Michèl – Wenn ein Totgesagter Jesus findet
Freitag 24. Januar 2025 von idea e.V.

Nach einem Nahtoderlebnis macht sich ein junger Mann auf die Suche nach Gott. Er ist verzweifelt und wendet sich an den evangelischen Pfarrer Falk Klemm (Ehrenfriedersdorf/Erzgebirge). Die Begegnung wird das Leben beider Männer verändern. Tabitha Bühne erzählt die bewegende Geschichte einer Reise in Gottes Arme.
Ein junger Mann stolpert suchend um die Kirche herum. Die Frau des Pfarrers arbeitet gerade im Garten und fragt sich, was der Kerl im Schilde führt. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragt sie vorsichtig. Der junge Mann hält inne. Seine Haare sind zerzaust, er scheint getrunken zu haben, doch er wankt nicht. „Ich muss unbedingt den Pfarrer sehen!“, sagt er. Sein Blick verrät, dass er es eilig hat. Frau Klemm zeigt auf das Pfarrhaus: „Dann gehen Sie dort hinauf. Klopfen Sie einfach, er wird öffnen.“
Pfarrer Falk Klemm hört das Trommeln an der Tür und macht auf. „Was kann ich ür Sie tun?“ „Ich Muss den Pfarrer sehen, sind Sie der Pfarrer?“ Pfarrer Klemm nickt. Der junge Mann vor ihm hat eine Fahne. Ihm fehlen bereits einige Zähne; das Gesicht ist rot, die Augen recht klar, sein Gang fest. Michèl, so heißt der junge Mann, redet dermaßen wirr und schnell, dass Pfarrer Klemm zunächst nicht ganz folgen kann. Doch die Geschichte, die er an diesem Tag erährt, wird sein Leben und das seiner Gemeinde für immer prägen.
Der gefaltete Jesus
Michèl ist erst Anfang 20, aber er weiß, dass ihm nicht viel Zeit zum Leben bleibt. Er ist der Sohn einer Alkoholikerin. Schon bevor er das Licht der Welt erblickte, war Michèl abhängig. Seine Mutter musste Hochprozentiges in die Milch kippen, damit sich ihr Sohn beruhigen ließ. Michèl sollte Zeit seines Lebens nicht mehr davon loskommen. Er wäre eigentlich auch schon tot – allerdings nicht wegen der Sucht, sondern wegen eines Fahrradunfalls vor ein paar Wochen: „Ich lag hirntot auf der Straße, Herr Pfarrer. Ein Assistenzarzt sollte zu Übungszwecken noch einmal eine Wiederbelebung versuchen. Ich habe davon nichts mitbekommen – ich war ja schon tot und stand vor der Himmelstür. Da kam plötzlich meine Großmutter und sagte: ‚Michèl, was machst du denn hier? Du musst doch erst Jesus kennenlernen und zum Pfarrer gehen!‘“ Die Wiederbelebungsmaßnahme brachte ihn zurück ins Leben. Diese Sache mit seiner Großmutter fand Michèl selbst etwas seltsam. Vor allem, weil sie seines Wissens nicht mal fromm gewesen war, genau wie der Rest seiner Familie. Aber nun war er hier und wusste, dass seine Uhr tickte. „Herr Pfarrer, ich habe nicht mehr viel Zeit. Mein Hirn wird immer weniger. Erklären Sie mir bitte das mit Jesus!“ So etwas hatte Pfarrer Klemm noch nie erlebt. „Gut, Michèl“, sagte er, „das tue ich von Herzen gern!“
Der Pfarrer nimmt ein Blatt Papier und faltet es, tackert es, faltet es und schaut den jungen Mann an: „Ich glaube, es sieht bei dir so aus, Michèl. Dein Leben ist zerknittert und kaputt. „Ja, so ist es!“ ruft Michèl. Pfarrer Klemm fährt fort: „Ja, das ist schlimm. Du bist verloren. Aber das ist nicht alles. Jesus will dein Leben neu machen, heile. Das Alte, was war, dürfen wir zum Kreuz bringen. Jesus, der Sohn Gottes, wurde auch zerknittert und gefaltet und ans Kreuz getackert!“ Und Pfarrer Klemm erzählt Ihm die Geschichte vom Gekreuzigten, der Liebe Gottes, der Vergebung und dem ewigen Leben. „Jesus ist ür dich deinen Tod gestorben. Er hat den Tod besiegt und schenkt dir das ewige Leben, wenn du ihm glaubst. Deshalb hat deine Großmutter gesagt, dass du Jesus kennenlernen musst.“
