Es gibt besondere Gnadenstunden und Gnadenzeiten im Leben, die nicht oft wiederkehren und die für den Menschen entscheidend sind für Zeit und Ewigkeit. Solche Zeiten sind sehr oft Tage der Krankheit und anderer Heimsuchung, in welchen Gott dem Menschenherzen sich naht, es tief berührt und Ewigkeitsgedanken in ihm weckt. Auch Kindern schon tritt Gott sehr nahe; die Liebe und Gebete der Mutter, der Wandel der Eltern, der Unterricht des Seelsorgers, die Konfirmation und erste Kommunion (Abendmahl) bewegen sie tief und rufen ihnen zu: Gib mir dein Herz! Aber ach, wie oft bleibt es bei bloßen Gemütsbewegungen oder bei Vorsätzen; es kommt zu keiner Entscheidung, zu keiner Hingabe an den Herrn. Gnadenstunden, in denen die suchende Liebe Gottes der Seele so nahe trat, in denen er so leicht zu finden gewesen wäre, vergehen, ohne Frucht zu bringen. Das ist immer sehr ernst, und umso ernster, je tiefer der Ruf des Herrn in die Seele drang. Wie manche haben sich auf ihrem Krankenlager schon vorgenommen: Jetzt muss es anders mit mir werden. Kaum waren sie genesen, so sah man, es bleibt beim Alten. So geht es, wenn man nicht aufrichtig ist seinem Gott gegenüber, wenn das Herz am Eitlen hängt; man sucht dann nicht Gott, sondern alles mögliche andere. Gemütsbewegungen und Gewissenseindrücke sind Gottes Werk; wirkt Gott im Herzen, so wird es nie viel fruchten, wenn es vonseiten des Menschen nicht zum Anrufen des Herrn kommt. Als Saulus von dem erhöhten Heiland so mächtig gerufen wurde, so hieß es von ihm: „Und siehe, er betet“ (Apostelgeschichte 9, 11). Im Beten tut sich das Suchen des Menschen kund, und da antwortet der Herr, indem er sich finden lässt. In solchen Gnadenstunden ist es auch wichtig, dass man einen Menschen hat, der einen versteht und den Weg weisen kann. Da wird oft viel gefehlt von der Umgebung. Der Herr bewahre uns, dass wir in der Ewigkeit keine Gnadenzeiten zu beweinen haben! Beweine man sie lieber hier, dann kann noch geholfen werden. Ja, das sind liebliche Tränen, wenn man vergeudete Gnadenstunden beweint, sich darüber demütigt und dann doch den Herrn noch findet, wenn auch spät.
Gebet: Ach Herr, ich hätte manche Gnadenzeiten treuer benützen sollen. Hilf mir nach Deiner Barmherzigkeit, dass ich meine Gnadenzeit hinfort treulich auskaufe. Amen.
Quelle: Elias Schrenk, Suchet in der Schrift. Andachten für jeden Tag. Andacht zum 20. August. 3. Nachdruck der 2. Auflage von 1892. Das Buch ist für 10 Euro zuzügl. Versandkosten erhältlich bei der Geschäftsstelle des Gemeindehilfsbundes (Mühlenstr. 42, 29664 Walsrode; Email: info@gemeindehilfsbund.de; Tel.: 05161/911330)