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Nein zur Genderisierung der Kirche!

In kirchlichen Texten tauchen immer mehr Gender-Sterne auf. Manche halten das für eine Art von neuer Rechtschreibung, die man einfach übernehmen sollte. Andere meinen, dass es dabei um viel mehr geht als nur um eine neue Schreibweise. Einige Mitglieder der Pfarrerarbeitsgemeinschaft Confessio beziehen kritisch Stellung. Gerne können Sie diese Stellungnahme in Kirche und Öffentlichkeit weitergeben, wo Sie auf die Umwandlung von Schrift und Sprache nach dem Gender-System stoßen.

1. Auf der Ebene von Kirchenleitung und Kirchenverwaltung tauchen immer mehr Texte mit Genderstern auf, auch in einer Liturgie für die Weihnachtsfeier 2020 zuhause. Die neue Schreibweise wird ohne Ankündigung und ohne Begründung immer öfters in Gebrauch genommen. Damit ergreift die Kirche Partei in einem offenen gesellschaftlichen Diskussionsprozess mit Pro- und Contra-Position, ohne die neue Schreibweise konsequenter-weise überall anzuwenden und ohne die Pro-Position zuvor klar zu artikulieren. Das entspricht der Methode des „Mainstreaming“, bei der Bevormundung, Beeinflussung, Vereinnahmung und Gewöhnung die faire Auseinandersetzung und Respektierung unterschiedlicher Meinungen ersetzt. Diesen undemokratischen Weg der Überfremdung der Kirche lehnen wir ab.

2. Es wird argumentiert, dass die Würde derjenigen Personengruppe, die sich in Deutschland seit 2018 in amtlichen Dokumenten als „divers“ bezeichnen kann, respektiert werden müsse. Aus der guten Absicht, eine Personengruppe zu würdigen, folgt nicht automatisch und zwingend, dass sie auch ständig sprachlich abgebildet werden muss. Die Gruppe der behinderten Menschen ist ebenso zu würdigen wie die Gruppe der ungeborenen Menschen, die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund ebenso wie die Gruppe der Menschen einer bestimmten Religion. Der Sinn eines Sammelbegriffs liegt darin, nicht ständig zu differenzieren, sondern die unterschiedlichen Individuen unter einer verbindenden Zugehörigkeit oder Eigenschaft zu inkludieren. Ein Kollektivbegriff, der die Gattung Mensch anspricht oder eine Berufsgruppe oder eine Mitgliederversammlung, darf nicht unter dem moralischen Verdikt der „Diskriminierung“ ausgemerzt werden, weil einer gebrauchsfreundlichen Sprache mit sinnvollen Kollektivbegriffen grundsätzlich keine negativen Wertungen zu unterstellen sind.

3. Die Einführung der Kategorie „divers“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich bestimmte Personen nicht dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuordnen möchten. Faktisch ist es so, dass eine verschwindend geringe Anzahl von Personen von der Möglichkeit Gebrauch machen. Nach Auskunft der Zeitung WELT waren es in Stuttgart im Jahr 2019 eine Person, im Jahr 2020 zwei Personen.(1) Dass wegen einer Personengruppe, die prozentual im niedrigsten Promillebereich liegt, Schreibweise und Sprachform flächendeckend abzuändern seien, ist eine These, die eine Minderheit gegenüber der Mehrheit instrumentalisiert. Sie ist auch deswegen unhaltbar, weil die Gruppe der „Diversen“ nichts ändert an der sinnvollen Einteilung der Gattung Mensch in die beiden Existenzformen Mann und Frau. Im Blick auf Menschen mit Phänomenen, die von der typischen geschlechtlichen Prägung abweichen, spricht die Europäische Gesellschaft für pädiatrische Endokrinologie von „Störung der Geschlechtsentwicklung“ (disorders of sex development, DSD). 2 [1] Eine Störung oder ein Mangel begründen aber keinen neuen Menschentyp. Von einem einheitlich definierbaren „dritten Geschlecht“ kann nicht die Rede sein. Bei Kindern und Jugendlichen mit gewissen Abweichungen vom Genotyp Mann und Frau ist nach Aussage eines führenden Tübinger Kinderarztes die eindeutige Zuordnung zu einem Geschlecht fast immer von den Betroffenen erwünscht und auch biologisch begründbar, wohingegen die Verweigerung dieser Zuordnung zu tiefen Identitätskrisen führen kann.

4. Der Begriff „Gender“, mit dem der Genderstern offiziell tituliert wird, ist kein wertneutraler Begriff der deutschen Sprache und Rechtschreibung. Er ist vielmehr ein Container-Begriff aus dem Gedankensystem der feministischen Philosophin Judith Butler. Mit der Einführung des Begriffs „Gender“ („soziales Geschlecht“) etabliert Butler die These, dass die geschlechtliche Zuordnung nicht biologisch begründet, sondern gesellschaftlich konstruiert sei. Diese von einer realistischen wissenschaftlichen Sicht des Menschen gelöste Anschauung muss man ganz klar als Ideologie erkennen und benennen. Es ist eine Aufgabe der Kirche, der „Grundfeste der Wahrheit“ (1.Tim 3,15), Wahrheit und Ideologie zu unterscheiden und die Ideologie, die zur Desorientierung und zum Unglück der Menschen führt, zurückzuweisen.

