Gemeindenetzwerk

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Die Liebe ist das Größte – die siebente Invokavitpredigt 1522

Freitag 1. November 2024 von Martin Luther (1483-1546)


Martin Luther (1483-1546)

Lieben Freunde, gestern habt ihr gehört von dem Brauch des hochwürdigen Sakraments des Leibs und Bluts Christi, und welche recht dazu geschickt sind, als nämlich die, in welchen des Todes Furcht ist, die der Teufel jagt, die ein verzagt blödes Gewissen haben, und die sich vor der Sünde und vor der Hölle fürchten. Diese alle gehen billig und würdig zu dieser Speise, zu stärken ihren schwachen Glauben und zur Tröstung ihres betrübten Gewissens. Dies ist der rechte Brauch und Übung des Sakraments des Leibs und Bluts Christi: wer sich nicht also geschickt fühlt, der lass es anstehen, bis dass ihn Gott mit seinem Wort auch rühret und ziehet.

Jetzt wollen wir nun auch von der Frucht dieses Sakraments reden, welches die Liebe ist; nämlich, dass wir uns also gegen unsern Nächsten finden lassen, wie uns von Gott geschehen und widerfahren ist. Nun haben wir von Gott eitel Liebe und Wohltat empfangen. Denn, ist das nicht eine große unaussprechliche Liebe, dass er seinen eingeborenen Sohn vom Himmel heruntergeschickt hat und ins Fleisch geworfen, auf dass er uns errettete und erlöste von Sünde, Tod, Teufel und Hölle? Ist das nicht eine große ungemessene Liebe, dass uns Gott solchen Schatz in seinem Worte durch die Predigt verkündigen und austeilen lässt, und uns allen den Sieg und Triumph seines Sohnes, unsers Herrn Jesu Christi wider die Sünde, Tod, Teufel und Hölle schenket, so dass ich mich des Sieges und Triumphs rühmen kann, als hätte ichs selbst getan? Dazu ist Christus unsere Gerechtigkeit, unsere Genugtuung, unsere Weisheit und unsere Heiligung, 1 Kor. 1, 30., ja der ohne Unterlass vor Gott, seinem Vater, uns vertritt, und unsere Fürsprache ist.

Diese unaussprechliche Liebe, die kein menschlich Herz fassen kann, soll uns bewegen, wiederum unsern Nächsten auch zu lieben, ihm wohltun, helfen und raten, womit wir können, und er unser bedarf. Aber solche Liebe spüre ich hier noch nicht, wiewohl euch viel gepredigt ist: es will aber niemand hinan; zu andern unnötigen Sachen läuft man häufig; hier ist niemand daheim. An dem einzigen Stück kennet man die Christen, wenn sie einander Liebe beweisen, wie Christus in Johannes zu seinen Jüngern sprach: Ein neu Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebet, wie ich euch geliebt habe. Daran wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe untereinander habt. Joh. 13, 34. 35. Und St. Paulus spricht: Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz, oder eine klingende Schelle. Und wenn ich weissagen könnte, und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis, und hätte allen Glauben, also, dass ich Berge versetzte, und hätte der Liebe nicht, so wäre mirs nichts nütze. 1 Kor. 13, 1. 2. 3. Das sind treffliche, harte Worte; so weit aber seid ihr noch nicht gekommen.

Weil ihr aber allhier zu Wittenberg große Gaben Gottes habt, und deren viel, auch die Erkenntnis der Schrift, welches gar eine große Gabe und Gnade ist; dazu habt ihr auch das Evangelium hell und klar: aber mit der Liebe wollt ihr nirgend fort. Gerne habt ihr, dass euch Gott wohltue, euch seine Gaben mitteile; aber Andern wollt ihr nichts mittheilen: Keiner will dem Andern die Hände reichen. Keiner nimmt sich des Andern ernstlich an; sondern ein jedermann hat auf sich Achtung, was ihm am förderlichsten ist, und suchen alle das Unsere; lassen gehen, was gehet; wem da geholfen ist, dem sei geholfen; niemand steht auf den Anderen, wie ihm auch geholfen werde. Es ist zu erbarmen, dass ich euch so lange gepredigt habe, und fast in allen meinen Büchlein nichts anders getrieben, denn den Glauben und die Liebe, und soll so gar keine Liebe an euch gespürt werden!

Ich will euch gewiss sagen: wo ihr nicht untereinander Liebe erzeigen werdet, so wird Gott eine große Plage über euch senden. Denn er will sein Wort nicht vergebens gepredigt und offenbaret haben; er will auch nicht, dass man sein Wort in Unehren halten oder verachten solle. Ihr versucht Gott zu hart. Meine Freunde, wäre dies Wort vor etlichen Zeiten unsern Vorfahren gepredigt, sie hätten sich vielleicht wohl anders hierinnen gehalten, denn ihr tut. Ihr schickt euch gar nichts dazu und lasst euch keinen Ernst sein. Davon könnet ihr wohl reden; aber mit der Tat wollt ihr noch nicht folgen. Mit andrem Gaukelwerk gehet ihr um, das nicht vonnöten ist; was aber nötig ist, das lasst ihr anstehen. Gott gebe, dass es dermaleinst nicht allein in Worten stehe, sondern auch kräftig heraus breche. Dabei wollen wirs jetzt lassen bleiben.

Quelle: www.glaubensstimme.de

Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 1. November 2024 um 13:59 und abgelegt unter Predigten / Andachten.