Predigt über Lukas 2,1-14: Ein Heiland ward geboren
Dienstag 27. Dezember 2022 von Johannes Calvin (1509-1564)
Es geschah in diesen Tagen, daß ein Edikt von Kaiser Augustus erging, daß die ganze Welt gezählt würde. Diese erste Zählung fand statt, als Cyrenius in Syrien das Regiment hatte. Und es gingen alle, um sich einschreiben zu lassen, jeder in seine Stadt. Auch Joseph zog von Galiläa, aus der Stadt Nazareth, nach Judäa, in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt, weil er aus dem Hause und der Verwandtschaft Davids war, – um sich einschreiben zu lassen mit Maria, die ihm zur Frau bestimmt war; die war schwanger.
Und es begab sich, als sie da waren, da war es die Zeit, da sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge sonst kein Platz für sie war. Nun waren in derselben Gegend Hirten auf den Feldern, die hatten die Nachtwachen bei ihren Herden. Und siehe, der Engel des Herrn erschien, trat zu ihnen und die Klarheit des Herrn umleuchtete sie; und sie fürchteten sich sehr. Da sagte der Engel zu ihnen: Fürchtet euch nicht; denn siehe, ich verkündige euch große Freude, die das ganze Volk erfahren wird. Heut ist euch nämlich der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr, in der Stadt Davids. Und dies Zeichen sollt ihr haben: ihr werdet das Kind finden in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und gleich war bei dem Engel eine Menge himmlischer Ritterschaft, die Gott lobten und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Frieden den Menschen: sein Wohlgefallen. (Lukas 2,1-14)
Wir wissen, all unser Gut, all unsere Freude und Ruhe beruht in der Verbundenheit mit dem Sohn Gottes. Er ist unser Haupt und wir sein Leib; von ihm haben wir Leben, Heil und Glück. Und wir sehen ja auch, wie elend unsere Lage wäre, wenn wir nicht bei ihm eine Zuflucht hätten und in seiner Hut stünden. Es steht jedoch nicht in unserer Macht, so hoch zu kommen (wir können ja kaum auf der Erde kriechen); er seinerseits muß sich zu uns nahen und er hat sich uns ja genaht, da er bei seiner Geburt unser Fleisch angezogen hat und unser Bruder geworden ist. Wir könnten jetzt nicht unsre Zuflucht zu unserm Herrn Jesus Christ nehmen, der zur Rechten Gottes seines Vaters in der Herrlichkeit der Himmel sitzt, wenn er sich nicht so erniedrigt hätte, daß er ein sterblicher Mensch wurde und dasselbe Leben führte wie wir. Und wenn er Mittler zwischen Gott und den Menschen heißt, so heißt der doch noch ausdrücklich der Mensch, wie er ja aus demselben Grund auch Emmanuel heißt, d.h. Gott mit uns.
So oft wir also nach unserm Herrn Jesus Christ verlangen und in ihm Trost in all unserm Elend, sichern und unfehlbaren Schutz suchen, müssen wir bei seiner Geburt anfangen. Es heißt aber hier nicht nur, daß er Mensch gleich uns geworden ist, sondern er hat sich so sehr erniedrigt, daß er kaum noch zu den Menschen zählte. Herberge und Menschengemeinschaft sind ihm versagt, nur ein Stall, eine Krippe nehmen ihn auf. Daran sollen wir erkennen, wie Gott den unendlichen Schatz seiner Güte über uns ausschüttete, als er seinen Sohn für uns so erniedrigte. Wir sollten auch anerkennen, was unser Herr Jesus Christ von seiner Geburt an auf sich genommen hat, damit wir, wenn wir ihn suchen, nicht lange Umwege machen müßten, um ihn zu finden und wahrhaftig eins mit ihm zu werden. Darum hat er ja alle Schande auf sich genommen und gehörte gleichsam zum Abschaum der Menschheit. Wir müssen jedoch auch lernen, klein zu sein, um von ihm angenommen zu werden, denn zum mindesten Gleichförmigkeit zwischen dem Haupt und den Gliedern darf man verlangen. Dabei brauchen sich die Menschen keineswegs erniedrigen, um ihren Wert herunterzudrücken; denn es ist schon natürlicherweise so viel Elend in ihnen, daß sie schon Anlaß haben, niedergeschlagen zu sein. Wir brauchen uns bloß so erkennen, wie wir wirklich sind, und uns dann in wahrer Demut unserm Herrn Jesus Christ darbringen; dann erkennt und bestätigt er uns als die Seinen.
