- Gemeindenetzwerk - https://www.gemeindenetzwerk.de -

Stellungnahme gegen die Frauenordination – Die Ordination von Frauen zum Amt der Kirche

Der Theologieprofessor Prof. Dr. Reinhard Slenczka ist am 4. November in die Ewigkeit eingegangen. Wir dokumentieren hier seine Stellungnahme gegen die Frauenordination, die er im Jahr 1991 vor der Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe gehalten hat:

Verehrte, liebe Schwestern und Brüder, Sie stehen heute vor der Entscheidung, ob der sogenannte „Pastorinnenvorbehalt“ im Pfarrergesetz der VELKD von 1976 aufgehoben werden soll, nach dem gilt: „Die Bestimmungen des Artikels I, soweit sie die Rechtsstellung der Pfarrerin betreffen, sind in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe erst von dem Zeitpunkt an anzuwenden, der von dieser Gliedkirche bestimmt wird.“

Nach Lage der Dinge entscheiden Sie nicht über die Frauenordination, die in allen anderen Gliedkirchen und gliedkirchlichen Vereinigungen der EKD eingeführt ist. Sie entscheiden vielmehr darüber, ob eine der beiden letzten Ausnahmeregelungen außer Kraft gesetzt werden soll, mit denen die Gewissensüberzeugung von solchen Gliedern und Amtsträgern – Theologen und Theologinnen – evangelischer Gemeinden geschützt werden, die zu der Einsicht kommen, dass eine Ordination von Frauen zum gemeindeleitenden Amt der Kirche mit der Heiligen Schrift und dem Bekenntnis der Kirche nicht vereinbar ist. Dies ist auch meine Überzeugung, und aus diesem Grund haben Sie mich eingeladen, diesen Standpunkt hier zu vertreten.

Die Situation für die Beratungen und Entscheidungen ist nicht leicht. Wir wissen und erfahren alle, gleich, wo wir stehen, was der Beifall oder der Druck der Öffentlichkeit dabei bewirken kann. Wir wissen auch, in welchem Maße dabei persönliche Interessen in Sympathie und Antipathie ins Spiel zu kommen pflegen und dazu Emotionen mancher Art.

Die Standpunkte werden allen bekannt sein; die Argumente sind so oft wiederholt, mündlich und schriftlich, dass sie abgenützt sind und vielleicht schon überhaupt nicht mehr wahrgenommen werden; und alles läuft dann lediglich auf das Zahlenverhältnis von Ja und Nein in der Abstimmung hinaus, Sieg oder Niederlage.

Angesichts dieser Situation möchte ich meinen Beitrag ganz auf einen Punkt konzentrieren, der mir der wichtigste scheint, obwohl er in den jahrelangen Auseinandersetzungen viel zu wenig, wenn überhaupt, beachtet worden ist. Ich meine das an Gottes Wort gebundene und vor ihm verantwortliche Gewissen, mit dem und für das wir zu entscheiden haben. Meine Ausführungen gliedere ich unter drei Punkte:

  1. Gewissensentscheidung und Gewissensschutz,
  2. Das Wort des Herrn,
  3. Die Gleichheit der Rechte und die Vielfalt der Gaben, dann noch
  4. eine abschließende zusammenfassende Bemerkung.

1. Gewissensentscheidung und Gewissensschutz

1. Timotheus 1,5 lesen wir: „Die Hauptsumme aller Unterweisung aber ist Liebe aus reinem Herzen, aus gutem Gewissen und aus ungefärbtem Glauben.“ Herz, Gewissen und Glaube stehen hier gleichbedeutend nebeneinander und drücken das aus, was das Fühlen, Denken und Handeln eines Christen bestimmt. Das ist umfasst von der Lehre, Unterweisung oder Verkündigung (parangelia), die aus der Liebe Gottes in Jesus Christus kommt, durch die wir erneuert und vollendet werden. Nach dem Textzusammenhang richtet sich dieser den Timotheusbrief einleitende Hinweis auf Konflikte und Streitigkeiten, die in der Gemeinde um Lehre und Lebensführung aufgebrochen sind. Im Weiteren und neben vielem anderen gehört dazu auch ein Streit um das öffentliche Lehren von Frauen. Die rechte Schriftauslegung wird ausdrücklich als Streitpunkt erwähnt. (Verse 6 und 7: „… wollen der Schrift Meister sein und verstehen selber nicht, was sie sagen oder so kühnlich behaupten“).

