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Rang Jesus im Garten Gethsemane mit dem Tod?

In der Broschüre „Gethsemane – Ein Blick ins Heiligtum“ (Missionswerk „Christus für Dich“, 26789 Leer) versucht Pfarrer Karl Huhn das Ringen Jesu im Garten Gethsemane als ein Ringen mit dem vorzeitigen Tod darzustellen. Weil es laut Huhn undenkbar sei, dass Jesus im Garten Gethsemane für die „Abwendung des Kreuzestodes“ bete oder er einen „Ausweg vor dem Kreuze“ suche (S. 12), müsse Jesus im Garten Gethsemane mit dem vorzeitigen Eintritt seines Todes gerungen haben: „Das Leiden des Herrn in Gethsemane ist danach das Leiden eines Menschen der ‚sterben‘ muss und doch nicht sterben will, der aber keine Kraft hat gegen den Tod. Jesus ist im Begriff, dem Ansturm des Todes zu erliegen und sieht nur eine Aushilfe dagegen: Das Eingreifen der göttlichen Allmacht. Ohne diese sinkt er kraftlos unter den Bäumen des Gartens nieder, und wenn die Häscher kommen, ihn zu fangen, finden sie ihn tot“ (S. 13).

Gethsemane und Golgatha

Zunächst muss der Kontext beachtet werden. Das Gebet im Garten Gethsemane geschieht unmittelbar vor der Gefangennahme, dem Prozess gegen Jesus und dem Leiden und Sterben am Kreuz auf Golgatha. Folgt man dem Aufbau der Evangelien, dann kann das zentrale Thema von Gethsemane nur Golgatha sein. In Gethsemane ringt Jesus nicht mit der Möglichkeit des vorzeitigen Eintritt des leiblichen Todes, sondern er betet zu seinem Vater, und er spricht mit seinem Vater über den schweren Weg an das Kreuz. Jesus betet als wahrer Mensch und wahrer Gott zu seinem Vater im Himmel. Als Sohn Gottes weiß er, dass er den bitteren Kelch des Kreuzestodes trinken wird und trinken muss, um den Willen des Vaters zu tun und die Sünden der ganzen Welt zu tragen (vgl. Joh 18,11). Doch als wahrer Mensch ringt er auch mit der Schwere dieses Geschehens. Die unvorstellbare Vorstellung, sich am Kreuz, mit der Sünde der Menschheit beladen, verfluchen zu lassen (Gal 3,13), die Trennung vom Vater und den bestialischen Hinrichtungsmord erleiden zu müssen, führten Jesus in eine tiefe Anfechtung hinein bis hin zu dem Gebet: „Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe“ (Lk 22,42). Jesus weiß, was der Wille des Vaters ist, nämlich dass er diesen Kelch trinken muss. Weil er das weiß, will er diesen Kelch auch trinken. Doch weiß er auch: Dieser Kelch ist so bitter, dass es ihm lieber wäre, es könnte sich ein anderer Weg auftun. „Mein Wille“ ist in diesem Moment der Wille des angefochten Menschen Jesus. Hier begegnen wir Jesus als dem Menschen, der bei aller Sündlosigkeit doch durch schwerste Anfechtungen hindurchmusste, wie jeder andere Mensch auch. Jesus betet sich durch diese Anfechtung hindurch zum „doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe“. Um den Willen Gottes wissend, betet er sich als Angefochtener in den Willen Gottes hinein, um dann aus dem Gebet heraus gestärkt das Kommende zu ertragen. Aus dem Gebet schöpfte er die Kraft, um von Gethsemane nach Golgatha gehen zu können.

Gebetskampf oder Todeskampf?

Weder Matthäus, Markus noch Lukas berichten davon, dass Jesus kurz davor war, im Garten Gethsemane zu sterben. Jesus geht in den Garten, nicht um mit dem Teufel oder dem Tod zu ringen, sondern um mit seinem Vater allein zu sein und mit ihm zu sprechen, also zu beten (Mt 26,36). Bis zum Tode betrübt sein (Mt 26,38) bedeutet nicht, dass Jesus im Todeskampf lag. Jona z.B. zürnt bis zum Tode, was aber nicht bedeutet, dass er beinah gestorben wäre (Jona 4,9). In Lukas 22,44 ist (im Urtext) von einem heftigen Gebetskampf die Rede (agonia), aber nicht vom „Ringen mit dem Tode“, wie Luther übersetzt. Keiner der Evangelisten legt nahe, dass Jesus hier in Gethsemane in der Gefahr stand, vom Tode überwunden zu werden. Lukas berichtet zwar, dass sich während des Betens Schweiß wie Blutstropfen bildete, die Schilderung eines Todeskampfes finden wir jedoch nicht. Keiner der Evangelisten berichtet Ereignisse, die darauf schließen lassen, dass Jesus kurz davor war, sein Leben auszuhauchen.

Um welchen Kelch geht es?