Wir müssen uns jedoch auch merken, in der hier von Lukas erzählten Geschichte erniedrigt sich der Sohn Gottes einerseits für uns, anderseits fehlt es ihm doch nicht an unfehlbarem und sicherem Zeugnis dafür, daß er der vor der Zeit verheißene Welterlöser war; und wenn er sich in unsre Lage versetzte, so hat er dabei doch seine himmlische Majestät festgehalten. Beides also ist uns hier gezeigt: unser Herr Jesus Christ liegt da in einer Krippe, ganz arm ohne alle Ehre, ohne alles Ansehen, gleichsam in Knechtschaft geraten – und doch wird er von den Engeln des Paradieses gepriesen, sie huldigen ihm. Erst bringt ein Engel die Botschaft von seiner Geburt; aber er ist gleich begleitet von einer großen Schar, ja einem ganzen Heer, die gleichsam von Gott als Zeugen dazu gesandt sind, um anzuzeigen, daß unser Herr Jesus Christ doch der König der Welt geblieben ist und seine Herrschaft behalten hat, obwohl er sich zum Heil der Menschen so erniedrigt hat. Und der Ort Bethlehem beweist ja auch, daß er der lange Verheißene war. Denn der Prophet Micha hat gesagt: Du Bethlehem, wiewohl du verachtet bist, einem unansehnlichen Flecken gleich, nur wenig bevölkert, dennoch soll mir aus dir der kommen, der mein Volk regiert, und seine Anfänge werden von Ewigkeit her sein. Wir sehen also, wie auf der einen Seite unser Herr Jesus Christ keine Mühe gescheut hat, damit wir leichten Zugang zu ihm hätten und nicht daran zweifelten, als sein Leib selber von ihm angenommen zu werden, weil er ja nicht nur sterblicher Mensch sein wollte und mit unserer Natur bekleidet, sondern gar wie ein armer Erdenwurm alles Glückes bar. Zweifeln wir also nicht daran, daß er uns immer für seine Glieder halten wird, wie erbärmlich wir auch daran sind. Auf der andern Seite sehen wir ihn aber gleichsam von Gottes Hand gezeichnet, damit er ohne Schwierigkeiten von uns aufgenommen werde als der Mann, von dem man das Heil erwarten muß und durch den allein wir in Gottes Königreich Aufnahme finden können, aus dem wir zuvor verbannt waren. Denn wir sehen ja, welche Majestät er an sich hat, da die Engel ihn als ihren obersten und höchsten König anerkennen, und wir dürfen keinen Zweifel daran haben, daß er uns wirklich halten kann, wenn wir uns unter seiner Hut befinden. Und wenn er sich so erniedrigt hat, dann tut dies seiner göttlichen Majestät nicht den geringsten Eintrag, und ist kein Hindernis unsrer Sicherheit unter seiner Führung.
Nun sehen wir das Wesentliche an dieser Geschichte: einmal hat sich Gottes Sohn, unser Mittler, so mit uns verbunden, daß wir nie daran zweifeln brauchen, daß wir seines Lebens und all seines Reichtums teilhaftig werden. Und er bringt auch alles mit sich, was wir zu unserm Heil brauchen. Er hat ja, wie gesagt, sich nicht in dem Sinn erniedrigt, daß er seine göttliche Majestät nicht doch behalten hätte; wiewohl er vor den Menschen für nichts geachtet wurde, so ist er doch nicht nur Erbe dieser Welt geblieben (sofern er das Haupt der Kirche ist), sondern auch immer wahrhaftiger Gott.
