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Predigt über Epheser 2,11-22: Die Mauer ist weg – Das eine Volk Gottes aus Juden und Heiden

Freitag 27. Januar 2023 von Johann Hesse


Johann Hesse

Erinnern Sie sich noch an den Tag, an dem die Mauer fiel? Ich war damals Internatsschüler in Holland. Auf dem Weg zum Geschichtsunterricht bei Dr. Blyberg rief mir ein holländischer Mitschüler zu: „Johann, the wall came down. Johann, die Mauer ist gefallen.“ Ich nahm das nicht ernst und hielt es für einen der üblichen Späße. Später am Abend saß ich fassungslos vor dem Fernseher im Gemeinschaftsraum des Internats und sah die Bilder aus Berlin, die sich tief in unsere Seelen eingegraben haben. Heute noch laufen mir die Freudentränen, wenn ich davon berichte. Unfassbare Freude – Die Mauer ist weg!

Die Mauer ist weg. In unserer heutigen Predigt (Video-Aufzeichnung) geht es ebenfalls um eine Mauer, die fiel, eine trennende Mauer, die eingerissen wurde. Wir hören auf Gottes Wort aus dem Epheserbrief 2,11-22:

„Darum denkt daran, dass ihr, die ihr einst nach dem Fleisch Heiden wart und »Unbeschnittenheit« genannt wurdet von denen, die genannt sind »Beschneidung«, die am Fleisch mit der Hand geschieht, 12 dass ihr zu jener Zeit ohne Christus wart, ausgeschlossen vom Bürgerrecht Israels und den Bundesschlüssen der Verheißung fremd; daher hattet ihr keine Hoffnung und wart ohne Gott in der Welt. 13 Jetzt aber in Christus Jesus seid ihr, die ihr einst fern wart, nahe geworden durch das Blut Christi. 14 Denn er ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht hat und hat den Zaun abgebrochen, der dazwischen war, indem er durch sein Fleisch die Feindschaft wegnahm. 15 Er hat das Gesetz, das in Gebote gefasst war, abgetan, damit er in sich selber aus den zweien einen neuen Menschen schaffe und Frieden mache 16 und die beiden versöhne mit Gott in einem Leib durch das Kreuz, indem er die Feindschaft tötete durch sich selbst. 17 Und er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. 18 Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater. 19 So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, 20 erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, 21 auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. 22 Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.“ (Epheser 2,11-22)

1. Die Mauer ist weg – einst fern, jetzt nah

„Darum denkt daran, dass ihr, die ihr einst nach dem Fleisch Heiden wart und »Unbeschnittenheit« genannt wurdet von denen, die genannt sind »Beschneidung«, die am Fleisch mit der Hand geschieht, 12 dass ihr zu jener Zeit ohne Christus wart, ausgeschlossen vom Bürgerrecht Israels und den Bundesschlüssen der Verheißung fremd; daher hattet ihr keine Hoffnung und wart ohne Gott in der Welt. 13 Jetzt aber in Christus Jesus seid ihr, die ihr einst fern wart, nahe geworden durch das Blut Christi.“ (Eph 2,11-13)

1.1       Das einst und jetzt

Im zweiten Kapitel des Epheserbriefes gibt es ein kleines griechisches Wort (pote), das mehrfach auftaucht. Es wird übersetzt mit „einst“ oder „früher! (Eph 2,1.3.11.13). Es geht um das einst und das jetzt.

Einst oder früher wart ihr tot in euren Übertretungen und Sünden, jetzt aber seid ihr durch den Glauben an Jesus Christus gerettet und lebendig gemacht (Eph 2,1-10). Und hier in unserem Abschnitt: Einst gehörtet ihr nicht zum Volk Gottes, jetzt aber gehört ihr dazu. Also im ersten Abschnitt: „Darum denkt daran, dass ihr, die von Geburt einst Heiden wart und Unbeschnittene genannt wurdet…, jetzt aber in Christus Jesus seid ihr, die ihr einst ferne wart, Nahe geworden durch das Blut Christi! (Eph 2,11-13). Einst und jetzt, einst wart ihr fern, jetzt seid ihr nah.

1.2       Eine Mauer trennt die Völker

„Darum denkt daran, dass ihr, die von Geburt einst Heiden wart und Unbeschnittene genannt wurdet.“ Paulus erinnert seine Leser daran, dass die Epheser einst zu den Heidenvölkern gehörten. Was ist denn ein Heide? Im Griechischen steht hier „ta ethne“ von „Ethnos“ = Volk.

