Wir leben in einem säkularen Zeitalter. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Neu ist, dass die Welle von Glaubensabbrüchen und Kirchenaustritte nicht allein die großen protestantischen Kirchen und die katholische Kirche betrifft, sondern zunehmend auch die Evangelikale Bewegung. Doch bei dieser Abkehr vom Evangelikalismus, die in den vergangenen zehn Jahren immer präsenter geworden ist, geht es nicht um Säkularisierung, auch wenn sie davon sicherlich mit beeinflusst ist, sondern um Dekonstruktion. Wir nennen diese Bewegung inzwischen Postevangelikalismus.
Analyse der Situation: Was ist das Problem?
Der Postevangelikalismus stellt eine Reihe ernstzunehmender Fragen an die Evangelikale Bewegung, manchmal als Hinweis auf blinde Flecken, teilweise als Grundsatzkritik. Es handelt sich aber nicht um eine in sich kohärente Gruppe, sondern viel mehr um eine Fülle von Lebensberichten mit Anfragen, Kritik und Zweifel, die sich hinter dem Sammelbegriff des Postevangelikalismus verbergen. Ein zentraler Vertreter der deutschsprachigen Szene ist Thorsten Dietz, der in seinem Buch „Menschen mit Mission“ dazu schreibt, dass es sich weniger um eine breite Fluchtbewegung aus evangelikalen Gemeinden und Netzwerken handele, sondern um eine intensive Diskussion darüber, wie viel Diversität der Evangelikalismus verträgt. Seiner Überzeugung nach handelt es sich um eine Bewegung, die sich vor allem gegen einen konservativen Evangelikalismus abgrenzt, Wert auf eine intellektuelle Redlichkeit legt – der beim Evangelikalismus vermisst wird – und sich in kulturellen hermeneutischen und ethischen Fragen widerspiegelt.[1] [1] Dietz schreibt:
„Mein Vorschlag ist an dieser Stelle, Postevangelikale weder als liberale Abtrünnige noch als Flüchtende vor dem Fundamentalismus zu betrachten. Für zusammenfassende Bewertungen des Spektrums ist es noch zu früh. Alle einfachen Deutungen entweder als Abfall oder als Bewegung des geistlichen Wachstums dürften der Vielfalt des Feldes nicht gerecht werden.“[2] [2]
Postevangelikale verstehen sich als eine Bewegung, eine Denk- und Lerngemeinschaft, in der so empfundene ungesunde Praktiken und theologische Überzeugungen verworfen oder angepasst werden. Dies sind klassische Dekonstruktionsprozesse, die nicht notwendigerweise zum Abfall vom christlichen Glauben führen, allerdings führen sie auch nicht zur Bildung neuer Denominationen. Häufig wechseln Postevangelikale ihre Gemeinde und schließen sich liberalen Gemeinden im landeskirchlichen oder freikirchlichen Spektrum an, doch bleibt eine kritische Grundintention als wesentlicher Teil ihrer Spiritualität erhalten, die sich häufig auch in einer bleibenden Entfremdung von christlichen Kirchen und Denominationen widerspiegelt.[3] [3]
Der Begriff Postevangelikalismus geht auf ein im Jahr 1995 erstmals veröffentlichtes Buch von Dave Tomlinson zurück, einem langjährigen Vikar in der Kirche von England und heutigem Kaplan am St. Ethelburga’s Centre for Reconciliaten and Peace in London. Obwohl damals die Evangelikale Bewegung noch im Wachstum begriffen war, kritisierte Tomlinson, dass das Verhältnis von Glaubenslehre und Glaubenspraxis immer weiter auseinanderdriftete und die Evangelikalen den Kontakt zur Mainstream-Gesellschaft verlieren. Aus seiner Ansicht wurde ein Wahrheitsanspruch und ein Bibelverständnis vertreten, welches ideologisch verengt und nicht im Einklang mit der akademischen Wissenschaft sei. Dazu komme in der Praxis der Einsatz für die soziale Gerechtigkeit viel zu kurz. Tomlinson forderte, dass es eine neue Christenheit für eine neue Zeit brauche, die er in der Postevangelikalen Bewegung sah. Seine Kritik und sowohl der Begriff wie auch das Konzept des Postevangelikalismus fanden jedoch erst nah der Neuauflage des Buches im Jahr 2014 eine größere Resonanz.[4] [4]
Interessanterweise unterschied Tomlinson bereits zwischen postevangelikal und exevangelikal.[5] [5] Letzteres versteht er als ein “ceasing to be” (aufhören zu sein) während er postevangelikal als “following on from” (anschließend an) versteht.[6] [6] Betrachtet man aktuelle Gruppen und sogenannte „Aussteiger Netzwerke“ in den sozialen Medien, so wird deutlich, dass nicht alle dieser begrifflichen Differenzierung gefolgt sind. Die Grenze zwischen „postevangelikal“, „exevangelikal“ und „Ex-Christ“ verläuft eher fließend und ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen.
Während Tomlinsons Buch 2014 in englischer Sprache neu aufgelegt wurde, veröffentlichte Torsten Hebel, ehemaliger Evangelist von Jesus-House, dem Jugendformat von proChrist in der Nachfolge Billy Grahams, im Jahr 2015 in Deutschland das Buch „Freischwimmer. Meine Geschichte von Sehnsucht, Glauben und dem großen, weiten Mehr“.[7] [7] Seine erschreckende Selbstreflexion ergab: „Mein ganzes Konstrukt ‚Glaube‘, das ich mir lange schöngeredet habe, ergibt für mich einfach keinen Sinn mehr.“[8] [8] In seinem Buch tauchen prominente Namen wie Christina Bruderreck oder Andreas Malessa auf, die auf unterschiedliche Weise mit ähnlichen Fragen und Antworten ringen.[9] [9] Zur Szene zählen sich früh auch der Evangelist und Musiker Gofi Müller, unter anderem mit seinem Buch „Flucht aus Evangelikalien“[10] [10] bis hin zum ehemaligen Vorsitzenden der Deutschen Evangelischen Allianz und Präses des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, Michael Diener mit seinem 2021 veröffentlichten Buch „Raus aus der Sackgasse!“[11] [11] sowie der Theologe Martin Benz mit „Wenn der Glaube nicht mehr passt. Ein Umzugshelfer“.[12] [12]
International viel beachtet und diskutiert wurde die Entwicklung von Joshua Harris, Autor des im Jahr 1997 erschienenen Buches „I Kissed Dating Goodbye“, von dem weltweit über 1,2 Millionen Exemplare verkauft wurden.[13] [13] Der langjährige Pastor der US-Megachurch Covenant Life Church, Gaithersburg, Maryland, trat 2015 zunächst von seinem Pastorenamt zurück, äußerte im darauffolgenden Jahr Zweifel an seinem Glauben und seinem eigenen Buch und verbot schließlich 2018 den weiteren Verkauf des Buches. Im Juli 2019 erklärte er öffentlich, dass er und seine Frau Shannon sich aufgrund von „bedeutenden Veränderungen die in uns beiden stattgefunden haben“ sich scheiden ließen.[14] [14] Gegenüber der Zeitung The Guardian erklärt er, dass er seinen Glauben verloren habe und sich nicht mehr länger als Christ verstehe.[15] [15]
Parallel dazu entwickelte sich im deutschsprachigen Raum eine breite, postevangelikale Szene, die maßgeblich durch den 2014 von Gofi Müller und Jakob Friedrichs gestarteten Podcast „Hossa Talk“[16] [16], dem 2021 von Thorsten Dietz und Tobias Faix betriebenen Ethik-Podcast „Karte und Gebiet“[17] [17] sowie die in der Schweiz seit 2019 bestehende, einflussreiche Plattform „RefLab“, die mit unterschiedlichen Podcast- und Blogformaten aktiv ist, geprägt wird.[18] [18] Eine Schlüsselstellung im deutschsprachigen Raum nimmt dabei die 2010 durch Martin Christian Hünerhoff gegründet Mediathek „Worthaus“ ein, die primär durch ihre Hauptreferenten Siegfried Zimmer und Thorsten Dietz bekannt wurde.[19] [19] Worthaus erhebt den Anspruch, einen „unverstellten Blick“ auf die Bibel zu vermitteln, „keine Denk- und Sprechverbote“ zu haben und kritisiert, dass ein „ungeschichtliches Bibelverständnis“ in die Sackgasse führt, was in den Vorträgen immer wieder als expliziter Vorwurf gegenüber einer konservativen, Evangelikalen Bewegung formuliert wird.[20] [20]
Je länger die Postevangelikale Bewegung besteht, desto schärfer wird die Kritik an der klassischen, Evangelikalen Bewegung. In einem 2023 auf Englisch und 2024 auf Deutsch erschienen Buch über das Selbstverständnis von Postevangelikalen wird als Ziel formuliert:
„Jesus im 21. Jahrhundert zu folgen bedeutet, ihm außerhalb bestimmter evangelikaler Normen zu folgen. Es bedeutet, diese Tempel des Götzendienstes abzubauen und andere zu ermutigen, dasselbe zu tun. In den Interviews und Recherchen, die ich für dieses Buch geführt habe, kamen viele verschiedene evangelikale Normen als Themen zur Sprache, die Christen heute dekonstruieren. Einige der großen Themen waren Politik, Purity Culture, eine ‚platte‘, wenig differenzierte Lesart der Bibel, die Behandlung und Ausgrenzung der LGBTQ+-Gemeinschaft, die Lehre von der Hölle und Scheinheiligkeit. [… Wir werden uns] damit befassen, wie man am besten vorankommt, wenn Teile des Christentums (nämlich der Evangelikalismus) ganz klar dekonstruiert werden müssen.“[21] [21]
Der Vorwurf des „evangelikalen Götzendienstes“ und die Aufforderung, die Evangelikale Bewegung zu dekonstruieren, kommen nicht von außenstehenden Kritikern, sondern von innen: von postevangelikalen Christen, Mitarbeitern, Pastoren, Theologen und anderen, die sich selbst als eine Art Aussteiger sehen und ihre Bücher in der Regel auch in als evangelikal bekannten Verlagen veröffentlichen. Ihre Polemik betrifft die Grundlagen des christlichen Glaubens und nicht allein einer bestimmten, theologischen Tradition. Der Rektor der Internationalen Hochschule Liebenzell (IHL), Prof. Volker Gäckle, schreibt dazu:
„Die Debatte nahm ihren Ausgangspunkt bei der Frage nach der Bewertung gleichgeschlechtlicher Sexualität und ist mittlerweile bei viel zentraleren theologischen Fragen gelandet: Gibt es ein letztes Gericht Gottes? Ist der Glaube an Jesus Christus das entscheidende Kriterium für Rettung und Verlorenheit? Ist die Heilige Schrift auch in geschichtlicher Hinsicht eine zuverlässige und vertrauenswürdige Grundlage für Glaube und Leben der Gemeinde? Darüber hat der Pietismus in den 60er- und 70er-Jahren mit der Ökumenischen Missionsbewegung und der liberalen Theologie auf Kirchentagen und Synoden gestritten. Heute streiten wir über ähnliche Fragestellungen im eigenen Laden.“[22] [22]
Analyse der Ursachen: Was ist evangelikal?
