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Pressemitteilung zu “EKD & Thema Klimaschutz”

Der ABC Bayern beklagt die einseitige Behandlung der Klimaschutz-Thematik durch die EKD. Die jüngsten Beschlüsse u.a. zu einem Tempolimit seien theologisch problematisch, so der ABC-Vorsitzende Dekan Till Roth. Roth kritisiert insbesondere, dass sich die EKD bei ihrer jüngsten Synodaltagung von der apokalyptischen Stimmung von Klimaaktivisten habe vereinnahmen lassen. Damit habe die Kirche auch dem Anliegen des Klimaschutzes mehr geschadet als genützt. Die Kirche sollte die „größte Herausforderung der Menschheit“ anders definieren als im politischen Diskurs üblich, fordert Roth. Die Forderung nach einem Tempolimit bzw. einer Selbstbeschränkung auf Tempo 80 bzw. Tempo 100 bei dienstlichen Fahrten führe zu einer Gesetzlichkeit, die evangelischer Freiheit widerspricht.

Nicht einmal beim Kern religiösen Lebens und christlicher Spiritualität mache die EKD den Gläubigen Vorgaben – nach dem Motto „Bitte verpflichten Sie sich freiwillig, Ihre persönliche Andacht nicht unter 30 Minuten abzuhalten.“ Anstatt beim Thema Klimaschutz in den Schienen politischer Denkweisen zu reagieren, sollte die Kirche die Quellen geistlicher Zuversicht und Hoffnung thematisieren, so der ABC-Vorsitzende. So müssten kirchliche Stellungnahmen immer klar vom biblischen Menschen- und Weltverständnis ausgehen und „bei aller menschlichen Verantwortung auch Zuversicht aus dem Vertrauen auf Gottes Weltregierung vermitteln“.

Die Stellungnahme des ABC-Vorsitzenden Till Roth (Lohr a. Main) im Wortlaut:

Es ist ohne Frage eine der wichtigen politischen Aufgaben unserer Zeit, deutlich und in möglichst großer Solidarität in der Weltgemeinschaft auf die bereits sichtbaren Klimaveränderungen zu reagieren. Doch schon der Satz „Der Klimawandel bleibt die größte Herausforderung der Menschheit“ aus der im September verabschiedeten EKD-Klimaschutzrichtlinie scheint mir Ausdruck mangelnder Objektivität und fehlender politischer Neutralität zu sein. Es ist ethisch problematisch, verschiedene globale Bedrohungen gegeneinander auszuspielen bzw. in ein Ranking zu bringen.

Es ist durchaus richtig, ja geboten, dass die Kirche die Sorgen und Ängste, die viele vor allem junge Menschen im Blick auf die erwarteten Auswirkungen der Klimaveränderungen umtreiben, anhört, ernstnimmt und in verschiedener Weise aufnimmt. Doch wie die EKD jüngst mit der Thematik umgegangen ist, ist nicht nur wenig hilfreich, sondern sogar schädlich. Ob es angemessen ist, dass angesichts der drängenden eigenen Probleme im Blick auf die Zukunft des kirchlichen Lebens dem Thema „Klima“ auf der EKD-Synode eine derartige Priorität eingeräumt wurde, sei einmal dahingestellt. In jedem Fall darf man von der Kirche zu großen gesellschaftspolitischen Themen Stellungnahmen und Impulse erwarten, die vom biblischen Menschen- und Weltverständnis her die großen Linien aufzeigen und bei aller menschlichen Verantwortung auch Zuversicht aus dem Vertrauen auf Gottes Weltregierung vermitteln. Dass das kirchliche Reden von Gottes Treue zu seiner Welt, die alle weltpolitischen Krisen nicht aus-, sondern einschließt, nicht als Plattheit, Vertröstung oder gar Stütze menschlicher Bequemlichkeit missverstanden wird, ist dann die Verantwortung ausgewogener Formulierungen. Aber stattdessen hat sich die EKD von der apokalyptischen Stimmung der Klimaaktivisten vereinnahmen lassen und ist in konkrete Handlungsempfehlungen abgeirrt, die bei einem solchen Thema den politischen Akteuren vorbehalten sein sollte. Wenn man schon extreme Klimaaktivisten wie Vertreter der „Letzten Generation“ einlädt, wozu die Kirche grundsätzlich durchaus die Freiheit hat, dann muss man sich vorher darüber im Klaren sein, welchem Erwartungs- und Handlungsdruck man sich damit aussetzt.

Wo bleibt die vielgerühmte evangelische Freiheit?

Das Ergebnis ist jedoch mehr als unglücklich und widerspricht evangelischer Freiheit.

Die Empfehlung einer freiwilligen Selbstverpflichtung zu einem konkreten Tempolimit von 80 km/h auf Landstraßen und 100 km/h auf Autobahnen im Rahmen kirchlichen Fahrten ist gewiss gut gemeint und möchte Ausdruck dessen sein, dass die Kirche ihren Teil an Schöpfungsverantwortung übernimmt. Doch abgesehen davon, dass man beim Befolgen dieser Regel unter Umständen zu einem gefährlichen Verkehrshindernis werden kann, muss man die konkrete Vorgabe theologisch gesehen als Ausdruck von Gesetzlichkeit verstehen, die evangelischer Freiheit widerspricht. Nicht einmal beim Kern religiösen Lebens und christlicher Spiritualität macht die EKD den Gläubigen Vorgaben – nach dem Motto „Bitte verpflichten Sie sich freiwillig, Ihre persönliche Andacht nicht unter 30 Minuten abzuhalten.“ Schon die Reformatoren hatten starke Bedenken gegen jegliche Art von Selbstverpflichtungen – damals sprach man von Gelübden – im Blick auf die praktische Lebensführung geäußert. Mit gutem Grund treten wir darum für eine evangelische Freiheit bei der konkreten Ausgestaltung christlicher Ethik ein.

Evangelische Freiheit meint im Zusammenhang des Klimaschutzes nicht, jederzeit und überall so schnell fahren zu können, wie man will. Aber es bedeutet, dass Christen, die sich ohnehin mit ganz unterschiedlichen Verkehrsmitteln und in völlig unterschiedlichem Maße fortbewegen, in eigener Verantwortung zur Reduzierung von Treibhausgas-Emissionen beitragen und nicht im Rahmen von Vorgaben kirchlicher Verordnungen. In dieser Hinsicht enthält die EKD-Klimaschutzrichtlinie noch weitere bedenkliche Engführungen. Die Kirche täte gut daran, auf den allseits zu spürenden Druck, den Gefährdungen unserer Lebensbedingungen durch den Klimawandel dringend einschneidende Maßnahmen entgegenzusetzen, nicht in den Schienen politischer Denkweisen zu reagieren, sondern anstelle von Aktivismus und Regelungswahn die Quellen geistlicher Zuversicht und Hoffnung zu thematisieren.

Pressemitteilung des ABC-Bayern vom 28.11.2022