Die Völkerwelt war durch eine Mauer von Israel abgetrennt: Auf der einen Seite Israel, das von Gott auserwählte Volk und auf der anderen Seite alle anderen Völker (hebräisch: Hagojim) der Erde. Gott war mit Israel in ein Bundesverhältnis eingetreten. Das Zeichen dieses Bundes war die Beschneidung. Auf der einen Seite der Mauer standen die Beschnittenen (mit Gott) und auf der anderen Seite standen die Unbeschnittenen (ohne Gott).

Was war die Beschneidung? Die Beschneidung war die Entfernung der Vorhaut bei allen männlichen Nachkommen Abrahams. Sie sollten am achten Lebenstag beschnitten werden, wie Gott Abraham aufgetragen hatte: „Das aber ist mein Bund, den ihr halten sollt zwischen mir und euch und deinem Geschlecht nach dir: Alles, was männlich ist unter euch, soll beschnitten werden. Eure Vorhaut sollt ihr beschneiden. Das soll das Zeichen des Bundes sein zwischen mir und euch “ (1 Mose 17,10-11).

1.3       Die Verlorenheit der Völkerwelt

Warum war es so schrecklich, nicht zu Israel zu gehören? Warum was es so schrecklich, zu den Völkern zu gehören? Warum war es so schrecklich, auf der falschen Seite der Mauer zu leben? Paulus gibt jetzt eine fünffache Antwort: „dass ihr zu jener Zeit ohne Christus wart, ausgeschlossen vom Bürgerrecht (griech.: politeia) Israels und den Bundesschlüssen der Verheißung fremd; daher hattet ihr keine Hoffnung und wart ohne Gott in der Welt“ (Eph 2,12). Einst gehörtet ihr zu den Heidenvölkern und wart:

1.3.1    ohne Christus

Israels Propheten hatten seit 1.500 Jahren den kommenden Messias und Retter angekündigt. Israel lebte seit 1.500 Jahren als ein Volk mit Messiaserwartung und Messiashoffnung. Die Schriften des Alten Bundes waren und sind durchdrungen vom Geist des Messias. Israel hatte Zugang zum Christus, die Völker waren ganz ohne Christus.

1.3.2    ohne Bürgerrecht in Israel

Gott hatte zu Israel gesagt: „Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein. Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein.“ (2 Mose 19,5-6). Israel ist ein Volk mit Sonderstatus, ein Gottesvolk, ein privilegiertes Volk, ein Volk das Gott zu seinem Spezialeigentum erklärt hat. Alle anderen Völker waren davon ausgeschlossen. Sie gehörten nicht dazu: Sie hatten kein Bürgerrecht in Israel.

1.3.3    ohne Anteil an den Bundesverheißungen

„Wenn du nun der Stimme des HERRN, deines Gottes, gehorchen wirst, dass du hältst und tust alle seine Gebote, die ich dir heute gebiete, so wird dich der HERR, dein Gott, zum höchsten über alle Völker auf Erden machen. 2 Und es werden über dich kommen alle diese Segnungen, und sie werden dich treffen, weil du der Stimme des HERRN, deines Gottes, gehorsam gewesen bist.“ (5 Mose 28,1-2). Und die Völker? Sie hatten keinen Anteil an diesem Bundesschluss und diesen Segnungen und Verheißungen. Wörtlich: Ihr wart Fremde (griech.: xenoi).

1.3.4    ohne Hoffnung

Über Israel sagt Gott durch den Propheten Jeremia in seinem Brief an die Exulanten in Babylon: „Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“ (Jer 29,11). Der allmächtige Gott hat Gedanken der Zukunft und Hoffnung über Israel! Und die Völker: Sie keine Hoffnung und kennen keine Hoffnung.

1.3.5    ohne Gott

Das alles zusammengefasst heißt so viel wie: „Ihr wart ohne Gott in der Welt.“ Hier steht im Griechischen: atheios. Von diesem Wort stammt unser Wort Atheismus. Die Völker der Welt haben zwar viele Götter, aber in Wirklichkeit sind sie ohne Gott, weil sie den lebendigen Gott nicht kennen.