Um die Unterschiede besser verstehen zu können, müssen wir uns den näheren Ursprüngen der Postevangelikalen Bewegung von zwei Seiten nähern: von einer historischen und einer theologischen.
Historisch gesehen taucht der Begriff evangelikal zum ersten Mal im Englischen bei William Tyndale im Jahr 1531 auf, aller er von „evangelical truth“ (evangelischer Wahrheit) spricht.[23] [23] Dies bezog sich auf die Wahrheit des Evangeliums sowie das Vertrauen in dieses Evangelium allein. Im englischen Sprachraum setzt sich der Begriff „evangelical Church“ durch und wurde häufig synonym zu „protestantischer Kirche“ verwendet und fußt in der Reformation des 16. Jahrhunderts. In den folgenden zwei Jahrhunderten erfuhr der Begriff eine Wandlung, insbesondere in der durch die Verkündigung von John Wesley und George Whitefield ausgelösten Erweckung in England und Nordamerika. Als „evangelikal“ bezeichneten sich voran Christen, die eine persönliche Bekehrung erlebt haben und das Anliegen eines geheiligten Lebensstils vertraten.[24] [24] Zu „einem wichtigen Wendepunkt in der Geschichte der Evangelikalen Bewegung sollte das Aufkommen des sogenannten Fundamentalismus innerhalb der Evangelikalen Bewegung in den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts werden. Dieser entstand als Gegenbewegung zur Säkularisierung und einer von Europa nach Amerika überschwappenden modernistischen und liberalen Theologie infolge der Aufklärung“.[25] [25] Die Gründung der National Association of Evangelicals (NAE) 1942 führte wieder stärker zu den ursprünglichen Grundüberzeugungen der Evangelikalen Bewegung mit der starken Betonung der Autorität der Bibel als Heilige Schrift zurück, ohne jedoch in die polemischen und separatistischen Tendenzen des Fundamentalismus abzudriften. Aus der NAE heraus wurde 1951 die World Evangelical Alliance (WEA) neugegründet, wie sie seit ihrem Namenswechsel 2002 wieder heißt.[26] [26]
Wie Martin Reppenhagen kürzlich nachgezeichnet hat, lässt sich anhand der USA sehr gut nachzeichnen, dass ab der Mitte des 20. Jahrhunderts es zu einem beispiellosen Niedergang der liberalen „Mainlinekirchen“ (vergleichbar, wenn auch strukturell anders gelagert mit dem deutschen Landeskirchen und der reformierten Kirche in der Schweiz) kam, während konservative, evangelikale Gemeinden, nicht-Weiße und überdenominationelle Gemeinden einen deutlichen Aufschwung erlebt haben.[27] [27] Besonders durch die weltweite Evangelisationsbewegung von Billy Graham, der konsequent von „evangelical“ sprach, sowie Theologen wie Martyn Lloyd Jones und John Stott im englischsprachigen sowie im deutschsprachigen Kontext durch den langjährigen Vorsitzenden der Deutschen Evangelischen Allianz, Fritz Laubach, setzte sich der Begriff immer weiter durch und wurde als Selbstzeichnung der eigenen Identität von vielen übernommen.[28] [28] Im historischen und soziologischen Verständnis wurde der Begriff mit der Reformation verbunden, in Deutschland mit dem Pietismus als innerkirchlicher Erneuerungsbewegung, international mit Erweckungsbewegungen wie der The Great Awakening und mit der 1846 in London gegründeten Evangelischen Allianz.
Die Evangelikale Bewegung allerdings allein aus dieser soziologischen Perspektive zu betrachten, würde Ihrem Selbstverständnis nicht gerecht werden, da ihre Pluralität nicht allein auf diese Weise erfasst werden kann. So argumentiert der Rektor der Union School of Theology, Michael Reeves, in
„Wenn ‚Evangelikalismus‘ lediglich eine soziologische Kategorie ist und nichts anderes bedeutet als die gemeinsamen Merkmale aller, die diese Bezeichnung verwenden, dann ist der Evangelikalismus natürlich eine oberflächliche Sache. Wenn die ‚evangelikale‘ Theologie so gedehnt wird, dass sie zu allem passt, was sich evangelikal nennt, dann ist sie nicht das Produkt von historischen und biblischen Lehren, sondern von jener Theologie, die gerade en vogue ist. Der ‚Evangelikalismus‘ müsste dann zwangläufig leer und unbeständig sein.“[29] [29]
1989 fasste der Historiker David Bebbington die vier Kernelemente der Evangelikalen Bewegung im so genannten „Bebbington-Quadrilateral“ zusammen. Er argumentierte, dass Evangelikale 1) sich als bibeltreu verstehen und die Vertrauenswürdigkeit der Bibel betonen, 2) für das stellvertretende Sühneopfer als zentrales Element der Rechtfertigungslehre eintreten. 3) Dass sie von der Notwendigkeit der persönlichen Bekehrung überzeugt sind und daher sich in besonderer Weise für die praktische Evangelisation einsetzen und diese betreiben, damit so viele Menschen wie möglich gerettet werden. 4) Und sie legen Wert auf soziales Handeln als Zeugnis des Evangeliums und der praktischen Nächstenliebe.[30] [30] Bebbington versteht die Evangelikale Bewegung stärker als ein soziologisches Gebilde, das eng um theologische Positionen herum organisiert ist.
Gerade im Blick auf die Postevangelikale Bewegung wird deutlich, dass eine historisch definierte Identität des Evangelikalismus nicht ausreicht und auch nicht im Vordergrund stehen sollte, denn gemeinsame Wurzeln zu haben bedeutet nicht zwangsläufig, eine gemeinsame, theologische Identität zu teilen. Die Stärke der Evangelikalen Bewegung liegt gerade darin, dass sie ein gemeinsames, theologisches Fundament hat, eine geistlich-theologische Identität, die unabhängig von soziologischen Strukturen, Institutionen oder selbst einer gemeinsamen, historischen Entwicklung besteht. Aus diesem Grund konnten und können bis heute auch Denominationen in die Evangelikale Bewegung integriert werden, die aus einem anderen, christlich-theologischen Hintergrund kommen. Reeves plädiert deshalb auch dafür, die wahre Evangelikale Bewegung darin verankert zu sehen, wo eine klare Theologie mit drei essentiellen Lehren gelehrt wird „1. Die Offenbarung durch den Vater in der Bibel. 2. Die Erlösung durch den Sohn im Evangelium. 3. Die Wiedergeburt durch den Geist in unseren Herzen.“[31] [31] Mit anderen Worten: Evangelikale sind bewusst trinitarisch. Damit schließt er sich auch der Überzeugung von John Stott an, der sagte: „Ich behaupte dass der evangelikale Glaube nichts anderes ist als der historische christliche Glaube: das ursprüngliche, biblische, apostolische Christentum.“[32] [32]
Analyse der Hintergründe: Was ist Dekonstruktion?
