Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

Betrachtungen zum Lobgesang der Maria (2. Teil)

Donnerstag 12. Dezember 2024 von Pfr. Dr. David Jaffin


Pfr. Dr. David Jaffin

„… der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.“

Sollten wir uns nicht öfters an den Mittelpunkt unseres Glaubens erinnern und uns selbst fragen: Herr, warum hast du mir diesen Weg zum Glauben gezeigt? Wie kommt es, dass ich im Glauben an dich mein Leben führen kann? Warum hast du mich geführt Tag für Tag, mich herausgeholt aus einer sterbenden, üblen Welt? Beim Betrachten der Schaufenster zweier großer Buchhandlungen fielen mir zwei Dinge besonders ins Auge: Die eine Buchhandlung hatte als besonderes Angebot „Deutscher Aberglaube“ in zehn Bänden! Die andere hatte ein anderes Sonderangebot anzupreisen: „New Age“; auch hier waren es zehn Kassetten. Wer nicht glaubt, dass wir in der Endzeit leben, muss nur die Augen ein bisschen aufmachen und sich ein wenig in der Welt umschauen. Wir können nur dankbar sein, dass der Herr uns herausgeholt hat aus dieser Welt, dass er große Dinge an uns getan hat (das hat er!), und wir können nur beten, dass er uns mit seiner allmächtigen Hand hält, trotz all dieser satanischen Bewegungen und der feministischen Theologie.

„Denn er hat große Dinge getan an mir, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.“

„Name“ bedeutet in der Bibel „Wesen“. Sein Wesen ist heilig. Wenn man diese Aussage der Maria vergleicht mit den Lobgesängen der anderen israelitischen Frauen, findet sich ein Unterschied: Mirjam und Debora reden auch von „großen Dingen“, aber in Bezug auf das Volk Israel, vor allem in Verbindung mit Geschichte und Krieg. Hanna redet auch persönlich, dass er große Dinge an ihr getan hat, sodass sie nicht mehr unfruchtbar ist. Bei Maria geht es aber persönlich in die letzte Tiefe. Große Dinge hat er an ihr getan, dass sie Gott selbst empfangen kann – wahrer Advent.

Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht, bei denen, die ihn fürchten.

Steht es nicht im ersten Johannesbrief, dass wir nicht den Geist der Furcht, sondern den Geist der Liebe empfangen haben? Wie ist das zu verbinden mit einer solchen Aussage wie in obigem Vers? „Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Erkenntnis.“ – „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ Die Antwort ist biblisch so: Wer Gott begegnet, begegnet ihm in Furcht, zuerst immer! Deswegen sagen die Engel und die Boten Gottes immer: „Fürchte dich nicht!“ Warum sagen sie das? Weil die Leute Furcht haben, wenn sie die Allmacht Gottes uns gegenüber erkennen und seine Gegenwart verspüren. Stellen wir uns doch vor, was für ein überwältigendes Erlebnis das ist, wenn Maria einem Engel begegnet! Oder wenn Zacharias von einem Engelangesprochen wird, wenn Jesaja Gott sieht im Tempel. Zuerst kommt die Furcht, die Erkenntnis, wie niedrig wir sind. Aber dann weicht die Furcht der Liebe. Warum? Weil wir merken, dass Gottes Macht nicht gegen uns ist als Bedrohung, sondern dass sie am Kreuz für uns in Liebe verwandelt worden ist. Und je tiefer unser Leben im Kreuz verankert ist, umso mehr sind wir in der Liebe Christi, und umso weniger kann uns die Furcht beherrschen.

