Gemeindenetzwerk

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Im Gespräch: Pfr. Ulrich Parzany

Montag 4. November 2024 von Gemeindehilfsbund


Gemeindehilfsbund

Ulrich Parzany wurde am 24.03.1941 in Essen geboren. Von 1960–1964 Studium der evangelischen Theologie in Wuppertal, Göttingen, Tübingen und Bonn. 1964 –1965 Vikar an der Erlöserkirche in der Altstadt Jerusalem. Weitere theologische Ausbildung von Herbst 1965 – Herbst 1966 am Predigerseminar der Evangelischen Kirche im Rheinland in Essen. Danach war er bis April 1967 Synodalvikar im Kirchenkreis Bonn.

Im April 1967 legte er das 2. Theologische Examen ab. Von 1967 bis 1984 war er Jugendpfarrer und Leiter des Weigle-Hauses in Essen. Von 1984 bis 2005 war er als Generalsekretär des CVJM Gesamtverbandes in Deutschland e.V. tätig. Er war neben seiner Tätigkeit als CVJM-Generalsekretär bis 2013 auch Leiter und Redner der evangelistischen Projektarbeit „ProChrist“. 2016 initiierte er die Gründung des Netzwerkes Bibel und Bekenntnis, dem er bis heute vorsteht. Ulrich Parzany ist seit 1967 verheiratet mit Regine und wohnt in Kassel. Das Ehepaar hat drei erwachsene Kinder und fünf Enkelkinder.

Von 1964 bis 1965 warst du als Vikar in Jerusalem. Welche Eindrücke aus dieser Zeit haben dich in deinem späteren Dienst am längsten begleitet?

Ich war ja auf der arabischen Seite und habe die Herausforderung des Islam kennengelernt, bevor in den 1970er-Jahren nach Ölkrise und Iranischer Revolution der weltweite Aufbruch des Islam begann. Was ich damals lernte, wurde ein reiches Kapital bis heute.

Seit dem grausamen Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 gerät Israel immer stärker unter Druck und wird international isoliert. Hat der moderne Staat Israels aus deiner Sicht einen Platz in Gottes Heilsplan? Wenn ja, welchen?

Römer 9–11 zeigt, dass Gott seinem Volk Israel treu bleibt. Es wird am Ende der Geschichte Jesus als seinen Messias anerkennen. Die Messianischen Gemeinden (Juden, die Jesus als Messias anerkennen) in Israel und unter den Völkern – auch in Deutschland! – sind ein ermutigendes Zeichen auf dem Weg dahin. Auch dass Juden wieder im Land Israel sind, ist ein ermutigendes Zeichen auf diesem Weg zum Ziel. Ich bete, dass Israel seine Berufung erfüllt und ein Segen für die Völker ist – auch im Nahen Osten. Wie die Geschichte im Einzelnen weitergeht, weiß allein Gott. Es gilt: Wer das jüdische Volk antastet, tastet Gottes Augapfel an (Sacharja 2,12).

Wie kam es zum Aufkommen der sog. Postevangelikalen?

Die Bezeichnung mag neu sein. Aber es hat schon immer Leute gegeben, die ursprünglich der Bibel als geoffenbartem Wort Gottes vertraut haben, dann aber der rationalistischen historischen Bibelkritik folgten. Die Motive der Einzelnen mögen unterschiedlich sein. Auch der Apostel Paulus musste solche traurigen Entwicklungen erleben: „Demas hat mich verlassen und diese Welt liebgewonnen“ (2. Timotheus 4,10).

Wie sehen deine Gespräche mit deren Vertretern aus? Finden sie statt, und welchen Weg nehmen sie?

Nein, es gibt keine Gespräche. Ich bin jederzeit dazu bereit.

Viele Christen informieren sich bei „Worthaus“ über theologische Themen. Wie beurteilst du dieses Angebot? Gibt es gute Alternativen, die du empfehlen kannst?

Ich habe nicht alles gehört, was „Worthaus“ anbietet. Was ich gehört habe, war nichts Neues. Als ich 1960 anfing, Theologie zu studieren, herrschte die radikale Bibelkritik der Bultmann-Schule in weiten Bereichen. Gegenüber den scharfen Argumenten, die damals vorgetragen wurden, kommt mir „Worthaus“ wie ein schwach begründeter, aber umso polemischerer Aufguss vor. Alternativen? Lest die Bibel, lernt Griechisch und Hebräisch, lest gute Bücher! Digital: Mediatheken wie offen.bar (https://offen.bar), glaubendenken (https://glaubendenken.net/), begründet-glauben (https://www.begruendet-glauben.org/) und eure Angebote vom Gemeindehilfsbund.

