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Stellungnahme zu Jürgen Moltmann, Wer wird gerettet werden?

Stellungnahme zu Jürgen Moltmann, Wer wird gerettet werden?

Professor Moltmanns Antwort auf die Frage „Wer wird gerettet werden?“ läßt sich sehr einfach zusammenfassen: Jede Person! Alle Menschen werden gerettet. Diese Antwort ist falsch. Sie kommt durch eine einseitige Interpretation biblischer Aussagen zustande. Sie stellt einen Bruch mit dem Bekenntnis der lutherischen Reformation, d.h. mit der gültigen Lehrnorm der Evangelischen Kirche in Württemberg dar. Professor Moltmanns Antwort beruht auf folgenden unzulässigen Argumentationen:

1. In dem Dialog zwischen „Glaube“ und „Gnade“ werden zuerst die Jesusworte Mk 16,16 und Mt 7,13f gegen das Pauluswort 1. Tim 2,5f ausgespielt. Jesus spricht von den beiden eschatologischen Existenzformen, denen der Mensch entgegengeht: Seligkeit oder Verdammnis, Heil oder Unheil. Paulus spricht davon, daß Gott durch die Evangeliumsverkündigung gerne allen Menschen die Seligkeit und das Heil ermöglichen will. Erstens könnte ein Apostelwort niemals ein Jesuswort verbessern oder aufheben. Zweitens gibt es zwischen beiden Aussagen keinen Widerspruch, weil Gottes Rettungswille keineswegs bei allen Menschen zum Ziel kommt, was Paulus ganz klar lehrt (1.Tim 6,9 „Verderben und Verdammnis“). Der universale Heilswille Gottes begegnet den Menschen konkret in der Person Jesu, an der sich allerdings die Geister scheiden, so daß keineswegs alle Zuhörer Jünger werden.

2. Als nächstes werden die Paulusworte Rö 3,28 und Rö 1,17 gegen Rö 4,5 und Rö 5,18 ausgespielt. Die Kernstelle reformatorisch-evangelischer Lehre besagt, daß derjenige Mensch von Gott gerecht gemacht wird, „der da ist aus dem Glauben an Jesus“ (3,26). In Kapitel 5 stellt der Apostel fest, daß diese Möglichkeit der Rechtfertigung, die grundsätzlich allen Menschen offensteht, durch Jesus Christus geschaffen worden ist (5,18). Paulus lehrt keineswegs eine pauschale Rechtfertigung jedes beliebigen Gottlosen, sondern präzise und exakt die Rechtfertigung des Gottlosen, „dem sein (!) Glaube (!)“ zur Gerechtigkeit angerechnet wird (4,5). Andernfalls müßte man einen gewichtigen inhaltlichen Selbstwiderspruch innerhalbweniger Kapitel des stringent geschriebenen Römerbriefs annehmen.

3. Ferner wird aus der Lutherschrift „Über den unfreien Willen“ gefolgert, daß sich Gottes Rettungswille bei jedem Menschen durchsetzen müsse. Diese Folgerung hat Luther natürlich niemals gezogen, sondern vielmehr den krassen Unterschied zwischen willentlich Glaubenden und willentlich Ungläubigen festgehalten. Andernfalls wäre auch es auch nicht denkbar, daß das Augsburgische Bekenntnis, 5 Jahre nach der Lutherschrift entstanden, die Verdammnis der Gottlosen lehrt.

4. Ohne Anhalt am biblischen Text parallelisiert Professor Moltmann die guten Taten des Menschen und den Glauben des Menschen, so daß der Glaube als verdienstliche Tat erscheint, die dann für nicht heilsrelevant erklärt werden kann. Diese Sichtweise verwischt die Differenzierung des Apostels Paulus in Rö 3,28, wo er die „Gesetzes Werke“ dem „Glauben“ gegenübergestellt. Gesetzeswerke und gute Taten sind nicht heilsentscheidend, aber sehr wohl der Glaube, der nach Eph 2,8 Gottes Gabe ist.

5. Eine Sonderstellung unter den Aussagen des NT, die heilsuniversalistisch klingen, nimmt Rö 11,32 ein, weil der Apostel hier von der Rettung von „ganz Israel“ spricht (11,26). Erstens läßt sich diese Aussage nicht ohne weiteres ausweiten auf die „ganze Menschheit“, und zweitens läßt sich auch diese wiederhergestellte Ganzheit Israels so verstehen, daß die in Sünde und Unbußfertigkeit Gestorbenen nicht zu den Geretteten gehören.

6. Aus dem Psalmwort 30,6, der Zorn Gottes währet „einen Augenblick“, wird geschlossen, daß der Zorn und die Hölle zeitlich begrenzt seien, die Gnade und das Heil dagegen nicht. In der Verkündigung Jesu aber werden ewiges Leben und ewige Strafe mit ein und demselben Begriff gegenübergestellt (Mt 25,46). Vgl. Joh 3,36: „Wer dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.“ Gerade die Gerichtsszene Mt 25,31-46 mit dem doppelten Ausgang des Weltgerichts läßt sich nicht heilsuniversalistisch vereinnahmen durch eine exegetische Übermalung des Schreckens mit Hilfe von 1.Kor 3,15, als ginge es hier nur um eine Zurechtbringung der Ungerechten.

7. Aufgrund der neutestamentlichen Bezeugung der Verkündigung des Evangeliums durch Jesus Christus auch vor den Toten (1.Petr 4,6) und der Tatsache der Auferstehung Jesu kommt Professor Moltmann zu dem Schluß, daß es im vollendeten Gottesreich keine Hölle und keine Verlorenen mehr gäbe. Dabei zitiert er 1.Kor 15,55 falsch, wo der Sieg über den Tod, nicht über die Hölle gefeiert wird. „Die Schlüssel des Todes und des Hades“ in der Hand des Auferstandenen, die in Offb 1,18 offenbart werden, kündigen die Auferstehung der Toten an, nicht aber die Tilgung der quälenden Hölle in der Ewigkeit, die gerade das Offenbarungsbuch erschreckend deutlich bezeugt (Offb 14,10f; 20,14). Nach der Lehre Jesu und seiner Apostel lautet die richtige Antwort auf die Frage „Wer kann gerettet werden?“ so: „Derjenige, der da ist aus dem Glauben an Jesus.“ „Wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.“ Wenn ein Lehrer der Theologie diese in den neutestamentlichen Schriften durchgängig bezeugte Alternative umbiegt in eine Lehre von der All-Erlösung am Ende dieser Weltzeit, dann kommt das den natürlichen Erwartungen und Befürchtungen jedes Menschen selbstverständlich sehr entgegen. Die Gemeinde Jesu aber erkennt in solcher heilsuniversalistischer Welterlösungsbotschaft die gefährliche Überspielung des Rufs des Evangeliums zu einem bewußt ergriffenen Christusglauben, der allein vom Unheil zum Heil führt.

Ev. Gemeindeblatt 2/2008, 2-7
Pfarrer Dr. Tobias Eißler, Mundelsheim, 
Confessio-Vorstandsmitglied
2. Sprecher des Gemeindenetzwerks