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Offener Brief der drei baltischen lutherischen Bischöfe

Offener Brief der drei baltischen lutherischen Bischöfe an den schwedischen Erzbischof und an das Präsidium des Lutherischen Weltbundes zur Frage der kirchlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften.

Der Herr ist ein Gott des Gerichts. Wohl allen, die sein harren. Jesaja 30,18 In großer Sorge um die Einheit.

An den hoch verehrten Erzbischof von Uppsala K. G. Hammar
An den hoch verehrten Präsidenten des Lutherischen Weltbundes Bischof Mark S. Hanson
An den hoch verehrten Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes Dr. Ishmael Noko

Die bedeutsamen und historischen Beziehungen zwischen der Kirche Schwedens und den Kirchen des Baltikums sowie unsere ernsthafte Sorge um unsere Mitgliedschaft im Lutherischen Weltbund und um die Einheit der Kirche lassen uns diesen Brief schreiben. Viele Jahre lang ist die Kirche Schwedens uns eine wertvolle und bedeutsame Partnerin und einer unserer nächsten Nachbarn gewesen. Uns verbindet miteinander eine lange Geschichte, die uns gegenseitig bereichert hat, und das wertvolle Kennzeichen der apostolischen Sukzession. Hoch zu schätzen ist der Beitrag der Kirche Schwedens bei dem Entstehen und der Weiterentwicklung der Ökumenischen Bewegung. Wir waren gemeinsam am Prozess beteiligt, der den Lutherischen Weltbund aus einer Vereinigung einzelner Kirchen zu einer Kirchengemeinschaft werden ließ.

Deshalb erfuhren wir mit Kummer und Sorge, daß die Generalsynode der Kirche Schwedens am 27. Oktober 2005 beschlossen hätte, „registrierte Partnerschaftsbeziehungen“ oder eine juristisch definierte gleichgeschlechtliche Gemeinschaft zu segnen. Wir lehnen Äußerungen des Hasses gegenüber homosexuellen Menschen ab, sind aber der Überzeugung, daß es die Pflicht und der seelsorgerliche Auftrag der Kirche ist, auch ihnen das ganze Wort Gottes – mit dem Gesetz und dem Evangelium, dem Buße Tun und der Vergebung der Sünde um Christi willen an die Gemeinde, die er mit seinem Blut erkauft hat, – zu bringen. Unsere Kirchen sind der Auffassung, daß homosexuelle Beziehungen nicht mit der Jüngerschaft Christi zu vereinbaren sind, daß jedoch das Wort des Herrn auf sie zutrifft: „Tut Buße und glaubt an das Evangelium.“ (Markus 1,15). Das wird uns nach unserem Verständnis hinreichend klar und deutlich durch die Heilige Schrift begründet, wie die apostolische Kirche sie gelesen und ausgelegt hat. Deshalb können wir nicht die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare einfach als eine Frage der Seelsorge abtun. Ein solcher Beschluß stellt eine gewaltige Veränderung der Einstellung der Kirche gegenüber ihrem Auftrag, zu lehren und ihre Herde zu weiden, dar.

Obwohl wir auch das Recht jeder Kirche, ihre eigenen Beschlüsse zu fassen, anerkennen und respektieren, bedauern wir, daß dieser Beschluß im Alleingang gefaßt wurde, ohne den Standpunkt anderer Kirchen zu berücksichtigen. Die Diskussionen, die bereits bei der Vollversammlung in Winnipeg durch einen von der Kirche Schwedens vorgelegten Resolutionsentwurf zur Homosexualität ausgelöst wurden, ließen die Prognose auf einen unvermeidlichen Schaden zu, der durch die Zustimmung zu einem solchen Standpunkt der Gemeinschaft im Lutherischen Weltbund entstehen könnte. Der Rat des Lutherischen Weltbundes hat versucht, diesen Schaden abzuwenden, und eine besondere Kommission zur Erforschung der Fragen um die Familie, Ehe und Sexualität berufen, um für weitere Debatten eine Grundlage zu schaffen. Ohne den Abschluß dieser Arbeiten abzuwarten, hat die Generalsynode der Kirche Schwedens übereilt die Arbeit dieser Kommission zu einer Formalität abgewertet. Wir bedauern auch den Schaden, den dieser Beschluß den ökumenischen Bestrebungen dadurch zugefügt hat, daß er die sichtbaren Möglichkeiten der Kirche, der Einheit näher zu kommen, weiter in die Ferne gerückt hat, und nach unserer Auffassung die Glaubwürdigkeit aller Lutherischen Kirchen bei den Beziehungen zu anderen Kirchen reduziert hat. Wir können es nur schwer verstehen, weshalb der Frage der Homosexualität eine so hohe Priorität zugemessen wird, daß ihr die ökumenische Verantwortung der Kirche geopfert, und die Gemeinschaft im Lutherischen Weltbund geschwächt werden muß. Die Tatsache, daß alle Bischöfe Schwedens dem Beschluß, eingeschlechtliche Beziehungen zu segnen, zugestimmt hätten, lässt uns nicht deutlich erkennen, wie diese Bischöfe ihren Dienst an der Einheit der Kirche, sowie den hinter dem Zeichen der apostolischen Sukzession stehenden Inhalt in der Kirche Schwedens heute verwirklichen.

Daß eine der Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes einen einseitigen Beschluß gefasst hat, gleichgeschlechtliche Gemeinschaften zu segnen, hat eine Tatsache geschaffen, die sich wesentlich sowohl auf die Beziehungen zur Kirche Schwedens als auch auf die Gemeinschaft im Lutherischen Weltbund auswirken wird. Die Segnung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften ist mit dem Glauben unserer Kirche, mit unserem Glaubensbekenntnis und der Lehre unserer Kirche unvereinbar. Die in unseren Kirchen geltenden Verfassungen und Bestimmungen würden es nicht zulassen, mit unseren eigenen Geistlichen zusammen zu bleiben, welche die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare zulassen oder praktizieren. Folgerichtig betrifft das auch Geistliche in anderen Kirchen. Das bedeutet, daß wir die Gemeinschaft mit allen Geistlichen der Kirche Schwedens nicht mehr anerkennen und praktizieren können. Konsequenterweise heißt das auch, daß es künftig innerhalb des Lutherischen Weltbundes keine volle und uneingeschränkte Gemeinschaft geben können wird.

Die Gemeinschaft am Leibe Christi ist uns sehr wichtig. Die Gemeinschaft an Seiner Kirche möchten wir auch in unseren Beziehungen zur Kirche Schwedens und innerhalb des Lutherischen Weltbundes erhalten, soweit das nur bei den neu geschaffenen Verhältnissen irgend möglich ist. Doch die Folgen des Beschlusses und die dadurch neu geschaffene Lage müssen in ihrem Ausmaß noch bewertet und mögliche Lösungen gesucht werden. Wir rufen alle Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes auf, dem Beschluß der Kirche ihre ganz besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, denn dieser betrifft uns alle. Wir bitten auch den Generalsekretär des LWB Dr. I. Noko, nach Wegen zu suchen, wie wir über die für die Gemeinschaft unserer Kirchen entstandene Situation miteinander reden können. Wir sollten mit Gebet und Fürbitte über mögliche Modelle nachdenken, wie wir unsere Beziehungen miteinander auf eine Weise fortsetzen, die es gestattet, daß wir dabei unsere Integrität und Würde bewahren können.

Andres Pöder, Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Estlands

Mindaugas Sabutis, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Litauens

Jānis Vanags, Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands

(Aus: Svētdienas Rīts, Zeitung der Evangelisch-lutherischen Kirche Lettlands, 11. März 2006)