Es sind solche theologischen Überzeugungen, von denen sich Postevangelikale schrittweise lösen. Und wenn sie das tun, fällt häufig ein Begriff, der eng damit verbunden ist, nämlich „Dekonstruktion“. Dekonstruktion mag inzwischen zwar fast schon zu einem Modewort verkommen zu sein, allerdings ist das dahinterliegende Konzept nicht neu, auch wenn es heute teilweise anders verstanden und angewendet wird. Die philosophischen Wurzen liegen bei René Descartes (1596-1650) und seinem methodischen Zweifel, der die moderne Philosophie begründete, der rationalistischen und empiristischen Infragestellungen von Immanuel Kant (1724-1804), der die Vernunft überhöhte, bis hin zum französischen Philosophen Jacques Derrida (1930-2004), der als Begründer und Hauptvertreter des Dekonstruktivismus gilt.[33] [33] Erstmals wurde der Begriff 2008 auf das Christentum von dem Straßburger Philosophen Jean-Luc Nancy (1940-2021) angewendet in seinem Buch „Dekonstruktion des Christentums“.[34] [34] Nancy ging es darum, festgelegte Systeme zu demontieren, abzubauen, um somit neue Handlungsspielräume zu schaffen, wobei er offen ließ, ob und in welcher Form etwas anschließend rekonstruiert oder neu zusammengesetzt wird bzw. werden sollte. Im Kontext der Postevangelikalen Bewegung wird daraus ein Denkprozess abgeleitet, der das bisherige Glaubenssystem hinterfragt. Im eingangs erwähnten Buch über das Selbstverständnis der Postevangelikalen Bewegung wird folgende Definition vorgeschlagen: „Dekonstruktion bedeutet, eine Idee, eine Praxis, eine Tradition, einen Glauben oder ein System in kleinere Bestandteile zu zerlegen, um ihre Grundlage, ihren Wahrheitsgehalt, ihren Nutzen und ihre Auswirkungen zu untersuchen.“[35] [35]
Der Glaube und das Glaubenssystem werden also auf ihre Tragfähigkeit getestet, wobei als Maßstab häufig der praktische Nutzen gewählt wird. Eine Dekonstruktion des Glaubens kann mit einfachen Anfragen beginnen wie: „Das leuchtet mir nicht ein“ und zu grundsätzlicheren Zweifeln wie „Glaube ‚funktioniert‘ bei mir nicht“ bis hin zu tiefgreifenden Infragestellungen führen: „Der Glaube tut mir nicht gut“. Dieser Prozess führt jedoch nicht zwangsläufig zum Verlust des Glaubens, auch wenn es viele dokumentierte Berichte von Menschen gibt, die einen Dekonstruktionsprozess durchlaufen haben und schließlich eine „Dekonversion“ erlebt, also ihren christlichen Glauben verloren haben, insbesondere als Folge der oben angeführten Blogs und Podcasts.[36] [36] Verfolgt man die Podcasts, Blogs und Bücher von prominenten Postevangelikalen Vertretern, ist es erschütternd festzustellen, wie viele von ihnen nach und nach den Weg von der Dekonstruktion zur Dekonversion gehen.

Die Biographien zum Beispiel von Rebecca McLaughlin[37] [37], Natha[38] [38] und Alisa Childers[39] [39] zeigen jedoch, dass ein Dekonstruktionsprozess nicht zwangsläufig zur Dekonversion führen muss, sondern auch zu einer gereiften Rekonstruktion des Glaubens führen kann. Childers schreibt dazu:
„Die progressive Welle, die mich gegen Gott, den ‚starken Fels‘, geschleudert hatte, hatte meine eingefahrenen Vorannahmen über Jesus, Gott und die Bibel zerschmettert. Nun aber ordnete derselbe Fels diese Bruchstücke allmählich neu, legte einige beiseite und setzte die richtigen Teile dorthin zurück, wo sie hingehörten. Dies nun ist mein Bericht von der Rekonstruktion meines Glaubens.“[40] [40]
Nach einer Phase des Infragestellens ihres Glaubens sind diese Menschen auf ganz neue Weise von der Gnade Gottes und von Gottes Wesen ergriffen worden. Ihre Bücher sind sowohl biographisch als auch argumentativ starke Zeugnisse für eine Rekonstruktion des Glaubens in der klassisch evangelikalen Tradition. Der zentrale Punkt war, dass sie ganz neu in einen persönlichen Kontakt mit Jesus Christus und mit der Botschaft des Evangeliums in Berührung gekommen sind sowie Zugang zu guten Argumenten aus der biblischen Theologie und der christlichen Apologetik erhalten haben.
Analyse der Unterschiede: Postevangelikale Positionen
Wo unterscheiden sich Postevangelikale nun also im Detail von Evangelikalen? Der „Umzugshelfer“ von Martin Benz sowie sein seit September 2016 betriebener Podcast: Movecast haben eine große Reichweite und zustimmende Resonanz in Postevangelikalen Kreisen.[41] [41] Benz führt eine Vielzahl von Themen der evangelikalen Dogmatik und Ethik an, die „nicht mehr passen“, seiner Ansicht nach weder für Postevangelikale, noch generell in unsere Zeit. Konkret nennt er das allgemeine Schriftverständnis, die Unfehlbarkeit von Gottes Wort sowie das Inspirationsverständnis. Fragen rund um den Umgang mit Gewalt in der Schrift, die Kreuzeslehre insbesondere die Lehre der stellvertretenden Sühne, der Erlösung und die Lehre einer ewigen Verdammnis. Ebenso verweist er auf evangelikale Positionen in der Sexualethik, insbesondere die Haltung zur Homosexualität und LGBTQI+. Er kritisiert eine erlebte Heuchelei, Machtmissbrauch unter Christen und eine fehlende Barmherzigkeit und Liebe, die sich häufig in einem strengen Schwarz-Weiß-Denken offenbart.[42] [42]
An der Breite der Kritik und Vielzahl an Themen, Benz selbst führt in seinem Buch die Themen Bibelverständnis, Gottesbild, Liebe, Fundamentalethik und Sexualethik am Beispiel der Homosexualität näher aus[43] [43], wird einerseits deutlich, wie weitreichend die theologische Entfremdung zwischen Evangelikalen und Postevangelikalen innerhalb kurzer Zeit vorangeschritten ist, andererseits verdeutlich diese aber auch, dass Postevangelikale mit ihrer Neupositionierung sowie der Kritik an der Evangelikalen Bewegung nichts völlig Neues lehren, sondern eine große Nähe zu einer anderen, theologischen Tradition aufweisen. Benjamin Kilchör führt in seiner Buchbesprechung zu Benz dazu treffend aus:
„Evangelikale und liberale Theologie sind Schwestern, beides sind Erfahrungstheologien. Zwar sehen evangelikale und liberale Christen vieles völlig unterschiedlich, aber sie teilen die gemeinsame Überzeugung, dass Glaube und Erfahrung übereinstimmen sollten. Wenn Glaube und Erfahrung nicht übereinstimmen, dann hinterfragt der Evangelikale sein Leben, der Liberale seinen Glauben. Das Buch von Martin Benz handelt vom ‚Umzug‘ aus der alten evangelikalen Wohnung in eine neue liberale Wohnung. Er bezeichnet die neue Wohnung lieber als progressiv oder postevangelikal, doch seine zentralen Thesen haben enge Entsprechungen zu den Anfängen der liberalen Theologie und sind nicht so innovativ, wie das Label ‚progressiv‘ suggeriert. Auch Friedrich Schleiermacher, der Vater der liberalen Theologie, bezeichnete sich nach seiner Abwendung vom Pietismus nicht als liberal, sondern als ‚Pietist höherer Ordnung‘, sozusagen als Post-Pietist.“[44] [44]
Ein zentraler Kritikpunkt, der von fast allen Postevangelikalen angeführt wird, ist die Sexualethik. Sie ist häufig der Auslöser und Ausgangspunkt für eine Veränderung oder Angelpunkt, an dem ein tiefgreifender Wandel, der stattgefunden hat, schließlich sichtbar wird. Kritisiert wird das gesamte Spektrum der Sexualethik, von der Ablehnung vorehelichen und außerehelichen Geschlechtsverkehrs über die “purity culture” (Kultur der Reinheit) bis hin zu Abtreibung, Scheidung und Wiederheirat. Einer der bedeutenden Vertreter der Postevangelikalen Bewegung in Amerika ist David P. Gushee, ein ehemaliges Mitglied der Southern Baptist Convention und Professor für Ethik in Louisville, der aufgrund – aus seiner Sicht – zu enger, sexualethischer Positionierung, die Universität verlassen musste. Inzwischen ist er Professor an der Mercer University in Atlanta, die sich als führend im Bereich der postevangelikalen Theologie versteht.[45] [45] Gushee formulierte seine Kritik so:
„Etwas, das in vielen evangelikalen Kontexten furchtbar schiefgelaufen ist, war die Hinwendung zur sexuellen Reinheit als Hauptweg, um die moralische Norm zu definieren, und die Geschlechterzuweisung der Verantwortung dafür. […] Die Reinheitsbewegung war mit dem evangelikalen Patriarchalismus verbunden.“[46] [46]
Doch wo die Sexualethik als so problematisch angesehen wird, bleiben die Fragen natürlich nicht auf den Bereich der Ethik beschränkt, sondern es steht die gesamte theologische Konzeption zur Debatte. Auffällig ist, dass viele postevangelikale Tendenzen von Ethikern ausgehen, die sich für einen grundlegenden Richtungswechsel einsetzen. In Deutschland steht dafür der Entwurf der zweibändigen Transformativen Ethik von Tobias Faix und Thorsten Dietz.[47] [47] Im dazugehörigen Podcast sagt Dietz:
„Sehr konservative, traditionelle, fundamentalistische Ethiken versuchen, Menschen in Normen, in Raster, in Kästchen zu sperren und haben Null Sinn für Autonomie, für Selbstbestimmung, für Selbstwirksamkeit. Es ist einfach reine Heteronomie, reine Fremdbestimmung. Und wenn Menschen daran zerbrechen, dann kann man nichts machen, es ist Gottes Wille. Das ist lebensfeindlich. Das wird dem befreienden Gott der Bibel nicht gerecht, das ist unbarmherzig, das ist hartherzig. Da sind wir absolut dabei, christliche Freiheit, Freiheit auch als Selbstbestimmung und Autonomie stark zu machen.“[48] [48]