Im Ãœbrigen wollen wir von den Leuten, die uns hier zu Lehrmeistern und Führern gesetzt sind, lernen, wie man zu unserem Herrn Jesus Christ kommen muß. Die Weisen dieser Welt sind ja nun freilich so anmaßend und aufgeblasen, daß sie wohl kaum werden Schüler so einfältiger Leute und solch armer Hirten sein wollen; und doch kämen wir zur höchsten Weisheit, wenn wir von diesen Hirten hier lernen wollten. Denn wenn wir auch aller Welt Weisheit in unserm Kopf drin hätten, was haben wir davon, wenn das Leben uns fehlt, das Leben nämlich, in dem die Schätze aller Weisheit verborgen sind, wie Paulus sagt (Kol 2,3). Bei diesem Punkt also heißt es beginnen: sich nicht schämen, denen zu folgen, die uns den Weg gezeigt haben, wie man zu unserm Herrn Jesus Christ kommt. Gott hat diese Ehre nicht den Großen dieser Welt, nicht den Reichen, nicht den Vornehmen erwiesen: die Hirten hat er erwählt. Dieser Ordnung wollen wir daher folgen. Freilich sind ja auch die Weisen aus dem Morgenland gekommen, um unserem Herrn Jesus Christ zu huldigen; und doch haben die Hirten den Anfang machen müssen, damit jede Anmaßung beseitigt und jeder, der Christ heißen will, in der Welt ein Narr würde. Wir wollen also den närrischen Wahn abtun, als dürften wir die wunderbaren Geheimnisse Gottes nach unsern eingebildeten Begriffen beurteilen; wir sollen sie vielmehr ganz einfältig anbeten. Wir brauchen übrigens bloß den Glauben der Hirten erwägen, dann werden wir keine Schwierigkeiten mehr machen, ihnen zu folgen. Sie kommen und wollen den Erlöser der Welt anbeten, und wie finden sie ihn? In einer Krippe und in ein paar Tüchlein gewickelt; dies Zeichen hatte ihnen der Engel gegeben. Das hat doch wahrlich so ausgesehen, daß sie wohl hätten stutzen und wieder umkehren können, ohne Jesus Christ als ihren Heiland anzuerkennen. Denn die Schriftgelehrten und Doktoren der Juden glaubten, daß der verheißene Erlöser prächtig kommen und sich die ganze Welt unterwerfen müsse, daß sie dann Güter des Lebens in Fülle hätten und alle Reichtümer der Welt bekämen. Als man ihnen nun sagte, sie werden ihn in einem Stall und in Windeln gewickelt finden, da war also dies freilich eine gefährliche Lage, die diesen armen Leuten den Mut hätte nehmen können, so daß sie nie zu unserm Herrn Jesus Christ gekommen, vielmehr ihm fremd geblieben wären. Dies Zeichen also wurde ihnen für den Welterlöser gegeben, daß er in einer Krippe liege, also gleichsam aus der Reihe der Menschen gestrichen sei. Und doch hält dies sie nicht ab. Sie kommen, erkennen ihn als den Herrn, bekennen es feierlich, daß Gott sich ihrer erbarmt und endlich die uralte Verheißung erfüllt habe und sich selber durch das ganze auffallende Ereignis bestätigt hat. Weil nun der Glaube der Hirten so groß war und alles überwunden hat, was sie hätte davon abbringen können, zu unserm Herrn Jesus Christ zu kommen, so sind wir doppelt verpflichtet und doppelt unentschuldbar, wenn wir nicht bei ihnen in die Schule gehen und wenn die Geburt unsers Herrn Jesus Christ (wiewohl es ohne Ehre, Pracht und Vornehmheit dabei zuging) nicht aufhört, ein Anstoß für uns zu sein und uns davon abzuhalten, daß wir uns, wie sich’s gebührt, zu ihm als unserm höchsten König halten, dem alle Herrschaft im Himmel und auf der Erde gegeben ist. Diese Mahnung haben wir wahrhaftig nötig; denn für die von Stolz und Einbildung Besessenen und für die, die sich für weise halten, ist die Lehre des Evangeliums doch bloß Anstoß. Es gibt ja viele Schwärmer, die alles verwerfen, was ihrem Verstand zuwider ist. Dann gibt es daneben auch Spötter, die noch nie von ihren Sünden etwas empfunden haben; profane Menschen, die nicht daran denken, daß sie einmal zur Verantwortung gezogen werden, sie wissen nichts von einem besseren Leben als dem irdischen, und sie halten es bloß für dumme Einfalt, dem Sohn Gottes zu folgen und sich an ihn zu halten. Um so mehr sollen wir demgegenüber stark sein im Bewußtsein, Gottes Sohn hat nichts von seiner Majestät und Herrlichkeit verloren, ist nicht geringer geworden, als er sich zu unserm Heil erniedrigte, es soll uns vielmehr hoch erfreuen, wenn wir die unschätzbare Liebe und Güte sehen, die er für uns hegt.
