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Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt? Andacht zu Joh 5,44 vor Theologen

Montag 3. April 2023 von Pastor Dr. Stefan Felber


Pastor Dr. Stefan Felber

Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt,
und die Ehre, die von dem alleinigen Gott ist, sucht ihr nicht?

— Johannes 5,44 —

(Eine Andacht, gehalten vor Theologen, Anfang März 2023)

Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt? fragt Jesus. Ich dagegen, sagt er, nehme nicht Ehre von Menschen, aber ich kenne euch, daß ihr nicht Gottes Liebe in euch habt (V. 41f.).

Wir spüren sofort: Hier spricht Jesus etwas in uns an, das wir nicht einfach abstellen können: ein schier unstillbares Bedürfnis. Unser ganzes Leben ist doch eingebettet in Beziehungen, wir sind auf gegenseitiges Vertrauen, ja auf ein Mindestmaß an Ansehen angewiesen. Doch, so fragt Jesus, wie können wir uns auf Gott ausrichten, wenn unser Denken angefüllt ist mit dem Bestreben, bei unseren Mitmenschen einen guten Eindruck zu machen? Wenn die horizontale Dimension unseres Menschseins nicht eine Frucht der vertikalen Dimension ist, sondern diese verdrängt, ja ersetzt? Wenn und solange das so ist, können wir nicht glauben. Glaube jedoch richtet uns aus auf Gott, unseren Vater, auf Christus, unser Urbild, dessen Abbild wir als Erlöste sind, und gibt den irdischen Beziehungen Maß und Grenze.

Das ist die Ehre des Menschen: seine Ebenbildlichkeit zu Gott. In ungetrübter Ebenbildlichkeit sucht er nicht die eigene Ehre, sondern die Ehre dessen, dem er alles verdankt, was er ist und kann. Er anerkennt, daß er Geschöpf ist und nicht Schöpfer. „Er hat uns gemacht und nicht wir selbst, zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide.“ (Ps 100)

Als Geschöpfe und als Erlöste haben wir bereits eine Ehre bei Gott, die nicht übertroffen werden kann. Wir sollten nicht im Fleisch vollenden, was im Geist begonnen wurde (Gal 3,1–5)!

Jesus kommt und deckt die Sünde auf: Ihr nehmt Ehre von einander; deshalb könnt ihr nicht glauben. Ihr wollt euch erhöht sehen durch mehr oder neues Ansehen bei Menschen. Augenfällig ist es bei manchen mehr – ich denke an Politiker und gewisse Celebrities oder „VIPs“ – , bei manchen weniger. (Wie kommt man in einer Talkshow am besten weg?)

Bei Religionsvertretern und Akademikern geschieht es besonders subtil.

Religionsvertreter:

Predigten werden gehalten, um Menschen zu gefallen, statt sie zur Buße zu rufen. Ziel verfehlt!

Hier das positive Gegenbild bei Paulus: „… wie Gott uns für wert geachtet hat, uns das Evangelium anzuvertrauen, so reden wir, nicht, als wollten wir Menschen gefallen, sondern Gott, der unsere Herzen prüft“ (1.Thess 2,4).

Akademiker, besonders in der Theologie:

Viele Qualifikationsarbeiten werden so geschrieben, daß sie den Gutachtern gefallen. Am Ende soll ja der Titel herauskommen! Ob diese Arbeiten auch schriftgemäß sind, ob sie die Ehre bei Gott suchen?
Akkreditierungsanträge werden so geschrieben, daß sie den Gutachtern gefallen.
Parteiprogramme werden so geschrieben, daß sie möglichst vielen Wählern gefallen. Und so weiter!

Vergessen wir nicht das Wort Jesu an die Pharisäer:

Ihr seid’s, die ihr euch selbst rechtfertigt vor den Menschen; aber Gott kennt eure Herzen. Denn was hoch ist bei den Menschen, das ist ein Greuel vor Gott. (Lk 16,15)

Die Selbstprüfung ist für uns besonders nötig, und ich hoffe, daß unsere theologische Arbeit dazu (mit)hilft. Denn auch jemand, der bibelbezogen arbeitet, steht in der Gefahr, alle Erkenntnisse in falsche Raster zu pressen, sich aber von der Bibel nicht mehr korrigieren lassen. Das Jagen nach Ansehen endet notwendig im Verlust der geistlichen Vollmacht. Dann sind Glaube, Gerechtigkeit und Frömmigkeit nur noch Menschenwerk!

Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt, und die Ehre, die von dem alleinigen Gott ist, sucht ihr nicht? Jesus vergleicht seine eigene Haltung in dieser Beziehung mit der seiner Hörer; die Pronomen „Ich“ und „Ihr“ stehen betont gegenüber. Noch einmal V. 41–43:

41 Ich nehme nicht Ehre von Menschen an; 42 aber ich kenne euch, daß ihr nicht Gottes Liebe in euch habt. 43 Ich bin gekommen in meines Vaters Namen, und ihr nehmt mich nicht an. Wenn ein anderer kommen wird in seinem eigenen Namen, den werdet ihr annehmen.

