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Predigt über die Jahreslosung: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ (1 Mose 16,13)

Montag 2. Januar 2023 von Dr. Joachim Cochlovius


Dr. Joachim Cochlovius

Man kann den hebräischen Text auch etwas anders übersetzen: „Du bist ein Gott des Sehens“ oder – wie durch Martin Buber – „Du bist ein Gott der Sicht“. In jedem Fall wird hier Gott als ein Gott dargestellt, der sieht, was auf der Erde und in unserem Leben geschieht. Dass Gott dich und mich sieht, löst zwei Reaktionen aus. Wir fühlen uns getröstet, und wir erschrecken. Wir betrachten zuerst den Trost und dann das Erschrecken. Im dritten Teil der Predigt geht es um das, was der sehende Gott nicht sieht. Ja, es gibt etwas, das Gott nicht sieht.

1. Der Trost

In der Bibel begegnet uns der sehende Gott etliche Male. Meistens wird es einfach vorausgesetzt, aber an wichtigen Stellen sind die Worte „Gott sah“ bzw. „Gott sieht“ ganz klare Trostworte. Ich zähle einige davon auf.

1.1 „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“ (1 Mose 1,31) Gott sieht nicht nur uns Menschen, sondern auch seine Schöpfung; auch das, was wir mit ihr und aus ihr machen. Und er steht zu ihr und wird sie erhalten, solange die Erde steht. Für irgendeine Panikmache besteht kein Anlass. Gottes Liebe zur Schöpfung geht sogar so weit, dass er sie einst ganz erneuern wird.

1.2 „Und der Herr sah gnädig an Abel und sein Opfer.“ (1 Mose 4,4) Abel opferte Tiere, Kain opferte Feldfrüchte. Abels Opfer wurde von Gott akzeptiert, Kains Opfer nicht. Die Botschaft ist: Abel wusste im Glauben, dass Sünde nur durch blutiges Sterben gesühnt werden kann, weil sie nach Gottes Anordnung den Tod verdient. Kain sah die Dinge anders, deswegen konnte er Gott nicht gefallen. Wie sieht es mit unserem Opfer aus? Wenn unsere Sünden uns drücken und wir mit Gott ins Reine kommen wollen, brauchen wir kein Tier zu schlachten, sondern blicken im Glauben nach Golgatha. Im 3. Teil der Predigt werde ich noch einmal auf Golgatha zurückkommen.

1.3 Im zweiten Mosebuch finden wir den nächsten Hinweis auf den sehenden Gott. „Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört.“ (2 Mose 3,7) Lange hat Gott das Elend Israels angesehen, 430 Jahre, ohne dass er eingegriffen hätte. Aber dann, plötzlich, schickt er in der Gestalt des Mose den Befreier. Wir wissen nicht, warum Gott manchmal so lange menschliches Elend ansieht, gerade auch derjenigen Menschen, die ihn kennen und ihn anrufen. Aber dann greift er überraschend ein. Immer wieder hatte das Volk Israel lange Durststrecken zu überstehen. Wir waren jetzt in der Negev-Wüste, wo das Volk 38 Jahre umherziehen musste, bis Gott erneut die Türen in das verheißene Land öffnete. Es muss eine gnadenlos heiße und schlimme Zeit gewesen sein. Auch am Ende unserer Zeit wird Israel noch einmal in eine erdrückende Notzeit hineingeraten, in die „große Bedrängniszeit“ (Dan 12,1). Aber der lebendige Gott Israels wird auch diese Not sehen und zur rechten Zeit wenden.

1.4 In Jes 66,2 heißt es: „Ich sehe aber auf den Elenden und auf den, der zerbrochenen Geistes ist und der erzittert vor meinem Wort.“ Hier haben wir einen starken Trost für uns persönlich. Gott sieht die Elenden, diejenigen, die mit ihrem Latein am Ende sind, die Unterdrückten, die Angst haben, dass Gott sie wegen ihres Versagens und wegen ihrer Fehler strafen könnte. Diejenigen, die sich allein gelassen fühlen. Aber sie sind nicht allein. Gott sieht sie. Und wenn er gnädig ist, gibt er sich ihnen sogar zu erkennen.