Gewissen ist für uns als Christen die Bindung an das Wort Gottes. Dazu gehört jener Vorgang von Anklage und Verteidigung der Gedanken, wie er sich nach Römer 2,14 ff im Herzen eines jeden Menschen vollzieht und, worauf dort ausdrücklich hingewiesen wird, auf den Tag des göttlichen Endgerichts verweist, „an dem Gott das Verborgene der Menschen durch Christus Jesus richten wird, wie es mein Evangelium bezeugt.“ (Römer 2,16).

Ein Beispiel für die Bedeutung des Gewissens bei Richtungsstreitigkeiten in der Gemeinde haben wir in Römer 14 und 1. Korinther 8 bei dem Streit zwischen Starken und Schwachen um den Genuss von Fleisch aus dem heidnischen Kultbereich. Wir wissen alle, dass dieses Beispiel von den Starken und Schwachen sehr unterschiedlich geltend gemacht oder sogar ausgenutzt werden kann, indem dann die Starken die Schwachen ebenso majorisieren können wie umgekehrt die Schwachen die Starken. Doch was im menschlichen Meinungsstreit Sieg und Niederlage sein mag, wird vom Apostel hingelenkt auf die Frage, wie kann ich mit dem, was ich tue, vor dem Herrn Jesus Christus bestehen, der für mich gestorben ist und durch den ich ewiges Leben empfangen soll. Die Gewissensentscheidung betrifft, wie der Apostel schreibt, die Tatsache, dass „jeder von uns für sich selbst Gott Rechenschaft geben“ muss (Vers 12).

Der Gewissensschutz für den anderen aber zielt darauf, dass er nicht gezwungen wird, etwas zu tun, was er vor Gott und seinem Wort nicht verantworten kann: „Wenn aber dein Bruder wegen deiner Speise betrübt wird, so handelst du nicht mehr nach der Liebe. Bringe nicht durch deine Speise den ins Verderben, für den Christus gestorben ist.“

Hier liegt der Kernpunkt der anstehenden Entscheidung mit der möglichen Konsequenz, dass Glieder der Gemeinde, nicht nur Amtsträger, etwas zu tun veranlasst oder gar gezwungen werden, was sie vor Gottes Wort, der Heiligen Schrift, nicht verantworten können und was deshalb Sünde ist, weil es mit schlechtem Gewissen geschieht in der Unsicherheit, ob es nach Gottes Wort und vor seinem Gericht verantwortbar ist.

Ich will das nun im Blick auf die Entscheidungssituation verdeutlichen: Ich hatte eingangs gesagt, dass eine der beiden letzten Ausnahmeregelungen außer Kraft gesetzt werden soll. Die andere neben dem „Pastorinnenvorbehalt für Schaumburg-Lippe“ ist der sogenannte „Gewissensparagraph“ in der „Pfarrstellenbesetzungsordnung“ der bayerischen Landeskirche vom 20.04.1980, der, wenn ich recht sehe, also erst fünf Jahre nach der Einführung der Frauenordination mit dem Bischofswechsel im November 1975 in Geltung getreten ist. Dort heißt es: „Der Landeskirchenrat muss die Ausschreibung auf Pfarrer, Pfarrverwalter oder Pfarramtskandidaten beschränken, wenn bei der Stellenbesetzungsbesprechung ein zum Dienst in der betreffenden Kirchengemeinde berufener Pfarrer oder Pfarrverwalter, der vor dem 1. Juli 1989 zum Dienst in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern ordiniert wurde, es verlangt.“ (§ 4,4)

Die Forderung, diesen sogenannten „Vetoparagraphen“ abzuschaffen, der lediglich als Kompromiss akzeptiert worden war, ist seit langem auf dem Tisch, doch noch nicht entschieden. Das Zitat aus einer neuen Veröffentlichung mag die Situation illustrieren: „Aus der damaligen Sicht war für mich dieser Vetoparagraph als Kompromiss notwendig, um das friedliche Miteinander von Befürwortern und Gegnern der Frauenordination zu gewährleisten. Manche Kollegen waren im Amt, die unter anderen Bedingungen angetreten waren und sich mit der Neuerung nicht abfinden konnten. Für sie war es eine belastende Gewissensfrage.

Ob das heute noch so gesehen werden kann, ist mir die Frage. Seit November 1975 weiß jeder männliche Kollege, der sich in der bayerischen Landeskirche ordinieren lässt, dass in dieser Kirche Berufskolleginnen arbeiten. Der Konvent der Evangelischen Theologinnen in Bayern hat meines Erachtens recht mit der Forderung, dass dieser Vetoparagraph abgeschafft werden muss.“

(Marianne Pflüger, Die Theologinnenfrage in Bayern. In: 100 Jahre Pfarrer­ und Pfarrerinnenverein in Bayern. Nürnberg 1991. 95.)

