„Familien-Bande“ – Predigt über Markus 3,31-35
Sonntag 5. Oktober 2025 von Pastor Gero Cochlovius

Liebe Gemeinde,
das war ein wildes Durcheinander, ein Drunter und Drüber, sag ich euch! „Familien-Bande“, so heißt das Spiel, das wir am Freitagabend bei unserer Vorkonfirmandenfreizeit in Krelingen spielten. Dabei bekommen alle Vorkonfis einen Zettel zugelost mit ähnlich klingenden Familiennamen: Meier, Reiher, Geier, besonders treffend: Schreier… Und dazu steht die Angabe drauf, wer sie in dieser Familie sind: Vater, Mutter, Sohn, Tochter, Opa, Baby oder Dackel. Auf Kommando müssen alle gleichzeitig versuchen, durch lautes Rufen ihre Familienangehörigen zu finden. Das ist wahrlich ein lautes Schreien und Rufen! Irgendwann haben sich die Familien gefunden. Und das Gelächter ist groß, wenn die zierliche Emely plötzlich Opa Meier ist, und der coole Alex ist Baby Reiher, und der Pastor ist Dackel Beier. Und wie im richtigen Leben kann man sich die Familie nicht aussuchen. Und plötzlich sind die Vorkonfis mit Leuten zusammen in einer Gruppe, die sie vielleicht bisher gar nicht besonders mochten. Familie kann man sich eben nicht aussuchen. Seine Brüder und Schwestern kann man sich nicht aussuchen.
„Familien-Bande“ heißt heute unser Thema. Und das kann man ja wirklich doppeldeutig sehen. Man kann da erst mal an so eine richtige Bande denken, eine wilde Gaunerbande. So kann man Familie manchmal erleben. Wo es drunter und drüber geht. Im Judentum erzählt man sich gelegentlich diesen kleinen Spaß über das jiddische Wort für Familie, Verwandtschaft, das heißt „Mischpoke“. Ein kleiner jüdischer Junge, der das nicht weiß, fragt seinen Vater: „Papa, was ist eigentlich Mischpoke? Ist das was zum Essen?“ Darauf der Vater: „Nee, das ist was zum Kotzen.“ Eine ein bisschen derbe Umschreibung für „Familien-Bande“!
Aber Familienbande ist ja vom Wort her eigentlich ganz positiv gemeint: Bande im Sinne von Verbindung, ein enges Band. Familie: das ist das, wo man zusammenhält, wo man miteinander verbunden ist, durch Höhen und Tiefen. Und diese Sehnsucht nach so einer Familie ist in uns tief verwurzelt. Gerade diese Woche wurde die neueste Umfrage zum Thema: „Welche Werte sind den Deutschen am wichtigsten?“ veröffentlicht. Und da ist „Familie“ ganz vorne, direkt nach „Gesundheit“ auf Platz 2. Ernüchternd: „Glaube“ landet weit abgeschlagen fast am Schluss auf Platz 17. Aber Familie! Das brauchen wir. Wir sehnen uns nach heiler Familie. Und wissen doch: Nicht immer gelingt es. Schon in der Bibel sehen wir sehr traurige Familiengeschichten mit Neid und Missgunst, sogar mit Mord und Totschlag. Denken wir an Kain und Abel, Jakob und Esau oder Josef und seine Brüder. Und wie war das bei Jesus und seiner Familie? Heile Welt? Pure Harmonie? Lauter Sonnenschein und Sonntagsbraten? Von wegen! Wir hören den Predigttext aus Markus 3 über die Familie Jesu. Seine irdische Familie – und noch eine ganz andere Familie.
31 Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. 32 Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir. 33 Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? 34 Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! 35 Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.