1.4       Die trennende Mauer ist weg

Paulus fordert uns heute auf, uns zu erinnern: „Darum denkt daran!“, „Erinnert euch“ euch an dieses einst und das jetzt. Einst wart ihr ohne Christus, ohne Bürgerrecht in Israel, ohne die Bundesverheißungen, ohne Hoffnung und ohne Gott. Verloren. Finsternis. Verdammnis. Hoffnungslosigkeit.

Jetzt aber in Christus Jesus seid ihr, die ihr einst fern wart, nahe geworden durch das Blut Christi.

Weil Jesus sein Blut am Kreuz vergossen hat, gehört auch ihr dazu. Weil ihr aus Gnade gerettet seid, gehört auch ihr dazu. Die Mauer ist weg. Ihr habt Christus, ihr gehört zu Israel, ihr habt Anteil an den Bundesverheißungen, ihr seid Leute mit Hoffnung und mit Gott. Die Mauer ist weg – einst fern, jetzt nah.

Paulus sagt dir heute Morgen: Erinnere auch du dich daran, dass du einst fern von Gott und ohne Hoffnung warst. Erinnern wir uns an die Freudentränen vom 9. November 1989? Wie viel mehr sollen wir uns erinnern und dürfen wir uns freuen, dass die Mauer der Hoffnungslosigkeit eingerissen ist, weil Jesus gekommen ist, der sein Blut für dich vergossen hat und dass du jetzt nicht länger fern, sondern nah bist. Du warst draußen und verloren, jetzt bist du nah und gerettet.

Jetzt aber in Christus Jesus seid ihr, die ihr einst fern wart, nahe geworden durch das Blut Christi.

Welch Freude, welch große Freude!

2. Die Mauer ist weg – einst zwei, jetzt eins

„Denn er ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht hat und hat den Zaun abgebrochen, der dazwischen war, indem er durch sein Fleisch die Feindschaft wegnahm. 15 Er hat das Gesetz, das in Gebote gefasst war, abgetan, damit er in sich selber aus den zweien einen neuen Menschen schaffe und Frieden mache 16 und die beiden versöhne mit Gott in einem Leib durch das Kreuz, indem er die Feindschaft tötete durch sich selbst. 17 Und er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. 18 Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.“ (Eph 2,14-18)

2.1       Die Mauer zwischen Israel und den Völkern

Hier nun lesen wir von der trennenden Wand oder Mauer, die Jesus abgebrochen hat: Denn er ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht hat und hat den Zaun abgebrochen (Eph 2,14). Wörtlich ist her von einer „durch den Zaun gebildeten Trennwand“ (griechisch: to mesotoichon tou fragmou) die Rede.[1] Es handelt sich dabei um eine Zwischenwand, die durch einen Zaun oder Mauer gebildet wird oder gezogen ist. Eines der Wörter (griechisch: fragmos) kann zum Beispiel an anderer Stelle auch die Mauer um einen Weinberg beschreiben.  

2.1.1    Die Mauer des Gesetzes

Er hat das Gesetz, das in Gebote gefasst war, abgetan, damit er in sich selber aus den zweien einen neuen Menschen schaffe. (Eph 2,15) Die Reinheitsgesetze und Speisegebote des Alten Bundes führten zu einer scharfen Trennung von Juden und Heiden. Für Juden war der Kontakt zu Römern und Griechen weitgehend Tabu, weil sie als unrein galten. Das Gesetz Gottes wirkte wie eine unüberwindbare Mauer zwischen Israeliten (Juden) und Heiden. Als Jesus sich am Jakobsbrunnen mit der Samariterin unterhält, ist die Samariterin sehr verwundert, dass Jesus überhaupt mit ihr spricht. Als Erklärung heißt es dann: „Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern“ (Joh 4,9).

Im Tempelbezirk in Jerusalem gab es in Marmorblöcke gemeißelte Warnhinweise, auf welchen Römer, Griechen und andere Nichtjuden unter Androhung der Todesstrafe davor gewarnt wurden, die inneren Höfe des Tempels zu betreten. Je ein solcher Block mit Inschrift befindet sich heute in archäologischen Museen in Istanbul und Jerusalem. Darauf ist zu lesen:

„Kein Fremder [darf] eintreten in das um das Heiligtum gehende Gitter und Gehege! Wer dabei ergriffen wird, wird sich selbst die Folge zuschreiben müssen, den Tod.“

Wer die Mauer überwand, musste mit dem Tod rechnen. An dieser Stelle im Tempel wurde die trennende Mauer, die das Gesetz zwischen Israel und den Völkern markierte, besonders greifbar und sichtbar.