Es ist also absehbar, dass es innerhalb der EKD keinen Gewissensschutz mehr für solche gibt, die eine Ordination von Frauen zum gemeindeleitenden Amt nach Schrift und Bekenntnis nicht verantworten können.

Wer die Situation in den lutherischen Kirchen Skandinaviens kennt, hat vor Augen, was das bedeutet und welche Folgen das hat. In Schweden wurde die Frauenordination 1958 eingeführt, und zwar auf Forderung, ja sogar auf Druck der Regierung in zweimaligem Anlauf. Die Konsequenz war, dass für die Zulassung zur Ordination eine Erklärung der Bereitschaft verlangt wurde, mit ordinierten Frauen zusammenzuarbeiten. Angesichts der fortdauernden Konflikte, durch die die Einheit der Kirche gefährdet wurde, wurden am 1.12.1978 „Regeln für die Zusammenarbeit innerhalb der Kirche von Schweden zwischen Vertretern verschiedener Auffassungen in der Frage nach der Zulassung der Frau zum geistlichen Amt“ ausgearbeitet, und bis heute läuft die Diskussion, „wie man in ein und derselben Kirche unter ein und demselben Bekenntnis mit unterschiedlichen Urteilen des Gewissens in der Ordinationsfrage geistlich und praktisch weiter Zusammenleben kann“. (Das geistliche Amt in der Kirche, Paderborn/Frankfurt 1982, S. 103). Diese Frage ist bis heute nicht beantwortet, und dies hat dazu geführt, dass man bei gegenteiliger Einstellung nicht für das Bischofsamt, unter Umständen auch nicht für eine Ordination in Frage kommt. Die Anerkennung der Frauenordination ist also zu einer Bedingung für die Amtsübertragung geworden. Eine Folge ist die Gründung einer freien Synode 1983.

In Norwegen gibt es einen Gewissensschutz für Bischöfe, die Frauen nicht ordinieren wollen (was auf zwei der elf Bischöfe zutrifft), sowie für Pfarrer, die eine Konzelebration „in sacris“ ablehnen. In Finnland, wo vor drei Jahren die Entscheidung gefällt wurde, gibt es meines Wissens keine schriftliche Fixierung des Gewissensschutzes, wohl aber eine praktische Respektierung. Doch es ist absehbar, dass sich ähnliche Zwangs Situationen ergeben werden.

Bei uns zulande geht es in den laufenden Erwägungen überhaupt nicht mehr darum, wie man einen solchen Gewissensschutz erhält, sondern dass man ihn bis ins letzte beseitigt.

Doch gerade deshalb werden wir sehen und bedenken müssen, dass es dabei keineswegs nur um das Verhältnis von Mann und Frau in der Kirche geht, sondern dass alle Glieder der Gemeinde davon betroffen sein können:

Dies betrifft die Gemeinden, in denen Frauen amtieren sollen und Bedenken dagegen auftreten.

Es betrifft Amtsträger der Gemeinde, die Frauen ordinieren und mit ordinierten Frauen zusammenarbeiten sollen.

Bei Kandidaten für das Bischofsamt taucht unvermeidlich die Frage nach der Frauenordination als Ausscheidungskriterium auf.

Es betrifft Bewerber für die Vikarsausbildung. denen vom Ausbildungsreferenten erklärt wird, dass schriftbegründete Gewissensbedenken gegen eine Zusammenarbeit mit ordinierten Frauen ihre Ausbildung und Anstellung in der betreffenden Landeskirche unmöglich machen. Es betrifft aber, was leicht völ­lig übersehen wird, auch Frauen mit theologischer Ausbildung, die, wenn sie nach ihrer Einsicht nicht ordiniert werden wollen, nur auf dem Weg der Ordination eine kirchliche Anstellung finden.

D.h. wir stehen in der EKD heute unter einem Zwang zur Anerkennung der Frauenordination. Wer das aber mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, hat nicht einmal mehr die Möglichkeit, die Landeskirche zu wechseln, er kommt für kirchliche Ämter – sei er nun Mann oder Frau – nicht mehr in Frage, und das ganze Thema ist überhaupt nicht mehr verhandlungsfähig.