Und wo die Ethik neu überdacht wird, stellt sich natürlich auch die Frage nach der Dogmatik. Wenn biblische Normen und Gebote zur Disposition stehen, weshalb dann auch nicht andere, theologische Überzeugungen? Jakob Friedrichs schrieb in seinem Buch über Ostern: „Wenn es Dir also wichtig ist, an Jesus als den Sohn einer Jungfrau zu glauben, dann tu es. Mit Freude. Wenn dich diese Vorstellung jedoch eher befremdet, dann lass es. Und bitte nicht minder freudig.“[49] [49] Die Jungfrauengeburt, obwohl biblisch bezeugt und in den ökumenischen Bekenntnissen des Nizaenums und Apostolikums verbindlich anerkannt, wird als Option dargestellt, die man glauben kann, aber nicht muss. Folgerichtig steht auch die ganze Frage nach der Gottheit Jesu zur Debatte, ob und in wie fern man davon überhaupt sprechen kann. Der postevangelikale Theologe und Influencer, Jason Liesendahl, ist der Ansicht, Jesus hatte gar keinen Selbstanspruch, der Sohn Gottes zu sein. Er sah sich nicht als Teil eines göttlichen Heils- und Erlösungsplans, der bewusst auf Golgatha zusteuerte und im geplanten Triumph am Ostermorgen seine Vollendung fand. In Seinem Buch über die Prozesstheologie, zu der viele postevangelikale Theologen neigen:
„Jesus war ein Mensch. Er war ein gläubiger Jude. Möglicherweise hat er in seinen jungen Jahren eine uns nicht bekannte Erfahrung mit Gott gemacht, die ihn für sein ganzes Leben geprägt hat. Deswegen hat Jesus sein Leben der Sache Gottes gewidmet. […] Vielleicht ist am Kreuz nicht nur Jesus gestorben, sondern auch der Glaube an Gott in Jesus. Und in den Freunden von Jesus.“[50] [50]
Und es ist nur logisch, dass unter zentralem Angriff von Postevangelikalen auch die Lehre der stellvertretenden Sühne Jesu am Kreuz von Golgatha steht.[51] [51] Bei der Aussage: „Jesus war der Gottessohn und der Retter der Welt, er kam um zu sterben und er hat viele Wunder getan“, kommentiert Siegfried Zimmer von Worthaus: „Da muss ich fast kotzen.“[52] [52] Im anschließenden Vortrag fügt Dietz scherzhaft hinzu: „Diese stellvertretende Strafleidenstheorie – wo ist das im Neuen Testament? Such, such, such – es ist nicht zu finden.“[53] [53] Bewusst provozierend zugespitzt sagt schließlich Jakob Friedrichs im Podcast Hossa Talk die Lehre der stellvertretenden Sühne sogar eine „Scheiß-Erklärung“.[54] [54]
Und schließlich muss auf die Veränderungen im Bereich der Eschatologie verwiesen werden. Postevangelikale Publikationen kritisieren das traditionelle Verständnis von Himmel und Hölle, Verdammnis und der Auferstehung. Auch hier gibt es eine auffällige Nähe zur Prozesstheologie, wie sie unter anderem bei Liesendahl zu finden ist:
„In der Prozesstheologie herrscht gegenüber diesem jenseitigen Lohn-Strafe-System eine große Skepsis. Diskutiert wird sogar, inwiefern es überhaupt ein jenseitiges Weiterleben im Sinne eines persönlichen Bewusstseins geben kann. […] Wird Gottes Locken am Ende erfolgreich sein und den klebrigen Prozess der Heilung der Welt zu einem guten Ziel bringen? Ich finde das das ehrlich gesagt unwahrscheinlich. Aber vielleicht ist Gott ja für Überraschungen gut.“[55] [55]
Inzwischen dürfte klar sein, dass sich die post-evangelikalen Positionen stark von evangelikalen Überzeugungen unterscheiden und dass sie im Wesentlichen eine andere Theologie vertreten. Das evangelikale Offenbarungs- und Geschichtsverständnis, die Historizität und Hermeneutik der Bibel und insbesondere die Inspirationslehre, die die gesamte Bibel als Heilige Schrift ansieht und sie als Irrtumslos oder unfehlbar lehrt, werden scharf kritisiert und abgelehnt. Gushee, zum Beispiel, kommentiert:
„Trotz ihrer tiefgründigen Bedeutung kann die Bibel nicht ganz das Gewicht tragen, das Evangelikale von ihr erwarten. […] Einige Schrifttexte zeigen konsequent, dass sie von Gott inspiriert sind, weil sie sich als so nützlich für das Lehren erweisen. Ein gesunder postevangelikaler Ansatz zur Bibel wird den Realismus darüber verstärken, dass die Bibel immer ein interpretierter Text ist und dass wir fehlerhafte, begrenzte Menschen die Interpreten sind.“[56] [56]
Für Postevangelikale ist die Bibel nicht vollständig inspiriert, sondern nur in Teilen. Das Unterscheidungskriterium ist die Nützlichkeit. Postevangelikale positionieren sich ausdrücklich „jenseits von sola scriptura“, wie Gushee erfreulich offen zugibt:
„Jenseits von sola scriptura. Postevangelikale sind nicht mehr in der Lage, übertriebene Behauptungen über die Irrtumslosigkeit und Allgenügsamkeit der Bibel zu akzeptieren. Wenn wir am Christentum festhalten, werden wir einen neuen Ansatz benötigen, um Gottes Stimme zu hören und Gottes Willen zu erkennen.“[57] [57]
Postevangelikale Theologie unterscheidet sich daher deutlich von evangelikaler Theologie. Obwohl beide einen gemeinsamen historischen Ursprung haben, sind ihre theologische Positionen unvereinbar, auch wenn sich Postevangelikale selbst gern als Brückenbauer zwischen Evangelikalen und Liberalen, Evangelikalen und der Wissenschaft oder Evangelikalen und der Gesellschaft verstehen. Rolf Hille kommt, in einer Reaktion auf das Überblicksbuch von Thorsten Dietz, die aber stellvertretend für den Postevangelikalismus verstanden werden kann, zu folgendem Urteil:
„[Thorsten] Dietz sucht die Zeitgenossenschaft und den bruchlosen Anschluss an die Neuzeit. Er möchte als Vermittlungstheologe die gegenwärtige Kultur mit der christlichen Offenbarung versöhnen. Das kann jedoch nur gelingen, wenn er die Autorität der Bibel neu interpretiert, denn Biblizismus oder gar Fundamentalismus sind ihm, wie er nicht zu wiederholen müde wird, zuwider. Als moderner Theologe übt er souverän die Deutungshoheit über die Schrift aus. Wissenschaft, Aufklärung und modernes Lebensgefühl müssen mit dem ehrwürdigen Buch aus dem Alten Orient und der Antike so verknüpft werden, dass Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts damit weder intellektuell noch emotional in Konflikt geraten. Damit ist vonseiten des Postevangelikalen Thorsten Dietz ein Bruch vollzogen und eine Grenze überschritten.“[58] [58]
Berechtigte Anliegen: Umgang mit Zweifeln und Jüngerschaft
Wie bei jeder Kritik, vor allem wenn sie nicht nur von Einzelnen, sondern von einer größeren Zahl von Vertretern der ehemals gemeinsamen Bewegung geäußert wird, gibt es natürlich berechtigte Argumente, die nicht ignoriert werden sollten. Die Tatsache, dass viele Postevangelikale biografische Brüche und Verletzungen erlitten haben, kann und muss anerkannt und ernst genommen werden. Gerade wenn diese Wunden in der Begegnung mit evangelikalen Gemeinden und Gläubigen entstanden ist, muss innerhalb der Evangelikalen Bewegung die Sensibilität gesteigert werden, wo eigenes Verhalten und Strukturen nicht dem eigenen Anspruch entsprochen haben. Auch Evangelikale sind und bleiben Sünder, die von und aus der Gnade und Vergebung Gottes heraus leben müssen. Im Namen der Evangelikalen Bewegung sind Irrtümer, Irrlehren und Missbrauch geschehen und geschehen weiterhin. Verletzungen müssen ernstgenommen und angesprochen werden; Sünde muss aufgedeckt und benannt werden, z. B. wenn Missbrauch stattgefunden hat. Wo Versagen erkennbar wird, ist es wichtig, es klar zu benennen, Schuld einzugestehen und es vor Gott und mit den Menschen zur Klärung und Vergebung zu bringen. Die Evangelikale Bewegung als Ganzes kann aber umgekehrt nicht für jede Sünde verantwortlich gemacht werden, die von Einzelnen begangen wurden. Nicht alle Verstöße und Irrlehren, die im Rahmen oder unter dem Label „evangelikal“ begangen werden, können der Bewegung insgesamt zugeschrieben werden. Reeves hält daher differenziert fest:
„Nein, der heutige Evangelikalismus ist nicht wahrhaftig oder vollständig evangelikal. Im schlimmsten Fall, wenn etwa jemand als ‚evangelikal‘ bezeichnet wird, der die Dreieinigkeit Gottes leugnet, ist es schwer zu verstehen, was mit diesem Wort überhaupt gemeint sein soll. Es ist folglich kein Wunder, dass sich viele von dieser Bezeichnung distanzieren. Klar ist auch, dass jeder Evangelikale versagt. Keiner wird der Anforderung, ein Mensch des Evangeliums zu sein, vollkommen gerecht.“[59] [59]
Aus praktisch-theologischer Sicht haben Cedric Grossmann und Benjamin Carstens praktische Empfehlungen für Gemeinden und Betroffene gegeben, damit solche Vorfälle, die bei Einzelnen oft massive Fragen aufwerfen, nicht zu einer Dekonstruktion des Glaubens (oder einer Vorstufe davon), sondern zu einer Rekonstruktion des Glaubens führen. Ihre Anregungen können hier nur kurz erwähnt werden und sollen einen Ansatz bieten, wie pastoral-seelsorgerlich erste Schritte eines hilfreichen Kulturwandelns gegangen werden könnten:
Für Gemeinden:
- nicht mit Verboten kämpfen
- eine Gemeindekultur schaffen, die Zweifeln zulässt
- Biographische Sensibilität in der Glaubenszeugnisse geteilt werden
Für Betroffene:
- Sich auf Jesus Christus zu konzentrieren
- Lernen, Unklarheiten und Zweideutigkeiten anzuerkennen und zu leben
- Die eigenen Zweifel anzweifeln
- Das eigene Herz schützen
- Den Glauben und das Vertrauen von Kindern zum Vorbild nehmen[60] [60]
Es wird von entscheidender Bedeutung sein, ehrliche Antworten auf ehrliche Fragen zu suchen und Menschen durch einen manchmal langwierigen Genesungsprozess zu begleiten. Vor allem die Schönheit christlicher Freundschaften wird eine ganz neue Bedeutung erlangen. In der Arbeit mit einzelnen Menschen in der Seelsorge, in Hauskreisen und Ortsgemeinden ist viel Einfühlungsvermögen und seelsorgerliche Weisheit gefragt, um die Betroffenen bei ihren Zweifeln zu begleiten und sie in ihrem Prozess zu unterstützen. Es ist wichtig, die Menschen ernst zu nehmen, gerade auch in und mit ihren Zweifeln. Dabei ist es wichtig, nicht zu versuchen, mit allen Zweifeln gleichzeitig umzugehen, sondern eine Unsicherheit nach der anderen zu bearbeiten.
