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Den Juden ein Jude, den Heiden ein Heide (Andacht über 1 Kor 9,20-22)

Den Juden bin ich geworden wie ein Jude, auf dass ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich geworden wie unter dem Gesetz, auf dass ich die, so unter dem Gesetz sind, gewinne. Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie ohne Gesetz geworden (so ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin im Gesetz Christi), auf dass ich die, so ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich geworden wie ein Schwacher, auf dass ich die Schwachen gewinne. Ich bin jedermann allerlei geworden, auf dass ich allenthalben ja etliche selig mache (1. Korinther 9,20-22 nach Luther 1912)

Um deutlich zu machen, worum es hier geht, habe ich die Bibelverse auf die jeweiligen Kernaussagen verkürzt. Sie sind tatsächlich noch etwas differenzierter, was allerdings das Lesen und Verstehen zusätzlich erschweren würde. Jeder kann den vollständigen Text im Neuen Testament nachlesen und sich dazu seine Gedanken machen.

In dem Text geht es darum, verständlich von Gott zu reden, so dass die Angesprochenen verstehen was gemeint ist, und dazu muss man die Sprache der Menschen sprechen, die man erreichen will. Das heißt, „sie dort abholen, wo sie stehen“, sich also deren Verstehensmöglichkeiten anpassen, ohne die Botschaft dabei zu verkürzen, anzupassen oder zu relativieren.

Zu Zeiten des Paulus gab es zwei große Gruppen: Einmal die Juden, die von den mosaischen Gesetzen geprägt waren und damit „unter dem Gesetz standen“, von dessen genauer Beachtung sie das Heil erhofften (übrigens bis zum heutigen Tage) und dann die Heiden, denen man gleich die Freiheit in Jesus Christus predigen konnte.

Paulus erwähnt dann noch die Schwachen, unter denen man sich die Unschlüssigen und Wankelmütigen vorstellen kann, um dann zu sagen, dass er allen alles geworden ist, um damit wenigstens einige zu retten. Paulus hat sich demnach bei seiner Verkündigung an das jeweilige Umfeld angepasst.

Und hier geht jetzt die Frage an uns: Inwieweit sind wir dazu in der Lage und inwieweit sind wir bereit dazuzulernen, umzudenken und uns von liebgewordenen Gewohnheiten zu verabschieden. Kommt man in christliche Kreise, fällt auf, dass man sich hier oft einer „frommen Sprache“ (im Extremfall als Sprache Kanaans bezeichnet) bedient, die von Außenstehenden, die zufällig hereinkämen, nicht verstanden würde. Wer könnte zum Beispiel mit dem Begriff „Gnade“ etwas anfangen? Was im christlichen Kreis eine gute Gewohnheit ist, kann auf Außenstehende abstoßend wirken.

Wir tun also gut daran, für die uns geläufige Begriffe zeitgemäße Worte zu verwenden und biblische Wahrheiten ganz praktisch an den Dingen des Alltags festzumachen. Vorsicht ist auch beim Zitieren von Bibelstellen geboten. Manchmal gefällt man sich darin, Bibelverse, möglichst noch mit Angabe der Bibelstelle, zu zitieren. Ich ertappe mich manchmal dabei. Das kommt nicht immer an. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Bibelworte, die für uns als Christen wunderbar und stärkend sind, sagen einem Außenstehenden, wenn es sich nicht gerade um bekannte Verse handelt, die Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden haben, absolut nichts. Erst dann, wenn durch das Glaubensleben die tieferen Zusammenhänge klar werden, beginnen sie aufzuleuchten.

Ich erinnere mich an folgende Aussage: Nach einer Osterpredigt sagten die Leute, dass sie das alles sehr schön gefunden haben, aber überhaupt nicht verstanden hätten, worum es eigentlich gegangen sei. Und so etwas ist sehr schade!

In einem neuheidnischen Land wie dem unseren, wo viele nicht mehr wissen, was eigentlich an Weihnachten, Ostern und Pfingsten geschah, kann man oftmals nicht die geringsten Vorkenntnisse voraussetzen und muss wirklich auf der alleruntersten Ebene anfangen.

Das wollen wir bedenken, wenn wir über unseren Glauben sprechen. Das bewahrt vor mancher Enttäuschung. Gott gebe uns dazu viel Weisheit und Verstand.

Herr, für dein Wort sei hoch gepreist; lass uns dabei verbleiben
und gib uns deinen Heilgen Geist, dass wir dem Worte glauben,
dasselb annehmen jederzeit mit Sanftmut, Ehre, Lieb und Freud
als Gottes, nicht der Menschen.

Öffn uns die Ohren und das Herz, dass wir das Wort recht fassen,
in Lieb und Leid, in Freud und Schmerz es aus der Acht nicht lassen;
dass wir nicht Hörer nur allein des Wortes, sondern Täter sein,
Frucht hundertfältig bringen.

Dein Wort, o Herr, lass allweg sein die Leuchte unsern Füßen;
erhalt es bei uns klar und rein; hilf, dass wir draus genießen
Kraft, Rat und Trost in aller Not, dass wir im Leben und im Tod
beständig darauf trauen.

Gott Vater, lass zu deiner Ehr dein Wort sich weit ausbreiten.
Hilf, Jesu, dass uns deine Lehr erleuchten mög und leiten.
O Heilger Geist, dein göttlich Wort lass in uns wirken fort und fort
Glaub, Lieb, Geduld und Hoffnung.

(Lied ‚Herr, für dein Wort sei hoch gepreist‘ von David Denicke; 1659)