Dennoch gilt, „wider das Gewissen zu handeln ist beschwerlich, unheilsam und gefährlich“ (Luther auf dem Reichstag zu Worms 1521. WA 7,87 4f), und andere dazu zu zwingen, ihnen Anstoß oder Ärgernis zu geben (Römer 14,13), berührt zutiefst die Gemeinschaft im Glauben in der Verantwortung vor dem Herrn, seinem Wort und seinem Gericht.

Für die Gewissensentscheidung wie für den Gewissensschutz wird dies in Römer 14,23 mit aller Klarheit so zusammengefasst: „Wer aber dabei zweifelt und isset doch, der ist gerichtet, denn es geht nicht aus dem Glauben. Was aber nicht aus dem Glauben geht, das ist Sünde.“

2. Das Wort des Herrn nach der Heiligen Schrift

Die in Römer 14 und 1. Korinther 8 verhandelte Frage, ob man als Christ Fleisch oder Gemüse isst, mag geringfügig erscheinen. Es geht nicht einmal um eine Weisung, die auf den Herrn zurückzuführen wäre. Dennoch wird sie vom Apostel Paulus mit erstaunlichem Nachdruck mit dem verbunden, was heilsentscheidend ist, weil es den Glauben betrifft, mit dem ein Christ im endgültigen Sinne steht und fällt. Um diesen letzten Ernst geht bei der Gewissensentscheidung und beim Gewissensschutz.

Wir werden daher nun in dem zweiten Schritt – von vielen weiteren Begründungen absehend – uns ganz auf das Wort der Schrift konzentrieren, an das der Glaube gebunden, von dem er auch getragen ist, nach dem er gerichtet wird.

Dazu ist in unserer Situation folgendes zu berücksichtigen: Man kann natürlich und wird vermutlich mit Mehrheitsentscheidungen die Frauenordination durchsetzen und ihre Anerkennung auf dem Wege kirchlicher Gesetzgebung erzwingen. Man kann aber weder den Wortlaut noch die Wirkung des Wortes Gottes, der Heiligen Schrift, ändern oder außer Kraft setzen. Und das ist die eigenartige Beobachtung in den skandinavischen Kirchen, aber auch bei uns, dass beruhigte Gewissen unerwartet wieder unruhig werden durch das Wort der Schrift. Ich zitiere aus einem schwedischen Bericht: „Die Behörden, kirchliche wie weltliche, sind davon beunruhigt, dass die Überzeugung, dass Pastorinnen mit dem Neuen Testament unvereinbar sind, nicht von selbst ausstirbt, sondern in jeder neuen Generation immer wieder Anhänger findet. Man spricht von der ‚Pastorinnenfrage‘ und meint darunter zwei ganz verschiedene Probleme. Erstens: ‚Wie lebt man mit solchen Auseinandersetzungen doch in einer Kirche zusammen weiter?‘ Zweitens: ‚Wie kann der Widerstand zum Aufhören gebracht werden?‘ (Svenska kyrkans fria Synod. Die Freie Synode der schwedischen Kirche, 1986. 13).“

Dass die Gewissen durch das Wort Gottes unruhig werden, erleben wir auch unter den Theologiestudenten, und zwar, das möchte ich nachdrücklich betonen, bei männlichen ebenso wie bei weiblichen. Wir erleben das auch in der Gemeinde; wir erleben es auch bei solchen, die bereits ordiniert sind und die dann unter Umständen gerade durch das Wort Gottes in Anfechtung geraten, von dem sie in ihrem Dienst doch getragen werden sollten.

Warum das so ist und immer bleiben wird, will ich an der Hauptstelle 1. Korinther 14, 33 bis 40 in Verbindung mit 1. Timotheus 2, 9 bis 15 zeigen. Hier haben wir das unbedingte Nein zum Reden bzw. zum Lehren durch Frauen in der Gemeindeversammlung. Dieses Nein wird in eine Situation hinein gesprochen, in der das geschieht. Dreifach wird dieses Nein mit dem schwersten Gewicht geistlicher Autorität begründet:

Beiläufig, doch nicht ohne Absicht sei auf einen anderen die ökumenische Verständigung störenden Sachverhalt hingewiesen: Die Sakramentsverwaltung durch Nichtordinierte während der 2. Ausbildungsphase.