Aber die Begegnung mit Gott geht über die Furcht Gottes, die der Anfang aller Weisheit ist. Jesus ist unsere Weisheit, die Weisheit Gottes. Je tiefer wir in Christus sind, umso weniger ist der Geist der Furcht in uns und umso mehr der Geist der Liebe. Denn seine Liebe zeigt sich in seiner Macht, damit wir ihm vertrauen und mit ihm gehen. Man kann aber dann nicht sagen, es geht nur um Liebe. Wir müssen ihm zuerst in Furcht begegnen, wie alle in der Bibel ihm zuerst in Furcht begegnet sind und seine Allmacht erkennen. Erst dann können wir seine Liebe annehmen. Beides gehört zusammen. Wer nur Gottes Liebe predigt, weiß nicht um Gottes Allmacht. Furcht zeigt die Allmacht Gottes; und die Liebe zeigt die Erkenntnis, dass seine Allmacht für uns in Liebe verwandelt ist. Das ist ein sehr, sehr wichtiger Zusammenhang

Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten.

Sie gilt für die, die diese Grunderkenntnis seiner Macht und unserer Niedrigkeit haben.

Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.

Wo steht das auch noch geschrieben? Wort für Wort fast genauso bei Hanna. Diese Aussage: die „Niedrigen“, und vorher: „Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn“ ist fast wortwörtlich von Hanna übernommen. Maria steht in einer Tradition der Erkenntnis und des Bekenntnisses als Lobgesang der Frauen Israels. Und sie ist die Endgültige, die Trägerin dieser Tradition, wie Johannes der Täufer der endgültige Prophet ist. Auch er steht in einer Tradition. Nicht nur bei Hanna, auch bei Mirjam und Debora sind Vorstufen zu finden, die diese Macht, das Gericht und die Gewalt gegen die Feinde beschreiben.

Geschehen wird dies alles bei der Wiederkunft Jesu, wenn die Feinde gerichtet werden. Das hat auch für uns tragende Kraft. Man soll nicht nur sagen, alles ist erfüllt im Magnifikat. Hier haben wir bei den Aussagen von Hanna, Mirjam und Debora zwei Seiten: zum einen Vorstufen zur Erfüllung im Magnifikat; zum anderen sind alle diese Aussagen als eine gesammelte Kraft des Wortes Gottes zu sehen, so dass manche Aussagen von Mirjam und Debora endzeitlich erfüllt werden und manche gar nicht im Magnifikat zu finden sind. Das sind die beiden Wege, sie gehören zusammen.

Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.

Dieses Thema der Hungrigen fängt bei Debora an, indem sie über die Bauern redet; bei Hanna geht es um die Armen, und in Jesus ist dieses ganze Thema endgültig erfüllt. „Selig sind, die hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit.“ Das bedeutet – wie auch bei Debora Gottes Gerechtigkeit gezeigt wird, indem er den hungrigen Bauern zu essen gibt – bei diesem Füllen der Hungrigen geht es um Gottes Gerechtigkeit. Gott ist gerecht, er will nicht, dass Menschen verhungern und andere im Ãœberfluss leben. Aber es geht hier um einen tieferen Hunger, genauso wie „arm im Geist“ eine tiefere Sache ist als nur äußere Armut. Es geht um „hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit“. Deswegen sagt Jesus am Kreuz: „Mich dürstet.“ Dieser Ausruf Jesu hat mit diesem Satz aus der Bergpredigt zu tun. Er dürstet auch nach der Gerechtigkeit Gottes und ihrer Erfüllung. Diese ganze Betonung der Hungrigen kommt in letzter Erfüllung zum Vorschein in den Seligpreisungen Jesu, denn es geht nicht um körperlichen Hunger allein, sondern um geistlichen. Wir hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit Gottes, wenn wir diese Welt mit all ihren Schrecknissen – Terrorismus, Armut, schreckliches Unrecht etc. – nicht mehr ausstehen können. Wir sehen unmögliches Leiden in dieser Welt und wir sagen: Herr, warum tust du nicht etwas dagegen? Wir dürsten nach seiner Gerechtigkeit – und das ist seine Wiederkunft, wenn er alles erfüllen wird und wenn alle diese Missstände gerichtet und in Ordnung gebracht werden. Wir hungern und dürsten nach dieser Gerechtigkeit. Deswegen ist hier wiederholt diese Betonung auf Hunger gelegt. Es geht nicht nur um körperliches Hungern, es geht um Hungern im Geist nach der Gerechtigkeit. Und das ist sogar vorgedeutet im Lobgesang Deboras.

Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf, wie er geredet hat zu unseren Vätern, Abraham und seinen Kindern in Ewigkeit.

Was ist hier so besonders? Hier – wie Debora und Mirjam – blickt Maria zurück. Mirjam blickt zurück auf das, was gerade passiert ist, auf das Rote-Meer-Wunder, das zentrale Wunder im Alten Bund. Debora blickt zurück auf Gottes Sieg in der Richterzeit. Und worauf blickt Maria zurück? Sie blickt zurück zum Anfang Israels, wie es keine der anderen getan hat, zu dem, der gesegnet wird. Durch ihn werden gesegnet alle Völker auf Erden. „Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf, wie er geredet hat zu unseren Vätern, Abraham und seinen Kindern in Ewigkeit.“ Das Besondere hier ist, dass der Anfang und das Ende Gottes Verheißung an Israel beinhaltet. Der Anfang ist: „Abraham, durch dich werden gesegnet alle Völker auf Erden.“ Und das Ziel, das Ende ist die Geburt Jesu Christi. Und Marias Lied ist ein Gebet der Bereitschaft zu empfangen. Sie wird den Heiland empfangen, der die ganze Geschichte Israels zur Vollendung bringt. Bei Mirjam geht es nur um das eine Wunder am Roten Meer. Bei Debora geht es um die Weiterführung durch Gott in diesen Kriegen; aber hier, in Marias Magnifikat, ist sowohl der Anfang der Verheißung – der Rückblick zu Abraham – und das Ziel der Verheißung – die Geburt Jesu Christi – als Einheit beinhaltet. Anfang und Ende, Jesus Christus selbst ist beides.

Und Maria blieb bei ihr drei Monate; danach kehrte sie wieder heim.

Wir wissen, wie die Debora-Geschichte endet: „Und das Land hatte Ruhe 40 Jahre.“ Diese Zahl 40 in der Bibel bedeutet einen ganzen historischen Abschnitt. Warum diese drei Monate? Elisabeth ist im sechsten Monat schwanger. In drei Monaten wird Johannes der Täufer geboren und die neue Zeit wird anbrechen. Denn Johannes der Täufer ist nicht ein Prophet des Alten Bundes, sondern er ist der Prophet des Neuen Bundes. Die neue Zeitepoche fängt an. Das Kirchenjahr fängt mit dem ersten Adventssonntag an. Ein Adventssonntag ist immer Johannes dem Täufer gewidmet, denn bei ihm ist der Anfang. Der Anfang des Neuen Bundes ist nicht die Geburt Jesu. Der Anfang geht zurück zu Johannes und natürlich noch weiter zurück, nämlich zur Ankündigung seiner Geburt.

Hier fängt das Wirken an. So bleiben Maria und Elisabeth zusammen, bis Johannes geboren ist. Und es ist sehr interessant, die Zusammenhänge zu beobachten: Wer fängt gerade dann an zu wirken, das Reich Gottes zu predigen, als Johannes gefangen genommen ist? Jesus Christus, mein und dein Heiland.

Quelle: David Jaffin, Das jüdisch-christliche Weihnachtsbuch (2003)

Der Gemeindehilfsbund denkt mit Dankbarkeit an sein langjähriges Mitglied Pfr. Dr. David Jaffin, heimgegangen an seinem 87. Geburtstag am 14. September 2024.

 

Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 12. Dezember 2024 um 10:28 und abgelegt unter Buchempfehlungen, Gemeinde, Seelsorge / Lebenshilfe, Theologie.