Die Teufelsfratze
Michèl wird an diesem Tag ein Kind Gottes – und bleibt dennoch ein Gefangener seiner Sucht. Doch von nun an hat er einen kindlichen Frieden und ein großes Vertrauen in seinen Gott, der viele Junge und Alte in der Kirche bewegt. Michèl wird Teil der Gemeinde, aber er hat noch ein Problem: ein Tattoo auf seiner Haut. Eine Teufelsfratze, die ihm immer wieder das Leben schwermacht. „Die redet, das ist nicht schön, Herr Pfarrer, diese Fratze sagt immer wieder, dass ich dumm und verloren bin, und will nicht aufhören!“ Pfarrer Klemm beschließt, mit seiner Bibel dahin zu gehen, wo die Dämonen den jungen Mann einholen: seinem Zuhause. „Du bist nicht der Erste, der vom Teufel gequält wird.“ Er schlägt Johannes 10,27–29 auf und liest ihm das Gleichnis des guten Hirten vor: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“ Dann feiern sie in der einfachen Behausung das Abendmahl. Für Michèl ist das Wort Gottes elementar. Nach dieser Erfahrung wird die Fratze schweigen. Aber die Sucht bleibt. Michèl erlebt schreckliche Rückfälle, macht einen Entzug und erlebt trotz aller Abgründe, dass Jesus ihn führt und nicht fallenlässt. Er lässt sich taufen.
„Ihr Sohn ist nicht tot“
Nicht einmal ein Jahr später stirbt Michèl an den Folgen seiner Sucht. Seine Mutter und die Ämter wollen den Leichnam verbrennen lassen. Pfarrer Klemm will das nicht hinnehmen. Der junge Mann soll würdevoll beerdigt werden. Doch die Mutter scheint davon nichts wissen zu wollen. Als Klemm sie besucht, geht er davon aus, dass sie sich wegen der Kosten gegen eine Erdbestattung sträubt. Allerdings täuscht er sich gewaltig. „Ich kann nicht in das Grab sehen, den Tod spüren und meine Schuld“, bricht es aus ihr heraus. Der Pfarrer versteht. „Aber wir blicken doch nicht in das Grab. Wir blicken auf das Kreuz, das golden angemalt ist, damit Sie nicht das Dunkle sehen, sondern das Leben, das Licht: Jesus! Denn Ihr Sohn ist nicht tot, er lebt und ist bei Christus im Himmel! Es ist keine Katastrophe, sondern ein Sieg!“ Michèls Mutter lässt sich zu einer Erdbestattung umstimmen, doch bleibt unsicher, ob sie dabei sein wird.
Das Kreuz gibt Halt
Der Tag des Abschieds ist gekommen. Außer Pfarrer Klemm sind viele Freunde von Michèl  gekommen. Auch seine Mutter ist da und staunt über die Vielzahl der Menschen, die Michèl in den letzten neun Monaten liebgewonnen haben. Pfarrer Klemm ist erleichtert, dass sie erschienen ist. Sein Kind zu Grabe zu bringen, muss schrecklich sein. Sie kämpft um Fassung, doch klammert sich von der ersten bis zur letzten Sekunde einzig und allein an das goldene Kreuz. So etwas hat Pfarrer Klemm noch nie gesehen, und bei der Erinnerung an diesen Blick aufs Kreuz kommen ihm heute noch die Tränen. Er wird die Geschichte mit Michèl nicht vergessen – gerade jetzt, wenn wieder ein Glaubenskurs ür Fernstehende beginnt. Niemand braucht eine Kirche ohne Jesus. Wo der Sohn Gottes im Mittelpunkt steht, davon ist Pfarrer Klemm überzeugt, werden Menschen im Innersten verändert.
Tabitha Bühne, IDEA (Magazin) 51/52/2024, S. 24-25
Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 24. Januar 2025 um 11:47 und abgelegt unter Gemeinde, Kirche, Seelsorge / Lebenshilfe.