Jesus macht klar: Es gibt offensichtlich nicht nur die leibliche Familie, wo es mal gut läuft und mal nicht. Sondern noch eine andere, eine geistliche Familie. Ich nenne sie mal „Gottes Familie“. Die ist noch wichtiger als unsere leibliche Familie! Sie ist in jedem Fall eine lebenswichtige Ergänzung zu unserer leiblichen Familie, denn sie allein überdauert den Tod und ist ewig. Und in manchen Fällen, nämlich da, wo es in der leiblichen Familie lauter Not und Elend, Zerbruch und Scherben gibt, da kann die Familie Gottes auch ein tröstlicher, wertvoller Ersatz für die kaputte eigene Familie sein. Doch wer gehört zur Familie Gottes? Wer gehört zur Familie Jesu? Eine dreifache Antwort, drei Schritte
1) Gottes Sohn hören; 2) Gottes Kind werden; 3) Gottes Willen tun
1) Gottes Sohn hören
Die eigene Familie Jesu kam mit Jesus anfangs wirklich nicht gut klar. Wenn ich mich in sie hineinversetze, kann ich das gut nachempfinden. Sie kannten ja Jesus von klein auf: als Säugling, der in die Windeln gemacht hat, der gejammert hat, als Kind, das vielleicht hingefallen ist, sich das Knie aufgeschlagen hat und von Mama getröstet wurde. Und nun ist er erwachsen, und alle Welt läuft ihm nach. Statt sich weiter um den Zimmermannsbetrieb seiner Familie zu kümmern, zieht der Kerl durch die Lande und predigt. Und seine Jünger! Das waren teilweise üble Gesellen, Halsabschneider und Rebellen! Und er zog diese wilde Bande offenbar der Familienbande vor! Nein, so was! Was für ‘ne Schande, seine Bande! Seine jüngeren Geschwister und auch seine Mutter waren sauer und wütend. Ein paar Verse vorher, V.21, heißt es sogar: „Und als es seine Angehörigen hörten, machten sie sich auf und wollten ihn ergreifen; denn sie sprachen: Er ist von Sinnen, er ist verrückt geworden!“ Seine Familie sagt: Der ist verrückt! Der ist bekloppt!
Hatte Maria denn alles vergessen? Die Ankündigung des Engels: dein Sohn wird „Sohn des Höchsten“, „Sohn Gottes“, genannt werden! Hatte nicht Jesus schon als Teenager mit 12 Jahren deutlich gemacht, als er im Tempel die Heilige Schrift erklärte und seine Eltern ihn überall in Jerusalem gesucht hatten: Meine liebe Familie, ihr seid zwar meine Gastfamilie, aber in Wahrheit gehöre ich zu einem anderen Vater, zu meinem Vater im Himmel. „Wisst ihr denn nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“ (Lukas 2,49). Und nun nach den vielen Jahren, alles vergessen! Warum? Weil sie Jesus nicht mehr hörten, weil sie nicht mehr seine Nähe suchten, obwohl sie ihm so nah standen! Ein Wort bringt es so erschütternd zum Ausdruck: Sie standen draußen. Sie sind also „Außenstehende“. Zweimal wird das in dem kurzen Abschnitt betont! Draußen!!! Statt selbst zu ihm zu gehen, schickten sie zu ihm, statt ihn zu hören, wollten sie, dass er auf sie hört! „Sie ließen ihn rufen.“ Das ist doch erschütternd!
Das muss uns doch wachrütteln, gerade dann, wenn wir Jesus eigentlich nahestehen, aber ihm vielleicht gerade deshalb manchmal gar nicht mehr nahe sind. Weil er uns viel zu selbstverständlich geworden ist. Weil wir ihn schon viel zu lange kennen. Weil wir, statt auf ihn zu hören, wollen, dass er auf uns hört! Könnte es passieren, dass wir, die wir sogar oft zum Gottesdienst kommen, vielleicht sogar in der Gemeinde mitarbeiten, vielleicht sogar predigen, ihm gar nicht mehr nahe sind? Dass seine engsten Angehörigen allmählich gar nicht mehr zu ihm gehören, weil sie ihn nicht mehr hören! Und dann heißt es plötzlich: Sie stehen draußen! Mensch, bleib doch nicht draußen, sondern geh rein, dicht ran an Jesus und hör hin, hör ihn, hör auf ihn, dann gehörst du zu ihm, dann gehörst du ihm! Dann gehörst du zur Familie. Nicht wenn du ein religiöser Mensch bist oder religiös erzogen wurdest. Ich habe mal jemanden gefragt: Glauben Sie an Jesus? Und bekam als Antwort: „Ja, Herr Pastor, ich bin auch religiös erzogen worden!“ Aber so gehören wir nicht zur Familie Gottes! Nur wenn wir zu Jesus, dem Sohn Gottes, eine Beziehung, eine Verbindung haben, eine „Familienbande“ haben und sein Wort, die Bibel, hören und auf ihn hören.