Jetzt sind wir bei unserem Bibelwort. Hagar, die ägyptische Magd Saras, der Ehefrau Abrahams, war schwanger geworden, weil Abraham sie auf den dringenden Wunsch Saras hin zur Nebenfrau genommen hatte. Es heißt in 1 Mose 16,2: „Und Abram gehorchte der Stimme Sarais.“ Ihr Wunsch war verständlich, aber trotzdem verhängnisvoll. Beide waren nun bereits zehn Jahre in Kanaan, viermal war Gott Abram erschienen, aber der verheißene Nachkomme hatte sich nicht eingestellt. Da kam die Glaubenskrise. Beide wurden im Glauben schwach und versuchten, der Verheißung Gottes nachzuhelfen.

Die Folgen der Eigenmächtigkeit waren erheblich. Als Hagar merkte, dass sie schwanger war, regte sich ihr Stolz, und sie trumpfte gegenüber Sara auf. Jetzt fühlte sie sich plötzlich als Herrin. Den Dauerstreit im Haus Abrahams kann man sich lebhaft vorstellen. Eines Tages flieht die schwangere Hagar in die Wüste, ziemlich weit nach Süden, bis fast nach Ägypten, wo sie herkam. An einer Quelle macht sie Rast. Gott erscheint ihr in Gestalt eines Engels. Auf die Frage, woher sie komme, antwortet sie, dass sie auf der Flucht vor Sarai sei, aber auf die Frage, wohin sie wolle, hat sie keine Antwort. Der Engel gebietet ihr, zurückzukehren und ihre Stellung als Magd wieder einzunehmen. Und er verheißt ihr eine zahlreiche Nachkommenschaft und gebietet ihr, das Kind „Ismael“ (Gott hört) zu nennen, sagt aber gleichzeitig, dass Ismael ein kriegerischer Mensch werden wird. Als der Engel weggegangen war, erkennt Hagar, dass Gott selber ihr erschienen war. Und sie gibt Gott einen Namen: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ In Abrahams Haus hatte sie von diesem Gott schon manches gehört, jetzt hatte sie ihn persönlich erlebt.

Wir stellen die Frage: Warum gebietet ihr Gott, wieder zu Sara zurückzukehren? Warum mutet Gott Abrahams Haus erneute Streitjahre zu? Die 13 Jahre, die nach Ismaels Geburt folgten, bis dann endlich der verheißene Nachkomme ankam, waren für alle Beteiligten nicht erquicklich. Doch das Schlimmste war, dass Gott sich in Schweigen hüllte. Abraham und Sara hatten viel Zeit, über ihre Glaubensschwachheit nachzudenken. Was könnte die Antwort auf unsere Frage sein? Hagar sollte in Abrahams Haus zurückkehren, weil sie nur dort etwas von dem Segen abbekommen konnte, den Gott Abraham gegeben hatte und von dem Gott ihr etwas abgeben wollte. Wer in die Nähe von Menschen Gottes gelangt, hat es gut. Dort bekommt er göttlichen Segen ab.

Als junger Pfarrer hatte ich einmal eine schwierige Beerdigung zu halten. Ein junger Mann war gestorben, den ich nie in der Kirche gesehen hatte, und von dem es hieß, dass er ein missratener Sohn gewesen sei. Die Mutter war eine gläubige Frau, die ihn im Gebet täglich vor Gott brachte. Als sie beim Trauergespräch meine Hilflosigkeit erkannte, sagte sie zu mir einen Satz, den ich nicht wieder vergessen habe: „Herr Pfarrer, ich habe ihn durchgebetet.“ So etwas hatte ich noch nie gehört. Erst viel später konnte ich diese Aussage akzeptieren. Ja, Glaubensmenschen können in der Tat andere mit in den Himmel ziehen. Halten wir uns zu ihnen, und werden wir selber zu Glaubensmenschen!

1.5 Einen weiteren Hinweis auf den sehenden Gott finden wir in 1 Sam 16,7. Der König Israels soll gesucht und gefunden werden. Der Prophet Samuel besucht das Haus Isais und mustert die Söhne. Einer nach dem anderen fällt durch. Samuel denkt schließlich beim Anblick des stattlichen Eliab, dass der es sein müsste. Aber Gott korrigiert ihn und sagt: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.“ Wie viele Entscheidungen, wie viele Eheschlüsse geschehen doch nach Augenmaß! Die Menschen urteilen nach dem Äußeren, fällen falsche Urteile und Entscheidungen, und dann wundern sie sich, dass der Segen fehlt. Das schlagendste biblische Beispiel ist Abrahams Neffe Lot, der sich nach einem Konflikt der Hirten die saftigen Weidegründe um Sodom und Gomorrha heraussucht und damit die schlimmsten Jahre seines Lebens bekommt.

