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Nicht seriös, nicht brauchbar, nicht empfehlenswert

Nicht seriös, nicht brauchbar, nicht empfehlenswert
Zur „Bibel in gerechter Sprache“

Die Bibel in deutscher Sprache gibt es in vielen Übersetzungen: Klassisch und dank wiederholter Revisionen unübertroffen die Lutherbibel seit 1534, daneben die Zürcher Bibel bereits seit 1529 und die aus einer ökumenischen Zusammenarbeit erwachsene Einheitsübersetzung (von 1978 an). Sie hat ihren Namen von ihrer Zwecksetzung: Es handelt sich um eine einheitliche Bibelübersetzung der deutschsprachigen römisch-katholischen Bistümer in Deutschland, Frankreich, Österreich, Italien und der Schweiz. Daneben gibt es Übersetzungen mit betont missionarischer Tendenz. Sie wollen die sperrige, in Jahrhunderten zusammengewachsene Botschaft durch zeitgemäße Sprache auch den religiös nicht bewanderten Menschen nahe bringen. Als Beispiel nenne ich die „Gute Nachricht Bibel“ (1997), das Ergebnis interkonfessioneller und internationaler Zusammenarbeit von Theologen unter Berücksichtigung von Vorschlägen, die sich um „frauengerechte“ Sprache bemühte. Hier beginnt die Grenze von Übersetzung und Deutung unklar zu werden. Das kann eine erlaubte Bemühung sein, um dem Leser die Lektüre nicht unnötig schwer zu machen. Das war zum Beispiel die Tendenz in Jörg Zinks Werk von 1963: „Womit wir leben können. Das Wichtigste aus der Bibel in der Sprache unserer Zeit“. Die für tägliche Lesung ausgewählten und neu übersetzten Texte gingen über die bloße Übersetzung hinaus, aber trotz homiletischer Elemente war und ist sie seriös und hilfreich.

Dagegen stellt die dieses Jahr erschienene „Bibel in gerechter Sprache“ ein Problem dar. Auch beim Rheinischen Merkur gehen gegen sie wütende Proteste ein. Religiöse Empörung führt jedoch meist nicht weiter. Man darf aber prüfen, ob das von vier Männern und sechs Frauen vorgelegte Werk seriös, brauchbar und empfehlenswert ist. Als Übersetzung scheint mir die „Bibel in gerechter Sprache“ schon aufgrund der ausdrücklich genannten Vorgaben der Autoren nicht seriös, nicht brauchbar und nicht empfehlenswert. In seinem Vorwort nennt Peter Steinacker drei besondere, man kann sagen ideologische Ziele, denen diese Bibelversion verpflichtet ist: Zum Ersten soll der „Geschlechtergerechtigkeit“ Genüge getan werden, eine den Texten fremde Absicht. Die ergänzende Einführung von Richterinnen, Pharisäerinnen und so weiter ist historisch irreführend und philologisch willkürlich. So wird (wie schon im textverfälschenden Motto des letzten Kirchentages) Jesus von Gottes Sohn zum „Kind Gottes“. Das „Wort“ am Anfang des Johannesevangeliums wird Weisheit, weil Jesus „auch viele Züge der weiblichen göttlichen Gestalt der Weisheit“ trage. Sodann ist das Werk dem christlich-jüdischen Dialog verpflichtet. Nach eigener Vorgabe hieß das für die Übersetzer, auf jede antijudaistische Interpretation zu verzichten. Damit werden sachliche Gegensätze verharmlost. Prophetische Texte wurden in ihrer Schärfe kastriert, der theologische Fortschritt durch Jesus verdunkelt. Furchtbar ist das Durcheinander der unbiblischen männlichen und weiblichen Gottesbezeichnungen, die auf jeder Doppelseite als Kopfzeile zur Auswahl des Lesers aufgereiht sind. Schließlich wird der sozialen Gerechtigkeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Anstelle des historischen Textes, der zu idyllisch klinge, werden „harte soziale Realitäten“ von heute eingetragen.

Als Anregung mag diese Bibel dem bibelfesten Leser manches bringen. Aber als Übersetzung kann sie keine Anerkennung erwarten, weil sie die Regeln philologischer Kunst nicht beachtet. Sichtweisen und Vorgaben der „Übersetzer“ durchdringen den Text. Die Gefahr ist nicht gebannt, die Texte nach eigenem Geschmack zurechtzulegen. Die Grenze zur Schwärmerei ist damit überschritten. Der Bibeltext darf weder von antikirchlichen noch von lehramtlich kirchlichen Interpreten zurechtgelegt werden. Die evangelische Kirche in Deutschland hat es zu Recht abgelehnt, die „Bibel in gerechter Sprache“ von Amts wegen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Diese Übersetzung folgt Vorgaben, die dem Text nicht zu seinem Recht verhelfen. Die Schriften der Bibel wuchsen in Jahren zusammen; davon zeugen innere Spannungen, Entwicklungen und theologische Entdeckungen. Das darf nicht wegharmonisiert werden. Die „Bibel in gerechter Sprache“ aber überformt den Text und bevormundet den Leser mit den Überzeugungen der Übersetzer. Die Frage ist nicht, ob diese Überzeugungen brav sind, sondern daß sie nicht die des Textes sind. Der Leser sucht den Originalton, und den ohne Vorgaben und eingetragene Deutungen, die nach Überzeugung der Verfasser den Text erst erschließen sollen. Wie das zusammenpassen soll, bleibt ein Rätsel. Mit Recht ist deshalb gesagt worden: „Die ,Bibel in gerechter Sprache‘ ist weder richtig noch gerecht, sondern konfus“, so Ingolf U. Dalferth in der „NZZ“ vom 18. November 2006.

Rhein. Merkur Dez. 06