2.1.2    Die Mauer der Feindschaft

Hier das auserwählte Volk Israel, dort die gottlosen Völker. Hier das Volk Gottes, dort die Götzenanbeter. Die Auserwählung und Aussonderung Israels hatte eine tiefe Mauer der Feindschaft zwischen Israel und den Völkern errichtet. Israeliten verstanden sich als auserwähltes Volk und verachteten die Heidenvölker als „Hunde“ (vgl. Mt 15,26). Die heidnischen Völker wiederum hassten und verachteten das jüdische Volk. Durch die Antike hindurch kam es immer wieder zu fürchterlichen Pogromen, denen Zehntausende von Juden zum Opfern fielen, so z.B. in Alexandrien mit 50.000 Opfern oder im übrigen Ägypten mit 60.000 Opfern. Der Judenhass eines Hamans, der alle Juden im Persischen Reich vernichten wollte, steht exemplarisch für die Mauer der Feindschaft zwischen Israel und den Nationen:

Und Haman sprach zum König Ahasveros: Es gibt ein Volk, verstreut und abgesondert unter allen Völkern in allen Provinzen deines Königreichs, und ihr Gesetz ist anders als das aller Völker, und sie tun nicht nach des Königs Gesetzen. Es ziemt dem König nicht, sie gewähren zu lassen. 9 Gefällt es dem König, so lasse er schreiben, dass man sie umbringe; so will ich zehntausend Zentner Silber darwägen in die Hand der Amtleute, dass man’s bringe in die Schatzkammer des Königs. 10 Da tat der König seinen Ring von der Hand und gab ihn Haman, dem Sohn Hammedatas, dem Agagiter, dem Feind der Juden. (Esther 3,8-10).

Woher kam der Hass Hamans? Warum wollte er alle Juden im persischen Reich ermorden lassen? Wenn wir am 27. Januar dankbar an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz denken oder am Holocaust-Denkmal in Berlin-Mitte innehalten und uns fragen: Wie konnte das passieren? Wie konnte es geschehen, dass sechs Millionen Juden in der Schoa ermordet wurden? Wie konnte das Volk der Dichter und Denker zu einem Volk von Mördern und Henkern mutieren? Aus welchen dunklen Quellen stammte der fanatische Hass und Vernichtungswillen, der Haman, der aber auch viele Deutsche zwischen 1933 und 1945 erfasst hatte? Woher der Vernichtungshass, der heute die Führer des Mullah-Regimes in Teheran erfüllt, die es anscheinend kaum erwarten können, Israel mit Atomschlägen zu vernichten.[2]

Die Antwort auf diese Frage, erschließt sich nur dem, der Israels Auserwählung in den Blick nimmt, der den Sinai-Bund kennt und der sich mit den Bundessegnungen und Bundesflüchen beschäftigt hat (5 Mose 28). Nur wer in der Bibel zu Hause ist, wird den durch die Geschichte hindurch manifestierten Hass gegen Israel – von der Antike bis heute – auch nur annähernd begreifen können. Die Erwählung Israels zum geliebten und vor allen anderen Völkern ausgesonderten Gottesvolk führte zu einer Mauer der Feindschaft und des Neides auf Israel, eine Mauer, die Israel damals und bis heute von den Völkern absondert und trennt. Diese Mauer der Feindschaft (die im tiefsten ja eine Feindschaft gegen Gott selbst ist) ist der Grund, warum es immer wieder zum Auflodern dieses unheimlichen Hasses gegen Israel kommt.

2.2       Jesus reißt die Mauer weg

Doch Jesus kam, um eben diese Mauer des Hasses und der Feindschaft zwischen Israel und den Völkern wegzureißen:

„Denn er ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht hat und hat den Zaun abgebrochen, der dazwischen war, indem er durch sein Fleisch die Feindschaft wegnahm. 15 Er hat das Gesetz, das in Gebote gefasst war, abgetan, damit er in sich selber aus den zweien einen neuen Menschen schaffe und Frieden mache 16 und die beiden versöhne mit Gott in einem Leib durch das Kreuz, indem er die Feindschaft tötete durch sich selbst.“ (Eph 2,14-16)

Durch sein Leiden und Sterben hat Jesus die Mauer zwischen Israel und den Völkern eingerissen. Aus zwei wurde eins. Aus Feindschaft ist Friede geworden. Darum sagt Paulus: „Denn er ist unser Friede“.

