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Auslegung von Psalm 2: Eine biblische Perspektive auf Politik

Psalm 2

Warum toben die Heiden und murren die Völker so vergeblich?

Die Könige der Erde lehnen sich auf, und die Herren halten Rat miteinander wider den HERRN und seinen Gesalbten:

»Lasset uns zerreissen ihre Bande und von uns werfen ihre Stricke!«

Aber der im Himmel wohnt, lachet ihrer, und der Herr spottet ihrer.

Einst wird er mit ihnen reden in seinem Zorn, und mit seinem Grimm wird er sie schrecken:

»Ich aber habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berg Zion.«

Kundtun will ich den Ratschluss des HERRN. Er hat zu mir gesagt: »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.

Bitte mich, so will ich dir Völker zum Erbe geben und der Welt Enden zum Eigentum.

Du sollst sie mit einem eisernen Zepter zerschlagen, wie Töpfe sollst du sie zerschmeissen.«

So seid nun verständig, ihr Könige, und lasst euch warnen, ihr Richter auf Erden!

Dienet dem HERRN mit Furcht und küsst seine Füsse mit Zittern,

dass er nicht zürne und ihr umkommt auf dem Wege; denn sein Zorn wird bald entbrennen.

Wohl allen, die auf ihn trauen!

Liebe Gemeinde,

Dieser Psalm gehört eng zusammen mit Psalm 1, mit dem es eine Doppeleinleitung in das Psalmenbuch insgesamt bildet, und wahrscheinlich gehört auch Psalm 3 noch in dieses Einleitungsfenster hinzu, so dass wir dann sogar eine dreiteilige Einleitung haben mit Psalm 2 in der Mitte. Das zeigt, dass diesem Psalm ein ganz besonderes Gewicht zukommt – und es sich lohnt, genau in ihn hineinzuhören.

Seinem Inhalt und seiner Botschaft wollen wir in vier Schritten nachspüren:

  1. Die doppelte Dimension des „Grossen“
  2. Das Verhalten der Völker und ihrer Führer
  3. Die Reaktion Gottes
  4. Wo sind wir? bzw.: Was sollen wir tun?

 

1. Die doppelte Dimension des „Grossen“

Wir sind es in der Regel gewohnt, sowohl die Psalmen als auch die Bibel insgesamt zu lesen und anzuwenden mit dem Fokus auf dem persönlichen Leben und speziell auf der geistlichen Dimension des persönlichen Lebens; zugespitzt formuliert: „meine Seele vor Gott, und mein praktisches Verhalten in den Herausforderungen des Alltags“. Hinzu kommt dann noch die diakonische Ebene: „Wie kann ich meinem Nächsten gute Dienste tun?“ Und dann noch das, was man als evangelistische Dimension bezeichnen kann: denjenigen um uns herum, die Jesus nicht kennen und folgen, Jesus als ihren Erlöser und Herrn bezeugen.

Das sieht natürlich anders aus, wenn wir auf die Verlautbarungen und praktischen Schwerpunkte der Leitung der grossen Landeskirchen sowohl in der Schweiz, aber auch ziemlich allgemein in Westeuropa schauen: die diakonische oder soziale Ebene spielt auch da eine wichtige Rolle, weniger aber die anderen Dimensionen, die wir eben erwähnt haben, persönliche Frömmigkeit, und gar nicht mehr Evangelisation, sondern das wird ersetzt durch interreligiösen Dialog. Dafür kommt eine andere Dimension hinzu: die politische. Ganz augenfällig, ja geradezu penetrant, ist das in Deutschland, wo Kirchenleitungen sich direkt ins parteipolitische Tagesgeschäft einschalten – aber ähnliche Tendenzen gibt es auch hier in der Schweiz und anderswo in Westeuropa.