Wenn Gott das Herz ansieht, also das Persönlichkeitszentrum eines Menschen, dann sind wir gut beraten, wenn wir ebenfalls Herzensentscheidungen fällen, aber nach den Maßstäben Gottes. Was ist ein gutes Herz, das Gott segnet? Das ist ein Herz, das allezeit Gottes Hilfe sucht und sich nichts auf sich selber einbildet (vgl. Ps 51,12-14).

1.6 Noch ein weiteres Trostwort vom sehenden Gott will ich anführen. In Psalm 101,6 heißt es: „Meine Augen sehen nach den Treuen im Lande, dass sie bei mir wohnen; ich habe gerne fromme Diener.“ (Ps 101,6). Das ist wahrlich ein großer Trost. Gott sucht von sich aus die Gemeinschaft mit allen, die ihm treu sind. Er will ihnen Gutes tun und sie in seiner Nähe mit Wohltaten erquicken. Wer unter uns hätte nicht schon oft die Wahrheit dieses Psalmworts erlebt?

Kurz vor Weihnachten bekam ich einen Anruf von lieben Freunden aus Nürnberg. Die Frau erzählte mir von einer gerade erlebten wunderbaren Gotteshilfe. Sie war mit ihrem schon leicht dementen Mann unterwegs. Er hatte leichtsinnigerweise sein Portemonnaie in die hintere Hosentasche gesteckt. Im Gewühl auf einer Rolltreppe wurde es ihm gestohlen. Ein schwerer Verlust für die beiden, nicht wegen des relativ wenigen Geldes, sondern wegen der ganzen Ausweise und Karten. Am nächsten Morgen breitet die Frau die Not im Gebet vor Gott aus, vergisst aber nicht, Gott auch zu danken für seine bisherige Hilfe. Eine Stunde später kommt ein Anruf von der Stadtverwaltung. Das Portemonnaie wurde von einem Mitarbeiter der Müllabfuhr in einem Abfallkorb gefunden. Das Geld war weg, aber alles andere war vorhanden. Ist das nicht ein ganz außerordentliches „timing“ Gottes? Da kann man wirklich nur staunen. Gottes Augen sehen nach den Treuen im Lande. Möge er im neuen Jahr seine Augen auch auf uns richten.

2. Das Erschrecken

Dass Gott den kompletten Überblick hat und alles sieht, auch alles Verborgene, kann auch zutiefst erschrecken. Wir erinnern uns wahrscheinlich an das Kinderlied „Pass auf, kleines Auge, was du siehst…Denn der Vater im Himmel schaut herab auf dich.“ Ich lasse es dahingestellt, ob das Lied pädagogisch wertvoll ist oder nicht. In jedem Fall spricht es jedoch eine Wahrheit aus, die erschrecken lässt. Gott übersieht nichts. Er sieht jede Quelle und jede Auswirkung der Sünde. Und er legt das, was er da sieht, nicht einfach zu den Akten. Der Mensch wird das, was er sät, einmal ernten. Manchmal sehr bald, manchmal im Lauf seines weiteren Lebens, und manchmal beim letzten Gericht. Es gibt zahllose biblische und außerbiblische Beispiele von Menschen, die das vergessen haben oder es nicht wahrhaben wollten, dass sie von Gott gesehen werden.

2.1 Ich denke zunächst an den babylonischen Stadtfürsten Belsazer, von dem das Buch Daniel im 5. Kapitel erzählt. Angesichts der drohenden Übermacht der Perser und Meder veranstaltet er mit seinen Höflingen ein großes Fest. Die Szenen, die geschildert werden, erinnern an die letzten Tage 1945 im Führerbunker, die der Film „Der Untergang“ so drastisch gezeigt hat. Auf dem Höhepunkt seines Festes lässt Belsazer die Tempelgeräte holen, die Nebukadnezar aus Jerusalem mitgenommen hatte. In dem Moment, als diese Geräte von der johlenden und betrunkenen Menge entweiht werden, erscheint an der Wand das berühmte „Menetekel“, „gewogen und zu leicht befunden.“ Gott hatte alles gesehen, lange gewartet und schließlich dem Spuk ein Ende gemacht. So ist Daniel 5 eine bleibende Warnung an die Völker der Welt, sich nicht am Augapfel Gottes, an Israel zu versündigen (vgl. Sach 2,12).