Jürgen Roloff hat in seinem neuen Kommentar zum 1. Timotheusbrief sicher recht, wenn er dazu feststellt: „Die meisten vorliegenden Deutungsversuche verfolgen das Ziel, das Ärgernis dieser Aussage aus der Welt zu schaffen.“ (140)

Wer geistlich im Vertrauen auf das Heilsame des Wortes Gottes liest, hört und urteilt, der wird jedoch folgendes nicht übersehen können: Die Unterordnung, von der an diesen Stellen die Rede ist, wird umschlossen und bestimmt durch Person und Werk Jesu Christi. Deshalb gilt prinzipiell für die Gemeinschaft in Christus unter den Christen: „Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi“ (Epheser 5,21). Das in Christus begründete und anschauliche Wesen dieser Unterordnung aber besteht eindeutig in der Hingabe Christi für die Gemeinde (Epheser 5,25) und in dem Gehorsam des Sohnes Gottes gegenüber dem Vater (1. Korinther 11,3). Dieses Verhältnis anders in Verteidigung oder Protest zu sehen, wäre unchristlich, sofern dann das Verhältnis von Mann und Frau ohne Christus gesehen würde. Es ist die Entscheidung, ob wir von Christus her denken oder nach der unaufhebbaren Polarisierung von Mann und Frau.

Ähnlich verhält es sich mit dem Hinweis für die Frau auf ihren spezifischen Beruf: „Sie wird aber selig werden dadurch, dass sie Kinder zur Welt bringt, wenn sie bleiben mit Besonnenheit im Glauben und in der Liebe und in der Heiligung.“ (1. Timotheus 2,15). Hören wir eigentlich bei allem verständlichen und spontanen Widerspruch aus unserer Erfahrung, wie hier gegenüber der Straflast für die Frau nach dem Fall (Genesis 3,16) ihre Mitwirkung an der Zueignung des Heils zur Sprache gebracht wird? Und in den Pastoralbriefen, die uns die Gemeinde mit ihrer Verwurzelung in Haus und Familie vorführt, finden sich direkte Hinweise auf das, was man als Apostolat und als eine apostolische Sukzession der Frauen in der Glaubensüberlieferung und -Unterweisung bezeichnen kann. So erinnert Paulus den Timotheus an den „ungefärbten Glauben in dir, der zuvor schon gewohnt hat in deiner Großmutter Lois und in deiner Mutter Eunike; ich bin aber gewiss, auch in dir.“ (2. Timotheus 1,5). Die meisten von uns werden ihre erste Glaubensunterweisung diesem mütterlichen Apostolat verdanken, und wer wüsste nicht, was geschieht, wenn dies versäumt wird7

Die Ausleger erinnern daran, dass diese und ähnliche Hinweise sich gegen eine Ablehnung und Vernachlässigung von Ehe und Familie richten, wie sie z.B. von der Gnosis in jener Zeit vertreten worden ist.

Die Gemeinde in Korinth, die den Konsens mit den anderen Kirchen durchbricht und dem Wort Gottes widerspricht, wird gefragt: „Oder ist das Wort Gottes von euch ausgegangen? Oder ist’s allein zu euch gekommen?“ Die Gemeinde muss sich also fragen, ob sie hier nicht eigenes Wort an die Stelle von Gottes Wort setzt.

– 3. Damit kommen wir zu dem dritten Grund, mit dem jedem geistlichen Anspruch, der nicht mit dem Konsens der Gemeinden/Kirchen und dem Wort Gottes Ubereinstimmt, entgegengehalten wird, „dass es des Herrn Gebot ist, was ich euch schreibe. Wer aber das nicht anerkennt, der wird nicht anerkannt.“ (Vers 37 bis 38). Diese Berufung auf das Gebot des Herrn schließt alles ein, was vorher zur Ordnung in der Gemeinde gesagt worden ist, also auch das Schweigegebot.

Eine solche Berufung auf Wort und Weisung des Herrn findet sich bei Paulus mehrfach und dann jedes Mal an ganz entscheidenden Stellen: 1. Korinther 7, 10/12 beim Verbot der Ehescheidung und der Wiederheirat Geschiedener. Wir wissen, wie leicht das bei uns übergangen wird: 1. Korinther 9,14 bei dem Hinweis, dass die Verkündiger des Evangeliums auch aus dem Evangelium, d.h. von dem Unterhalt der Gemeinde leben sollen und dürfen. 1. Korinther 11,23 im Blick auf die Einsetzung des Herrnmahls, wo es zur Privatveranstaltung von Gruppen gemacht wird. 1. Korinther 15,3, vgl. Galater 1,12 für Inhalt und Auftrag der Evangeliumsverkündigung sowie 1. Thessalonicher 4,15 für die Wiederkunft Christi und die Auferstehung der Toten.

