschiedsrede“ genau definiert: Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, daß er bei euch sei in Ewigkeit, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht noch ihn kennt. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein. Ich werde euch nicht verwaist zurücklassen, ich komme zu euch. (John 14,16–18) Wir werden nicht Maria anbefohlen, sondern dem Geist Gottes – der uns in die Wahrheit über Christus und den Vater führt. Wir sind keine Waisen. Nicht, weil wir Maria als Mutter haben, sondern weil wir Gott als Vater haben! Der Herr Jesus, als er im Begriff war, diese Erde zu verlassen, hat uns dem Vater anvertraut und niemals Maria. Und ich bin nicht mehr in der Welt, und diese sind in der Welt, und ich komme zu dir. Heiliger Vater! Bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, daß sie eins seien wie wir! (Johannes 17,11) Da Eva die Mutter aller Lebenden ist (1. Mose 3,20), glaubte man berechtigt zu sein, sagen zu können, daß Maria die Mutter aller Lebenden in Christus ist. Aber man sucht vergebens im Neuen Testament eine Rechtfertigung für diese Ansicht. Der Herr Jesus bezeichnete seine Jünger als seine „Mutter“ (Matthäus 12,46–50). Wenn Maria wirklich diese hohe Stellung als Mutter aller Gläubigen gehabt hätte, wäre es unmöglich gewesen, sie einfach unter die anderen Gläubigen einzureihen (Anm. 7). Der Apostel Paulus sagt uns: „So steht auch geschrieben: ‚Der erste Mensch, Adam, wurde zu einer lebendigen Seele‘, der letzte Adam zu einem lebendig machenden Geist.“ (1. Korinther 15,45) und, daß in Christus alle lebendig gemacht werden (1. Korinther 15,22). Das kann man im geistlichen und im körperlichen Sinn (Auferstehung) verstehen, wie auch der Abschnitt in Johannes 5 klar macht. Ich zitiere hier nur die Verse 21 bis 23: Denn wie der Vater die Toten auferweckt und lebendig macht, so macht auch der Sohn lebendig, welche er will. Denn der Vater richtet auch niemand, sondern das ganze Gericht hat er dem Sohn gegeben, damit alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Immer wieder kommt es auf den Vater zurück, nicht auf Maria. Die Geburt des Herrn durch Maria war eine fleischliche, materielle, aber das Leben, das Christus uns vermittelt, ist sein geistliches Leben (das er vom Vater hatte) – „Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts.“ (Johannes 6,63.) Unser Leben durch Christus geht zurück auf den Vater, NICHT auf Maria! Der Apostel Paulus schreibt: Denn ihr alle seid Söhne Gottes durch den Glauben an Christus Jesus. (Galater 3,26) Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der nach seiner großen Barmherzigkeit uns wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten. (1. Petrus 1,3) Es gibt sehr viele Stellen und Abschnitte im Neuen Testament, die unsere Gotteskindschaft behandeln. Keine, nicht eine einzige, wird nur im Entferntesten mit Maria in Verbindung gebracht. Nicht einmal eine Andeutung haben wir (abgesehen vielleicht von Offenbarung 12,17, aber dazu siehe unten.) Wenn Menschen zum Glauben an Gott kommen, werden sie von Gott geboren. Gott kann dies direkt durch sein Wort bewirken, aber in der Regel benutzt er andere, die schon gläubig sind, die zu seiner Kirche gehören, um Menschen zum Glauben zu führen. In dieser Hinsicht kann man von der Kirche als „Mutter“ sprechen. Der Kirchenvater Cyprian hat gesagt: „Niemand kann Gott zum Vater haben, der die Kirche nicht zur Mutter hat“ (Cyprian, De unit. 6: PL 4, 519.). Was die katholische Kirche auch bewegt zu sagen: „Die Kirche ist die Mutter aller Glaubenden.“ Aber dieses Mutter-Sein ist nur im übertragenen Sinn wahr. Die Apostel und die ersten Christen in Apostelgeschichte 2 haben ganz bestimmt die Kirche nicht als Mutter gehabt, denn sie haben am Anfang die Kirche selbst dargestellt, zu der die Gläubiggewordenen hinzugefügt wurden (Apg. 2, 41,47). Jedenfalls wird Maria in der Bibel NIE mit dem Gedanken in Verbindung gebracht, daß sie unsere Mutter ist, weil sie angeblich ein Bild der Kirche ist. Wenn in der Bibel die Rede von „Mutter“ in Verbindung mit den Gläubigen gebracht wird, dann nicht mit Maria. Der Apostel Paulus schreibt in Galater 4,26: „Das Jerusalem droben aber ist frei, und das ist unsere Mutter.“ Er schreibt dies als im Gegensatz zu Jerusalem auf der Erde. So auch in Hebräer 12,22: Ihr seid gekommen zum Berg Zion und zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem. Dies läßt sich leicht verbinden mit dem, was der Apostel Paulus in Philipper 3,20 schreibt: Denn unser Bürgerrecht ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Retter erwarten. „Jerusalem“ wird unsere „Mutter“ genannt, weil wir zu ihr gehören, weil wir dort zuhause sind. (Wie die Bösen die Stadt „Babylon“ als Mutter haben, steht in Offenbarung 17,5.) Aber sie wird auch beschrieben als etwas, das nicht jetzt auf der Erde ist – also nicht gleichzusetzen ist mit der Kirche als Institution (auch nicht mit Maria, die noch auf der Erde war). Die Sicht, Maria als Mutter der Gläubigen zu betrachten, ist eine spätere Entwicklung. Wenn Maria von Gott aus gesehen wirklich die Mutter der Gläubigen ist, dann war sie das auch bevor sie starb und in den Himmel aufgenommen wurde. Aber in keinem einzigen Brief im Neuen Testament wird Maria erwähnt. Keine Lehre der Apostel wird irgendwie mit ihr in Verbindung gebracht. Auch in der Apostelgeschichte wird über sie nichts gesagt, nur daß sie mit den anderen im „Obersaal“ anwesend war. Der Gedanke, der die gesamte Schrift durchläuft – Altes und Neues Testament – ist nicht „Mutter“, sondern „Braut“. Die Braut Gottes im Alten Testament ist die „Tochter Zion“ (nicht „Tochter von Zion“, sondern Zion ist die Tochter) im Neuen Testament heißt sie das „neue Jerusalem“, (Offenbarung 21,2, 9–11). Diese Braut wird als Jungfrau beschrieben: Denn ich eifere um euch mit Gottes Eifer; denn ich habe euch einem Mann verlobt, um euch als eine keusche Jungfrau vor den Christus hinzustellen. (1. Korinther 11,2) Aber sie wird nicht Jungfrau bleiben. Sie wird vermählt. Es gibt die Hochzeit des Lammes (Offenbarung 19,7). Man kann sagen, daß die Geschichte der Bibel die Geschichte von einem Vater (Gott-Vater) ist, der eine Braut (die Kirche) für seinen Sohn (den Sohn Gottes) sucht. Maria wird nie als Braut Gottes definiert oder mit Jerusalem gleichgesetzt. Das ist immer die Summe der Gläubigen. Die intimste Beziehung, die es gibt, ist zwischen Mann und Frau, niemals zwischen Mutter und Kind. Aus diesem Grund benutzt Gott auch dieses Bild um seine Beziehung zu den Gläubigen zu beschreiben. Mann und Frau sind ein Fleisch – Christus und die Seinen auch.