So also müssen wir diese Lehre anwenden, wollen tapfer zu unserm Herrn Jesus Christ gehen, obwohl wir auf den ersten Hieb nicht das in ihm finden, was unser Fleisch, d.h. unser natürlicher Sinn, wünscht. Aber wenn er auch bei seiner Geburt in Windeln gewickelt war und in einer Krippe lag, wir wollen doch fest dabei bleiben, daß er trotzdem immer unser Mittler war, der uns zu Gott, seinem Vater ziehen und uns Eingang in das Reich des Himmels schaffen sollte, aus dem wir ausgeschlossen waren. Und wen er auch heute noch nicht in Pracht regiert und wenn auch seine Kirche verachtet ist, und wenn auch sein Wort so einfältig ist, daß die Großen der Welt es verwerfen, – wir wollen uns dennoch fest an ihn halten und im wahren Glaubensgehorsam uns seiner Herrschaft unterwerfen. Wenn z.B. gepredigt wird, so ist das nichts besonders Anziehendes für uns. Man hört da einen Menschen reden; und was für einen? Er hat keine besondere Würde und Ehre; sodann gibt’s da bloß das Wort zu hören; und was das Evangelium verkündet, das scheint uns vielfach ganz gegen die Vernunft zu sein, wenn wir’s nach unsern Wünschen beurteilen. So wollen wir uns denn merken, daß wir nicht an das, was Gott uns zeigt und sagt, herankommen können, wenn wir nicht von vornherein gedemütigt werden. – Zur Bekräftigung seines Worts haben wir nun noch die Sakramente. Aber soll ein Tropfen Wasser dazu genügen, um uns der Sündenvergebung zu versichern, dessen, daß Gott uns zu Kindern angenommen hat und daß wir mit seiner himmlischen fehllosen Herrlichkeit bekleidet werden, wie hinfällig und gebrechlich wir auch sind? Soll für so große und herrliche Dinge ein bißchen Wasser uns Unterpfand und Sicherheit sein? Sollen ein Stück Brot und ein Tropfen Wein beim heiligen Abendmahl genug dazu sein, um uns dessen zu versichern, daß Gott uns als seine Kinder anerkennt und wir in Jesus Christ leben und in nichts von ihm geschieden sind? Es sieht ja viel eher danach aus, daß solche Zeremonien ohne alle Großartigkeit gar nichts sind. Daran sehen wir’s nun noch besser, wie das hier von den Hirten Gesagte uns betrifft und wir Nutzen daraus ziehen können: d.h. wir sollen unablässig zu unserm Herrn Jesus Christ gehen und sicher sein, wir werden in ihm alles Gut, alle Freude und alle Herrlichkeit finden, und wenn er auch gleichsam im Stall und in der Krippe und in Windeln zu liegen scheint, d.h. wenn auch vieles von ihm abwendig machen oder wenigstens die Augen blenden könnte, so daß wir die Herrlichkeit nicht sehen, die ihm von Gott, seinem Vater, gegeben ist. Gegeben ist sie ihm freilich, soweit es seine menschliche Natur betrifft, die er mit uns gemein hat; denn sofern er Gott ist, hat er ja alles aus sich selber (wie’s im 17. Kapitel, Vers 5 des Johannes-Evangeliums heißt), aber in seiner Menschheit hat er alles, was er uns gebracht hat, geschenkt bekommen, damit wir aus seiner Fülle schöpften und in ihm alles fänden, was man wünschen darf, und Ruhe und Befriedigung in ihm allein hätten.
Weiter wollen wir auch merken, daß der heilige Geist uns dessen versichern wollte, daß wir in der Nachfolge der Hirten, die uns hier zu Lehrern und Führern verordnet sind, uns nicht vor Täuschung zu fürchten brauchen. Wenn die Hirten nichts anderes zum Zeichen bekommen hätten, als Stall und Krippe, dann könnten wir freilich sagen, es waren arme dumme Leute, die sich sinnlos in den Wahn verrannt haben, das wäre der Welterlöser, und es wäre einfach Leichtgläubigkeit in unsern Augen und wir könnten es bezweifeln. Aber die Hirten bekamen noch eine Bestätigung, so daß sie Gewißheit davon hatten, daß es Gottes Sohn wäre: der Engel erschien ihnen nämlich und dazu haben sie dann das Lied gehört, das Lukas nennt, wo das ganze himmlische Königreich unsers Herrn Jesus Christ Zeugnis gibt, daß er alle Macht über die Schöpfung im Himmel und auf Erden habe. Wir wollen darum annehmen, was uns hier gesagt wird, um sicher im Glauben an Jesus Christ zu werden. Gott hat sicher die Undankbarkeit all derer überwinden wollen, die seinem einzigen Sohn die Huldigung verweigern, wenn er eine solche Schar von Engeln sandte, um zu verkünden, daß er der verheißene Erlöser wäre. Wer mag, der mag sich dann weiter in seinem Unglauben gefallen; es gibt ja genug so verbohrte Leute, die nicht die geringste Notiz von dem nehmen, was im Evangelium steht. Auch Spötter gibt’s, denen es ganz gleichgültig ist, was man predigt, es ist ihnen so viel wert wie Märchenerzählen. Aber es gibt etwas, womit man den verstockten und teuflischen Widerstand all derer brechen kann, die sich unserm Herrn Jesus Christ nicht unterwerfen und ihm die Huldigung verweigern. Denn wenn’s auch viel Ungläubige gibt, eine