Pfarrer Huhn behauptet in seiner Schrift, „dieser Kelch“ bezeichne den „Eintritt des wirklichen Todes“ bereits im Garten Gethsemane (S. 16). Jesus betete: „Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Mt 26,39). Wenn „dieser Kelch“ laut Huhn den „Eintritt des wirklichen Todes“ in Gethsemane bedeuten würde, dann würde Jesus den vorzeitigen Eintritt des Todes nicht wollen, aber dafür der Vater (doch nicht wie ich will, sondern wie du willst). Das ergibt keinen Sinn.

Wenn wir wissen wollen, was „dieser Kelch“ bedeutet, dann sollten wir Jesus selbst fragen. Jesus hatte im Garten Gethsemane gebetet. Nur wenig später kamen Jesu Gegner, um ihn gefangenzunehmen. Petrus schlug bei der Gefangennahme dem Malchus das Ohr ab und Jesus wies ihn mit diesen Worten zurecht: „Steck dein Schwert in die Scheide! Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat?“ (Joh 18,11). Jesus selbst verrät uns, was der Kelch ist, den er trinken muss: Es ist der bevorstehende Kreuzestod. Genau darüber hat er mit dem Vater wenige Minuten zuvor im Garten im ringenden Gebet gesprochen. Es ist bezeichnend, dass Pfarrer Huhn diese Bibelstelle im Kapitel über den Kelch in seiner Broschüre nicht erwähnt.

Auch eine andere Stelle erwähnt Huhn nicht: „Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?“ (Mt 20,22; Mk 10,38). Auch hier liegt es auf der Hand, was Jesus mit „dem Kelch“ meint, den er trinken wird. Beide Perikopen schließen mit dem Wort des Herrn: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele“ (Mt 20,28; Mk 10,45).

Warum verschweigt Pfr. Huhn diese beiden wichtigen Parallelstellen?

Jesu Alleinverfügungsgewalt über das Leben

Es stellt sich noch eine ganz andere Frage: Ist es überhaupt denkbar, dass Jesus im Garten Gethsemane (ungewollt) hätte sterben können? Da der Sohn Gottes ohne Sünde war, hätte er nicht sterben können, denn der Tod ist immer eine Folge der Sünde (Röm 5,12; Röm 6,23). Weil Jesus sündlos war, hätte ihn nichts vorzeitig töten können. Jesus ist das Leben in Person (Joh 14,6) und trägt dieses Leben bleibend in sich (Joh 1,4; Joh 5,26). Weil Jesus das Leben selbst ist und das Leben in sich trägt, konnte niemand anders über sein Leben bestimmen. Er allein entschied darüber, wann und wie er sein Leben niederlegen würde:

„Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, auf dass ich’s wieder empfange. Niemand nimmt es von mir, sondern ich selber lasse es. Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wieder zu empfangen. Dies Gebot habe ich empfangen von meinem Vater.“ (Joh 10,17-18)

Jesus sagt hier in großer Eindeutigkeit über das Leben: „Niemand nimmt es von mir, sondern ich selber lasse es“. Kein Mensch, Teufel, Engel oder Dämon hätte die Macht gehabt, Jesus im Garten Gethsemane zu töten, denn Jesus allein hat die Macht, sein Leben niederzulegen. Niemand hätte Jesus töten können. Die Vorstellung eines vorzeitigen Eintritt des Todes im Garten Gethsemane ist im biblischen Gesamtzusammenhang nicht haltbar. Erst als Jesus, „der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht wurde“ (2 Kor 5,21), konnte er auch den Tod eines Sünders sterben.

Zusammenfassung

Die Vorstellung, Jesus habe im Garten Gethsemane mit dem vorzeitigen Tod gerungen und sei nur durch ein höheres Eingreifen seines Vaters bewahrt worden, muss aus folgenden Gründen als unbiblisch zurückgewiesen werden: 1.) Die Evangelienberichte schildern einen Gebetskampf, keinen Todeskampf. Die Vorstellung eines Ringen mit dem frühzeitigen Tod wurde vom Verfasser der Broschüre in den Text hineingetragen. 2.) Der Kelch, von dem Jesus im Garten Gethsemane spricht, wird vom Verfasser der Broschüre als frühzeitiger Tod im Garten Gethsemane fehlinterpretiert. Jesus selbst gibt dem Kelch dagegen eine eindeutige inhaltliche Füllung: das bittere Leiden und Sterben am Kreuz (vgl. Joh 18,11; Mt 20,22). 3.) Die Vorstellung, Jesus hätte in Gethsemane beinahe sein Leben gelassen, widerspricht der Aussage unseres Herrn, dass er die Alleinverfügungsgewalt über sein Leben hat: Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wieder zu empfangen. Dies Gebot habe ich empfangen von meinem Vater“ (Joh 10,18). Das Leben Jesu stand im Garten Gethsemane zu keiner Zeit in Gefahr. Das betende Ringen im Garten zeigt, dass alles in ihm ganz und gar auf das vor ihm liegende Leiden und Sterben auf Golgatha ausgerichtet war.

Johann Hesse, Dezember 2022
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