5. Die Einführung der Gender-Sprache von mächtigen Lobbys und Interessengruppen in der westlichen Welt nach dem Top-Down-Prinzip verwirklicht eine subversive Strategie, die Wikipedia folgendermaßen beschreibt:

„Butlers frühe politische Philosophie wird unter dem Titel Politik des Subversiven zusammengefasst. Im Mittelpunkt steht darin die Queer-Theorie, die Sexualität als strukturelle Dimension des Sozialen, Politischen und Kulturellen ansieht. Queer Studies und Queer politics als angewandte und öffentliche Ausdrücke der Theorie eröffnen Handlungsoptionen, denn wenn man in der Performativität die soziale Wirkmächtigkeit von Sprechakten erkennt, so sind auch deren Veränderungen denkbar. Durch eine Wiederverwendung und Neudeutung von Denkfiguren über Identität und Norm werden sozial autorisierte Körper/Subjekte von Gewicht durch eine durchbrechende performative Verschiebung entwertet. Die subversiven Wiederholungen bieten die ‚Möglichkeit des Sprechakts als Akt des Widerstands‘. Konsequent verweigert Butler auch in ihrem politischen Denken die Unterscheidung von sex und gender. Durch Dekonstruktion gelte es, Spielraum für ein Erproben von alternativen Geschlechtsidentitäten, queer identities, zu schaffen. Queer ist hierbei nicht als ständig wechselbare Identität gedacht. Ziel sei vielmehr, die Kontingenz von anatomischen Körpermerkmalen und performativer Geschlechtsidentität aufzuzeigen und zur Geschlechter-Verwirrung anzustiften.“ (3)

Die Kirche, deren Herr und Gebieter Jesus Christus ist, steht unter seinem apostolischen Gebot: „Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist.“ (Rö 12,2) Diesen Auftrag verleugnet diejenige Kirche, die sich zur Erfüllungsgehilfin einer wirklichkeitsfernen Ideologie und subversiven Strategie macht.

6. Es wird argumentiert, dass die Proklamation der Einheit der Christen unterschiedlicher Nationalität, unterschiedlichen Standes und Geschlechts in der Person Jesus Christus in Galater 3,28 zur sprachlichen Wahrnehmung eines „dritten Geschlechts“ verpflichte. In Galater 3,28 ist freilich von keinem dritten Geschlecht die Rede, sondern ausschließlich von Mann und Frau, so wie dies in der ganzen Bibel durchgängig vom ersten bis zum letzten Buch der Fall ist. In Galater 3 wendet sich der Apostel Paulus an die „unverständigen Galater“ und die „lieben Brüder“, die durch den Glauben „Gottes Kinder in Christus Jesus“ sind (3,1.15.26). Auch an diesem Brief lässt sich studieren, dass angemessene Anrede an die Gemeinde eben nicht ständig differenziert, sondern vielmehr bewusst inkludiert. Genau dadurch wird keineswegs diskriminiert, sondern vielmehr Einheit gewürdigt und gestiftet. Das letzte, durchschlagende Argument gegen die Genderisierung und Ideologisierung der Kirche ist Gottes Wort, das jeden Menschen liebevoll anredet, ihm aber sein verkehrtes Menschenbild und Gottesbild aus der Hand schlägt. „Habt ihr nicht gelesen: Der im Anfang den Menschen geschaffen hat, schuf sie als Mann und Frau?“ (Mt 19,4)

7. Als Diener des Wortes, die per Ordinationsgelübde dazu verpflichtet sind, darauf Acht zu haben, „dass falscher Lehre, der Unordnung und dem Ärgernis in der Kirche gewehrt werde“, fordern wir die Kirchenleitung und unsere Kollegenschaft dazu auf, das Gender-Denksystem kritisch zu reflektieren. Wir behalten uns in Zukunft vor, den Genderstern in kirchlichen Texten an geeigneter Stelle, z.B. im Kirchengemeinderat, zu thematisieren und öffentlich zu kritisieren.

Einige Mitglieder der Pfarrerarbeitsgemeinschaft Confessio e.V., im März 2021.

Quelle: https://www.confessio-wue.de/nein-zur-genderisierung-der-kirche/ [2]
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(1) 12.2020, https://www.welt.de/vermischtes/article221852696/In-deutschen-Staedten-So-viele-Geschlechtseintraege-divers-gibt-es-wirklich.html

(2) Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Intersexualität. [3] “Im Oktober 2005 fand in  Chicago, [4] USA, eine Konsensuskonferenz der Lawson Wilkins Pediatric Endocrine Society (LWPES) und der European Society for Paediatric Endocrinology (ESPE) statt, auf der ein Consensus Statement on management of intersex disorders verabschiedet wurde. Dieses empfiehlt, anstelle der bisherigen Begriffe Intersexualität oder Hermaphroditismus die Bezeichnung Störung der Geschlechtsentwicklung (Disorders of sex development, DSD) zu verwenden.“

(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Judith_Butler