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Der Heilige Geist ist kein Skeptiker

Dienstag 23. Mai 2023 von Pastor Paul Bruderer


Pastor Paul Bruderer

„Der Heilige Geist ist kein Skeptiker!“, protestiert Theologe und Reformator Martin Luther in seiner weltberühmten Debatte mit Erasmus von Rotterdam. Luther und Erasmus zeigen beispielhaft zwei unterschiedliche Ansichten darüber, ob wir im Glauben zu Gewissheit gelangen können oder Fragende bleiben sollten. Die Beziehung zwischen Erasmus von Rotterdam und Martin Luther ist ungestüm. Vielleicht ist die Beziehung gerade deshalb so spannend und ergiebig. In ihren Streitschriften thematisieren sie die Frage, ob wir im Glauben Gewissheit haben können oder nicht.

Der Showdown

Auf der einen Seite haben wir Erasmus, der geachtete Gelehrte und Mitbegründer des europäischen Humanismus. Auf der anderen Seite steht Luther, die Galionsfigur der deutschen Reformation. Die hitzige Debatte zwischen Luther und Erasmus über die Freiheit des menschlichen Willens ist in mehreren Briefen und Schriften gut dokumentiert. In seiner Abhandlung ‚Ãœber den freien Willen‘ kritisiert Erasmus Luther dafür, dass er zu klaren Ãœberzeugungen kommt und entgegnet ihm:

So gross ist mein Missvergnügen an festen Behauptungen, dass ich unbedenklich mich der Ansicht der Skeptiker anzuschliessen pflege. (Erasmus, ‚Ãœber den freien Willen‘, Seite 11)

Menschen, die feste Ãœberzeugungen haben, seien wie Leute, die sich im Streit erhitzen und…

… alles, was gerade zur Hand ist, sei es ein Krug oder sei es ein Teller, sich in ein Wurfgeschoss verwandelt. (Erasmus, Seite 11)

Luthers Antwort kommt postwendend in seiner Gegenschrift ‚Vom unfreien Willen‘:

Der Heilige Geist ist kein Skeptiker, er hat nichts Zweifelhaftes oder unsichere Meinungen in unsere Herzen geschrieben, sondern feste Gewissheiten, die gewisser und fester sind als das Leben selbst und alle Erfahrung. (Luther, ‚Vom unfreien Willen‘, ISBN 978-80-268-2767-2, Seite 13)

Luther betont deshalb, dass wir feste Überzeugungen haben dürfen:

Lass uns Menschen sein, die feste Meinungen haben, sich darum bemühen und an ihnen Freude haben. (Luther, Seite 13)

Viele Menschen sehnen sich nach dem, was Luther hier beschreibt. Endlich wieder richtig glauben dürfen – das wäre es! Doch in unserer Kultur gibt es einen gewichtigen Grund, weshalb man uns davor warnt, tiefe Glaubensüberzeugungen zuzulassen.

Wenn Überzeugungen zu Gewalt führen

Nach der Ansicht von Erasmus sind feste religiöse Überzeugungen ein Nährboden für Gewalt. Die Lösung gegen religiös begründete Gewalt ist deshalb gemäss Erasmus eine saftige Portion religiöser Skepsis. Um den gesellschaftlichen Frieden zu bewahren, sollten wir angeblich keine festen Glaubensüberzeugungen haben!

Leider zeigt die europäische Geschichte, dass wir hier tatsächlich ein Problem haben. Ein Beispiel dafür ist der dreissigjährige Krieg, der als Religionskrieg von 1618 bis 1648 grosses Leid nach Mitteleuropa brachte. Dieser führte dazu, dass man Religion aus dem öffentlichen Raum verbannte. Dafür durfte die Ideologie des Humanismus die Öffentlichkeit bestimmen.

Doch auch der Humanismus hat religiösen Charakter mit tiefgreifenden Ãœberzeugungen. Auch für diese vermeintlich ’nicht-religiösen‘ Ãœberzeugungen war man bereit, zur Gewalt zu greifen. Dies sehen wir beispielhaft in der Französischen Revolution, wo im Namen des humanistischen Manifests Liberté, Égalité, Fraternité die Guillotine für ‚Frieden‘ sorgen musste.

Die Lösung zum Thema Gewalt liegt also nicht darin, dass wir in religiösen Fragen eine skeptische Grundhaltung einnehmen und möglichst darauf achten, zu keiner festen Überzeugung zu gelangen. Das Problem ist nicht, dass wir tiefe religiöse Gewissheiten in uns tragen, sondern welche Meinungen und Gewissheiten.

Wenn Überzeugungen zur Gewaltlosigkeit führen

Im Leben der Christen in den ersten Jahrhunderten nach Christus erkennen wir eine Lösung zu diesem Dilemma: Sie haben tiefe, feste Überzeugungen und greifen gleichzeitig nicht zur Gewalt. Im Gegenteil! Sie erdulden, dass ihnen Gewalt angetan wird, und sie schaffen dies, eben gerade weil sie tiefe Glaubensüberzeugungen haben!

Es gibt viele Beispiele dafür. Ich erwähne nur eines davon: Die Christen aus der Region Kappadozien (in der heutigen Türkei), welche von den Goten auf Kriegszügen entführt wurden, bewirkten als Sklaven unter den Goten eine Erweckung des Christentums. Die gläubig gewordenen Goten wurden anschliessend vom eigenen Volk bis aufs Blut verfolgt. Oft wurden sie im eigenen Haus verbrannt.

Diese Christen widerstanden der Versuchung, mit Gewalt zurückzuschlagen. Die faszinierende Geschichte über die friedliche Christianisierung der Ostgoten kann im spannenden Buch von Erich Schnepel nachgelesen werden.

