Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

Erweiterte Gesichtspunkte zur Kritik des SPIEGEL-Artikels

Dienstag 1. April 2008 von Dr. Johannes Schwarte


Erweiterte Gesichtspunkte zur Kritik des SPIEGEL-Artikels
(„Glaubenskrieg ums Kind“ Ausgabe 9/2008)

Zur Entlarvung seiner Desinformationsmechanismen

Hans-Joachim Maaz wird völlig totgeschwiegen: nicht nur sein Buch „Der Gefühlsstau“ über die „charakterdeformierenden“ Auswirkungen der Kinderkrippen in der DDR, sondern auch sein neues Buch „Der Lilith Komplex“ mit wichtigen Feststellungen zur Bedeutung der Mütterlichkeit und Aspekten ihrer Störung. „Mutterverarmung“ und „Muttermangel“ sind Leitbegriffe in diesem Buch.Eine zentrale Feststellung von ihm: „In den ersten drei Lebensjahren des Kindes ist die Mutter die wichtigste Bezugsperson in jeder Hinsicht – durch nichts und niemanden wirklich zu ersetzen und ohne Schädigung des Kindes auch nicht zu kompensieren. Die Zeit der ’sozialen Frühgeburt‘ ist erst nach etwa drei Jahren beendet. In dieser Zeit der wesentlichen Strukturbildung der Persönlichkeit bilden sich ganz grundlegende Fähigkeiten von Welterfahrung heraus: Urvertrauen oder Urmißtrauen, Gewißheit oder Zweifel, Selbstsicherheit oder Selbstunsicherheit, Selbstbewußtsein oder Minderwertigkeitsgefühle. Auch die Wurzeln für Sinnerfahrung, Beziehungsfähigkeit und Realitätsbezug gegen Sinnlosigkeit, Kontaktangst und Irrationalität entfalten sich in dieser Zeit. So entscheidet die Mutter auf das nachhaltigste über die Zukunft ihres Kindes. Sie sollte also in dieser Prägungsphase am besten immer präsent sein und nur das Kind entscheiden lassen, wenn dieses sich mal von seiner Mutter zurückziehen oder entfernen möchte“ (S. 81).

Auch die wichtigen Arbeiten des Verhaltensbiologen Bernhard Hassenstein bleiben unerwähnt. Auch von ihm eine zentrale Feststellung: „Heute kann kein Zweifel mehr bestehen: Persönlichkeitsschäden, wie sie durch bindungsloses Aufwachsen eines kleinen Kindes oder durch mehrmalige Bindungsabbrüche entstehen, beeinträchtigen die Chancen im späteren Leben so stark oder stärker als die schlimmsten sozialen und psychischen Benachteiligungen des späteren Lebens. Aus dieser Tatsache leitet sich der Anspruch eines jeden Kindes auf eine bleibende betreuende Person her, ein Recht auf Familie“ (Bernhard und Helma Hassenstein: Was Kindern zusteht, 3. Aufl. München 1990, S.107.)

Völlig totgeschwiegen wird hierzulande (nicht zur in diesem SPIEGEL-Artikel) die Veröffentlichung des Schweden Jan-Olaf Gustafsson „Wie Kindertagesstätten eine Nation zerstören können“ (http://www.der-fels.de/2002/02-2002.pdf). Jan-Olaf Gustafsson ist Mitglied der Family Campaign Foundation of Sweden. Aus dieser Veröffentlichung ein paar Sätze zum Kinderkrippen-System in Schweden: „Ich habe dieses System unter allen möglichen Gesichtspunkten untersucht und kann keinen Gewinner dabei ausmachen als diesen: Ein moderner säkularer Staat, der seine Bürger allmählich umformt, damit sie ein totalitäres System akzeptieren. Dieser neue Bürgertyp, ohne Stolz und Selbstvertrauen und von Sozialmitteln abhängig, wagt es nicht und weiß auch nicht, wie die Situation zu ändern ist. Wenn nichts in den Ländern getan wird, in denen dieser Prozeß begonnen hat, kann man sich darauf vorbereiten, die Demokratie als blühende Zukunft für freie Individuen, die nach Gottes Geboten und seinen Absichten für die Menschen leben wollen, zu verabschieden. Sind nicht bereits genug Probleme in der Welt zu lösen? Wer wird aus der Schwächung der Nationen einen Gewinn ziehen, anstatt sie zu stärken? Die wertvollste Kraft einer Nation sind gesunde und glückliche Menschen, die aus starken und zufriedenen Familien kommen. Jede Gesellschaft oder Nation steht oder fällt mit dem Zustand der Familie, denn die Familie reflektiert die Lage einer Nation. Wird die Familie zerstört oder geschwächt, so wird es nicht lange dauern, bis auch das Land zerstört ist. Man muß den zerstörenden Prozeß stoppen, solange es noch möglich ist.“

Völlig verschwiegen wird auch der inzwischen erfolgte familienpolitische Kurswechsel in Schweden.

Zur Frage der Relevanz der Bindung für das weitere Leben (die von Frau Ahnert bestritten wird): Bowlby hat die These vertreten, daß die Analyse der Bindungsqualität einer werdenden Mutter eine Prognose der künftigen Bindungsqualität des Kindes, das sie gebären wird, erlaube. Eine unsicher gebundene Mutter werde wiederum unsicher gebundene Kinder haben…

Die Verharmlosung der NICHD-Ergebnisse bezüglich der signifikant höheren Aggressivität der „Krippenkinder“ durch Jens Asendorpf ist unverantwortlich: Es ist absurd, dass er es als „gefährlich“ bezeichnet, von den „Vertrautheitseffekten“, wie er Aggressivität und Aufsässigkeit verniedlichend nennt, „auf chronische Aggressivität zu schließen“. Es seien doch nur „situationsspezifische Effekte“. So kann man natürlich jede nur denkbare aggressive Handlung „umschreiben“, um den in diesem Zusammenhang unangenehmen Begriff Aggressivität nicht mehr verwenden zu müssen.

Kritiker, die man mit Sachargumenten nicht widerlegen kann, versucht man anderweitig zu diskreditieren: Christa Meves versucht man durch Hinweis auf ihr Alter sowie als „bibelfromm“ zu diskreditieren.

Gewährsleute („Kronzeugen“) versucht man dagegen aufzuwerten: Lieselotte Ahnert hat ihre Karriere in den „berüchtigten Kinderkrippen der DDR begonnen“ und weiß daher, „wo Wissenschaft aufhört und Ideologie beginnt“. – Konsequenz: Die „bibelfromme“ Frau Meves verdient es nicht ernstgenommen zu werden; das Urteil der „lebenserfahrenen“ Frau Ahnert dagegen hat großes Gewicht!

Andererseits beruft man sich auf Gewährsleute, deren Urteilsvermögen äußerst fragwürdig ist: Die Ausführungen zu Dänemark stützen sich einzig auf die Erfahrung und das Urteilsvermögen des Ehepaars Abel. Wir haben es hier mit nichts anderem zu tun als mit der Rechtfertigung der eigenen Lebensentscheidung. Kann man da etwas andere erwarten? Wer zu der Frage, ob die Kinder durch frühen Krippenaufenthalt womöglich Schaden nehmen, nichts anderes mitzuteilen hat als Freude darüber, den ganzen aus Deutschland mitgeschleppten „ideologischen Ballast“ in Dänemark „ganz schnell losgeworden“ zu sein, mit dessen Urteil sollte sich die öffentliche Debatte nicht lange aufhalten.

Münster, den 24.2.2008

Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 1. April 2008 um 16:05 und abgelegt unter Ehe u. Familie.