Hier kommt nun das Überraschende: Unser Psalm, zusammen mit einer ganzen Reihe anderer Psalmen, und zahllosen Texten in anderen Teilen des Alten Testaments, zeigt, dass das, was wir als „politische Dimension“ bezeichnen können, tatsächlich ein biblisches Thema ist. Das fängt im Grunde schon an mit 1. Mose 1, dem Auftrag an die ersten Menschen, über die anderen Geschöpfe zu herrschen. Oder denken Sie an Gottes Heilsgeschichte: Die Erwählung Israels beginnt mit dem eminent politischen Akt der Befreiung aus der Unterdrückungsherrschaft des ägyptischen Staates, und mündet in der Etablierung einer alternativen religiös-politischen Ordnung im verheissenen Land. Gott selber gibt politische Ordnungen vor in den Gesetzen am Sinai, und wir sehen, wie die Propheten nicht nur zu Fragen des Verhaltens im kultischen Bereich und im Bereich persönlicher Moral, sondern auch des sozialen Zusammenlebens und sogar etwa zu ganz bestimmten aussenpolitischen Entscheidungen im Namen Gottes Stellung nehmen: Soll man die Assyrer zu Hilfe rufen, soll man sich den Babyloniern ergeben? – also Fragen von der Art, ins Heute übersetzt: Soll man der EU beitreten? Soll man Russland Widerstand leisten? – solche Dinge sind immer wieder Thema der Predigt von Propheten. Das mag manche auch unter uns erstaunen – und das ist gut so, weil es uns zeigt, wie viel wir noch und immer wieder neu in der Bibel zu entdecken haben.

Ich kann also nicht sagen: „Als Christ, als Leser der Bibel, habe ich mit Politik direkt nichts zu tun“; sondern dieser Bereich ist mit ein Teil der Lebenswirklichkeit, der in der Bibel relativ breit angesprochen wird. Man kann das verstehen, dass wir dem entgehen wollen, weil wir schon mehr als genug mit Anderem zu tun haben und davon oft überwältigt sind – aber von der Bibel her können wir diesen Bereich nicht grundsätzlich ausblenden.

Wir können beobachten, dass diese Trennung zwischen dem, was wichtig ist und biblisch im Fokus, das Individuelle und Geistliche, und dem, was wir als politischen Bereich bezeichnen können, oft damit begründet oder gerechtfertigt wird, dass man sagt: „Das Politische gehört zum Bereich der Meinungen, und da hat halt eben jeder seine eigene Meinung, und das ist auch recht so“. Das greift aber zu kurz: Politische Fragen sind ja Fragen nach der Gestaltung unseres gemeinschaftlichen Lebens innerhalb der Grösse einer Lokalgemeinde oder eines Staates. Und diese Fragen müssen geklärt werden auch auf der Grundlage von soliden Fakten und Daten, die ganz unabhängig sind von Meinungen. Natürlich spielen dann nicht nur Fakten und Daten eine Rolle in den Entscheidungsprozessen, sondern auch die persönlichen Weltanschauungen der Beteiligten – und da haben wir eine ganz besondere Aufgabe als biblisch informierte Christen, beizutragen zu einer biblisch gegründeten Weltanschauung, zum Wohl aller. Denn, ich muss Ihnen das so sagen, wenn die Weltanschauung nicht biblisch begründet ist, dann ist sie Ausdruck von Ideologien, die sich nicht nähren an den guten Ordnungen, die Gott als Schöpfer von Himmel und Erde und als ultimative Quelle der Weisheit gesetzt hat, und die darum auf die eine oder andere Weise letztlich immer nicht nur dem Einzelnen, sondern auch der Gemeinschaft als Ganzer schaden.

Zudem: Auch bei politischen Fragen geht es um Wahrheit und Unwahrheit, und als Christen sind wir verpflichtet, für die Wahrheit einzustehen, und das gilt eben in jedem Lebensbereich, wir können den Bereich der Politik davon nicht ausnehmen.

Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Wir als Christen sollten so viel als möglich uns Kenntnisse erwerben von den guten Ordnungen Gottes, und dann die, die dazu begabt sind und denen sich die Möglichkeit dazu öffnet, diese auch direkt in den politischen Bereich einbringen. Das Motto lautet also nicht „Rückzug aus der Politik, um meine fromme Seele unbeschadet zu halten“; sondern für einige von uns direkt hinein in diesen Bereich da, wo es möglich ist und Sinn macht. Und für alle von uns gilt, dass wir in den demokratischen Entscheidungsprozessen eine bessere Orientierung haben und eine bessere Orientierung für andere bieten können, je besser wir die Ordnungen Gottes für jeden Lebensbereich kennen.

Haben also die Leiter der grossen Landeskirchen Recht? Nicht wirklich. Sie haben zwar Recht darin, dass sie eben den Blick vor dem politischen Bereich nicht verschliessen; aber sie haben nicht Recht darin, wie sie das oft tun.

Zum Einen: Sie betreiben in vielen Fällen Parteipolitik, und das dürfen Vertreter der Kirche nicht. Unsere biblische Botschaft soll Orientierung bieten für alle, die sich im politischen Tagesgeschäft engagieren, und sie lässt sich nie einengen auf ein bestimmtes Parteiprogramm. Natürlich, das Engagement derer, die sich in der Politik engagieren, kann unter den gegebenen Umständen meist nicht anders als durch den Kanal einer Partei geschehen – aber das ist nicht Sache der Vertreter der Kirchen selber. Und natürlich, je nach Umstand und je nach Sachfrage ist das eine oder das andere Parteiprogramm näher an dem, was wir aus der Bibel über die Ordnungen Gottes erfahren und lernen. Aber das ist eben immer an bestimmte Fragen gebunden, und darum kann sich die Kirche nicht festlegen auf die eine oder andere Partei, oder gegen die eine oder andere Partei – es sei denn, es geht direkt um die Auslöschung von Menschenleben oder um den Angriff auf die Freiheit der Verkündigung des Wortes Gottes.

Die Kirchenleitungen haben auch dann nicht recht, wenn sie, wie es häufig vorkommt, in ihren politischen Stellungnahmen einfach dem Zeitgeist folgen, und wenn sie die Mächtigen stützen. Gott beruft politische Führer nicht zur Stützung der Starken, sondern der Schwachen. Und damit ist die Unterstützung der Kirchenleiter für die Staatsleiter und andere Eliten, wo sie, wie heute meist, die niederen Schichten verachten und gegen ihre Interessen agieren, in der Regel nicht richtig. Die Ausnahme wäre da, wo die Mächtigen gottesfürchtig sind und ihren Einfluss zur Förderung der guten Ordnungen Gottes in Demut vor ihm und im Hören auf sein Wort benutzen – aber das ist praktisch durchs Band in Westeuropa nicht der Fall.

Damit haben wir die eine Dimension des „Grossen“ benannt: den überindividuellen Bereich der Politik.

Aber das reicht nach dem, was wir in unserem Psalm mitbekommen, nicht, bei Weitem nicht. Die zweite, übergeordnete Dimension ist: Hinter dem Vorhang dessen, was wir sehen, in unserem persönlichen Leben und auf der Bühne des politischen Geschehens, ist Einer, der darüber steht, und die Dinge im letzten in seiner Hand hält: unser Herr, der Gott Israels. Das Geschehen, das sich vor unseren Augen abspielt, hat seinen Hintergrund und seinen Urgrund in der unsichtbaren Welt Gottes.

Das ist eine Quelle unendlichen Trostes, wie es der allerletzte Halbvers unseres Psalmes sagt: „Wohl dem, der sich birgt, der Zuflucht nimmt, in IHM“. Das dürfen wir tun, und daraus dürfen wir neue Kraft schöpfen, gerade dann, wenn es nicht gut aussieht, nicht im persönlichen Leben, und nicht auf der grösseren Ebene der Politik – und da sieht es wirklich nicht gut aus in unseren Breiten; und wie könnte es anders sein, da die Mehrheit derer, die in Verantwortungspositionen sitzen, von Gottes Ordnungen nichts wissen wollen?