unabsehbare Menge der Engel des Paradieses legt Zeugnis gegen sie ab, und sie sind die Diener der göttlichen Wahrheit. Mögen drum die Bösen und alle in Laster und Niedertracht verstrickten Leute sich darin gefallen und verhärten, es sind Zeugen da, die hinreichen, um ihre Verdammung zu erwirken. Die Engel des Paradieses sind erschienen, damit wir keine Entschuldigung mehr hätten, wenn wir Jesus Christ nicht als höchsten König anerkennen und uns seiner Majestät beugen. Wir unsrerseits wollen dabei beachten, wie Gott für unser Heil bedacht war, da er so viel Engel sandte, damit wir kühnlich und freimütig, ohne Zweifel und Bedenken, zu unserm Herrn Jesus Christ kommen könnten; wir sollten ganz sicher darin sein, daß wir in ihm alles finden, was uns fehlt, und er in unsere Armut und in unser Elend seine ganze Fülle legen kann, mit einem Wort, daß durch ihn Gott sich mit uns verbünden will. Und wo sollten wir das Leben suchen außer in Gott? Und nun wohnt die ganze Fülle der Gottheit in Jesus Christ. Wenn wir solch Zeugnis für uns haben, so ist das, wie wenn Gott beide Arme ausbreitete und uns seine unermeßliche Güte fühlen ließe, wie wenn er uns sagte, wenn wir an Jesus Christ glauben (mit ungeheucheltem Glauben natürlich), uns ganz auf ihn verlassen, im Bewußtsein, daß er uns alles geben muß, dann werden wir an all den Gütern, die uns fehlen und nach denen wir uns sehnen, Teil bekommen. Und wen wir freilich auch heutzutage die Engel nicht mehr sehen, die damals auch nur für einen Augenblick erschienen sind, so ist das Zeugnis davon doch aufgeschrieben und soll glaubwürdig sein; durch den Mund des heiligen Lukas hat ja der heilige Geist geredet. So seien wir damit zufrieden, durch die Engel ein solches Gotteszeugnis von der Geburt unsers Herrn Jesus Christ zu haben, und im Hinblick darauf, wie er Mensch geworden und sich ganz für uns zunichte machen ließ, wollen wir voll Freude zum Königreich der Himmel streben und in wahrer Glaubenseinigkeit an ihm hangen.
Weiterhin müssen wir nun aber auch den Ort seiner Geburt betrachten, d.h. Bethlehem. Und es ist keine geringe und unwichtige Bestätigung, wenn der Sohn Gottes also demnach so geboren wurde, wie es längst zuvor der Prophet verkündet hat. Wenn nun Josef und Maria in Bethlehem daheim gewesen wären und sich dort niedergelassen hätten, dann wäre es nicht so seltsam gewesen, wenn sie dort niedergekommen und Jesus Christ dort geboren wäre; aber das, was wir heute davon haben, wäre doch sehr verdunkelt, denn man würde dabei nicht merken, mit wie gutem Recht der Prophet gesagt hatte: Bethlehem, wiewohl du heute als ein kleiner Flecken verachtet bist, so wirst du doch den hervorbringen, der meines Volkes Führer sein soll. Aber da Josef und Maria in Nazareth wohnen und gerade zur Zeit der Niederkunft in die Stadt Bethlehem kommen und Jesus Christ hier geboren wird, wer sieht da nicht, wie Gottes Hand dies alles geführt hat? Die Menschen müssen schon absichtlich und böswillig die Augen verschließen, wenn sie hierbei nicht Gottes Werk erkennen wollen, der seinem einigen Sohn ein Merkzeichen mitgab, damit man ihn ohne Bedenken als den Verheißenen aufnehme. Es hatte ja nun freilich seinen Grund, wenn Josef nach Bethlehem kam; der Grund war der Erlaß des römischen Kaisers. Aber daß er dabei die schwangere, ihrer Niederkunft nahe Frau mitnahm, das stammte sicher nicht von Menschen, da war Gott am Werk. Wir sehen da auch, auf welch seltsame Weise Gott seinen Willen durchführt. Der kaiserliche Erlaß war ja die reine Gewalttätigkeit, das jüdische Volk sollte eben drangsaliert werden, jeder einzelne sollte Steuer bezahlen, man wollte ihnen zeigen, daß sie keine Freiheit zu erwarten hätten; Jesus Christ war aber doch als Befreier der Juden und Gläubigen vom Joch des Satans und aller Tyrannei verheißen; dieser Erlaß sah gerade aus, als wollte er Gott die Türe zuschlagen und ihn hindern, seine Verheißungen an sein Volk wahr zu machen. Und hat doch helfen müssen, sie zu erfüllen. Denn wenn nun Maria und Josef als arme Leute daher kommen, den heidnischen, ungläubigen Tyrannen untertan, und ihnen in Bethlehem Jesus Christ geboren wird, da zeigt sich gerade die Wahrheit der Weissagung. So also müssen wir das hier Erzählte auf uns anwenden. Denn uns eben bloß die Geschichte zu erzählen, die einmal passiert ist, das war nicht die Absicht des heiligen Lukas oder vielmehr des heiligen Geistes, der durch seinen Mund geredet hat. Sondern einerseits hat er uns hier klar machen wollen, wie Gottes Sohn alles hergegeben hat für uns, und anderseits, wie er doch ein untrügliches Merkzeichen an sich trug, daß er der Erlöser sei, damit man ihn als solchen aufnehme.