Wenn man einen Dekonstruktionsprozess durchläuft, wird natürlich alles auf den Prüfstand gestellt. Doch sowohl für Einzelpersonen als auch für Organisationen können solche Prozesse auch eine heilsame Wirkung haben, nämlich dann, wenn der Wiederaufbauprozess zu einem Glauben führt, der stabiler und authentischer ist als zuvor. Und sowohl die Theologie als auch die Gemeinde müssen dabei früher ansetzen und sich des Problems bewusst sein. In ihrer 2023 gemachten Studie “The Great Dechurching” belegen Jim David und Michael Graham, dass Einladen, Gewinnen und Begründen des christlichen Glaubens in einer säkularen Welt durchaus Chancen hat und sich dies auch statistisch belegen lässt. Dies gelingt gerade bei „Kulturchristen“ und bei von der Kirche enttäuschten, säkularen Christen. Allerdings lässt sich nachweisen, dass Postevangelikale und Exevangelikale häufig nicht nur eine vollständige Dekonversion vollzogen haben, sondern damit einher geht oft auch ein grundlegender Widerstand gegen Evangelikale, der kaum aufzuheben ist.[61] [61]
Alisa Childers und Tim Barnett beenden ihr „Die Dekonstruktion des christlichen Glaubens und wie wir darauf reagieren“ (The Deconstruction of Christinity. What It Is, Why It’s Destructive und How to Respond) mit der bleibenden Hoffnung auf den lebendigen Gott.[62] [62] Manchmal ertappen wir uns wie Petrus und die anderen Jünger am Karsamstag innerlich: voller Fragen, voller Zweifel, voller Schuld und Sünde. Manche Fragen bleiben auch offen – aber es gibt so viele Antworten, die wir einfach noch nicht kennen. Wenn wir uns am Karsamstag befinden, steht der Ostersonntag vor der Tür!
Wir müssen uns den Fragen stellen, nach Antworten suchen und vor allem der Weisung Jesu aus Joh 15,5.7 folgen: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren.“ Zunächst ist festzuhalten, dass es essenziell ist, in Jesus Christus zu bleiben; zweitens, dass das Wort Gottes in uns bleibt. Darüber hinaus ist es wichtig, dass wir im Gebet mit unserem Herrn Jesus Christus verbunden bleiben. Denn er ist der gute Hirte, der seine Schafe ruft, und die ihn kennen, die werden seine Stimme hören und er wird sie zum frischen Wasser, zum ewigen Leben führen (Joh 10,27-29). Wo dies geschieht, da gibt es eine geistliche Erneuerung und Wachstum. Childers bezeugt:
„Langsam und stetig baute Gott meinen Glauben wieder auf. Die Fragen, die meinen Überzeugungen den Boden unter den Füßen weggezogen hatten […], wurden nicht einfach nur beantwortet. Sie schrumpften unter handfesten Belegen und einer wasserdichten Logik zusammen, die so robust war, dass ich mir vorkam wie ein Kind im Süßigkeitenladen, das eben erst herausgefunden hat, dass es Süßigkeiten gibt.“[63] [63]
Dieses Resultat des Wiederaufbaus, der Erneuerung, der Konsolidierung und Stärkung ist für jeden Menschen von unschätzbarem Wert. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund von großer Bedeutung, um die eigene Identität als Kinder Gottes zu entdecken und als mutige Zeugen des Evangeliums in der heutigen Zeit zu agieren. In diesem Zusammenhang ist es von großer Bedeutung, dass in den letzten Jahren ein neues Interesse an christlicher Apologetik entstanden ist. Einerseits resultiert aus diesem Interesse fundierte Antworten und gute Argumente für den Einzelnen, andererseits wird durch das öffentliche Zeugnis und das persönliche Gespräch eine Bereicherung erfahren.[64] [64]
Grenzen des Anliegens: Grundzüge einer theologischen Triage
Um berechtigte von unberechtigten Sorgen und Anschuldigungen zu unterscheiden, brauchen wir einige systematische Kriterien, um die verschiedenen Ebenen voneinander zu trennen, damit wir sie unterscheiden und bewerten können. Was es meiner Ansicht nach braucht, ist eine Unterscheidung der Wahrheiten. Nicht alle Themen sind gleichermaßen fundamental. Vor Kurzem wurde mir in einer Diskussion entgegengehalten, dass man sich in christlichen Gemeinden vor wenigen Jahrzehnten auch noch wegen eines Schlagzeugs im Gottesdienst gespalten hat und heute ja auch damit klarkommt. Diese logische Folgerung sprach mein Gesprächspartner nicht aus, aber sie war: „Lass es doch gut sein, darüber zu streiten, in ein paar Jahren sind auch die heute diskutierten Fragen nicht mehr so wichtig.“ Die Folge einer solchen Haltung wäre ein Wahrheitsrelativismus, der jede Dogmatik und jegliches Ringen um klare Glaubens- und Lehrgrundsätze überflüssig machen würde und letztlich der Beliebigkeit und dem subjektiven Empfinden überlassen würde. Wo ich meinem Gesprächspartner Recht gebe, ist darin, dass nicht alle Fragen gleichermaßen Priorität haben weshalb wir eine geistliche Triage brauchen, ein System um fundamentale Glaubenswahrheiten von wichtigen, aber nicht gleich-essentiellen Lehraussagen und schließlich von persönlichen Meinungen und Vorlieben zu unterscheiden.[65] [65]
Das Fundament: Glaubenswahrheiten
Das entscheidende Fundament des christlichen Glaubens bilden die Glaubenswahrheiten. Sie sind das Fundament und haben höchste Priorität, denn sie sind die Basis, die darüber entscheidet, ob jemand zur christlichen Kirche in ihrer 2.000-jährigen Form gehört oder nicht. Von zentraler Bedeutung ist das Evangelium, dass Jesus Christus für uns und für unsere Sünden gestorben und leiblich auferstanden ist, um uns mit Gott zu versöhnen (Röm 3,21-26; 1Kor 15,3-5; 2Kor 5,19-21). Diese Glaubenswahrheiten finden ihren Ausdruck in der Lehre der Bibel als Gottes Offenbarung, in unserer Erlösung durch den Sohn Jesus Christus und in der Wiedergeburt und Sammlung in der Kirche durch den Heiligen Geist.
Dieser Glaube spiegelt sich im Schriftverständnis und in den drei maßgeblichen altkirchlichen Bekenntnissen wider (Apostolicum, Nicaeno-Constantinopolitanum und Athanasianum). Ungeachtet der Existenz unterschiedlicher Konfessionen geht es hier um Fragen, in denen sich alle Kirchen und Gemeinden durch die Jahrhunderte hindurch einig sind, der sogenannte magnus consensus. Wir sind überzeugt, dass diese Grundlage nicht das Ergebnis menschlicher Übereinkunft ist, sondern ein Werk des Heiligen Geistes, der die Kirche zu Pfingsten gegründet (Apg 2; 15,28) und die Apostel mit Autorität und göttlicher Inspiration erfüllt hat (2Tim 3,16; 2Petr 1,21).
Die Lehraussagen
Die Ebene der lehrmäßigen Aussagen ist wichtig, wenn auch nicht von gleicher Priorität wie die grundlegenden Glaubenswahrheiten. Ortlund schreibt: „Mit ‚zweitrangig‘ meine ich jene Lehren, die einen spürbaren Unterschied darin machen, wie wir das Evangelium verstehen und es ausdrücken, ohne dass das Evangelium fundamental entstellt wird, wenn man sie ablehnt.“[66] [66] Themen wie eine bestimmte Endzeitlehre (Offb 20), eine bestimmte Taufpraxis (Röm 6), das Abendmahlsverständnis (1Kor 11) oder ekklesiologische Fragen zu den Ämtern in der Kirche (1Tim 2-3) sind höchst relevant und haben oft eine sehr starke identitätsstiftende Wirkung für eine christliche Konfession.
Lehrfragen können und müssen auf einer grundsätzlichen Ebene diskutiert werden, aber unterschiedliche Lehraussagen hindern nicht uns daran, mit Christen anderer Überzeugungen Gemeinschaft zu haben, vorausgesetzt, dass die Wahrheiten des Glaubens geteilt werden. Auf dieser Ebene arbeiten häufig christliche Werke, Institutionen und Netzwerke zusammen, die sich beispielsweise auf die Glaubensbasis der Evangelischen Allianz als verbindliche Zusammenfassung der Glaubenswahrheiten berufen, gemäß Paulus in Eph 4,3-6: „Und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: ein Leib und ein Geist, wie auch ihr berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.“ Während bei dem Fundament der Glaubenswahrheiten Einigkeit herrschen muss, kann in anderen Bereich der Lehre eine Freiheit bleiben.