Im Jahr 2016 wurde das Netzwerk Bibel und Bekenntnis gegründet. Anlass waren Äußerungen des damaligen Vorsitzenden der Deutschen Evangelischen Allianz Michael Diener zur Homosexualität. Warum war, warum ist es aus deiner Sicht nötig, sich in dieser Frage öffentlich auseinanderzusetzen?

Weil die Veränderung des Verständnisses von Ehe als einer lebenslangen Beziehung eines Mannes mit einer Frau gesellschaftlich, staatlich und auch kirchlich öffentlich vollzogen wurde und wird. Wer dem nicht zustimmt, muss sich also auch öffentlich äußern. Es geht ja nicht nur um Privatmeinungen. Gemeinden müssen schließlich entscheiden, ob sie gleichgeschlechtliche Paare trauen wollen oder nicht.

Was bedeutet „woke“ und warum warnst du davor?

Das ist eine von amerikanischen Elite-Universitäten ausgehende Ideologie, die in den letzten zehn Jahren großen Einfluss gewonnen hat und auch in Europa Einfluss zu gewinnen scheint. Es geht um Identität: Wer bin ich? Bei uns herrscht vor allem die Vorstellung „Ich bin, was ich fühle.“ Das hat auch weitreichende politische Folgen, wie die aktuelle Debatte um das sogenannte „Selbstbestimmungsgesetz“ zeigt. Aber es geht noch um mehr. Ich habe das in einem Vortrag in der Mediathek „offen.bar“ erklärt (https://www.youtube.com/watch?v=gHrI0T9gaIA&t=26s).

Eine Pröbstin der Evangelischen Kirche von Hessen-Nassau hat dich einmal gefragt, warum du nicht aus der Evangelischen Kirche austreten wollest, da doch deine Überzeugungen sich nicht mit denen der Kirchenleitungen deckten. Warum bist du weiterhin Mitglied in der Evangelischen Kirche?

Weil laut Kirchenordnungen die Grundlage der Evangelischen Kirche die Bibel als Wort Gottes ist und ich darauf wie auch auf die altkirchlichen und reformatorischen Bekenntnisse ein Ordinationsgelübde abgelegt habe. Wenn andere das nicht so genau nehmen, sollen sie aus der Kirche austreten. Ich bliebe drin und erinnere an diese Grundlage.

Eines deiner ganz großen Anliegen war die Evangelisation in Deutschland und weltweit. Wie kann dieses Anliegen in die nächste Generation getragen werden?

Gott beruft sich in jeder Generation Evangelisten. Es gibt heute viele begabte Evangelisten. Es fehlt an Gemeinden, die sie zum Dienst rufen. Aber das kann auch wieder besser werden. Persönliche und öffentliche Evangelisation ist nötig, weil das Evangelium eine persönliche und eine öffentliche Wahrheit ist. Durch die elektronischen Medien haben wir heute mehr Möglichkeiten als je zuvor. Sie müssen aber von Menschen genutzt werden, die für Jesus und für die Menschen brennen.

Du hast im März dein 83. Lebensjahr vollendet und hast einmal gesagt, dass die „offizielle Spielzeit“ in diesem Alter um sei. Hast du noch Ziele, wenn ja, welche?

Ich habe Lust abzuscheiden und mit Christus zu sein, was auch viel besser wäre. Weil ich aber im Augenblick zu vielen Diensten gerufen werde, bin ich fröhlich unterwegs und bringe das Evangelium unter die Leute. Jede Predigt, jede Bibelstunde ist eine Riesenaufgabe. Es stehen in diesem Jahr einige Evangelisationswochen an. Ich will demnächst 43 TV-Sendungen über den 1.Petrusbrief für Bibel.TV aufnehmen – alles unter dem Vorbehalt des Jakobus.

Die Fragen stellten Stefan Felber und Johann Hesse.

Quelle: Aufbruch – Informationen des Gemeindehilfsbundes 1/2024 (Juni)

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Die nächste Ausgabe des Aufbruchs erscheint in der zweiten Novemberhälfte.

Foto: Sven Lorenz, Essen

 

 

 

 

 

 

 

Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 4. November 2024 um 16:13 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Interview.