 

2. Das Verhalten der Völker und ihrer Führer

Im Grunde ist dazu mit der letzten Bemerkung zu Punkt 1 das Wichtigste schon gesagt: die Ablehnung der Ordnungen Gottes als Grundkennzeichen der Völker und ihrer Führer, die hier in unserem Psalm auftreten.

Aber sehen wir uns die Einzelheiten an:

Das Erste, was auffällt: Sowohl die Völker als ganze wie auch deren Führer stellen sich gegen Gott. In anderen Psalmen und anderen biblischen Texten in beiden Testamenten sehen wir, dass die Hauptlast des Problems bei den Führern und Eliten liegt. Aber wir lernen hier in unserem Psalm, dass da, wo es um Widerstand gegen Gott geht, dieser Unterschied zwischen Eliten und dem Rest nicht notwendigerweise Gewicht hat.

Weiter: Was bei Luther im ersten Vers mit „murren“ übersetzt wird, gibt ein hebräisches Verb wieder, das auch in Psalm 1 auftaucht, im Satz: „Ich sinne nach über dein Wort Tag und Nacht“. Es geht also hier in Psalm 2 um ein Gegenstück zum Nachsinnen über Gottes Wort, ein Nachsinnen, das leer und vergeblich ist, kein positives Ziel hat. Das ist die Folge, wenn Gottes Wort als Objekt unseres Lernens verschwindet – es bleibt nichts als Vergebliches, Leeres. Natürlich ist das nicht absolut gemeint: Es gibt viele wichtige Fakten, die man lernen kann ausserhalb der Beschäftigung mit dem Wort Gottes. Aber was hier gemeint ist, ist das, was den Willen steuert, das, was die Ziele setzt, das, was die Weltanschauung formt. Da ist es so: entweder Gottes Wort und Gottes Ordnungen, oder Vergebliches, Leeres. Das Gute und Tröstliche ist: Dieses gegen Gott gerichtete Trachten ist leer und vergeblich auch darin, dass der Widerstand gegen Gott zuletzt keinen Erfolg hat – auch dann nicht, wenn es jetzt und heute vor unseren Augen anders aussieht.

Und dann: Die Völker und ihre Führer richten sich nicht nur gegen Gott, sondern auch gegen den Gesalbten. Das Wort „Gesalbter“ hier in unserem Psalm ist vielschichtig: Es geht auf einer Ebene um den konkreten König, der in Jerusalem auf dem Thron Davids sitzt. Dann geht es aber von dort aus auch um den idealen Gesalbten, den idealen König – und dieser nimmt seine endgültige Gestalt an im Gesalbten Jesus, im Christus des Neuen Testaments.

Aber da ist noch eine weitere Dimension: Es geht dann immer auch konkret um Widerstand gegen die, die zum Gesalbten und die zu Gott gehören, um sein Volk, sowohl im alten wie im neuen Bund. Gott selber ist ja nicht direkt anzugreifen ausser in Worten, und darum muss der Widerstand gegen ihn auch konkret, handgreiflich, werden im Angriff auf seinen irdischen Gesalbten, den König auf dem Thron Davids, dann Jesus, und schliesslich auch auf die, die zu Gottes Volk gehören, die Israeliten damals in der Antike, und sowohl die Christen wie auch die Juden in der Zeit vom Neuen Testament an bis heute. So wahr wir Teil des Leibes Christi sind, können wir dem nicht entgehen, dass wir Zielscheibe des Widerstands gegen Christus, gegen den Gesalbten, werden.

Ein weiterer Zug: Diese Völker und ihre Führer handeln gemeinsam in einer Vielzahl. Das sehen wir ganz konkret durch die Geschichte und auch heute immer wieder: Wenn es gegen den Staat geht, in dem die Glieder des alten Bundesvolkes ein schützendes Zuhause gefunden haben, Israel, finden sich regelmässig massive Mehrheiten etwa in der UNO oder auch in der EU, und es ist traurig und beschämend zugleich zu sehen, dass auch die Schweizer Vertreter der Regierung in der UNO meistens Stellung gegen Israel beziehen. Wenn Mehrheiten von Führern der Völker in etwas einig werden, heisst das noch lange nicht, dass das eine gute Sache ist – auch wenn es natürlich immer so dargestellt wird.