Bei allen Argumenten, die es sonst noch gibt, ist mit Wort und Weisung des Herrn die höchste Stufe der Verbindlichkeit erreicht, und für den Apostel ergibt sich daraus: „Wer aber das nicht anerkennt, der wird nicht anerkannt“, wobei sowohl die kirchliche Gemeinschaft gemeint sein kann wie auch die Anerkennung oder Verwerfung im Endgericht durch Jesus Christus selbst.

Ob wir das wollen oder nicht, nach dem Wortlaut des Textes geht es hier um das, was im letzten Sinne heilsentscheidend ist. Demnach ist die Frauenordination nicht eine bloße Frage kirchlicher Ordnung oder geschichtlicher Sitte, sondern für den Apostel geht es hier um die Gemeinschaft der Kirchen und ihren Gehorsam gegenüber dem Wort des Herrn.

Damit stehen wir an dem Punkt, der inhaltlich vom Wort Gottes her die Gewissensentscheidung in der Frage der Frauenordination ausmacht. Und die christliche Gemeinde hat dies weltweit und bis auf unsere Zeit in allen Kirchen stets so verstanden und sich entsprechend verhalten.

Wer anders entscheidet, muss nicht nur für sich, sondern auch für die Glieder der Gemeinde dieser dreifachen Begründung durch den ökumenischen Konsens, durch das Gesetz Gottes und mit dem Wort und der Weisung des Herrn ausweichen und sich entziehen. Dies geschieht, was ich nicht weiter auszuführen brauche, mit der Behauptung, es handele sich um einen späteren Einschub von 1. Timotheus 2 oder um eine Weisung, die an die geschichtlichen und gesell­schaftlichen Zustände jener Zeit gebunden und darauf begrenzt ist.

Auch und vermutlich gerade ein Nichttheologe wird merken, wie auf diese Weise alles ins Gleiten kommt, wenn wir uns dann zunehmend und schließlich ganz den Forderungen der Zeit und der jeweils herrschenden Meinung für Lehre und Ordnung der Kirche anschließen, so wie das tatsächlich in manchen anderen Fällen, die ich lieber nicht erwähnen möchte, bereits auch durch Synodalbeschlüsse geschieht. Die Gemeinde macht sich zum Herrn über das Wort des Herrn. Ich verbinde damit noch einen bedenkenswerten Hinweis: In der Geschichte der Kirche hat es immer wieder Situationen gegeben, in denen Frauen den Dienst von Männern übernehmen mussten, weil Männer fehlten. So hat auch der Bruderrat der Bekennenden Kirche der Altpreußischen Union im Kriegsjahr 1942 zwei entsprechende Beschlüsse gefasst über „Den Dienst der Vikarin“ und „Die Verkündigung des Evangeliums durch Frauen“ (In: W. Niesei (Hg), Um Verkündigung und Ordnung der Kirche. Die Bekenntnissynoden der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union 193*4-1943. Bielefeld 1949. S. 91 f). Beide Beschlüsse dienten zur Überwindung der Vakanznot und zur pastoralen Versorgung verwaister Gemeinden. Dabei wurde eine klare Abgrenzung der Aufgaben auf diesen Notfall vorgenommen; es wurde aber nicht die Konsequenz einer generellen Frauenordination daraus gezogen.

Bei der Durchsetzung der Frauenordination seit den sechziger Jahren hingegen ging es niemals um das Bedürfnis und die Versorgung der Gemeinden, zumal sich die sog. „Theologenschwemme“ bereits abzeichnete. Maßgeblich wurden vielmehr Forderungen und Zielvorstellungen, die außerhalb der Kirche ihren Ursprung haben.

Für diejenigen aber, die eine Ordination von Frauen zum gemeindeleitenden Amt ablehnen, die dann auch nicht bereit sein werden, diesen Dienst anzuerkennen und anzunehmen, die auch nicht bereit sind, Frauen zu ordinieren oder mit ordinierten Frauen zusammenzuarbeiten, ja auch die theologisch gebildeten Frauen, die sich nicht ordinieren lassen wollen, geht es hier um eine echte Glaubens- und Gewissensentscheidung, die so oder so kirchentrennend sein muss und bleiben wird.