2.2.1    Die Mauer ist Weg – Frieden für alle Menschen durch das Kreuz

Der Sohn Gottes ließ sich am Kreuz von Golgatha von Juden (Lk 23,21-23) und Römern (Lk 23,24) hinrichten. Damit wird deutlich: Die Juden und die Völker der Erde sind in gleicher Weise schuldig vor Gott (Röm 3,22-23). Das jüdische Volk und die Nationen der Erde (Rom handelte stellvertretend für die Völkerwelt) haben gemeinsam den Sohn Gottes zum Tode verurteilt und ans Kreuz gebracht[3]. Das jüdische Volk und die Völkerwelt finden nur dort am Kreuz und damit in Jesus Christus den Frieden mit Gott und den Frieden untereinander.

„Jesus ist die Versöhnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt“ (1 Joh 2,2).

Es gibt nun keinen Unterschied mehr zwischen Israel und den Heidenvölkern: Alle Menschen dürfen und müssen zum Kreuz von Jesus kommen, um die Feindschaft zu überwinden und Frieden mit Gott und im Miteinander zu finden.

2.2.2    Die Mauer ist weg – Die wahre Einheit für in der Gemeinde Jesu

In der Gemeinde Jesu ist die Mauer der Feindschaft weggerissen. Einst zwei, jetzt eins. Hier werden aus dem Volk Israel und den Völkern der Erde ein einziges Volk Gottes gemacht.

  • … der aus beiden eins gemacht hat und hat den Zaun abgebrochen, der dazwischen war (Vers 14)
  • … damit er in sich selber aus den zweien einen neuen Menschen schaffe und Frieden mache (Vers 15)

Das ist das eigentliche Wunder der Gemeinde Jesu. Paulus schreibt an die Galater: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Feier, hier ist nicht Mann noch Frau, denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus“ (Gal 3,28). In Jesus Christus werden die Mauern zwischen Gott und den Menschen und zwischen den Menschen und den Nationen der Erde eingerissen. Hier sammelt sich ein Volk, das zur wahren Einheit des ewigen Gottesvolkes zusammengefügt wird.

2.2.3    Die Mauer ist Weg – Ein Zugang zu Gott für alle

„Und er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. 18 Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.“ (Eph 2,17-18)

Für alle Menschen und alle Völker der Erde gibt es seit dem Kommen Jesu einen einzigen Zugang zu Gott dem Vater. Wer zu Gott kommen will, muss durch den Heiligen Geist zu Jesus kommen. Für Juden und Heiden gilt das eine Wort Jesu: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh 14,6). Es gibt nur einen Weg zum Vater: Durch das Evangelium von Jesus Christus.

3. Die Mauer ist weg – einst Fremde, jetzt Freunde

„So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, 20 erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, 21 auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. 22 Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.“ (Epheser 2,19-22)

3.1       Die Mauer ist weg

„So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge.“ Jesus hat durch das Kreuz und die Auferstehung die Mauer zwischen Gott und uns und zwischen seinem Volk und uns weggerissen. Wir sind nicht mehr Fremde, wir stehen nicht mehr auf der falschen Seite, um sehnsüchtig auf die andere Seite zu blicken. Die Mauer ist weg, durch den Glauben an Jesus können wir auf die andere Seite wechseln.

3.2       Zugehörigkeit zum Volk Gottes

„Sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.“ Wer an Jesus Christus glaubt und ihm nachfolgt, der ist ein Mitbürger der Heiligen und Mitbewohner Gottes. Jesus sagte zu denen, die das Evangelium ablehnen:

„Da wird sein Heulen und Zähneklappern, wenn ihr sehen werdet Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes, euch aber hinausgestoßen. 29 Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. 30 Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.“ (Lukas 13,28-30).

Welch ein Privileg haben wir durch die Beziehung zu Jesus. Wir dürfen mit den Erzvätern, mit König David, Daniel und Jeremia an einem Tisch sitzen. Wir gehören zum auserwählten Volk Israel. Und mit ihnen zusammen dürfen wir ewige Gemeinschaft mit Gott, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist haben. Es wird herrlich sein:

„Lasst uns freuen und fröhlich sein und ihm die Ehre geben; denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Frau hat sich bereitet. 8 Und es wurde ihr gegeben, sich zu kleiden in Seide, glänzend und rein. – Die Seide aber ist das gerechte Tun der Heiligen. 9 Und er sprach zu mir: Schreibe: Selig sind, die zum Hochzeitsmahl des Lammes berufen sind.“ (Offenbarung 19,7-9)

Die Mauer ist weg: Halleluja, welche Freude! Wir dürfen für alle Ewigkeit mit Gott Gemeinschaft haben, schon jetzt und erst recht dann und für immer.