Das Letzte hier zu diesem zweiten Punkt, das Abwerfen der Bande.

Das Abwerfen der Bande scheint Freiheit zu bringen. Aber die Bande der Ordnungen Gottes sind genau das, was Freiheit bringt. Die medial verbreitete Rhetorik der säkularen Staaten stellt die Dinge auf den Kopf: sie spricht von Freiheit da, wo keine ist, und will Ordnungen abwerfen da, wo sie für das Gedeihen des Lebens mit dem von Gott gesetzten, dem Menschen gemässen Mass an Freiheit notwendig ist. Die Ordnungen Gottes, die von seinen Feinden mit falscher negativer Tendenz als „Bande“ bezeichnet werden, schützen vor der Übergriffigkeit des menschlichen Strebens nach Macht über andere und der Ausweitung des eigenen Besitzes oder der Steigerung des eigenen Genusses auf Kosten anderer. Gottes „Bande“ sind gute Bande, weil sie dem Bösen in uns Zügel anlegen, und das Abwerfen dieser Bande lässt dem Bösen freien Lauf, mit all den destruktiven Folgen, die das mit sich bringt.

Die Anwendung irreführender Sprache ist natürlich nicht nur auf den Bereich „Freiheit vs. Bande“ beschränkt. Sie ist das, was heute den Diskurs der Eliten weitreichend bestimmt, in guter Tradition mit totalitären Systemen der entfernteren und nicht so entfernten Vergangenheit:

Aber eben, heute ist es nicht anders: Nur wenige zufällige Beispiele:

Auch hier, die Liste könnte unendlich fortgesetzt werden.

Die Frage an uns am Schluss dieses zweiten Teils: Sind wir, in der einen oder anderen Art, mitbeteiligt an diesem Widerstand der Völker und ihrer Führer gegen Gott? Wo oder inwiefern sind wir Teil des Problems, und nicht Teil der Lösung?

 

 

3. Die Reaktion Gottes

Wie sieht die Reaktion Gottes aus?

Lachen und Spott sind das Erste. Das weist darauf hin, dass auch dann, wenn die Dinge hier auf Erden, soweit wir sie mit unseren Augen wahrnehmen können, schlecht und schlimm aussehen, vielleicht hoffnungslos, es bei Gott auch eine andere Dimension gibt: Dieser Widerstand gegen ihn, so tragische Auswirkungen er auf der irdischen Ebene auch haben mag, ist zugleich immer auch lächerlich, weil er letztlich zu nichts führen wird.

Dann ist aber auch vom Zorn Gottes die Rede, und gegen Schluss auch vom Zorn seines Gesalbten. Die lächerliche Sache ist also nicht nur leicht zu nehmen, sondern die, die sich gegen Gott stellen, bringen sich in die absolut fürchterliche Gefahrenzone seines Zorns. Mit Gott ist nicht zu spaßen. Und das gilt nicht nur für die Zeit des alten Bundes, sondern auch für das Neue Testament.

Gott lässt seinem Zorn aber nicht einfach freien Lauf, sondern er schickt in unserem Psalm eine Warnung voraus an die, die sich gegen ihn stellen, dass sie vielleicht aus der Zornlinie noch herausgenommen werden können. Und die Warnung heisst: Umkehren und sich ihm und seinem Gesalbten unterwerfen.

Eine weitere Reaktion Gottes:

Zur Herrschaft über die widerspenstigen Völker setzt Gott seinen Gesalbten ein. In der Geschichte war der erste Schritt dazu die Aufrichtung des Thrones Davids in Jerusalem. Natürlich haben weder David noch Salomo oder deren spätere Nachfolger über die Völker in ihrer Vollzahl geherrscht – aber während der Zeit Davids und Salomos doch über einige.