Meinungen
Jeder von uns auch hat (theologische) Überzeugungen. Es ist normal, dass Gläubige unterschiedliche Musikstile bevorzugen, so wie es auch unterschiedliche Meinungen über Kleidungsstile und andere Äußerlichkeiten gibt, insbesondere zwischen den Generationen. Das Gleiche gilt für Meinungen über Politik, Kultur und Gesellschaft. Wenn Meinungen geistlich überhöht und zu Glaubenswahrheiten erhoben werden, die Situation wird schnell schwierig. In diesen Bereichen kann es einen echten Dialog miteinander geben, wobei Gläubige versuchen können, zu überzeugenandere mit Argumenten. Aber im Bereich der Meinungen ist es wichtig, Freiheit zu schaffen. Wir sollten nicht in den falschen Fragen Front machen und durch Hartherzigkeit oder stures Verhalten Schuld auf uns laden: „Ist aber jemand unter euch, der darüber streiten will, so soll er wissen, dass wir diese Sitte nicht haben – und die Gemeinden Gottes auch nicht.“ (1Kor 11,16)
Die Schwierigkeit ist zweifellos, die Themen zu identifizieren und dann den einzelnen Kategorien zuzuweisen. Hierin werden sicherlich etliche Unterschiede bestehen und es kann eben auch dadurch wiederum zu Meinungsverschiedenheiten kommen. Und doch besteht umgekehrt ein Mehrwert in der bloßen Existenz solcher Kategorien, die Dialogprozesse eröffnen.
Hoffnungsvoller Ausblick: Das Unaufgebbare
Mit dieser theologischen Triage im Hinterkopf können wir nun erneut fragen, wofür eine evangelikale Theologie steht und wie wir auf die Herausforderungen und Anfragen reagieren können, die von Seiten des Postevangelikalismus gestellt werden, wie oben beschrieben. Woran halten wir als das Unaufgebbare fest?

Beginnen wir auf der Ebene der Fundamentaltheologie, nämlich der Lehre der Unfehlbarkeit und göttlichen Inspiration der Bibel als Heilige Schrift, so wie es in der Lausanner Verpflichtung von 1974 in Artikel 2 formuliert wird:
„Wir halten fest an der göttlichen Inspiration, der gewißmachenden Wahrheit und Autorität der alt- und neutestamentlichen Schriften in ihrer Gesamtheit als dem einzigen geschriebenen Wort Gottes. Es ist ohne Irrtum in allem, was es bekräftigt und ist der einzige unfehlbare Maßstab des Glaubens und Lebens. Wir bekennen zugleich die Macht des Wortes Gottes, Seinen Heilsplan zu verwirklichen. Die Botschaft der Bibel ist an die ganze Menschheit gerichtet, denn Gottes Offenbarung in Christus und in der Heiligen Schrift ist unwandelbar. Der Heilige Geist spricht noch heute durch diese Offenbarung. Er erleuchtet Sein Volk in allen Kulturen. So erkennen die Gläubigen Seine Wahrheit immer neu. Der Heilige Geist enthüllt der ganzen Gemeinde mehr und mehr die vielfältige Weisheit Gottes.“[67] [67]
Die Bibel ist genug! Was wir brauchen, ist eine Rückbesinnung auf dieses Grundprinzip der Apostel und der Theologie, damit wir uns an das halten, was die Reformation unter verstand „sola scriptura“ verstanden hat. Packer schrieb sehr treffend: „Ich höre auf die Schrift, um Gott predigen zu hören und mich in theologischen und praktischen Angelegenheiten, Glaubens- und Verhaltensfragen, Fragen der Lehre, Fragen der Anbetung, Fragen der Hingabe, Fragen der Orthodoxie (des rechten Glaubens) und der Orthopraxie (des rechten Lebens) unterweisen zu lassen.“[68] [68] Diese Grundhaltung müssen wir beibehalten und wo nötig wiedergewinnen.
In der Dogmatik müssen wir an einer heilsgeschichtlichen und bekenntnisgebundenen Verkündigung des Evangeliums festhalten. Unsere Lehre muss in der Heiligen Schrift verwurzelt sein und sich von dort aus entfalten. Wie Harald Seubert erklärt:
„Wo nicht von Gottes Offenbarung in Christus und seinem Wort her gesprochen und gelehrt wird, bleiben auch Aussagen zu Zeitfragen phrasenhaft, vernebelt, letztlich nichtig. Dies führt zu einer Bankrotterklärung. Kirche ist dort, wo sie sich dem Zeitgeist angliedert und angleicht, in ihrer eigenen Blase befangen, eben weil nicht profund aus der Mitte und Breite und Tiefe, aus dem Wort vom Kreuz und der befreienden Kraft des Evangeliums gelehrt und verkündigt wird.“[69] [69]
Aus diesem Grund ist die stellvertretende Sühne das Herzstück unserer Dogmatik. Sie ist nicht optional oder ein Teil unter vielen Aspekten der neutestamentlichen Botschaft, sondern sie ist der innerste Kern des Evangeliums. Daher bekennen wir in der Glaubensbasis der Europäischen Evangelischen Allianz (EEA) in Artikel 4 und 5 auch zurecht:
„4. Das stellvertretende Opfer des menschgewordenen Gottessohnes als einziger und allgenugsamer Grundlage der Erlösung von der Schuld und Macht der Sünde und ihren ewigen Folgen.
5. Die Rechtfertigung des Sünders allein durch die Gnade Gottes aufgrund des Glaubens an Jesus Christus, der gekreuzigt wurde und von den Toten auferstand.“[70] [70]
Auf diese Weise verlassen wir uns auf die Erlösung, die objektiv geschehen ist und uns am Kreuz auf Golgatha geschenkt wurde. Wir verlassen uns nicht auf eine individuelle, auf Erfahrung beruhende Überzeugung, sondern auf das extra nos der Rechtfertigung allein aus Gnade durch den Glauben. Deshalb stimmen wir an dieser Stelle mit Ingolf Dalferth überein, wenn er warnt: „Nicht unser Erleben ist daher der Anfang der Theologie, sondern dass man ohne Gott nichts erleben kann. […] Erfahrungsbasierte Theologie kommt mit dem Tod an ihr Ende. Christliche Theologie beginnt mit der Auferweckung.“[71] [71]
Wenn wir diesen Ansatz in der Lehre auf der Grundlage der Heiligen Schrift haben, können wir auch eine theozentrische Ethik auf der Grundlage des Naturrechts entwickeln. Wie John Lennox und David Gooding in ihrer Ethik erklären: „Das Moralgesetz besteht nicht aus einer Reihe von unpersönlichen Regeln und Vorschriften: Es ist der erklärte Wille des dreieinigen Schöpfers. Der Gehorsam der Menschheit ist daher immer letzten Endes nicht bloß eine Frage des Befolgens eines Gesetzes, sondern des Gehorsams gegenüber einer Person.“[72] [72] Der deutsche Ethiker Helmut Burkhardt, beginnt seine theozentrische Ethik deshalb auch mit der Grunddefinition: „Richtig handelt, wer dem Willen Gottes entsprechend handelt.“[73] [73]
Dies führt uns auf das konfliktreichen Mienenfeld der Sexualethik. Auch wenn sich gesellschaftliche Normen verändern, muss die christliche Theologie angemessene Antworten finden, aber sie darf sich nicht von diesen Veränderungen treiben lassen. Was die Evangelikale Bewegung braucht, ist eine protestantische Theologie des Leibes. Carl R. Truman schreibt:
„Außerdem muss die Kirche das Naturrecht und eine Theologie des Leibes wiederentdecken. […] Einfach ausgedrückt ist es die Vorstellung, dass die Welt, in der wir leben, nicht einfach ein moralisch neutraler ‚Stoff‘ ist, sondern in sich selbst eine moralische Ordnung aufweist. Insbesondere unser Körper ist kein Gefäß, das wir nur bewohnen und beleben. Er ist in tiefer und bedeutsamer Weise integraler Bestandteil unserer Identität, unseres Selbst.“[74] [74]
Und der Neutestamentler Joel White, ergänzt:
„Eine christliche Sexualethik, die [an den biblischen Standards] ausgerichtet ist, muss uns nicht peinlich berühren; im Gegenteil: Sie kann auch begeistern – gerade in unserer Zeit, die für viele orientierungs- und haltlos geworden ist. Eine biblisch begründete Sexualethik ist keine schlechte Nachricht darüber, was Gott uns alles vorenthalten will, sondern eine gute Nachricht darüber, wie schön das Leben sein kann, wenn man Gottes Design für das intime Miteinandersein entdeckt.“[75] [75]
Die Evangelikale Bewegung ist sicherlich nicht perfekt. Aber inmitten der gegenwärtigen Herausforderungen innerhalb der Bewegung und des raschen Wandels in der Gesellschaft steht die Evangelikale Bewegung in der Tradition von der Apostelgeschichte bis ins 21. Jahrhundert und tut ihr Bestes, um die Lehren ihres Herrn Jesus Christus zu verkünden und umzusetzen; und das in einer der Heiligen Schrift gemäßen Weise. Daran müssen wir festhalten und weiter daran arbeiten. Aus diesem Grund schließe ich dem hoffnungsvollen Ausblick von Carl Truman und Michael Reeves an:
„Schließlich sollte sich die Kirche in ihrer Reaktion auf die gegenwärtige Zeit weder zu Verzweiflung noch zu Optimismus hinreißen lassen. Ersteres hieße, die Verheißung nicht ernst zu nehmen, dass die Kirche am Ende siegreich dastehen wird, weil die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden. Letzteres bedeutet einfach, die Weichen für eine tiefere Verzweiflung zu stellen, die sich dann später einstellt. Beide Sichtweisen führen letztlich zu Untätigkeit, die eine aus einem Gefühl der Ohnmacht heraus, die andere wegen ihrer Naivität.“[76] [76]
„Dies ist weder die Zeit für hoffnungslose Verzweiflung noch naiven Optimismus. Ja, lasst uns die verheerenden Folgen des Sündenfalls beklagen, die sich nun auf die spezifische Weise zeigen, die sich unsere Generation ausgesucht hat. Lasst uns die Klage zugleich zum Anlass dafür nehmen, unsere Identität als Volk Gottes und unseren Hunger nach der großen Vollendung zu stärken, die uns bei der Hochzeit des Lammes erwartet.“[77] [77]
„Während sich jede christliche Tradition im Laufe der Jahrhunderte in gewisser Weise verändert hat, zeichnet sich der wahre Evangelikalismus dadurch aus, dass er sich ständig reformiert, und zwar nicht, um sich jeder neuen Ära anzupassen (wie es andere tun), sondern um dem Evangelium inmitten der besonderen Herausforderungen, die jedes Jahrhundert mit sich bringt, treu zu bleiben.“[78] [78]
Martin P. Grünholz
Quelle: Martin P. Grünholz, Frank Hinkelmann (Hg.), Christlicher Glaube in den Herausforderungen unserer Zeit, Verlag für Theologie und Gemeinde
Band 1: Der unveränderte Stellenwert der Heiligen Schrift
Band 2: Die alles entscheidende Bedeutung von Jesus Christus
Band 3: Der kostbare Schatz biblischer Ethik
Band 4: Die begründete Einheit der Evangelikalen Bewegung
Wer Interesse an den Bänden hat, kann die 4 Konferenzbände der Konferenz Jesus25 inkl. Porto bei mir (gruenholz@wiedenest.de [79]) gerne käuflich erwerben.