2.2 Gott sieht jedoch nicht nur die Werke der Gottlosen, sondern auch die Fehler und Gebrechen der Frommen. Und auch Abrahams und Saras Kleinglauben. Die gewaltige Segenszusage, die er Abraham gegeben hat (1 Mose 12,1-3), nimmt Gott nicht zurück. Aber er erschwert ihr künftiges Leben. Mit der Schwangerschaft Hagars bricht ein dauernder Unfriede in Abrahams Haus ein. Aber damit nicht genug. In der Ankündigung des Engels, wie sich Ismael entwickeln wird, steckt noch viel mehr. Dass der jugendliche Ismael mit dem Kleinkind Isaak nicht auskam, sollte sich später als böses Omen herausstellen. Die Nachkommen Ismaels bekommen etwas ab von der kriegerischen Grundgesinnung ihres Stammvaters. Schon bei der Ansiedlung in Kanaan bekam Israel von dieser Gesinnung der kanaanäischen Völker viel ab. Im Grunde liegt hier aber auch der Keim für viele Spannungen, die das Volk Israel im Lauf seiner Geschichte mit seinen unmittelbaren Nachbarn hatte. Und es sieht ganz so aus, als ob diese Probleme im Lauf der Jahrtausende und Jahrhunderte nicht abgenommen, sondern zugenommen haben.

Wenn die Frommen in Glaubensschwachheit und Sünde fallen, verlieren sie nicht gleich den Segen Gottes, aber ihr Leben wird erschwert, so dass sie dann andauernd daran erinnert werden, dass es gefährlich ist, aus dem Gehorsam vor Gott herauszutreten. Es ist erschreckend zu sehen, wie genau es Gott mit der Sünde gerade auch bei den Frommen nimmt.

2.3 Blicken wir noch auf das menschliche Herz. Wenn Gott das Herz so gründlich ansieht, wie man es aus 1 Sam 16,7 schließen kann, dann muss es uns erschrecken, wenn wir die bösen Regungen unseres eigenen Herzens ehrlich beobachten. Jeremia stellte einst fest: „Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding“ (Jer 17,9). Als Christen können wir dieser Beobachtung ohne Vorbehalt beipflichten. Wie schnell nisten sich Neid, Missgunst, Streitsucht, Überheblichkeit, Unreinigkeit und vieles andere im Herzen ein. Wehe uns, wenn wir da nicht wachsam bleiben. Heinrich Kemner sprach von der „stinkigen Selbstverliebtheit“, die jeder Christ mit sich herumschleppt. Wenn es mit uns dahin kommt, dass wir mit dem Pharisäer beten: „Herr, ich danke dir, dass ich nicht solch ein Sünder bin wie der andere“, dann muss die Alarmglocke ganz laut schrillen. Martin Buber sprach mit Recht vom „Abgrund“ des menschlichen Herzens, vor dem man nur erschrecken kann.

Angesichts dieser Tatsache ist und bleibt es eines der unbegreiflichsten Wunder, dass sich Jesus immer wieder neu in Liebe den Menschen zugewendet hat, obwohl er wusste, wie es in ihrem Herzen aussah. „Er kannte sie alle“ (Joh 2,24) und „wusste, was im Menschen war.“ (Joh 2,25)

2.4 Und schließlich: Wenn Gott die Treuen im Land sieht, dann sieht er auch die Untreuen. Das sind die vielen, die den Weg der Welt gehen, die vom Teufel in Blindheit gehalten werden, die den lebendigen Gott vergessen haben oder verleugnen, denen nichts bleibt als das Warten auf das Gericht (Hebr. 10,27). Auch das lässt erschrecken. Heinrich Kemner erzählte einmal von einem Bauern, der mitten in der Nacht durch einen Eulenschrei an sein mögliches Verlorensein dachte und zum Glauben fand. Es gibt also auch ein heilsames Erschrecken vor dem Gericht Gottes. Wohl dem, der dann durch Gottes Gnade den Zugang zu Jesus Christus findet und mit dem bekannten Liedvers sprechen kann: „Mein Gott, ich bitt‘ durch Christi Blut: Mach’s nur mit meinem Ende gut!“

3. Was Gott nicht sieht

Ist das überhaupt vorstellbar und denkbar, dass der alles sehende Gott etwas nicht sieht? Ja, es gibt etwas, was Gott nicht sieht.