Aber das Herrschen bzw. die Reaktion auf den Widerstand der Völker war in der Zeit des Alten Testaments im Grossen und Ganzen von anderer, indirekter Art: durch das Vorbild, in das Gott sein Volk durch seine in der Tora gegebenen Ordnungen geformt hat. Und dieses Vorbild umfasst alle Lebensbereiche, wiederum bis hinein in das, was wir den politischen Bereich nennen, denken Sie nur an die Gesetze zum Rechtswesen, zu den Ältesten und zum König, und die Ordnung des Verhältnisses zwischen König und Priester, oder Regelungen zum Umgang mit Fremden. Von diesem Vorbild dürfen wir selber lernen, viel mehr, als es normalerweise geschieht wegen der Geringachtung des Alten Testaments aufgrund des Missverständnisses, dass es in weiten Teilen überholt sei. Und dann, selber geformt vom biblischen Modell, vom Vorbild der Ordnungen sowohl im Alten wie im Neuen Testament, dürfen wir zum Orientierungspunkt für die Menschen um uns herum, für die Völker, werden.

Das Letzte zu diesem Punkt:

Gott sagt dem Gesalbten die Herrschaft über die Gesamtheit der Völkerwelt zu. Das schliesst ein: Eine vor Gott richtige Einheit der Völkerwelt kann es nur unter der Herrschaft des Gesalbten geben – und auf diese gehen wir zu. Das soll uns in allem Schweren und Dunklen Trost und Kraft sein: Die Herrschaft Gottes steht ausser Frage, er hat seinem Gesalbten die ganze Welt übergeben, und er regiert unsichtbar bereits jetzt, und wird einmal seine Herrschaft ganz aufrichten.

Aber die andere Seite, die für uns heute wichtig ist: Menschlich ist diese Einheit der Völkerwelt nicht herzustellen in einer Weise, die vor Gott recht wäre. Die Geschichte ist voll von Versuchen, durch menschlich-politische Mittel diese Einheit herzustellen, und heute ist dieser Drang in neuer Weise ganz stark, weil führende Verantwortungsträger glauben oder behaupten, dass grosse Herausforderungen wie Klima, Pandemien, Migrationsströme oder Krieg und Frieden nur auf dem Weg einer weltumspannenden politischen Ordnung zu lösen sind. In der Geschichte sehen wir, mit wie vielen Opfern verschiedener Art, ganz besonders auch in Form des Verlusts von Freiheit und der Auslöschung von Menschenleben, solche Ambitionen verbunden waren. Und die Bibel gibt uns nur ein Beispiel einer zukünftigen menschlich hergestellten Einheit, nämlich in Offenbarung 13, die Herrschaft des Antichristen.

 

 

4. Wo sind wir? bzw.: Was sollen wir tun?

Wenn wir mit offenen Augen um uns herumschauen, müssen wir feststellen: Die überwältigende Mehrheit derer, die hier in der Schweiz und im übrigen Westeuropa das Sagen haben und an den Schalthebeln der Macht sitzen, befinden sich auf einem Weg des Widerstands gegen Gott und seine Ordnungen – so wie es unser Psalm beschreibt. Und damit ist, weil wir zu Gott und seinem Gesalbten gehören, es unvermeidlich, dass auch wir in die Schusslinie geraten, mal mehr, mal weniger deutlich, mal auf diese Art, mal auf eine andere.

In dieser Situation dürfen wir das tun, was der letzte Satz unseres Psalms sagt: Uns bergen in Gott, Zuflucht suchen bei ihm. Und das tun wir u.a. dadurch, dass wir uns ihn vor Augen halten, in seinem Lachen, Spott und Zorn über die, die sich gegen ihn – und uns – stellen, und daran uns halten, dass er es ist, der regiert, wenn auch jetzt noch verborgen, und dass er zum Schluss den Widerstand brechen wird. Und wir tun es auch, indem wir tatsächlich immer wieder, bildlich gesprochen, das Radio oder den Fernseher ausschalten oder die Zeitung schliessen und uns nicht auffressen lassen von Meldungen zur Tagespolitik, und uns nicht abbringen lassen vom genauen Lernen des biblischen Wortes und vom Lob Gottes gemeinsam hier im Gottesdienst.