Christus kam im Namen des Vaters, nicht im eigenen Namen, d.h. er war gesandt und kam nicht aus Eigenwillen. Er erniedrigte sich selbst. Falsche Propheten senden und erhöhen sich selbst, wie es ihnen die alte Schlange ans Herz legt![1] Bei ihnen wird die vertikale Lebensdimension von der horizontalen versklavt.

Wer ist der andere, und worin findet sich im Kontext konkret die Ehre Christi? Die letztere Frage ist leichter als die erste. Christus nimmt das Zeugnis des Alten Testaments über sich an als Christuszeugnis. Die Schriften sind’s, die seine Identität bezeugen, auch die Werke, die mir der Vater gegeben hat, zeugen von mir (das dritte Zeugnis im Kontext war das des Täufers, bzw. in der Aufzählung das erste).

Die erste Frage, wer der andere ist, beantwortet die Berlenburger Bibel (1726–42) so:

„Ihr thut jetzt, will er gleichsam sagen, so gewissenhafft und scheinheilig, als wolltet ihr euch inachtnehmen, GOtt nicht zu beleydigen und der rechten Person zu verfehlen. Aber wenn einer kommen wird als ein Cavallier, der wird Credit finden. Mich wollen sie nicht haben: nun so kriegen sie den Satan zu ihrer Rechten.“ (Glosse zu V. 43)

Viele Väter der Alten Kirche (z. B. Irenäus, Cyrill von Alexandria, Chrysostomus) und später Bengel haben den „anderen“ auf den Antichrist gedeutet. Gerhard Maier schreibt dazu: „Diese Deutung ist insofern richtig, als der Antichrist der letzte und schlimmste der falschen Messiasse sein wird. Aber ihm geht, wie wir gesehen haben, eine ganze Reihe anderer voraus, auf die Jesu Wort ebenfalls zutrifft (vgl. 1 Jo 2,18).“[2] Im Prinzip sind also alle Verführer und Irrlehrer, das Bibelwort und den heiligen Namen Gottes mißbrauchen, solche „anderen“!

Springen wir noch einmal zur theologischen Arbeit zurück!

Der methodische Atheismus, mit dem die historische Kritik arbeitet, ist die methodische Umsetzung, die Ehre des heiligen Gottes zum unheiligen Menschen zu verlagern – „ihr werdet sein wie Gott“! Der mutmaßliche historisch-menschliche Kontext wird bedeutender, als was Gott selbst in der Schrift über sein Wort gesagt hat. Damit kann eine solche Auslegung nur schiefe Ergebnisse hervorbringen; die Stücke an Wahrheit, die sie enthält, dienen mehr zur Verschleierung eigensüchtiger Voraussetzungen der Exegeten als dazu, den Blick eines Lesers oder Hörers nach oben zu ziehen! Was aber bedeutet es für die Exegese, die Ehre Gottes zu suchen? Gottes Wort ist König. Auslegung und Predigt müssen text- und schriftgemäß sein. Suchen wir die Ehre Gottes in der Beugung vor seinem Wort!

Was an den Universitäten los ist, die Schweigespirale, die Ulrike Ackermann beschrieben hat, das Ausbleiben einer kritischen Wissenschaft gegenüber einer wahnsinnigen Politik, die Abhängigkeit des Mittelbaus von Lehrstuhlinhabern und Drittmittelgebern, das hat Jesus in Mt 23 schon lange beschrieben:

1 Da redete Jesus zu dem Volk und zu seinen Jüngern 2 und sprach: Auf dem Stuhl des Mose sitzen die Schriftgelehrten und die Pharisäer. … 6 Sie sitzen gern obenan beim Gastmahl und in den Synagogen 7 und haben’s gern, daß sie auf dem Markt gegrüßt und von den Leuten Rabbi genannt werden. 8 Aber ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn einer ist euer Meister; ihr aber seid alle Brüder. 9 Und ihr sollt niemand euren Vater nennen auf Erden; denn einer ist euer Vater: der im Himmel. 10 Und ihr sollt euch nicht Lehrer nennen lassen; denn einer ist euer Lehrer: Christus. 11 Der Größte unter euch soll euer Diener sein. 12 Wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.

Gesegnet ist, wer unter dieser Perspektive seine Doktorarbeit schreiben kann und sich die innere Freiheit bewahrt, das wahr und gut zu nennen, was wahr und gut ist, und das böse zu nennen, was böse ist. Unsere Welt sähe besser aus.

Kol 3:

1 Seid ihr nun mit Christus auferweckt, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes.
2 Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist.
3 Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott.
4 Wenn aber Christus, euer Leben, offenbar wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit. (Kol 3)

Amen.

 

 

 

Joh 7,18: Wer aus sich selbst redet, der sucht seine eigene Ehre; wer aber die Ehre dessen sucht, der ihn gesandt hat, der ist wahrhaftig, und keine Ungerechtigkeit ist in ihm.

 

 

[1] Vgl. 5. Mose 18,20; Jer 14,14f.; 23,25; 29,9.23.

[2] Gerhard Maier, Johannes-Evangelium, Edition C NT Bd. 1, Holzgerlingen, 2007, S. 238.–

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 3. April 2023 um 18:20 und abgelegt unter Allgemein.