2) Gottes Kind werden
33 Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? 34 Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder!
Wer zur Familie Jesus gehören möchte, muss drinnen sein, muss Gottes Kind werden! Ist ja klar: Wenn Gott unser Vater ist, ist Jesus unser Bruder, denn Jesus ist ja der Sohn Gottes. Und Paulus sagt das sehr klar in Römer 8: Die, die Gott lieben, die hat er dazu bestimmt, „dass sie gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern und Schwestern.“ Anders gesagt: Wenn Gott unser Vater ist, ist Jesus unser Bruder – zwar hervorgehoben und unterschieden als der „Erstgeborene“ oder der „eingeborene Sohn“, wie wir es im Glaubensbekenntnis sagen, aber eben unser Bruder.
Und umgekehrt gilt: Nur der kann zu Gott „Vater“ sagen, der Jesus als Bruder hat! Da hilft niemand sonst, kein Mohammed, kein Konfuzius oder Dalai Lama oder sonst wer und schon gar nicht das eigene fleißige Bemühen: nach dem Motto aus Goethes Faust: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen!“ Nein, so nicht. Nur wenn Jesus unser Bruder und Erlöser ist! Wie wird Jesus unser Bruder, wie kommen wir in Gottes Familie? Nun, der normalste Weg, in eine Familie zu kommen, ist sogar in unsrer Zeit noch: in sie hinein geboren zu werden. Und genauso kommen wir in Gottes Familie: Jesus sagt: „Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde (…), so kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ (Joh. 3,5) Geboren werden – das kann man nicht selbst machen. Das wird einem geschenkt! Ein Geschenk. Und nun gibt es einen Unterschied zur natürlichen Familie: Da wirst du nicht gefragt, ob du geboren werden willst. Das passiert einfach. Und schwupps, eh du dich versiehst, bist du auf einmal da, in dieser Welt und deiner Familie. Aber bei Gottes Familie wirst du sogar gefragt. Dir wird dieses Geschenk der neuen Geburt angeboten. Und wie bei Geschenken üblich, kannst du es annehmen oder ablehnen. Und so ist heute die Frage: Bist du wiedergeboren?
Und selbst die, die im Moment noch draußen stehen, könnten ja doch noch zur Familie Gottes dazu stoßen, könnten noch zu Jesus kommen! Denk doch nicht: Das wird eh nichts mehr. Bei der irdischen Familie Jesu war das so. Auch wenn sie hier noch voller Ablehnung und Verachtung für ihn war, und an andrer Stelle sogar ausdrücklich steht: „Und auch seine Brüder glaubten nicht an ihn.” (Joh. 7,5), Jesus hatte sie ja dennoch lieb! Und seine Liebe war stärker als ihre Ablehnung. Denken wir daran, wie er selbst in seiner Todesstunde noch voller Liebe an seine Mutter Maria gedacht hat und für sie gesorgt hat, indem er seinen Jünger Johannes beauftragt hat: „Siehe, das ist deine Mutter. Sorge für sie!“ Und Maria fand ja zum Glauben und hielt sich nach der Auferstehung Jesu zur Gemeinde (Apg. 1). Und die irdischen Brüder Jesu, Jakobus z.B., fanden auch zum Glauben an Jesus, wurden sogar von Paulus zu den „Säulen der Gemeinde“ gerechnet. Dieser Jakobus starb im Jahr 62 sogar für seinen Glauben an seinen Bruder Jesus den Märtyrertod. Er wurde von der Zinne des Tempels heruntergestoßen wurde und weil er noch nicht tot war, noch gesteinigt, wie die Geschichtsschreiber Flavius Josephus und Eusebius berichten. Ist das nicht faszinierend, wie Jesu irdische Familie bei aller Ablehnung doch noch zu seiner wahren Familie dazu gestoßen ist? Das macht auch Mut, wenn bei uns selber Familienangehörige noch nicht dazu gehören, noch draußen stehen! Lassen wir nicht nach, für sie zu beten, sie zu lieben. Und wo es tiefe Brüche in den Familien gibt, wo Beziehungen kaputt sind, da finden wir doch auch darin Ermutigung und Trost, dass wir ja mit Gottes Familie eine ganz neue Familie haben, dass wir ganz neue Brüder und Schwestern kennen lernen, Freunde finden, Liebe erfahren. Das wünsch ich mir, dass dies auch in der Martins-Gemeinde erfahrbar wird und wir wirklich eine Familie Gottes mit einem liebevollen Umgang miteinander werden.