Wir wollen indessen doch auch insofern Nutzen aus der Geschichte ziehen, als wir uns dem Lobgesang der Engel zur Verherrlichung Gottes anschließen und dankbar annehmen, was Gott uns hier für Seelenfreude macht. Der Engel, der den Hirten die Botschaft brachte, sagt nun zunächst: „Fürchtet euch nicht, ich verkündige euch große Freude“. Und daran schließt sich gleich das vielstimmige Zeugnis des ganzen Heers, das Gott schickt: „Friede den Menschen auf Erden“. Das also ist das erste, was wir hiervon zu behalten haben, daß wir in Jesus Christ unsre Freude suchen sollen. Wenn wir auch sonst alle Lust und alles Vergnügen hätten und uns nur so darin baden könnten, – wenn wir nicht ganz betäubt und abgestumpft wären, so hätte unser Gewissen doch nie Ruhe; dieser Wurm (so nennt es ja die Schrift) würde an uns nagen, wir würden von unsern Sünden verklagt und müßten es fühlen, daß Gott mit vollem Recht uns feind ist und widersteht. Drum weh allen Freuden der Welt, denn sie werden sich in Zähneklappern verwandeln, solange die Menschen nicht mit Gott im Reinen sind. Verdammt drum alle Freude, alle Ehre, überhaupt alles, was man wünschen kann, bis wir bei Gott in Gnaden sind. Und so versöhnt können wir uns dann recht freuen, nicht in weltlich irdischer Freude, sondern so wie’s uns der heilige Geist verheißen hat. Die beiden Dinge gehören zusammen, der Friede und die Freude. Wenn wir uns nämlich von soviel Elend umgehen sehen, wie können wir uns denn freuen? Und weiter, wenn wir daran denken, daß wir in Adam verdammt sind, daß wir Kinder des Zorns sind, daß Gott unser Richter ist und in der Kraft seiner Rache uns vernichten kann, wie könnten wir uns in solcher Lage freuen? Wenn wir daran denken, dann müßten wir eigentlich niedergeschlagen sein vor Ruhelosigkeit, ja in einer Hölle von Schrecken müßten wir sein, die über alle Angst in der Welt hinausgeht, wenn der Teufel uns nicht bezauberte (und fühllos machte); es gibt ja viele, die sind noch immer lustig, obwohl sie mit Gott im Kriege leben. Aber wenn noch ein Funke von Gefühl in uns ist, dann werden wir gewiß immer in Qualen bleiben, bis Gottes Gnade uns bekannt wird. Darum eben muß dieser Friede das erste sein; wir müssen wissen, daß Gott uns als seine Kinder annimmt, indem er uns unsre Sünde nicht zurechnet. Und sind wir dann so im Frieden mit Gott, dann können wir uns auch freuen, mit Gott freuen, wie ich schon angedeutet habe. Die Ungläubigen haben ja freilich auch eine Art Frieden, d.h. sie sind eben so stumpf geworden, daß ihnen Gottes Gericht gar nichts mehr gilt, ja sie spotten seiner sogar; aber das ist kein Friede mit Gott. Denn sie haben nur dann Frieden und Ruhe, wenn sie Gott und sich selber vergessen und ganz empfindungslos werden. Paulus aber mahnt uns dazu, Frieden mit Gott zu haben, d.h. auf ihn zu schauen und nach Versöhnung zu trachten, d.h. in seine Nähe zu kommen und dann seiner Liebe gewiß und versichert zu werden. Und wie wird das sein können? Durch die Sündenvergebung, durch seine freie Güte, die er in unserm Herrn Jesus Christ uns entgegenbringt. Merken wir uns also gut, daß der Friede, den hier die Engel des Paradieses verkünden, die Freude schuf, von der der erste Engel mit jenen Worten sagte, „siehe, ich verkündige euch große Freude“, d.h. das Heil, das ihr in Jesus Christ empfangt. Er heißt unser Friede, und dieser Name sagt, daß wir Gott ganz entfremdet sind, wenn er uns nicht durch seinen einigen Sohn zu Gnaden annimmt. Dann haben wir auch etwas zu rühmen, wenn Gott uns als seine Kinder anerkennt, wenn er uns die Erlaubnis gibt, ihn laut unsern Vater zu nennen, freimütig zu ihm zu kommen und bei ihm unsere Zuflucht zu haben.