Wer für die Frauenordination entscheidet, entscheidet also gegen den Konsens der Kirchen, gegen das Gesetz Gottes und gegen das Wort des Herrn. Er entscheidet zugleich gegen solche Glieder der Gemeinde, die sich an dieses Wort gebunden wissen. Sie werden entweder zum Verzicht auf die Ordination gezwungen, möglicherweise, wie es auch schon geschehen ist, zur Konversion, möglicherweise aber auch zu einem Kompromiss mit schlechtem Gewissen. Es ist schlimm, wenn man dann von kirchlichen Amtsträgern, die mit der Ordination beauftragt sind, hört, dass man unsicher ist im Blick auf die Schriftgrundlage für eine Frauenordination, während doch in der Erfahrung gute Arbeit ordinierter Frauen zu beobachten sei. Denn damit wird die Schriftgrundlage durch das Erfolgsprinzip ersetzt, wodurch die Übertretung sämtlicher Gebote legitimiert werden kann. Ebenso ist es eine schlimme Erscheinung, wenn zwar die förmliche Zustimmung zur Ordination von Frauen gegeben, aber diese dann nicht selbst vollzogen wird. Denn so geschieht genau das, wovon der Apostel sagt: „Was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde.“ (Römer 14,23)

3. Die Gleichheit der Rechte und die Vielfalt der Gaben

Das Amt, von dem wir sprechen, heißt im Lateinischen „ministerium“, im Griechischen „diakonia“, und das bedeutet Dienst. Der es ausführt, bezeichnet sich wie der Apostel Paulus als „doulos“, d.i. Knecht, ja Sklave (z.B. Römer 1,1) oder auch als Gefangener, der von Christus im Triumphzug herumgeführt wird, ja auch als Opfer. (Philipper 2,17, vgl. 2. Korinther 2,14 ff). Das sollten wir uns alle in Erinnerung rufen, wo die Rede umgeht von den „Rechten des geistlichen Standes“, die entweder zu verteidigen oder zu erkämpfen sind. Es könnte sein, dass sich bei Männern und Frauen ein Amtsverständnis eingeschlichen hat, in dem dieser biblische Sachverhalt völlig vergessen ist und durch Rangordnung, Gehaltsstufen u. ä. ersetzt wurde. Denn geistlichen oder auch priesterlichen Standes sind wir durch die Taufe alle (vgl. l. Petrus 2,9), und so sind wir, wie es in Galater 3,28 heißt, ohne Unterschied von Rasse, sozialer Stellung und Geschlecht „Einer in Christus Jesus“, und zwar gerade in aller Verschiedenheit. Das Amt der öffentlichen Verkündigung und Verwaltung der Sakramente aber ist, wie es Luther mehrfach gesagt hat, ein „Dienst an Priestern“. Dies ist die unbestreitbare Gleichheit der Rechte im priesterlichen Stand, der durch die Taufe begründet ist.

Wenn wir nun einen Blick auf die Vielfalt der Gaben werfen, dann kommt zu dem eindeutigen Nein ein, wie ich hoffe, verheißungsvolles Ja. Ich zitiere dazu den dänischen Theologen Regin Prenter, der sich vor Jahren ähnlich wie Peter Brunner und Hermann Dietzfelbinger geäußert und entsprechende Vorschläge gemacht hat: „Deshalb muss auch hervorgehoben werden, dass ein Nein zur Frauenordination heute eigentlich nur dann Kraft hat, wenn es mit einem Ja zur Erneuerung des verlorenen Dienstes der Frauen in der Gemeinde verbunden ist.“ (Die Ordination der Frauen zu dem überlieferten Pfarramt der lutherischen Kirche (=Luthertum H.28) Berlin-Hamburg 1967, S. 17).

Ich beschränke mich auf ein paar Hinweise, da dieses Thema sicher nicht Gegenstand der Verhandlungen bei dieser Synodaltagung sein kann. Ich meine aber, es geht hier um eine wichtige Angelegenheit, die keineswegs nur weibliche, sondern auch männliche Dienste in der Gemeinde betrifft in ihrer Vielfalt und Notwendigkeit, wo sich bei uns weithin ein Monopol des gemeindeleitenden Amtes auf Kosten anderer Dienste herausgebildet hat. Das ist zweifellos auch bedingt durch mangelnde Anerkennung und geringere Bezahlung. Darunter leiden auch die Ehrenämter.