3.3       Die Gemeinde als Tempel des Herrn

„Erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, 21 auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. 22 Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.“ (Eph 2,20-22)

In der Gemeinde Jesu werden Menschen aus Israel und allen Völkern der Erde zu einem weltweiten heiligen Tempel.

Das Fundament (griechisch: themelios) des Tempels: Die Lehre der Propheten (die den Messias ankündigten) und die Lehre der Apostel (das das Kommen des Messias bezeugten). Nur die Heilige Schrift mit den Schriften des Alten und des Neuen Bundes kann Grundlage der Gemeinde Jesu sein. Altes und Neues Testament gehören untrennbar zusammen, sind aufeinander bezogen und können nur in dieser Verschränktheit recht gelesen und verstanden werden.[4]

Der Eckstein (griechisch: akrogonaios) des Tempels: Der Grundstein, der Eckstein oder auch der Schlußstein des Tempels ist Jesus. „Er ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben, und der zum Eckstein geworden ist“ (Psalm 118,22). Auf diesem Eckstein (Jesus) und auf diesem Fundament (Apostel und Propheten) dürfen nun auch wir unser Leben gründen, zur Gemeinde Jesu dazugehören, die sich weltweit, aber eben auch in jeder kleinen oder größeren Ortsgemeinde versammelt.

Welch eine Freude! Die Mauer ist weg. Früher waren wir Fremde und heute dürfen wir zu dem weltumspannenden Volk und Tempel Gottes dazugehören.

5. Fünf Schlussfolgerungen

5.1       Wahre Einheit – falsche Einheit

Jesus allein schafft die wahre Einheit und den wahren Frieden unter den Völkern (2,15). Alle menschlichen Versuche, die Welt mit menschlichen Mitteln und unabhängig von Jesus Christus zu vereinen und die Unterschiede zwischen den Völkern, den Geschlechtern und gesellschaftlichen Schichten einzuebnen, sind zum Scheitern verurteilt. Auch wenn alle Völker in einem Weltreich unter einer Weltregierung vereint würden, wird es keinen Frieden geben.

Wir wissen nur wenig über das, was 3.000 geladene Elite-Gäste aus aller Welt vor wenigen Tagen im malerischen Davos beraten haben. Sollte jedoch von dort der Versuch unternommen werden, die Welt mit menschlichen Mitteln und Methoden unter einer Weltregierung zu einen, dann wird das nicht Frieden, sondern Leid, Not, Elend, Hunger und Tod über die Völker bringen.

Die wahre Einheit unter dem einen Friedenfürst, kann nur einer bringen: Jesus Christus. ER allein ist unser Friede und nur bei ihm finden Israel und die Nationen der Erde den wahren Frieden mit Gott und im Miteinander. In dieser Zeit gibt es die wahre Einheit nur durch den Glauben an Jesus Christus, die Versöhnung mit Gott und durch die Zugehörigkeit zur weltweiten Gemeinde Jesu.

5.2       Israel, mein Freund!

Als Christen haben wir ein besonderes Verhältnis zum Volk Israel. Paulus warnt die Christen, sich nicht über Israel zu überheben: „Sei nicht überheblich, sondern fürchte dich!“ (Römer 11,20). Und er sagt auch: „Und so wird ganz Israel gerettet werden“ (Römer 11,26). Wahre Christen werden niemals Antisemiten oder Judenfeinde sein. Es gibt ein Buch, das ich sehr empfehlen kann: „Israel, mein Freund!“ (Carmen Matussek). Dieser Titel drückt sehr gut das Verhältnis aus, dass unser Verhältnis zum jüdischen Volk bestimmen sollte. Das schließt Kritik in Einzelfragen, wie in jeder guten Freundschaft üblich, nicht aus. Die Grundeinstellung Israel gegenüber aber muss eine freundschaftliche sein. Es ist unser Auftrag für Israel zu beten und es zu segnen.