Bibliographie
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[1] [81] Vgl. Thorsten Dietz. Menschen mit Mission. Eine Landkarte der evangelikalen Welt. Holzgerlingen: SCM R. Brockhaus, 2022, 306-333.
[2] [82] Thorsten Dietz. Menschen mit Mission, 321.
[3] [83] Vgl. Thorsten Dietz. Menschen mit Mission, 331-333.
[4] [84] Dave Tomlinson. The Post Evangelical. London: SPCK, 2014.
[5] [85] Als Beispiel für die bewusste Verwendung von Exevangelikal ist: Sarah McCammon. The Exvangelicals. Loving, Living, and Leaving the White Evangelical Church. New York City: St. Martin’s Publishing, 2024.
[6] [86] Dave Tomlinson. The Post Evangelical, 6.
[7] [87] Torsten Hebel; Daniel Schneider. Freischwimmer. Meine Geschichte von Sehnsucht, Glauben und dem großen, weiten Mehr. Holzgerlingen: SCM Hänssler, 22016.
[8] [88] Torsten Hebel; Daniel Schneider. Freischwimmer, 113.
[9] [89] Vgl. Andreas Malessa. Und das soll man glauben? Warum ich der Bibel trotzdem vertraue. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2024.
[10] [90] Gottfried Müller. Flucht aus Evangelikalien. Norderstedt: Books on Demand, 22019.
[11] [91] Michael Diener. Raus aus der Sackgasse! Wie die pietistische und evangelikale Bewegung neu an Glaubwürdigkeit gewinnt. Asslar: adeo, 2021.
[12] [92] Martin Benz. Wenn der Glaube nicht mehr passt. Ein Umzugshelfer. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlagsgesellschaft, 2022.
[13] [93] Auf Deutsch erschien das Buch zuerst 1998, Letztauflage (Jubiläumsausgabe) erfolgte 2009: Joshua Harris. Ungeküsst und doch kein Frosch. Warum sich warten lohnt – radikal neue Einstellungen zum Thema Nr. 1. Aßlar: GerthMedien, 2009.
[14] [94] Vgl. “significant changes [that] have taken place in both of us”: https://www.instagram.com/p/B0CtVRingGj/ [95] [letzter Zugriff 09.03.2025].
[15] [96] Vgl. https://www.theguardian.com/world/2019/jul/29/author-christian-relationship-guide-joshua-harris-says-marriage-over [97] [letzter Zugriff 09.03.2025]. Eine hilfreiche Einordnung dazu nach Kevin DeYoung vor: https://www.thegospelcoalition.org/article/reflections-josh-harris-deconversion/ [98] [letzter Zugriff 09.03.2025].
[16] [99] Vgl. https://hossa-talk.de/ [100] [letzter Zugriff 09.03.2025].
[17] [101] Vgl. https://karte-und-gebiet.de/ [102] [letzter Zugriff 09.03.2025].
[18] [103] Vgl. https://www.reflab.ch/ [104] [letzter Zugriff 09.03.2025].
[19] [105] Vgl. https://worthaus.org/ [106] [letzter Zugriff 09.03.2025].
[20] [107] Vgl. https://worthaus.org/fakten/ [108] [letzter Zugriff 09.03.2025].
[21] [109] Preston Ulmer. Anders als geglaubt. Mit Christus vor Augen Dekonstruktion verstehen. Holzgerlingen: SCM R. Brockhaus, 2024, 103.110f.
[22] [110] Volker Gäckle. Windstille, Wandel und Gottes Wirken. In: Lebendige Gemeinde (4/2021), 16.
[23] [111] Phil Johnson. “The History of Evangelicalism” [80]. Pulpit Magazine (3/2009). https://web.archive.org/web/20100616020408/http:/www.shepherdsfellowship.org/pulpit/Posts.aspx?ID=4111 (letzter Zugriff 09.03.2025].
[24] [112] Vgl. Frank Hinkelmann. Evangelikal in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ursprung, Bedeutung und Rezeption eines Begriffs. Bonn: VKW, 2017, 9f.
[25] [113] Frank Hinkelmann. Evangelikal, 14.
[26] [114] Vgl. Frank Hinkelmann, Evangelikal, 16-18.
[27] [115] Vgl. Martin Reppenhagen. Kirchen in der Krise – die Mainlinekirchen in den USA. In: Theologische Beiträge 55 (2024), 256-266.
[28] [116] Wenn auch keine erstmalige Nennung, so doch ein zentrales Elemente beim Durchbruch des Begriffs „Evangelikal“ im deutschen als Selbstverständnis und Identitätsbegriff für die eigene Frömmigkeit und geistliche Prägung war das 1972 veröffentlichte Buch Fritz Laubach. Aufbruch der Evangelikalen. Wuppertal: Brockhaus, 1972.
[29] [117] Michael Reeves. Menschen des Evangeliums. Bad Oeynhausen: Verbum Medien, 2024, 145.
[30] [118] Vgl. David W. Bebbington. Evangelicalism in Modern Britain. A History from the 1730s to the 1980s. London: Unwin Hyman, 1989, 2-17.
[31] [119] Michael Reeves. Menschen des Evangeliums, 16.
[32] [120] Michael Reeves/John Stott. The Reformation: What You Need to Know and Why. Peabody: Hendrickson, 2017, 31. Deutsche Übersetzung zitiert nach Michael Reeves, Menschen des Evangeliums, 149.
[33] [121] Eine gute Einführung über die philosophische Theorie des Dekonstruktivismus gibt Peter V. Zima. Die Dekonstruktion. Tübingen: A. Francke Verlag, 22016. Sowie speziell auf die damit eng verknüpfte Frage nach dem Menschen als Subjekt: Peter V. Zima. Theorie des Subjekts. Stuttgart: UTBA. Francke, 42017.
[34] [122] Jean-Luc Nancy. Dekonstruktion des Christentums. Zürich/Berlin: Diaphanes, 2008.
[35] [123] Melanie Mudge, zitiert in: Ulmer Preston. Anders als geglaubt, 18f.
[36] [124] Der Theologe Markus Voss berichtet in einem Vortrag von vielen konkreten Erfahrungsberichten, ohne einen Anspruch auf repräsentative Auswertung zu erheben. Vgl. Markus Voss. Dekonstruktion durch Worthaus. 2023: https://youtu.be/aLp3Xdh4fxo?si=0drHdKLPlK5KH5w5 [125] [letzter Zugriff 09.03.2025].
[37] [126] Rebecca McLaughlin. Kreuzverhör. 12 harte Fragen an den christlichen Glauben. Dillenburg: Christliche Verlagsgesellschaft, 2022.
[38] [127] Natha Bubenzer. Überrascht von Furcht. Corgémont: Crosspaint, 42022.
[39] [128] Alisa Childers. Ankern. Eine Verteidigung der biblischen Fundamente in postmodernen Gewässern. Basel: Fontis Verlag, 32024.
[40] [129] Alisa Childers, Ankern, 19f.
[41] [130] Blog, Predigten sowie die Podcasts „Movecast“ und „Lovecast“ (letzter gemeinsam mit seiner Frau speziell zu sexualethischen Themen) von Martin Benz finden sich über seine Homepage https://movecast.de/ [131] [letzter Zugriff 09.03.2025].
[42] [132] Vgl. Martin Benz, Wenn der Glaube nicht mehr passt, 13-48.