Der Heilige Geist ist kein Skeptiker

Diese Goten-Christen und deren christliche Sklaven wurden vermutlich durch den 1. Petrus-Brief geistlich auf diese Situationen vorbereitet. Wir sehen dies daran, dass die christlichen Sklaven aus Kappadozien stammen, wo auch die Empfänger des 1. Petrus-Brief angesiedelt waren (siehe 1Pe 1:1). In diesem Brief können wir also herausfinden, welche tiefen Überzeugungen diesen Christen halfen, unter dem Druck der Verfolgung nicht zu Gewalt zu greifen, sondern ihre Feinde zu lieben. Der Brief spricht von den Feuer-Prüfungen, welche diese Christen real erlebt haben:

Geliebte, lasst euch durch das Feuer der Verfolgung unter euch, das euch zur Prüfung geschieht, nicht befremden, als begegne euch etwas Fremdes (1Pe 4:12)

Diese Art von Prüfung besteht man nicht, indem man Erasmus-mässige skeptische Distanz zum Glauben haltet. Im Gegenteil! Man muss in tiefe Glaubensüberzeugungen hinein fliehen! Man braucht klare Überzeugungen, um in solchen Situationen einerseits den Glauben zu behalten und andererseits nicht zur Waffe zu greifen.

In seinem großen Erbarmen hat er uns durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten ein neues Leben geschenkt. Wir sind von neuem geboren und haben jetzt eine sichere Hoffnung, die Aussicht auf ein unvergängliches und makelloses Erbe. (1Pe 1:3-4)

Wenn wir wissen, dass Jesus tatsächlich (leiblich) von den Toten auferstanden ist, dürfen wir eine tiefe Gewissheit in uns tragen, dass auch wir ewiges Leben haben im Glauben an den auferstandenen Jesus! Und diese Gewissheit hilft entscheidend, im Angesicht von Verfolgung und Tod standhaft zu bleiben und auch nicht zur Gewalt zu greifen.

Bisher habt ihr Jesus nicht mit eigenen Augen gesehen, und trotzdem liebt ihr ihn; ihr vertraut ihm, auch wenn ihr ihn vorläufig noch nicht sehen könnt. Daher erfüllt euch schon jetzt eine überwältigende, jubelnde Freude, eine Freude, die die künftige Herrlichkeit widerspiegelt; denn ihr wisst, dass ihr das Ziel eures Glaubens erreichen werdet – eure endgültige Rettung. (1Pe 1:8-9)

Die Bibel spricht an dieser Stelle von klarer Glaubensgewissheit, und das, obschon man Jesus nicht gesehen hat. Es ist eine Gewissheit, die grosse Freude weckt. Diese Freude ist von der gleichen Substanz wie jene Freude, welche wir eines Tages in der Herrlichkeit erleben werden. Warum kann sie erlebt werden? Weil wir etwas wissen! Weil wir eine Gewissheit in uns tragen! Hier ist nicht die Rede von einer wagen Hoffnung, von unsicherem Glauben oder skeptischer Zurückhaltung. Es stimmt, was Luther sagt:

Der Heilige Geist ist kein Skeptiker, er hat nichts Zweifelhaftes oder unsichere Meinungen in unsere Herzen geschrieben, sondern feste Gewissheiten, die gewisser und fester sind als das Leben selbst und alle Erfahrung. (Luther, Seite 13)

Dass der Heilige Geist so wirkt, ist nötig, wenn wir die Prüfungen des Lebens als Christen bestehen wollen! Andere Stellen des Neuen Testaments blasen ins gleiche Horn:

Aus diesem Grund leide ich dies alles; aber ich schäme mich dessen nicht; denn ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiss, er kann mir bewahren, was mir anvertraut ist, bis an jenen Tag. (2Tim 1:12)

… damit ihre Herzen gestärkt und zusammengefügt werden in der Liebe und zu allem Reichtum an Gewissheit und Verständnis, zu erkennen das Geheimnis Gottes, das Christus ist. (Kol 2:1)

… so laßt uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in voller Gewißheit des Glaubens. (Heb 10:22)

Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade. (Heb 13:9)

Fazit

Unsere Kultur sollte ihrer eigenen Skepsis-Gläubigkeit etwas skeptischer gegenüber treten. Tiefe religiöse Gewissheit zu haben ist nicht das Hauptproblem hinter religiös motivierter Gewalt. Das Problem ist, welche Überzeugungen wir in uns zulassen.

Ist dieser Punkt geklärt, dürfen wir unsere Seelen wieder öffnen und die Gewissheiten zulassen, die der Heilige Geist durch die Bibel in uns wecken möchte! Unsere Herzen dürfen im Glauben fest werden. Daran ist nichts falsch, sondern so soll es eben grad sein!

Wenn du dich nach Glaubensgewissheit sehnst, lies nochmals die in diesem Artikel genannten Bibelstellen durch. Du kannst auch das ganze erste Kapitel des ersten Petrus-Briefes lesen. Strecke dich aus nach dem, was diese Bibeltexte versprechen!

Wenn du gerne mehr darüber erfahren willst, wie sicher wir sein können, dass Jesus leiblich auferstanden ist, dann kannst du folgende Links benutzen, um dir darüber Klarheit zu verschaffen:

Paul Bruderer, 17. November 2019

Paul Bruderer, Jahrgang 1972, als Kind von Missionaren in Afrika aufgewachsen, 1998 Gründungsmitglied der erwecklichen ‹Godi›-Jugendarbeit in Frauenfeld. Seit 2001 Pastor in der Chrischona Gemeinde Frauenfeld. Paul lebt mit seiner Familie in Frauenfeld, Schweiz

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 23. Mai 2023 um 9:22 und abgelegt unter Christentum weltweit, Gemeinde, Kirche, Kirchengeschichte, Theologie.