Dazu wollen wir hieraus entnehmen, daß Gott es so geordnet hat, daß das Evangelium durch die Menschen verkündet wird, daß aber doch die Engel den Vortritt dabei gehabt haben. Heut freilich muß die Kirche ihre Unterweisung durch sterbliche Geschöpfe empfangen; und doch bringen wir dabei nichts neues, sondern wiederholen nur die Predigt, die die Engel des Paradieses gehalten haben, keine kleine Schar, sondern eine unabsehbare Menge, ein großes Heer. Es muß uns übrigens zum Preis unseres Gottes entzünden, wenn wir so völlig seiner Güte versichert werden. Darum sind auch die beiden Dinge miteinander verbunden, der Aufruf der Engel zum Preis Gottes und die Gabe des Friedens auf Erden. Wir dürfen uns der Gabe freuen, die Gott uns durch unsern Herrn Jesus Christ seinen einigen Sohn gegeben hat. Er hat diesen Frieden gebracht, damit unser Lob zum Himmel steige, damit es die Wolken durchdringe und die Erde dieses Lied widerhalle; Gott soll überall gepriesen und verherrlicht sein.
Wir wollen hieraus nun auch entnehmen, daß unser Mund stumm bleiben wird und wir nie werden Gott loben können, wenn er uns nicht seine Güte hat erfahren lassen. Wie sollten denn arme Sünder, die Angst und Gewissensbisse in sich spüren, die nicht wissen, ob Gott sie liebt oder haßt, wie sollten die Gottes Namen preisen können? Die Angst wird sie vielmehr in sich selber verschließen, so daß sie den Mund nicht werden auftun können. Drum muß Gott uns in erster Linie recht von seiner Liebe zu uns Zeugnis geben, damit wir fest dabei bleiben, daß Gott stets unser Vater ist; damit haben wir dann auch Grund, seinen Namen zu preisen. Aber wenn es wahr ist, daß wir Gott nicht loben können, ehe er uns seine Güte gezeigt hat, dann wollen wir doch auch das andere lernen, daß unser Glaube nicht faul und tot sein darf; wir wollen uns zum Lobpreis Gottes aufreizen lassen, wenn wir’s erleben, wie er alle die großen Schätze seiner Barmherzigkeit über uns ausschüttet; da soll der Mund das Seine tun und unser ganzes Leben soll das Echo dazu sein. Denn das ist der wahre Lobgesang, wenn jeder sich dem Dienst Gottes weiht, im Bewußtsein, daß, wenn er uns so teuer erworben hat, mit Fug und Recht all unsere Gedanken und Werke bloß dazu da sein sollen, daß sein Name gepriesen werde. Und wenn wir dann merken, daß wir wirklich die Seinen sind, dann sollen wir erst recht wissen, daß es nur sein Wohlgefallen war, uns aufzunehmen, und daß alles bloß von seiner freien Güte herkommt. Darum steht mit gutem Grund nicht bloß da, Friede sei den Menschen gegeben, sondern durch Gottes Wohlgefallen sei er ihnen gegeben, nicht als Verdienst, nicht als hätten sie selber ihn erworben. Das Wort, das Lukas hier gebraucht, bedeutet vor allem eben dies, daß wir für die Tatsache, daß unser Herr Jesus Christ uns erschienen ist, keine andere Begründung suchen sollen als die, daß Gott eben Mitleid und Erbarmen mit unserm Elend gehabt hat. So heißt es ja auch im 3. Kapitel des Johannes-Evangeliums: also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für uns in den Tod gegeben hat.