Maria – Königin

Der Abschnitt in Offenbarung 12, wo eine Frau im Himmel eine Krone trägt, wird oft auf Maria gedeutet. Dieser Abschnitt – kurz gesagt – ist sehr schwierig.8 Von katholischer Seite wird er auch nicht ohne weiteres auf Maria angewandt. Das ist aber jetzt hier nicht so wichtig, da ich mehr auf das eingehen will, was man davon ableitet. Wenn Christus König ist – und das ist er –, dann muß Maria die Königinmutter sein. So wird argumentiert. Man greift (angebliche) Vorbilder im Alten Testament auf als Rechtfertigung für eine Lehre über Maria, die einfach nicht wahr ist. Weil die Königinmutter im Altertum die Beraterin des Königs und Fürsprecherin des Volkes war, muß es Maria angeblich auch sein. Gerne benutzt man die Stelle, wo Bathseba ihren Sohn König Salomo für Adonija bittet (1. Könige 2,17–19). Nur was man weniger betont, ist, daß diese Bitte abgeschlagen wurde! Man behauptet, daß Maria zur Rechten des Herrn sitzt, weil man solche Beispiele im Altertum findet. In der Bibel werden tatsächlich die Mütter von einigen Königen erwähnt, aber klar und deutlich ist, daß die Betonung auf die Väter und die Könige selbst gelegt wird. Aber in Bezug auf Christus ist es anders. Da ist die Mutter nicht automatisch Königinmutter. Der Herr hatte zu seinen Jüngern gesagt: Er spricht zu ihnen: Meinen Kelch werdet ihr zwar trinken, aber das Sitzen zu meiner Rechten und zu meiner Linken zu vergeben, steht nicht bei mir, sondern ist für die, denen es von meinem Vater bereitet ist. (Matthäus 20,23) Man sagt, daß „es nichts im Himmel gibt, was nicht der Jungfrau durch ihren Sohn untertan wäre“. Aber wir lesen in 1. Korinther 15,25: „Denn er (Christus) muß herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat.“ Und in Epheser 1,22 „Alles hat er (Gott) ihm (Christus) zu Füßen gelegt und ihn, der als Haupt alles überragt, über die Kirche gesetzt.“ Wenn jemand mit Christus herrscht, dann die Kirche, seine Braut – aber nicht Maria als eine extra Person (sie ist ein Teil der Kirche und herrscht mit den anderen mit). Wer überwindet, dem werde ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe. (Offenbarung 3,21)

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 18. März 2008 um 11:52 und abgelegt unter Kirche, Theologie.