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Stellungnahme zum Antidiskriminierungsgesetz (ADG)

Fachgruppe Juristen der Akademiker-SMD, Marburg
Stellungnahme zum Antidiskriminierungsgesetz (ADG)

Die Fachgruppe Juristen der Akademiker-SMD hat sich zum Ziel gesetzt, als Christen aktuelle juristische Themen zu erörtern und ihre Ergebnisse in die gesellschaftliche Diskussion einzubringen. Wir haben uns mit der Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien der Europäischen Union befasst und nehmen zu dem Aspekt der Benachteiligung wegen Religion oder Weltanschauung wie folgt Stellung:

1. Als Christen begrüßen wir, dass eine gesetzliche Regelung geschaffen wird, die Benachteiligungen unterbindet. Ein wesentliches Merkmal des christlichen Glaubens ist es, der Diskriminierung von Menschen zu widersprechen. Jeder Mensch ist als Person von Gott bejaht, unabhängig von Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Behinderung, Alter, sexueller Ausrichtung, Weltanschauung und Religion.

2. Die EU-Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 verbietet eine Diskriminierung u.a. wegen Religion oder Weltanschauung. Ihr Geltungsbereich ist beschränkt auf Beschäftigung und Beruf (Zugang zu Ausbildung und Erwerbstätigkeit, Beschäftigung- und Arbeitsbedingungen, Mitgliedschaft in Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden). Wir plädieren für eine Ausdehnung dieser Schutznorm auf den allgemeinen Zivilrechtsverkehr, wie sie in § 19 Abs.1 ADG-Entwurf (Bundestagsdrucksache 15/4538 in der Fassung vom 18.03.2005) vorgesehen war. Ansonsten wäre ein wesentlicher Bereich des rechtlichen Lebens aus dem Benachteiligungsverbot ausgeklammert. Zugleich wird dadurch das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 GG auf Glaubensfreiheit und das Recht zur freien Religionsausübung gestärkt.

3. Allerdings werden sich im allgemeinen Zivilrecht in Fällen der geltend gemachten Benachteiligung häufig zwei Bürger als Grundrechtsträger gegenüber stehen (insb. bei Mietverträgen). Dabei ist auch das Grundrecht auf Glaubensfreiheit desjenigen zu schützen, der mit dem Vorwurf der Diskriminierung belastet wird. Der Gesetzgeber muss beachten, dass jede Begrenzung der Vertragsfreiheit zum Schutz des einen Teils gleichzeitig in die Freiheit des anderen Teils eingreift; er muss diesen konkurrierenden Grundrechtspositionen ausgewogen Rechnung tragen (BVerfG, Beschluss vom 07.02.1990, 1 BvR 26/84; Urteil vom 06.02.2001, 1 BvR12/92).

4. Nach § 20 Satz 2 Ziffer 4 ADG-Entwurf ist eine Ungleichbehandlung, die an die Religion oder Weltanschauung eines Menschen anknüpft, zulässig, wenn sie durch eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft erfolgt. Wir befürworten eine Ausdehnung dieser Regelung auf den einzelnen Bürger, damit dieser sein Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 GG wahrnehmen kann.

5. Wir schlagen darum folgende Formulierung für § 20 Satz 2 Ziffer 4 des ADG vor: „…, wenn die unterschiedliche Behandlung … an die Religion oder Weltanschauung eines Menschen anknüpft und im Hinblick auf die Ausübung der Religions- oder Weltanschauungsfreiheit oder auf das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und der Religionsgemeinschaften, der ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform sowie der Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, unter Beachtung des jeweiligen Selbstverständnisses gerechtfertigt ist.“

6. Das Ziel, Diskriminierung zu beseitigen, kann nicht allein durch ein Gesetz erreicht werden. Vielmehr muss sich das Bewusstsein der Bevölkerung im Umgang mit dem Andersartigen verändern. Dazu wollen wir als Christen aktiv beitragen.

Fachgruppe Juristen der Akademiker-SMD, Marburg, 29.03.2006

Dorothea Hein-Schilling, Regierungsdirektorin, Mettmann
Michael Kranz, Regierungsdirektor, Herzogenrath
Klaus Schilling, Pfarrer, Mettmann
Horst S. Schmidt, Rechtsanwalt, Osnabrück
Ulrich Schlappa, Leiter der Akademiker-SMD, Marburg
Susanne Terborg, Vorsitzende Richterin am Landgericht, Jena