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Ehe und gleichgeschlechtliche Partnerschaft

Montag 5. Mai 2008 von Prof. Dr. Paul Kirchhof


Prof. Dr. Paul Kirchhof

Ehe und gleichgeschlechtliche Partnerschaft
Wachstum und Zukunft hängen von unseren Kindern,
also unseren Ehen ab

Der Europäische Gerichtshof hat sich mit der Frage befaßt, ob der überlebende Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft bei der Hinterbliebenenversorgung aus einer privaten Altersversicherung einem überlebenden Ehegatten gleichgestellt werden muß. Der konkrete Fall dahinter: Ein Kostümbildner hatte sich 1969 bei der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen versichert, begründete 2001 eine Lebenspartnerschaft nach dem Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft vom 16.Februar 2001; im Jahr 2005 verstarb er. Der überlebende Partner beantragte bei der Versorgungsanstalt Witwerrente. Nach der Satzung leistet die Anstalt jedoch Hinterbliebenenversorgung nur an Ehepartner.

Der Lebenspartner fühlt sich durch diese Regelung wegen seiner sexuellen Ausrichtung diskriminiert und beantragt deshalb Gleichstellung mit Eheleuten. Er verweist darauf, daß Lebenspartner einander zu gemeinschaftlicher Lebensgestaltung, zu Fürsorge und Unterstützung verpflichtet seien, sie müßten deshalb den Ehegatten gleichgestellt werden.

Der Europäische Gerichtshof stellt fest, das deutsche Lebenspartnerschaftsgesetz unterscheide zwischen Lebenspartnerschaft und Ehe, beabsichtige jedoch eine schrittweise Annäherung. Das Sozialgesetzbuch stelle die Lebenspartnerschaft hinsichtlich der Witwen- oder Witwerrente der Ehe gleich.

Bei dieser Analyse des geltenden deutschen Rechts lehnt sich der Gerichtshof im Wesentlichen an die Auffassung des vorlegenden deutschen Gerichts, des Bayerischen Verwaltungsgerichts München, an. Im Ergebnis bleibt jedoch offen, ob Ehegatte und Lebenspartner bei der Hinterbliebenenversorgung in ihren Bedürfnissen, Leistungen und Berechtigungen in einer vergleichbaren Lage sind. Es sei Sache des vorlegenden Gerichts, eine solche Vergleichbarkeit zu prüfen und festzustellen.

Dieser Prüfungsauftrag veranlaßt grundsätzliche Erwägungen zur Rechtsstellung von Ehegatten und Lebenspartnern und den sich daraus ergebenden familienrechtlichen und wirtschaftlichen Folgen. Gerade für die Hinterbliebenenversorgung sind Ehegatte und gleichgeschlechtliche Partner grundverschieden: Die Ehegatten sind grundsätzlich zukünftige Eltern, die in ihren Kindern den Generationenvertrag garantieren. Die gleichgeschlechtliche Partnerschaft bringt dagegen keine Kinder hervor; sie gibt also dem Generationenvertrag für die Zukunft keine Schuldner.

Das heißt, nur die Eltern schaffen mit ihren Kindern und deren Erziehung die Voraussetzung, daß die aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Menschen auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung rechnen dürfen, weil ihre Kinder nunmehr zu den Leistungsträgern unseres Wirtschaftssystems geworden sind, sie damit dem Geld seinen Wert, dem Versicherungsanspruch seinen Schuldner, unserer Erwerbsgemeinschaft die erwerbstätige Generation geben.

Hätten wir nur gleichgeschlechtliche Partnerschaften, wäre das Geld ein Stück Papier, das kein Einlösungsvertrauen verdient; der Versicherungsanspruch wäre ein leeres Recht, und unser Wirtschaftssystem ein Unternehmen ohne Arbeitnehmer und Unternehmer.

Auch bei den Beitragsleistungen sind Eltern und Lebenspartner verschieden. Die Eltern erbringen ihre Beiträge neben dem Kindesunterhalt, die Lebenspartner hingegen ohne Finanzverpflichtungen gegenüber der nächsten Generation.

Selbst wenn die private Versicherung durch die Beitragszahlung auch der Nichtverheirateten einen Kapitalstock ansammelt, der dann im Versorgungsfall ausgezahlt wird, ist auch dieses System auf Kinder und damit auf Ehen angewiesen. Denn das angesammelte Geld wäre ohne die nächste Generation eine belanglose Zahl auf dem Konto eines Versicherungsunternehmens.

Geld bildet nur dann einen wirtschaftlichen Wert ab, wenn diese Generation im Alters- und Versorgungsfall das in dem Geld enthaltene Einlösungsversprechen erfüllt. Die Geldwirtschaft begründet einen eigenen Generationenvertrag: Der Wert des Geldes folgt nicht aus dem heutigen Konsumverzicht des Sparers, sondern aus der Leistungskraft der folgenden Generation, die den heute versprochenen Wert in ihrer zukünftigen Produktivität und Prosperität garantiert.

Insoweit gibt die Diskussion über das Nebeneinander von Ehen und Lebenspartnerschaften Anlaß, unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft bewußt zu machen, daß Wachstum und Zukunft von unseren Kindern, also von unseren Ehen abhängen. Der bloße Vergleich gegenwärtigen Finanzbedarfs einzelner Personen ist zu eng. Die Rechtsfrage betrifft eine Grundsatzperspektive, die den Blick in die Zukunft richtet.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 5. Mai 2008 um 16:08 und abgelegt unter Ehe u. Familie, Gesellschaft / Politik, Sexualethik.