Etwas Zweites können wir tun: Diejenigen um uns herum darüber aufklären, wie gut und hilfreich die Ordnungen Gottes sind – was natürlich voraussetzt, dass wir sie selber gut kennen, und da auch jeder unterschiedlich im Bereich seines Wissens und seiner Lebenserfahrungen. Und dazu gehört dann auch das Gebet, dass unser Zeugnis von den guten Ordnungen Gottes Zugang findet zu den Köpfen und Herzen jedenfalls einiger, mit denen wir in Berührung kommen.

Ein Weiteres: Wir wählen und stimmen im politischen Bereich so, wie wir es als in Übereinstimmung mit Gottes Wort und seinen Ordnungen erkennen – und nicht nach anderen Kriterien, z.B. was in unserer Familie Tradition ist, was von meinem Umfeld akzeptiert wird, usw. Ein Kriterium wird dabei sein, wie sich eine Partei zu Israel verhält, und zu Freiheit von Religion und Meinung, mit ganz besonderer Ausrichtung auf die Frage, ob wir frei das Wort Gottes in der Bibel bezeugen und danach leben dürfen. Natürlich sind das nicht die einzigen Kriterien, aber es sind wichtige – und ich denke Minimalanforderungen, die wir unbedingt einfordern, wenn jemand von uns Zustimmung erhalten möchte oder ein öffentliches bzw. politisches Amt bekleiden will und um unsere Stimme dafür wirbt.

Damit wir uns so verhalten können, ist es unerlässlich, hinlänglich Informationen zu sammeln. Ich muss es Ihnen so sagen: Das Schauen der Tagesschau oder das Lesen einer Mainstream-Zeitung reichen nicht; zu deutlich ist, dass es hier nicht primär um möglichst neutrale Berichterstattung geht, sondern um Lenkung in eine bestimmte Richtung. Um welche Frage es auch geht, die Wahrnehmung verschiedener Perspektiven ist wichtig, und das erfordert eine gewisse Arbeit.

Das Letzte, was wir tun können: beten! Beten dafür, dass Gott helfen möge, solche Führer, die sich beteiligen am Aufstand gegen ihn, seinen Gesalbten, seine Ordnungen, sein Volk, zu ersetzen durch andere, die sich ihm unterordnen. Beten weiter für die, die verfolgt werden um ihrer Zugehörigkeit zu Gott und seinem Gesalbten willen. Beten für das alte Bundesvolk Israel unter dem Druck, dem es praktisch konstant ausgesetzt ist, mit Feinden, die nichts weniger wollen als seine komplette Vernichtung – beten aber nicht nur für Bewahrung, sondern auch für die Öffnung der Augen für seinen Messias.

Und schliesslich, über das Gebet hinaus, da, wo es möglich ist, auch praktischer Einsatz, in jedem Bereich zur Förderung der guten Ordnungen Gottes, aber dann auch besonders der Einsatz für die, die um des Namens Gottes willen verfolgt werden.

Ist damit alles gesagt?

Nein, ich komme nochmals auf die Frage am Schluss des zweiten Teils zurück: Wenn wir auf die Worte des Psalms hören, müssen wir uns fragen: Wo bin ich möglicherweise selber Teil dieser Bewegung der Völker und ihrer Führer im Widerstand gegen Gott? Möge unser Herr da, wo wir es nicht sehen, die Augen dafür öffnen; und möge er da, wo wir es sehen, aber wir uns selber davon nicht frei machen können, den Widerstand gegen ihn in uns selber brechen.

Amen.

 

 


 

Anmerkungen des Administrators:

Eine weitere Bibelarbeit zu Psalm 2 finden sich auch im Aufbruch 1-2024: Zum herunterladen bitte hier [1] klicken.

Weitere Beiträge von Prof. Markus Zehnder finden Sie hier [2].

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