[43] [133] Vgl. Martin Benz, Wenn der Glaube nicht mehr passt, 49-172. Vertieft auf die Fundamentalethik gehen Thorsten Dietz und Tobias Faix in ihrem Ethik-Podcast ein, vgl. https://karte-und-gebiet.de/ [102] [letzter Zugriff 09.03.2025], sowie in dem Buch Thorsten Dietz; Tobias Faix. Transformative Ethik. Wege zum Leben. Eine Einführung in eine Ethik zum Selberdenken. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 2021. In dem jüngst erschienenen zweiten Teil der Reihe behandeln sie detailliert die Sexualethik. Erfreulicherweise stellen sie dieser eine anthropologische Einordnung voran und geben auch einen kurzen Einblick in ihre Hamartiologie. Das auf wenige Zeilen komprimierte Verständnis zeigt, dass sie Sünde primär immanentistisch verstehen und dadurch menschliche Erfahrungen und rationale Überlegungen in den Fokus stellen, während die transzendente Dimension Gottes kaum berücksichtigt wird. Diese Konsequenzen zeigen sich im weiteren Verlauf bei fast jeder ethischen Schlussfolgerung, vgl. Thorsten Dietz; Tobias Faix. Transformative Ethik. Wege zur Liebe. Eine Sexualethik zum Selberdenken. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 2025, 69-90.
[44] [134] Benjamin Kilchör. Eine Buchbesprechung. Glaube und Erfahrung müssen nicht übereinstimmen (17.05.2023); https://www.livenet.ch/news/vermischtes/22972_glaube_und_erfahrung_muessen_nicht_uebereinstimmen [letzter Zugriff 09.03.2025]
[45] [135] Thorsten Dietz stellt ihn in einem Blogbeitrag vor: Vgl. Thorsten Dietz. David Gushee und die Postevangelikalen – Eine globale Reise (18.09.2022); https://www.reflab.ch/david-gushee-und-die-postevangelikalen-eine-globale-reise/ [letzter Zugriff 09.03.2025].
[46] [136] David P. Gushee. After Evangelicalism. The Path to a New Christianity. Louisville: Westminster John Knox, 2020, 122f [Sofern nicht anders angegeben und keine deutschsprachigen Ausgaben vorliegen wurden die englischen Zitate vom Verfasser ins Deutsche übersetzt].
[47] [137] Siehe Fußnote 43.
[48] [138] Thorsten Dietz in: Karte & Gebiet. Ethik zu Selberdenken. Hartmut Rosa: Gibt es ein gutes Leben in der Moderne? – Folge 35; (26.04.2024), 1:08:44–1:09:23 https://open.spotify.com/episode/4uC6vWzFyQlOXJiCDhZO9U?si=AzRSXhEURpafFYsIm3Qklg [letzter Zugriff 09.03.2025].
[49] [139] Jakob Friedrichs. Ist das Gott oder kann das weg? Aßlar: Gerth Medien, 2020, 18.
[50] [140] Jason Liesendahl. Gott kann auch nicht alles. Einführung in die Prozesstheologie. Trier: ruach.jetzt, 2024, 40-42.
[51] [141] Mehr dazu in Band 2 dieser Reihe, vgl. Martin P. Grünholz. „Für unsere Sünde. Stellvertretung als Mitte der Erlösung“. In: Martin P. Grünholz/Frank Hinkelmann (Hg.): Die alles entscheidende Bedeutung von Jesus Christus. Christlicher Glaube in den Herausforderungen unserer Zeit 2. Petzenkirchen: VGTG, 2025, 125-166.
[52] [142] Siegfried Zimmer. Der Prozess vor Pilatus (Mk 15, 1-15) | 9.4.2 (10.06.2019); https://youtu.be/w2lVEExi164?si=TPlmYbQ9X0zM5Crk&t=3327; 55:20 [letzter Zugriff: 09.03.2025].
[53] [143] Thorsten Dietz. Der Prozess: Warum ist Jesus gestorben? Worthaus 9.4.3, (10.6.2019), 1:10:20-1:10:30 [letzter Zugriff 09.03.2025].
[54] [144] Jakob Friedrichs. Wofür starb Jesus? Teil 1, Hossa Talk #34 (20.03.2016), https://hossa-talk.de/34-das-kreuz-wofuer-starb-jesus-teil-1/, 56:40 [letzter Zugriff 09.03.2025].
[55] [145] Jason Liesendahl. Gott kann auch nicht alles, 194f.
[56] [146] David P. Gushee. After Evangelikalism, 43.
[57] [147] David P. Gushee. After Evangelikalism, 45.
[58] [148] Rolf Hille. Eine Landkarte in unwegsamem Gelände. Herausforderungen zu einem kritisch-konstruktiven Gespräch mit Thorsten Dietz. 6f. Abrufbar über: https://www.bibelundbekenntnis.de/aktuelles/hat-das-postevangelikale-brueckenbauen-grenzen/ [letzter Zugriff 09.03.2025].
[59] [149] Michael Reeves. Menschen des Evangeliums, 120.
[60] [150] Vgl. Cedric Grossmann/Benjamin Carstens. Dekonstruktion – Zerstörung oder Rettung des Glaubens? https://www.wiedenest.de/artikel/dekonstruktion-zerstoerung-oder-rettung-des-glaubens [letzter Zugriff 09.03.2025].
[61] [151] Vgl. Jim Davis/Michael Graham. The Great Dechurching. Who’s Leaving, Why Are They Going, and What Will it Take to Bring Them Back? Grand Rapids: Zondervan, 2023, 215-225.
[62] [152] Vgl. Alisa Childers/Tim Barnett. The Deconstruction of Christianity. What It Is, Why It’s Destructive, and How to Respond. Carol Stream: Tyndale House, 2023, 199-255.
[63] [153] Alisa Childers. Ankern, 257f.
[64] [154] Als Auswahl sei, neben den bereits angeführten Büchern, auf Folgende verwiesen: Alister E- McGrath. Christian Apologetics. An Introduction. Chichester: John Wiley & Sons Ltd. 2024. Os Guinness. Narrenrede. Dillenburg: Christliche Verlagsgesellschaft, 2025. Gerrit Hohage. Tief verwurzelt glauben. Wie man heute christlich denken kann. Witten: SCM Brockhaus, 2024. Timothy Keller. Warum Gott? Vernünftiger Glaube oder Irrlicht der Menschheit? Gießen: Brunnen Verlag, 62015. William Lane Craig. theo:logisch. Warum der christliche Glaube vernünftig ist. Neuried: Christlicher Veranstaltungs- und Mediendienst, 22025. Gavin Ortlund. Warum Gott sinn (er)gibt. Über die Schönheit des christlichen Theismus. Neuried: Tenet, 2024. Glen Scrivener. Wie die Luft, die wir atmen. Warum wir alle an Freiheit, Menschenwürde und Gleichheit glauben. Dillenburg: Christliche Verlagsgesellschaft, 2023. Christopher Watkin. Biblical Critical Theory. How the Bible’s Unfolding Story Makes Sense of Modern Life and Culture. Grand Rapids: Zoondervan, 2022.
Und ebenso folgende Blogs- und Podcasts: https://apologetik-projekt.de/; https://bibelfit.markusvoss.net/s/markusvossde; https://danieloption.ch/; https://glaubendenken.net/; https://offen.bar/; https://www.thegospelcoalition.org/thekellercenter/; https://truthunites.org/.
[65] [155] Mit der Verwendung des Begriffs „theologische Triage“ schließe ich mich explizit an Gavin Ortlund an, der vor kurzem ein ähnliches Modell vorgelegt hat: Gavin Ortlund. Wofür es sich zu kämpfen lohnt und wofür nicht. Ein Plädoyer für theologische Triage. Bad Oeynhausen: Verbum Medien, 2025. Einen ähnlichen Entwurf mit dem Versuch von vielen, konkreten Einordnungen in einer Triage hat Haslebacher vorgelegt: Christian Haslebacher. V.U.K.A. – Theologie in einer V.U.K.A. – Welt? (21.01.2021), https://danieloption.ch/theologie/vuka-theologie-ch/ [letzter Zugriff 09.03.2025].
[66] [156] Gavin Ortlund. Wofür es sich zu kämpfen lohnt, 115.
[67] [157] Lausanner Verpflichtung (1974). Art. 2: Die Autorität der Bibel https://lausanne.org/de/statement/lausanner-verpflichtung [letzter Zugriff 09.03.2025].
[68] [158] J. I. Packer. Engaging the Written Word of God. Peabody: Hendrickson, 2012, 162.
[69] [159] Harald Seubert. Heilsgeschichte und der dreieinige Gott. In: Diakrisis, 43 (3/2022), 132.
[70] [160] European Evangelical Alliance. Glaubensbasis. https://www.europeanea.org/wp-content/uploads/2019/11/2019-11_EEA-basis_of_faith_german.pdf [letzter Zugriff 09.03.2025].
[71] [161] Ingolf U. Dalferth. Sünde. Die Entdeckung der Menschlichkeit. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 32024, 425.
[72] [162] David Gooding/John Lennox. Was sollen wir tun. Was ist das beste Konzept für Ethik? (Die Suche nach Wirklichkeit und Bedeutung 3. Dillenburg: Christliche Verlagsgesellschaft, 2021, 121.
[73] [163] Helmut Burkhardt. Einführung in die Ethik Bd. 1. Grund und Norm sittlichen Handelns. Fundamentalethik. Gießen: Brunnen, 1996, 49.
[74] [164] Carl R. Trueman. Fremde neue Welt. Wie Philosophen und Aktivisten Identität umdefiniert und die sexuelle Revolution entfacht haben. Bad Oeynhausen: Verbum Medien, 2023, 230.
[75] [165] Joel White. Was sich Gott dabei gedacht hat. Eine biblische Basis einer christlichen Sexualethik. Holzgerlingen: SCM R. Brockhaus, 2021, 23.
[76] [166] Carl R. Trueman, Fremde neue Welt, 233.
[77] [167] Carl R. Trueman, Fremde neue Welt, 235.
[78] [168] Michael Reeves, Menschen des Evangeliums, 153.