In diesem Geist wollen wir vor unseren Herrn Jesus Christ treten; die Botschaft, die hier die Engel verkünden, soll uns gleich einer brennenden Fackel den Weg weisen, der Glaube soll unser Führer sein und wir sollen wissen, daß es nun Gott in uns heißt, weil es vorher Gott mit uns hieß; Gott mit uns, so heißt es, weil er in unsrer menschlichen Natur hat wohnen wollen wie in einem Tempel; nun aber ist er „Gott in uns“, d.h. wir erfahren seine Verbundenheit mit uns viel stärker als damals, wo er sich als sterblicher Mensch hat sehen lassen. Ja, sogar Gott und Mensch zugleich ist er in uns. Denn einmal macht er uns durch die Kraft seines heiligen Geistes lebendig, sodann aber ist er auch Mensch in uns, sofern er uns an dem Opfer Anteil gibt, das er für unser Heil gebracht hat; mit gutem Grunde hat er ja gesagt, sein Fleisch sei in Wahrheit Speise und sein Blut in Wahrheit Trank. Eben darum ist ja auch das heilige Mahl für uns zubereitet, wir sollen aus ihm erkennen, daß unser Herr Jesus Christ zu uns herabgestiegen und ganz niedrig geworden ist und daß er mit uns vereint bleibt, wiewohl er in die Herrlichkeit der Himmel emporgestiegen ist; das geschah ja vielmehr eben dazu, damit wir an seinem Fleisch und Blut Anteil bekämen. Wieso? Wir wissen doch, seine Gerechtigkeit und sein Gehorsam sind die Genugtuung für unsere Sünden, er hat den Zorn Gottes versöhnt durch das Opfer, das er mit seinem menschlichen Leib und Blut, das er mit uns teilte, gebracht hat. Wenn das so ist, dann dürfen wir nicht daran zweifeln, daß Jesus wirklich in uns Wohnung nimmt, wenn er uns zu diesem Tisch lädt, wiewohl wir bloß Brot und Wein wahrnehmen, daß wir so innig mit ihm vereinigt sind, daß alles, was er zu eigen hat, auch uns gehört. Das, sag ich, sollen wir wissen, damit wir auch etwas von diesem Sakrament haben, das uns durch ihn bereitet ist; und so oft wir uns rüsten, es zu empfangen, sollen wir bedenken, daß Gott uns sicherlich auf anderem Wege aus dem Abgrund unsers Verderbens herausgerissen hätte, wenn er gewollt hätte; er hat uns aber nur seiner Liebe um so gewisser machen wollen, wenn wir nun Jesus Christ zum Unterpfand haben; in ihm sollen wir all unser Glück suchen und wissen, daß es keine Freude für uns gibt, sie sei auch wie sie sei, außer wenn er gleichsam ihr Mittelpunkt ist und uns so nahe ist, daß er uns zum Königreich der Himmel führen kann, aus dem wir unsrer Sünden wegen verbannt und ausgestoßen waren. So soll also unser Herr Jesus Christ das Ziel unsers Heils sein, sonst können wir nicht in die Nähe Gottes kommen und keine wahre geistliche Freude, keine Befriedigung und keine Ruhe haben, sonst können wir auch nicht gegen die Versuchungen gewappnet sein, in die uns der Teufel hineinbringen möchte. Aber um an diesem heiligen Mahl Anteil zu bekommen, wollen wir zuerst an uns selber denken, in erster Linie unser Elend erkennen und uns darin auch wirklich mißfallen und verlegen darüber werden. Und dazu sollen wir dann wissen, daß Gott unsre Angst und Traurigkeit hat versüßen wollen, indem er in seinem einigen Sohn sich selber uns geschenkt und uns dadurch die vollkommene Freude bereitet hat. Und wenn wir auch noch reichlich den Armseligkeiten dieser Welt ausgeliefert sind, und wenn uns auch die Feinde wie reißende Wölfe umlagern, und wenn auch der Teufel unaufhörlich unter uns nach Beute trachtet, und wenn uns auch die Ungläubigen anbellen wie tolle Hunde, und wenn wir auch von Nöten umgetrieben und von allen Seiten bedroht sind, und wenn wir auch viel Ärgernis erleiden müssen, – trotz alledem dürfen wir ganz sicher sein, daß wir mit unserm Gott im Frieden stehen; und wir wollen ihn bitten, daß er uns das durch seinen heiligen Geist auch fühlen lasse. Dies ist ja auch eine Sache, die den Menschenverstand übersteigt (so sagt Paulus in Phil 4,7, wie schon bemerkt) und wir wollen lernen, an unserm Herrn Jesus Christ und den geistlichen Gütern, an denen er uns Anteil gibt, genug zu haben, so daß wir um dessentwillen alle Nöte und Anfechtungen dieser Welt geduldig tragen können. Es soll uns nicht leid sein, von allen Seiten verachtet und belästigt zu werden, kurz, aller Schmach und Schande preisgegeben zu sein, wenn nur Jesus Christ mit uns ist, wenn nur er all unsere Nöte und Anfechtungen segnet, und wenn nur soviel dabei herauskommt, daß man merkt, wie wir mitten in unsern Nöten doch nur das Eine wollen: Gott verherrlichen. Und wenn die Weltmenschen in ihr Verderben hinein triumphieren, wenn sie sich nur im Kampf gegen Gott freuen können, dann soll unsere Freude die sein, in aller Furcht und Demut ihm zu dienen und uns ganz bloß seinem Gehorsam zu weihen. Das ist der Nutzen, den wir aus dieser Geschichte zu ziehen haben.
Johannes Calvin
Quelle: Mülhaupt, Erwin – Diener am Wort Gottes
Jean Calvin
- Diener am Wort Gottes.
Eine Auswahl seiner Predigten.
Übersetzt von Erwin Mülhaupt.
Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1934.
Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 27. Dezember 2022 um 13:39 und abgelegt unter Predigten / Andachten.