3) Gottes Willen tun
35 Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.
Hier könnte man ins Stocken geraten. Geht es also doch um unsere Taten und Werke, um zu Gottes Familie zu gehören? Geht es um die Abarbeitung eines Pflichtenkatalogs und um das präzise Einhalten der Gebote? Nein! Was heißt denn „Gottes Willen tun“? Was ist der Wille Gottes? Jesus sagt dies in Johannes 6 ganz deutlich: Das ist Gottes Wille, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat! Darum geht es. Das ist der Wille Gottes: An Jesus glauben! Auf ihn hören! Ihm vertrauen. Und dazu gehört dann auch noch das Gebot, uns untereinander zu lieben. 1. Johannes 3: Und das ist sein Gebot, dass wir glauben an den Namen seines Sohnes Jesus Christus und lieben uns untereinander. Den Willen Gottes tun heißt an Jesus glauben und Liebe üben! So also entstehen die göttlichen Familienbande! Und da dürfen wir uns schon fragen, wie es bei diesen beiden Punkten aussieht: Wie steht es um unsere Verbindung, unser Band mit Jesus? Und wie steht es um unsere Verbindung, unser Band mit unseren Geschwistern – vor allem den geistlichen, aber auch den leiblichen? Paulus sagt: Über dies alles aber zieht an die Liebe, die das Band der Vollkommenheit ist. (Kolosser 3,14)
Und diese Familienbande, diese Verbindung mit Jesus und der Familie Gottes steht über allen anderen Bindungen. Selbst, wenn die besten Freunde, ja sogar die eigene Familie mich nicht versteht! Warum sollte es uns besser gehen als Jesus selber! Er wurde für verrückt erklärt. Das kann uns auch manchmal bei Freunden oder Familienangehörigen passieren! Ich habe das schon erlebt bei einer Jugendlichen, die sich für Jesus entschieden hat, und dann von den eigenen Eltern und Geschwistern mit Spott übersät wurde. „Na, geht’s wieder zu deinem Jesus-Club? Du spinnst ja!“ Doch den Willen Gottes tun, das hält uns in Gottes Familie. Und da finden wir auch Trost. Da finden wir ja neue Brüder und Schwestern, eine neue Familie. Das tröstet, wenn die leibliche Familie nicht mit uns geht. Zumindest noch nicht. In dem Familienbande-Spiel bei den Konfis gehört auch ein Hund zur Familie. Hunde haben ja manchmal noch ein viel größeres Familienzusammengehörigkeitsgefühl als Menschen. Ich habe gelesen von Moon, einer Hündin, ein Sibirischer Husky im US-Staat Nevada. Die arme Moon war ihrem Besitzer an einer Raststätte abhandengekommen, und dann hat sie alleine den Heimweg angetreten, und zwar über unglaubliche 130 km! Sie wollte unbedingt wieder zur Familie, zu ihrem Herrchen. Was für eine tiefe Familienverbindung, Familienbande! Davon können wir Menschen lernen: Was sind wir bereit, auf uns zu nehmen, um zur Familie Gottes zu gehören, um zu unserm Herrn und Bruder Jesus zu gehören?
Amen.
Pastor Gero Cochlovius, Martins-Gemeinde Hohnhorst. Predigt vom 14. September 2025
(Hinweis: Die Predigt greift dankbar auch einige Gedanken aus der sehr empfehlenswerten Predigt “Ein Verrückter sucht Familie” von Pfr. Dr. Theo Lehmann auf)
Dieser Beitrag wurde erstellt am Sonntag 5. Oktober 2025 um 10:26 und abgelegt unter Predigten / Andachten.