Ich erinnere mich noch eine Predigt, die Theo Lehmann bei einem Kongress über die Wiederkunft Jesu in Bad Gandersheim im Frühjahr 2011 gehalten hat. Mitten in der Predigt war er plötzlich verschwunden. Hinter dem Rednerpult war nämlich eine Tür, und die hatte Theo Lehmann entdeckt, um seine Predigt zu illustrieren. Wir, die Zuhörer, sollten uns das Endgericht vorstellen, und zwar als einen großen Appellplatz, auf den alle Menschen namentlich gerufen werden. Theo Lehmann erklärte uns, dass er, wenn er aufgerufen wird, nicht auf dem Appellplatz erscheinen wird, sondern sich hinter der Tür verstecken wird. Und er erklärte uns weiter, dass er die Tür als ein Anschauungsobjekt für Jesus nimmt, der von sich ja gesagt hat, dass er die Tür sei. Und genauso hat er es uns dann vorgemacht. Er versteckte sich hinter Jesus und war nicht mehr zu sehen. Als er dann zum zweiten Mal zum Appellplatz aufgerufen wurde, bat er Jesus, ihn zu verteidigen. Und Jesus sagte, dass er sich vor Theo Lehmann stelle, weil der an ihn glaube.

Das ist eine großartige Illustration dessen, was ich hier meine. Wer an Jesus glaubt, ist mit Jesu Tod und mit Jesu Auferstehung auf das Engste verbunden. Jesus nimmt ihm alle Sünden ab und wirft sie hinter sich. Die Sünden, ja die ganze Vergangenheit ist weg. Gott sieht sie nicht mehr. Im Glauben stellen wir uns hinter Jesus, und dann sieht uns Gott ohne unsere schuldhafte Vergangenheit, als rein- und neugemachte Menschen.

Wenn wir im Glauben von der Last unserer Schuld befreit sind, dann brauchen wir uns auch keine Vorwürfe mehr über die vielen Fehler unseres früheren Lebens zu machen. Die sind vergeben und sind verschwunden. Wie viele Menschen suchen ein neues Lebensgefühl beim Psychotherapeuten und wollen dort ihre Vergangenheit aufarbeiten. Sie stoßen dabei auf jede Menge eigenen und fremden Versagens. Doch die Frage bleibt: „Wohin damit?“ Der Glaube sagt: „Das liegt nun alles auf den Schultern Jesu, und er hat es alles weggetragen“. Gott sieht es nicht mehr.

Dieser Glaube lässt uns auch barmherzig werden mit den Sünden und Schwächen anderer Menschen. Wenn wir selber aus der Vergebung Gottes leben, dann sollte es uns auch leichter fallen, denen zu vergeben, die an uns schuldig geworden sind. Im Vaterunser heißt die fünfte Bitte wörtlich übersetzt: „Vergib uns unsere Schuld, so wie wir auch unseren Schuldigern vergeben haben.“ Beides hängt zusammen. Wer in einem Geflecht von Vorwürfen lebt, die er anderen gegenüber erhebt, zu Recht oder zu Unrecht, hat es schwer, die geistliche Wirklichkeit zu begreifen, dass Gott ihm vergeben hat und vergeben will.

Der sonst alles sehende Gott sieht meine Sünden nicht mehr, weil sie verschlungen sind durch den Sühnetod Jesu am Kreuz. Auch diese Botschaft steckt in Hagars Erkenntnis, dass Gott sie angesehen hat. Dass Gott uns sieht, das ist ein wunderbare Trostbotschaft in einer krisenreichen Zeit, in der die Gefährdungen unseres Lebens wachsen. Das ist aber auch eine Botschaft zum Erschrecken, weil der lebendige, heilige Gott unser ganzes Versagen registriert. Und es ist eine Befreiungsbotschaft, weil Gott uns ohne Vergangenheit sieht, wenn wir uns im Glauben hinter Jesus verstecken. Mit dieser dreifachen Botschaft können wir getrost in das neue Jahr hineingehen.

Pastor Dr. Joachim Cochlovius, Predigt im Gottesdienst am 1.1.2023 in der Geschäftsstelle des Gemeindehilfsbundes in Düshorn

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 2. Januar 2023 um 15:14 und abgelegt unter Predigten / Andachten.