5.3       Juden und Heiden brauchen Jesus!

In den großen Kirchen hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass Juden auch ohne Jesus zu Gott kommen können. Christen sollten nicht versuchen, Juden für das Evangelium von Jesus Christus zu gewinnen. Also keine Mission unter Juden. Entsprechende Beschlüsse wurden von verschiedenen Kirchen und Synoden gefasst: „Christen sind – ungeachtet ihrer Sendung in die Welt – nicht berufen, Israel den Weg zu Gott und seinem Heil zu weisen. Alle Bemühungen, Juden zum Religionswechsel zu bewegen, widersprechen dem Bekenntnis zur Treue Gottes und der Erwählung Israels“ (EKD-Synode in Magdeburg, 9.11.2016). Solche Beschlüsse sind grundfalsch und stehen im Widerspruch zu Epheser 2,19: „Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.“ Für Juden und Heiden gibt es nur einen Zugang zu Gott: Durch Jesus und sein am Kreuz vergossenes Blut. Juden müssen den Völkern und die Völker müssen den Juden das Evangelium von Jesus Christus verkünden. Juden und Heiden brauchen Jesus! Selbstverständlich ist das Evangelium auch für die Juden da, ja sogar zuerst für sie, wie Paulus sagt: „Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht, ist es doch Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden, sowohl dem Juden zuerst als auch dem Griechen“ (Röm 1,16).

Wie könnten wir Israel gegenüber den Messias verschweigen? Das Heil kam zu uns aus den Juden (Joh 4,22) und wir sollten Juden gegenüber dieses Heil verschweigen? Wie könnten wir es wagen! Das bedeutet aber auch, gerade auch mit Blick auf unsere Geschichte, dass wir das Evangelium gegenüber allen Menschen, aber besonders den Juden, mit Takt und Liebe, Freundlichkeit und Sanftmut, bezeugen.

5.4       Israel und Gemeinde – Auf ewig ein Volk

Israel und Völkerwelt werden durch den Glauben an Jesus zu einem einzigen Gottesvolk zusammengefügt. Israel hat zwar in diesem einen Gottesvolk für alle Ewigkeit eine herausgehobene Stellung (vgl. z.B. Offb 7,4-8), ist aber Teil des einen und untrennbaren Gottesvolks. Die Lehre des Dispensationalismus, dass Gott die Gemeinde aus den Nationen und Israel als getrennte Heilskörper betrachte, die er in separaten Heilszeiten (Dispensationen) speziell behandeln würde, ist mit Epheser 2,11-22 nicht vereinbar und muss zurückgewiesen werden. Gott bildet ein Volk aus Juden und Heiden unter dem einen König Jesus. „Er hat aus beiden eins gemacht und hat den Zaun abgebrochen, der dazwischen war“ (Eph 2,14).

5.5       Die Mauer ist weg – das einst und jetzt

Denken wir heute an den Freudentag, an dem die Mauer fiel. Wir erinnern uns an die Freude, die wir damals empfunden haben, an die Freudentränen. Viel größer, gefährlicher und tödlicher war die Mauer, die Israel von den Nationen trennte. Jesus ist gekommen und hat sie weggerissen. Die Mauer ist weg! Welch noch größere Freude darüber, dass Jesus durch sein Leiden und Sterben diese Mauer weggerissen und eingeebnet hat. Ihm für immer die Ehre!

Welche Freude, die Mauer ist weg – einst fern, jetzt nah

Welche Freude, die Mauer ist weg – einst zwei, jetzt eins

Welche Freude, die Mauer ist weg – einst Fremde, jetzt Freunde

Johann Hesse, Predigt in der Christlichen Gemeinde Mahlow/Brandenburg (22.1.2023) und in der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde St. Jakobi, Itzehoe (zur Videoaufzeichnung) (29.1.2023)

[1] Walter Bauer, Wörterbuch zum Neuen Testament, mesotoichon und fragmos

[2] Beispielsweise hier: https://www.mena-watch.com/iran-jeder-fehler-des-zionistischen-regimes-wird-mit-seiner-zerstoerung-enden/

[3] „Ihr Männer von Israel, hört diese Worte: Jesus von Nazareth, von Gott unter euch ausgewiesen durch Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wisst – diesen Mann, der durch Gottes Ratschluss und Vorsehung dahingegeben war, habt ihr durch die Hand der Heiden ans Kreuz geschlagen und umgebracht.“ (Apg 2,22-23)

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 27. Januar 2023 um 6:00 und abgelegt unter Gemeinde, Israel, Kirche, Predigten / Andachten.