Indem ich davon ausgehe, dass die kirchliche Rang- und Gehaltsordnung in keiner Weise an Schrift und Bekenntnis gebunden oder davon gedeckt ist, stelle ich nur ein paar Fragen für weitere Überlegungen und – hoffentlich – spätere j Entscheidungen: Was ist eigentlich in unserer Zeit aus dem männlichen und weiblichen Diakonat geworden? Gibt es nicht auch eine ganze Anzahl von männlichen Theologiestudenten, die nach ihren Gaben, Fähigkeiten und Interessen für ganz andere Aufgaben auch im kirchlichen Bereich besser geeignet sind als für das Pfarramt? Wo gibt es in der Kirche Aufgaben, für die in besonderer Weise, vielleicht sogar ausschließlich und unersetzlich, theologisch gebildete Frauen geeignet sind, auch ohne, dass sie zum gemeindeleitenden Amt ordiniert werden müssen? Bis jetzt gibt es, soweit ich sehe, dafür zwar durchaus Möglichkeiten, aber keine entsprechenden Wege für Ausbildung und Einstellung. Gibt es nicht unter Umständen auch Anstellungsmöglichkeiten, die besser für eine Teilzeitbeschäftigung geeignet sind, die doch dem Pfarramt völlig widerspricht, wenn es den Totaleinsatz eines Menschen fordert?

Praktische Vorschläge als Anregung für weitere Überlegungen sind von Peter Brunner (Das Hirtenamt und die Frau (1959) In: Ders., Pro Ecclesia. Gesammelte Aufsätze zur dogmatischen Theologie. Bd. 1. Fürth 1990. 310-338) und Hermann Dietzfelbinger (Mündige Welt. Mündige Gemeinde. Mündiger Christ. Wachstumsprobleme in der evangelisch-lutherischen Kirche. München 1966. 58 ff) gemacht worden. Neuerdings wurde 1989 vom Ökumenischen Patriarchat der Orthodoxen Kirche ein Dokument veröffentlicht: „Die Stellung der Frau in der Orthodoxen Kirche und die Frage der Ordination der Frauen“, in dem ebenfalls zu dem eindeutigen schriftbegründeten Nein konkrete Vorschläge für eine „vollere Beteiligung der Frauen am Leben der Kirche“ und für Aufgaben theologisch gebildeter Frauen gemacht worden sind (deutsche Übersetzung in: Homiletisch-Liturgisches Korrespondenzblatt – Neue Folge. 8. Jg. 1990/91, Nr. 32, 496-507)

Es ist sehr bedauerlich, dass solche Vorschläge nicht einmal Gehör finden. Stattdessen wird die Monopolstellung des gemeindeleitenden Pfarramtes auf Kosten anderer Dienste und unter Vernachlässigung vieler Gaben und Aufgaben zunehmend verstärkt, mindestens was den Gang theologischer Ausbildung betrifft. Hier müsste nachgedacht und gestaltet, nicht nur gefordert und zugestimmt werden.

4. Abschließende zusammenfassende Bemerkung

Sie stehen heute vor der für die gesamte VELKD und EKD und darüber hinaus für die Ökumene folgenreichen Entscheidung, dass die letzte Möglichkeit für einen Gewissensschutz in der Frage der Frauenordination beseitigt wird, und das betrifft in gleicher Weise Männer und Frauen, Amtsträger wie Gemeindeglieder.

Dies ist verbunden mit der vermutlich auch absehbar letzten Möglichkeit zur Erneuerung nicht nur eines spezifisch weiblichen Dienstes in der Kirche, sondern auch der Vielfalt der Dienste und Gaben von Männern und Frauen.

Schließlich, und dies alles zusammenfassend, geht es bei dieser Entscheidung darum, dass sich eine Kirche nicht unter Bruch der Gemeinschaft mit anderen Kirchen an anderen Orten und zu anderen Zeiten über das Wort Gottes und das ausdrückliche Gebot des Herrn stellen darf. Eine solche Entscheidung aber wendet sich gegen die Kirche selbst. Die Kirche zerfällt, wo sie sich nicht mehr an das Wort ihres Herrn hält, und sie geht unter in dem Würfelspiel (Epheser 4,14) menschlicher Meinungen und gesellschaftlicher Strömungen. Eine solche Entscheidung ist unwirksam, selbst wenn sie mit hundertprozentiger Zustimmung angenommen würde, denn das Wort Gottes können Sie im Wortlaut der Heiligen Schrift nicht ändern und in seiner Wirkung auf die Gewissen nicht aufheben.

Gott gebe Ihnen für Ihre Beratungen und Entscheidungen den Geist der Weisheit und des Verstandes, den er seiner Gemeinde in Jesus Christus verheißen hat. Er bewahre unsere Kirche davor, ihr eigenes Wort an die Stelle des Wortes Gottes zu setzen.

Prof. Dr. Reinhard Slenczka , Erlangen (1931-2022)

Quelle: idea-Dokumentation Nr. 28/91